#49
„Es ist eine unidentifizierte Lambda-Fähre, Sir. Sie reagiert nicht auf unsere Rufe.“
Die imposante, wenn auch kuriose Gestalt von Captain Veron Horington betrachtete die Sensoranzeige des zuständigen Brückenoffiziers. Das Shuttle war soeben aus dem Hyperraum gesprungen. Die übrigen Schiffe der 12. Flotte ließen den kleinen Transporter jedoch unbehelligt passieren, so dass er immer näher in Richtung des größten Schiffes heranflog.
„Seltsam. Rufen Sie die Zwölfte und bringen Sie verdammt nochmal in Erfahrung, wieso man dieses Schiff einfach durch unsere Reihen fliegen lässt.“
Der Sensoroffizier betätigte einige Knöpfe. Dann legte er seine Stirn in Falten. Er wiederholte die Bewegung noch einmal vollständig. Anschließend versuchte er eine andere Kombination. Schließlich erneut eine andere. Verwirrt blinzelte er ein paar Mal und schüttelte den Kopf.
„Sir, die Schiffe der Zwölften reagieren ebenfalls nicht. Niemand nimmt die Kom-Anfrage von uns an.“
Horington knurrte ungeduldig. Seine rechte Hand ballte sich zur Faust, bereit, dem Offizier vor ihm das Genick zu brechen. „Dann versuchen Sie es eben bei Donnovan und Haraam. Vielleicht…“

Plötzlich gleichmäßiges Klappern gepanzerter Einheiten auf den Korridoren. Weiße Schatten liefen nahezu im Gleichschritt lautstark um die letzte Biegung und bestiegen die wenigen Stufen zur Kommandobrücke. Blitzartig glitt die Türe vor ihnen auf. Horington fuhr herum. Die Abteilung Sturmtruppen preschte mit gezogenen Waffen hinein. Vor der Tür hatten die Wachen der Flotteninfanterie in Begleitung eines schwarz uniformierten Agenten des Geheimdienstes die Hände an ihren weiten Helm gelegt und knieten dort, die Waffen außer Reichweite auf dem Boden, und so ließen sie die weiß gepanzerten Schrecken unbehelligt in das Gehirn des Zerstörers vordringen. Binnen Sekunden hatten die Sturmtruppen Positionen eingenommen, um alle Teile der Brücke im Sichtbereich zu haben. Ungläubig zischte Horingtons Atemgerät, als der schwarz uniformierte Geheimdienstoffizier langsam mit hinter dem Rücken verschränkten Armen eintrat und betrachtete, wie die Sturmtruppen die überraschte Besatzung der Brücke des Zerstörers in Schach hielten.
„Was geht hier vor, Traggis? Verrat?“, knurrte die Maske des Captains dem Neuankömmling entgegen. Der blonde Offizier mit strengem Seitenscheitel verzog sein junges Gesicht jedoch zu einem dünnen Lächeln.
„In der Tat, Captain. Verrat.“
„Mir scheint, es ist also berechtigt, dass niemand dem Geheimdienst traut. Seien Sie nicht naiv. Das hier ist ein Supersternenzerstörer. Niemals kommen Sie mit diesen paar Soldaten hier lebend wieder raus und ich freue mich schon darauf, jedem Verräter persönlich die Haut abzuziehen.“
Der Geheimdienstoffizier schien kurz nachzudenken, ohne dass ihm das Lächeln aus dem Gesicht wich. „Interessanter Gedanke. Doch Sie missverstehen. Ich übernehme nur das Kommando hier. Aber nicht ich bin der Verräter.“
Die Maske des Kommandanten der Abaddon schien sich keinen Millimeter zu regen, doch der Agent war sich sicher, dass der Captain die Sturmtruppen sondierte. „Und doch stehen Sie hier mit einer bewaffneten Einheit auf meiner Brücke. Einem jämmerlichen Agenten wie Ihnen gäbe ich niemals die Befugnis, diese Brücke überhaupt zu betreten.“
„Ich denke, ich brauche Ihre Befugnis auch gar nicht. Ich habe weitaus mehr“, antwortete der Agent knapp, nahm seine Waffe aus dem Holster und betrachtete sie kurz mit beinahe penibler Neugier in seiner Hand. Dann hob er seinen Blick zu Horington an. Einen Augenblick später schoss er dem Captain der Abaddon in den Kopf. Wie ein Sack schlug der rote Viska knallhart auf dem Boden auf. Blastergeräusche aus zahlreichen E-11 überdeckten die überraschten Schreie der Brückencrew. Nach einigen Sekunden trat der Agent an das dampfende, zuckende Wrack des kommandierenden Offiziers, dessen mechanische Geräte noch gespenstisch knackten, drehte diesen mit der Fußspitze so herum, dass er auf dem Rücken lag und begutachtete die Monstrosität einen Moment lang mit zusammengekniffenen Brauen. Es wäre kaum möglich gewesen herauszufinden, wer wirklich in diese Verschwörung involviert gewesen war, darum waren etwaige Kollateralschäden naturgemäß unvermeidlich, wenn man die Verschwörung als Ganze sicher beseitigen wollte. So oder so war die Kommandobesatzung ohnehin gleichermaßen schuldig, wenn ihr entgangen oder gleichgültig gewesen war, was hier an Bord passierte. Ignoranz vor dem Verrat anderer war nicht weniger strafwürdig als der Verrat selbst.
