Keine Antwort. Varpasi schwieg, fast so, als ob er dem Alten nicht antworten konnte. Ein Schweigen, welches verletzte. Gut, vielleicht tat es gut. Vielleicht kam es zur rechten Zeit daher. Schweigen war die Abwesendheit von Worten; eine Antwort wortloser Geister, die unter Umständen ihre Sprache vor den Schrecken verloren hatten oder zu schwach waren, eine Linie zu ziehen. Der Kriegsveteran fühlte sich, wie ein Kämpfer, der seine Lanze hinabgeworfen hatte und nun von seinem Pferd gestiegen war, um das tote Schlachtfeld zu betreten. Eine innere Leere umschlich ihn. Dies hier war ebenso eine Schlacht - um die Seelen der Soldaten. Illusionen waren geschaffen worden, um Männer sowie Frauen an die Front zu bringen. In diesem Sinne befand sich der Alte im Kampf mit sich selbst. Vaash dachte nach, während er mit jedem Happen die recht salzige Suppe verspeiste. Sein Rücken schmerzte, die Haltung in diesem Hover-Stuhl war nie perfekt gewesen und zeigte nun erste Defizite. Tiberius verzog das Gesicht, während seine rechte Hand instinktiv an seinen Rücken fasste, um den Schmerz nachzuspüren. Eine Geste von Menschen. Alle schienen erheitert, frohlockten, genossen ihre Speisen, als auch Getränke, im Glanze des Saales, welcher mit seinen Bannern und Gold funkelte, wie aus einer fernen märchenhaften Erinnerung. Nur Vaash - und eine andere Person, die gerade aufgestanden war, um hinaus zu gehen, schienen falsch an diesem Ort. Selbst Varpasi passte sich ins Bild ein. Sehr gut sogar. Der Alte mit seinem Rückenleiden, seiner Kriegsverletzung und der Gesamterscheinung fiel aus der Zeit sowie dem Märchen. Der Bart, ein Zeichen, welches er immer noch pflegte, deutete auf seine Herkunft an. Er war alter Raumfahrer, immer gewesen; er war mit der Flotte groß geworden und hing an den alten Werten der Raummannschaft. Männer in Stahlpötten gegen das kalte All. Das war sein Ideal. Männer, die dem All Lichtjahre abtrotzten und neue Gebiete für Lebewesen erschlossen. Eben jene Seelen, die im Geiste immer noch Seeleute waren. Matrosen, Seebären und alte Offiziere mit Vollbart. Zu viel hatte sich verändert. Heute herrschte hier der geleckte Offizierstypus vor. Rasiert, ohne Erfahrung und teilweise nur auf die eigene Karriere bedacht. Stand es so schlimm um das Imperium, dass man Jünglinge zu Offizieren machte? Unreife Männer, die eine Schlacht nie gesehen hatten und oft große Karriere hofften? Die Zeit lief gegen sie.
Der Denkprozess kreiste, wie ein Fliegerschwarm über dem Müllschlucker eines Sternzerstörers. Tiberius Vaash wollte durch die Reihen blickten und sah sich fast bestätigt. Doch man dürfte nicht verallgemeinern, nicht mehr. Vielleicht würde einer dieser jungen Offiziere das Blatt wenden, eine Courage entwickeln, die selbst ihm fremd war. Eine Ehre finden, die sie alle retten würde. Dies war die Hoffnung des Alten, dass einige von ihnen wachsen würden, um ihn, wie die anderen, zu beerben. Er machte sich keine Hoffnungen mehr, lebend aus dem Krieg zu kommen. Noch einen Schlag würde er nicht überstehen. Und so hoffte er wenigstens mit seinem Ende, die Jungen an den Platz zu bringen, damit diese etwas ändern konnten. Kämpfte man nicht dafür? Für die Heimat? Der Alte merkte, dass er ähnlich dachte, wie es die Propaganda lange inszeniert hatte. Ein Kampf um das Überleben. Wir gegen Sie. Grausamen Horden von Anarchisten, Aufrührern und Kriminellen, die alles zerstörten. Ein Kampf, unabdingbar, notwendig aber war er wahr? Lügen gab es überall. Insbesondere hier auf Coruscant und ganz besonders hier in diesem Saal. Dies waren dunkle Zeiten. Ein Zeitalter des brutalen Krieges. In dieser Hinsicht war seine Einstiegserkenntnis nicht falsch. Doch Vaash weigerte sich innerlich ganz dem Fatalismus zu folgen und so diesen jungen Leuten ihre Zukunft zu stehlen. Es war nicht seine Sache, ihnen die Hoffnung zu nehmen. Das taten sie unter Umständen selbst oder garnicht mehr. Das war seine Resignation. Einfach weiter machen. Irgendwas wird schon gelingen.
