#48
Der Tod des alten Mannes schmeckte schal, sehr schal. Wie bemitleidenswert eine Beute doch sein konnte, wenn sie selbst in die Enge getrieben nicht den Mut, nicht die Entschlossenheit aufbrachte sich gegen die Gewalt zu stemmen, sich ihrer zu erwehren, sondern sich sinnlos fallen zu lassen, nur um las vermeintlicher Märtyrer zu sterben. Hier fand sich auch der hiesige Unterschied: Vaash war an diesem Tag nicht etwa gestorben, weil die Inquisitorin es wollte, unter diesen Umständen wäre sein Ableben wohl weitaus schmerzvoller und langsamer vonstatten gegangen. Der Admiral hatte sich selbst dazu entschlossen zu sterben und die Inquisitorin nur als Katalysator missbraucht, sie zu einer Art Werkzeug gemacht. Zweifellos clever, aber ebenso feige und sinnlos. Im Freitod lag wenig Mut und der Nachhall des einsamen Protestes gegen diese grausame Galaxis war so still, dass kaum ein anderer Geist ihn hören würde.
Reah schritt auf den Leichnam des alten Soldaten zu, der den sonst so sterilen Korridor eine erfrischend neue Note gab. Einer der zahlreichen kleinen Droiden, hatte den Kadaver wohl bereits in die Kategorie "Dreck" eingeordnet und versuchte vergeblich ihn zu entfernen. Skurril und zugleich lächerlich. Die winzigen Mausdroiden fuhren weiträumige Ausweichkurven, als hätte die Leiche eine ansteckende Krankheit, bei der ein Kontakt besser vermieden werden sollte. Zweifellos war das nicht der Fall und es war pervers zu sehen, wie der plötzliche Tod eines Individuums die Maschinerie nicht stottern ließ. Alles würde flüssig weitergehen. Das zukünftige Ersatzteil würde nicht Tiberius Vaash heißen, wenn auch seine Funktion identisch wäre - der Tod war in einem Kollektiv wie dem Imperium so bedeutungslos wie die Zeit. Es überdauerte, weil es nicht aus Mensch, sondern aus Funktion bestand. Vaash hätte besser daran getan, dem Ungetüm einen Dolch ins Herz zu rammen - Gelegenheiten hatte er genug gehabt, da war sich Reah sicher, aber nie den Mut dazu gefunden die Wurzel allen Übels zu bekämpfen. Selbst jetzt am Ende nicht.

"Lieutenant!", spie die Hexe weiter ihr Gift in den Korridor und starrte hinüber zu dem Mann, der noch vor wenigen Minuten das vortreffliche Werkzeug gewesen war, das den alten Admiral schließlich in die Knie zwängen sollte. Ein Gefäß, ein Medium, ein Katalysator für ihre Finsternis, unter der Vaash zusammengebrochen war. Aber nun wo er die Flucht in den Tod angetreten hatte, benötigte es andere Drohnen, die ihren Willen vollstrecken mussten. Drohnen. Ihr Blick fiel herab und haftete sich erneut an den Kadaver. Der Mann war feige, doch musste die Sith zugeben, dass er eben das am Ende nicht mehr, er hatte einen eigenen Willen entwickelt, eigene Ziele, eine eigene Motivation und es war befremdlich. Paradoxerweise befremdlich. Sie dachte an Sedrael und... an Vader. Vaders Antlitz. Die Maschine, die sichtbare Verkörperung eben jener Mechanik, die im Herzen des Imperiums steckte. Das war nicht die Freiheit die sie wollte, es war ganz und gar nicht das, was in ihren Vorstellungen kursierte. Freiheit für alle? Nein, nicht für alle, nicht für jeden und selbst wenn, dann nicht jetzt. Ein Individuum musste sich zuerst selbst befreien, erst selbst lösen von all dem, bevor es andere auf diesem Pfad bringen konnte - wenn es denn wollte. Doch wenn Leute wie Vaash aus einem Kontrollsystem entkamen... wer sagte denn, dass es sich nicht wiederholen würde, wer konnte denn versichern, dass Vaash mit neu erlangter