„Starthangar sauber.“ „Reaktor sauber.“ „Antrieb sauber. Manuelle Abschaltung beginnt.“ – tönte es schließlich verzerrt aus dem Earset des Agenten. Bereits wenige Augenblicke später erklang das surrende Geräusch des Antriebs in einem immer dumpfer und leiser werdenden Ton ab, bis es komplett verschwunden war.
„Brücke sauber“, bestätigte der Agent daraufhin in sein Earset und wandte sich von der Leiche ab. Er beugte sich daraufhin über ein leicht angesengtes Display, vor dem gerade eben noch der Kopf des Überwachungsoffiziers gewesen war, tippte seinen weitreichenden Freigabecode ein und studierte die Aufnahmen der Bordkameras. Überall an den neuralen Punkten waren Abteilungen an Sturmtruppen in Begleitung von Geheimdienstoffizieren zu sehen. Die Bereiche leerten sich schnell. Im Starthangar driftete gerade die neu angekommene Lambda-Fähre mit rot gestreiften Flügeln durch das Abschirmfeld und landete in der Nähe des Turbolifts. Einige Personen stiegen aus, zu klein, um sie auf dem Monitor erkennen zu können. Dennoch begann der Agent zufrieden zu nicken, als die Turbolifttüre die Personen verschlang. „Lieutenant, an die Arbeit.“
„Sir.“
Einer der untergebenen Geheimdienstoffiziere in schwarz begann auf dem großen Hauptterminal auf der Brücke zu tippen. Er rief die Lebenserhaltung und künstliche Schwerkraft ab, bis er sie in der Reaktor- und Antriebssektion auf Null pegelte und alle Panzertüren verriegelte. Anschließend deaktivierte er die sichernden Abschirmfelder innerhalb des Starthangars. Der blonde Agent verfolgte über die Kameras, wie einige der kleineren technischen Geräte, die nirgends festgemacht waren, sofort ins All gezogen wurden. Die am Boden magnetisierten Fähren und ein einzelner an der Decke arretierter TIE-Raumjäger begannen unter dem Zug von draußen leicht zu wackeln, als der Lockruf des Vakuums an ihnen zerrte. Auf dem Schiff erklang sofort der dumpfe imperiale Alarm. Korridore wurden in rotes Licht getaucht. Wer auch immer an Bord jetzt für sich Anlass sah, das Schiff zu verlassen, würde mit Öffnen der Hangartüre schlichtweg in die gnadenlose Kälte des Alls gerissen werden. Nur zwei Sorten von Personen kamen dafür in Betracht: Feiglinge und Verschwörer. Beide verdienten ihr Schicksal. Der Geheimdienstoffizier gestattete sich ein weiteres Nicken.
„Achtung an alle Stationen: Hüllenbruch auf Ebene TFA-15“, log der Agent eiskalt, nachdem er den Knopf für den Schiffslautsprecher betätigt hatte. „Alle Mann auf Ihre Posten. Sämtliches Kommandopersonal sofort auf die Brücke.“
Das sollte genügen, um die Inquisitorin auf die Brücke zu bekommen. Wenn nicht, gab es… Alternativen. Der Agent wandte sich wieder von der Konsole ab und machte ein paar Schritte über den Kommandogangway, in dessen Gräben ein unidentifizierbarer Haufen rauchender grauer Uniformen lag. Ein weiteres Dutzend der weißen Soldaten stapfte lautstark in Formation über den Metallboden hinein durch die große Kommandotüre auf die Brücke, angeführt von drei schwarzgepanzerten Sturmtruppen, von denen der Ranghöchste mit Schulterklappe an den Agenten herantrat.
„Das Schiff ist vollständig abgeriegelt. Niemand geht hier mehr rein oder raus, wenn wir es nicht wollen“, sagte die Sturmtruppe mit vom Vocoder verzerrter Stimme.
„Willkommen an Bord. Wenn das hier reibungslos über die Bühne geht, wird man Blackholes Einheit sicherlich als Erfolg werten.“
Die Schattensturmtruppe antwortete nicht, schien nicht einmal darauf zu reagieren, sondern wandte sich nach einem Moment ab und bezog mit den anderen Position in der Nähe der einzigen Tür zum Rest des Schiffes. Schulterzuckend blickte der Agent dem eindrucksvollen Panzer kurz hinterher.
„Alle Abteilungen: Standby. Code Chevron abgeschlossen. Erwarte Zielperson“, bestätigte der Agent schließlich in sein Earset und setzte sich ungezielt an eins der vielen leeren Terminals in der Nähe von Horingtons Körper, legte die Beine hoch und schlug sie übereinander. Der blonde Mensch zog den noch warmen Blaster erneut aus dem Holster und platzierte ihn auf dem Tippfeld des Terminals. Nun hieß es also warten. Zwei weiße Sturmtruppen nahmen die Plätze der Flotteninfanteristen vor der schweren Brückentüre ein, bevor diese hinter ihnen zuglitt, während der Rest der Abteilung sich in zwei Reihen zu jeder Seite der Türe wie für ein Spalier aufstellte, das am Ende in den drei Schattensturmtruppen und dem blonden Geheimdienstoffizier an dem Terminal mündete. Nun hieß es warten, bis die Frau, deretwegen sie alle hier waren, auch auf der Brücke auftauchte und ihre neue Brückenbesatzung kennenlernte.
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