Der Suppenlöffel wog schwer in seinen Fingern, so dass er ihn ablegte. Ein Brummen drang aus seiner Brust, während er mit dem Stofftuch, welches neben dem Teller lag, seinen Bart abtupfte. Dann hob er die Hand. Ein Diener eilte herbei. "Exzellenz," jappste dieser. "Könnten Sie mich ein Stück vom Tisch ziehen?"(Wie sehr der Alte es hasste, auf diese Hilfe angewiesen zu sein.) Der Diener in Schwarz nickte eifrig, packt die beiden Griffe seines Gefährtes und riss Vaash recht ungeübt, fast statisch, zurück. Die Gläser vor ihm klirrten dabei ein wenig, weil die Bewegung sich fortgesetzt hatte. Sie stürzten jedoch nicht, sondern wankten nur. "Vielen Dank, den Rest schaffe ich alleine." Der Diener entschwand wieder in die Schatten, um die Veranstaltung nicht zu stören. Kurz waren die Blicke aus dem Umkreis auf dem Flottenadmiral. Man hatte nicht erwartet, dass er sich entfernen würde. "Ich bin gleich wieder da," sagte er mehr aus Höflichkeit, denn als wahrhaftige Aussage. Die Honorationen, die man neben ihm platziert hatte, nahmen es hin und aßen weiter. Es war so, als ob er nie existiert hätte. Die Form und Norm war wieder eingehalten. Das war die Kälte des Reiches. Blanker Ordnungsfaschismus, welcher sich allein auf Normen und vermeindliche Werte bezog, die so leer waren, wie die Weinflaschen, die von einigen Boten in die Nebengänge hinausgeschafft wurden. Verdammt - die Gäste besoffen sich in Millionen Litern, so schien es. Vaash konnte kurz einen Blick darauf erhaschen. Ein Seufzen. Ein Festessen zum Abgesang auf eine Idee. Er musste hier raus. Schnell. Frische Luft; vielleicht linderte diese seinen Rückenschmerz. Mit ordentlich Schub düste das Gefährt hinaus durch die Pforte, durch die eben eine junge Admiralin gegangen war. Es war befreiend. Ein Weg, den der Offizier in voller Eile und Ehrfurcht nahm; mit den Gravistrahlen seines Fahrzeugs unter ihm, düste er hinaus; in einen Moment der Freiheit. Ein Moment, der ihm gehörte und nicht der Masse. Dem Staat. Der Marmor reflektierte das Licht seiner Anzeigen und die schwarz-blaue Decke über seinen Beinen wehte munter mit. Es war geschafft. Wind, Luft und Atmosphäre. Ein Himmel entsponn sich über ihm. Es war wohl Abend, da der Himmel sich verfärbt hatte aber das war für Coruscant nichts außergewöhnliches, da auch mal Chemieunfälle den Himmel verfärben konnten. Der Stuhl bremste. Und Vaash blickte auf die junge Admiralin. Wer war sie? Sie hatte Mut bewiesen, die Masse zu brechen und hierher zu gehen. Schön war sie. Auch hatte sie kluge Augen, sofern er dies von hier erkennen konnte. Sollte er sich ansprechen? Nein, er hatte kein Flirtinteresse an ihr. Es war eine Art Verbundenheit der Resignierten, der Flüchtenden - zumindest vor dieser Veranstaltung. Der Alte wartete, blickte noch auf sie, betrachtete den Rauch, der sie umnebelte. Dann fiel sein Blick auf das Glimmen der Zigarette. Merkwürdig aber interessant. Noch sagte er nichts, da er ihre schöne Aura nicht stören wollte, die auch ihn künstlerisch ansprach. Es war eine Szene für sich.