Freiheit nicht wieder Monstrositäten aus ihren Gruften emporsteigen ließ? "Da Admiral Vaash offenbar nicht daran interessiert war die Wünsche seiner Majestät umzusetzen, hoffe ich doch sehr, dass der Rest der zwölften Flotte diesen Zwischenfall... als zusätzliche Motivation aufnimmt. Sie werden daher persönlich dafür Sorge tragen, dass meine Befehle verstanden und umgesetzt werden." Sie machte eine Pause, wartete und lauerte, dass der Mann sie verstand, Begriff, dass er nun in der Rolle des Tiberius Vaash steckte mit all der Last auf den Schultern. Dieses... Ding vor ihm neigte nicht mehr zu Diskussionen, nicht zu Hinterfragungen, sondern wollte, dass ihre Wünschen von den kleinen Dienerdrohnen erhört wurden, dass man es ihr von den Lippen ablies. "Die Flotte wird unverzüglich ausschwärmen. Unser Ziel ist das Flaggschiff von Pentastar Zenital-InQuestor Jerec, die Vengeance. Jerec hat sich aus dem unmittelbaren Einflussgebiet Kaines entfernt und ist auf der Suche nach einem für den Imperator höchst bedeutsamen Artefakt und er hätte es gerne bevor sich die gierigen Hände dieses Abschaums darum legen. Aus diesem Grund erhält die zwölfte Flotte den Befehl mit sofortiger Wirkung die Randgebiete des imperialen Raumes zu durchsuchen. Vergessen Sie Orte mit großen Ballungszentren und starker imperialer Präsenz, konzentrieren Sie die Suche auf Grenzsysteme in der Nähe anderer Abspalter. Finden Sie ihn!" Es wirkte bizarr, fremdartig, mehr so, als versuchte die Hexe dem toten Vaash ihre Befehle noch nachträglich in den Geist zu ätzen, obwohl sie doch an den anderen Menschen adressiert waren. Erst nach einigen Sekunden blickte Reah wieder empor. "Ich erwarte wöchentliche Berichte und tragen Sie Sorge dafür, dass sich jemand um diese Leiche kümmert - augenblicklich." Der Lieutenant nickte starr, offenbar froh darüber sich endlich entfernen zu dürfen, eine Gelegenheit, die er auch unverzüglich wahrnahm und sich eiligen Schrittes auf den Weg machte.

Wieder allein. Allein mit dem Tod, ganz wie so oft, nur, dass dieser hier nicht befriedigend war. Er hatte sich nicht gewehrt, er wollte sterben und dies wiederum hinterließ eine Lücke, eine klaffende Wunde in ihr, nicht etwas weil sie versuchte die Gründe dafür zu verstehen, nein, sondern weil sich die Dunkelheit betrogen fühlte, betrogen vom Feigling der ihr die Genugtuung verwehrte ihn leiden zu lassen, für alles. Der es ihr verwehrt hatte, dass sich Hass und Wut, angestaute Energien sich an ihm entladen konnten, dass der Druck des finsteren Mahlstroms, der durch ihr Herz schoss, sich an diesem Ventil ausgleichen konnte. Doch was blieb war nur der Kadaver. Einer der sich nicht regte, der nicht schrie. Ein dumpfes Geräusch ertönte im Korridor, dann wieder, in immer kürzeren Intervallen. Wie verzweifelt war ein Wesen, dass sich am Tod selbst austoben musste? "Nutzlose Menschen!", kreischte der Schatten, während ihr Fuß die Rippenbögen des Kadavers malträtierte. Die Hände der irren Finsternis, packten den Toten im Genick und holten ihn zurück auf die Füße, doch das Herz schlug nicht mehr, wollte, konnte nicht geben was die Dunkelheit verlangte. Aus Tiberius Vaash floss nicht mehr der süße Nektar des Schmerzes, den sie sich so ersehnte. Totes Blut spritzte, als sie den alten im Genick packte, den Schädel gegen die Durastahlwand hämmerte und auf ein Geräusch lauerte. Auf etwas. Irgendetwas. "Schwache Geister, zerbrechliche Körper."
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