Da saß sie nun und kümmerte es die Meute? Natürlich nicht. Es wurde registriert, abgespeichert, aber niemand würde eingreifen oder einschreiten. Es widersprach dem Protokoll, der Etikette. Dem programmierten Hirn, wenn man so wollte. Sie waren dort drinnen wie Automaten, alles lief nach Kommandos ab, auf jeden Befehl kam eine Reaktion. Konnte der Befehl verarbeitet werden oder nicht? Wenn nicht griff der Protokollalgorithmus. Das Militär war eine Ansammlung von Abfragen, eine Datenbank, ein Programm mit strikten Abläufen - ein beständiger Prozess. Noch beeinträchtigte die Absonderung ihres Programms vom Rest nicht die Leistung, denn Effizienz war auf einer solchen Veranstaltung nicht gefragt. Aber was würde später werden? In Zwei Monaten? In einem Jahr? Manche Programme waren angesteckt und trugen Viren in sich, ihr Algorithmus war beschädigt und konnte sich nicht mehr in den Prozess einfinden, mehr noch, wurde wie ein Fremdkörper isoliert und ausgeschlossen. Ihre Gedanken schlugen Brücken zu Bright Jewel. Was der Anfang der Abtreibung? Der Beginn des Ausschließens? Oder hatte es sich die Admiralin am Ende sogar insgeheim gewünscht? Komplex und schwierig schien die Frage auf den ersten Blick und dennoch war die Antwort so simpel, so profan. Sie musste den Gedanken bejahen. Ja, sie wollte weg. Raus. Aber war es möglich? Konnte man das Imperium hinter sich lassen? Das kämpfen? Vermutlich nicht. Wie so viele würde sie eines Tages eine tote Leiche im All sein, das war die einzige Freiheit, auf die man im Imperium hoffen konnte, nunmehr vielleicht sogar die einzige Gnade. Wenn sie in ihr Herz lauschte, musste Daro erkennen, dass es nicht länger für ein Imperium schlug, ihr Ideal war verloren. Verbrannt im Krieg und nun trieb sie ziellos zwischen den Schlachten dahin. Gleichzeitig hoffend, dass sie jemand erlösen würde, wie darum bangend, noch einen weiteren Tag leben zu dürfen. Ein Widerspruch, den sie nicht lösen konnte. Der Leib rutschte tiefer. Warum fühlte es sich an wie das Ende?
Blauer Rauch umnebelte ihr Gesicht - wäre Vergessen nicht das gnädigste Geschenk von allen? Beinahe waren die Droiden zu beneiden, eine einfache Speicherlöschung und der Weg für einen Neuanfang stand offen. Aber nicht für sie. Der Prozess hatte seine Backups. Niemand vergaß seine Pflicht, nicht, solange er nicht tot war... und selbst dann war es fraglich tatsächlich entlassen zu werden? Oder? Sie erinnerte sich an Vaash. Vaash den Krüppel. Den Geschlagenen. Wie er in seinem Stuhl hing war er nichts mehr. Altmetall, Schrott, der aussortiert gehörte. Aber erwies ihm jemand diesen Gefallen? Natürlich nicht. Vielleicht verdiente er dieses Leid sogar. Ihr Blick hob sich, während es sich anfühlte, als würden ihre Gedanken von großer Last erdrückt werden. Unscharf erfasste sie die Umrisse der Person vor sich, beinahe als hätte sie Fieber, als wäre der Virus nun endgültig ausgebrochen. Doch Daro erkannte die Silhouette. Da war er also. Der Alte. Nicht einmal er verschonte sie - und wie könnte er? Der Mann war allein. Vielleicht hätte er ihr Leid getan. Doch Vaash trug Schuld. Mitschuld an diesem Zustand. Mitschuld an diesem Imperium. Würde er sich rechtfertigen? Nein, sicherlich nicht. Alles was blieb war stille. Der Veteran schwieg sich aus. Oder war er es nun der Mitleid hatte? Der auf die traurige, gebrochene Gestalt herabblickte - doch wie? Sie vermochte den Blick nicht zu deuten. Ob gnädig, ob herablassend... und doch... war es letztlich unwichtig. Was zählte war seine Präsenz. Er konnte sie nicht verschonen.
Wie eine kraftlose Gliederpuppe, sank ihr Kopf wieder nach unten. Sie sah den Alten nicht an, sie huldigte ihn nicht seiner Taten, noch schenkte sie ihm sonstige Anerkennung. Er war wie ein Geist, eine schlechte Erinnerung, etwas, dass in ihre Gedanken biss, etwas, dass sich nur schwerlich abschütteln ließ. Sie könnte zurückkehren, auf ihren Platz. Zurück in den Prozess. Zurück in die Maschine, sich wieder damit begnügen den Admiral gedanklich zu hinterfragen, bloßzustellen als Heuchler, sich einzureden, sie sei wütend auf ihn. Denn seltsamerweise fehlte es in diesem Moment, bei diesem Aufeinandertreffen an Zorn. Sie vergab ihm nicht, sie mochte ihn nicht und doch vollbrachte es Daro nicht, den Mann so zu attackieren, wie sie es sich stets vorgestellt hatte. Resignation. Vielleicht war es das. Eine Einsicht, dass es ohnehin kaum mehr eine Rolle spielte und kleine egoistische Siege letzten Endes bedeutungslos waren.
"Hm. Was wollen Sie Vaash?" Mehr gab es für diesen Moment nicht. Sie ersparte es ihnen, den Admiral sogleich mit Vorwürfen zu erschlagen, sondern erwies ihm die Gnade sich zu erklären.
Was wollte er? Was wollte man in solchen Zeiten? Frieden. Frieden mit sich. Frieden mit seiner Umwelt. Eine Zeit ohne Gewalt. Ein seltsamer Traum war dies. Ein Soldat, der Frieden wollte, obwohl der Krieg ihm seine größten Erfolge sowie Misserfolge beschert hatte. Hier war er etwas wert. In Friedenszeiten war er überflüssig, wie das Wrack der Veneratio auf Eriadu. Dieser Wunsch von Frieden waren die Dornen in seiner Seele, deren Ranken wuchsen. Erlösung war das irrsinnige Gebet, welches die Soldaten heimlich bei Nacht sprachen. Mysteriös war nur, dass sich in dieser Sekunde weit entfernt jene Kreatur nach eben dieser Erlösung sehnte, die er auf den dunklen Thron gebracht hatte. Vaash und Vesperum waren durch dieses Gefühl verbunden; durch Zeit und Raum. Die Geschichte trennte sie wohl nie mehr. Tiberius Vaash der Königsmacher und Darth Vesperum, der Tyrann. War das sein wahrer Wunsch? Frieden durch Tyrannei? Die Frage, die Daro Zen gestellt hatte, war nicht so leicht zu beantworten, wie es schien. Die fehlende Höflichkeit hatte der Alte übersehen. Kein militärisches Statut war erfolgt, da sie die Rangbezeichnung weggelassen hatte aber kümmerte den Veteranen dies? Nicht wirklich. Auch die Banalität dieses Momentes bekümmerte ihn nicht. Mit einem Fingerzeig an den Kontrollen bewegte er sein Gefährt näher auf die Frau zu, deren Gesichtsausdruck sowie Kopfhaltung genügend im Geheimen gesagt hatten. "Ein Wort unter Soldaten," war die Antwort, die einige Sekunden mehr als üblich gebraucht hatte. Nun stand er mit seinem Schwebestuhl neben ihr, blickte an ihr vorbei in den Horizont, der dezent vom Hades der Türme verdeckt wurde. Nur das Orange strahlte zwischen den Schluchten hervor, welches dem Anblick eine gewisse Note von Traurigkeit gab. "Wir beide sind doch Gefangene unserer Rollen in diesem galaktischen Theaterstück, nicht wahr?" Eine rhetorische Frage, die die Gedanken des Alten abfasste, während er gegen den Himmel sprach. Nein, er blickte die Frau nicht an. Man sprach nur miteinander, über eine unsichtbare Linie, die zwischen beiden gezogen war. Dennoch war diese Grenze voller Löcher, unsicher und brüchig. Beide waren Gezeichnete - auf ihre Art. "Ich selbst war immer Diener einer Sache, einer Idee, für die ich alles opferte," resignierte der alte Mann. "Die Idee der Ordnung. Ich hob einen Mann auf den galaktischen Thron. Ich kämpfte, verlor und sitze nun als Krüppel in diesem Stuhl." Vaash ließ den Kopf sinken, blickte über das Geländer hinab in den Abgrund, die Untiefen, von Coruscant. Ein Sturz hinab, einmal Kraft aufwenden und es wäre vorbei. Eine gewisse Sturzsehnsucht packte die Seele des Alten. Einfach fallen lassen, in diesen Abgrund. Vielleicht war dieser Abgrund mehr Wahrheit als jener Abgrund, indem er bereits lebte. Krieg zerstörte. Nicht nur Objekte, Welten, sondern auch Seelen, vorallem deren Wünsche.
"Ich bin das, was übrig blieb, von dieser Idee. Und ich mache weiter, immer wieder. Es gibt keine Alternative mehr für mich, auch nicht für sie," sprach die Stimme ernst, fast richterlich, so dass es nicht zu überhören war. "Ein Rückzug ist um der Opfer, die gebracht wurden, nicht mehr möglich. Am Ende zählt nur, was wir waren." Ja, am Ende zählte nur, das was man getan hatte und mit welchem Mythos man in die Geschichte eingehen wollte. Vaash, vernebelt durch Reste von Morphin, glaubte wirklich daran, etwas wenden zu können. Irgendwie. Irgendwas musste zu retten sein, seien es auch nur Flüchtlinge und einige Welten. Vesperum war ihm egal, die Macht war ihm egal; er wollte nur eines: weiter machen. Nicht für sich, sondern für die, die er zurückgelassen hatte. Es war eine Verantwortung, die sich aus dem Verlust ergab. Eine Niederlage verlangte eine Revanche. Dieser Starrsinn leitete ihn, jetzt nicht mehr zu kapitulieren. Wie er damals zu Cassio Acchetia im Oberkommando gesagt hatte, wiederholte er nun die Worte, damit auch die Admiralin sie hören konnte:
"Dies ist eine andere Art Krieg."
Tiberius Vaash war sich bewusst, dass es nur heißen konnte: Wir oder Sie. Sieg oder Tod. Es gab nichts mehr dazwischen. So traurig, so sadistisch es war. Dieser Krieg musste bis zum Ende ausgetragen werden, um der bereits Gefallenen wegen. Der militärische Kodex verlangte es. Die alte Ehre gebot es, die Vaash der letzte Trost war. Diese Idee des Kampfes war der Rest, der den Alten zusammenhielt. Und vielleicht der Alkohol. Gerade jener schaffte es, dass er schlafen konnte. Ein paar Stunden sanfte Seligkeit erlebte. Verbohrt war diese falsche Hoffnung und doch hing er an ihr. Nein, er würde Daro Zen jetzt nicht mehr anblicken. Da piepte sein HoloKom in seiner Tasche. Eine Nachricht war eingegangen. Gleich würde er sie lesen, nachdem er Daro Zen eine Sekunde zum Antworten Zeit ließ.
Musik
Wie ein Kometenhagel schlugen die Worte des Alten herunter, grobschlächtige Steine, die ihre fragile Welt aus Glas zerspringen ließen. All diese Selbstgerechtigkeit. All diese Selbstherrlichkeit. Der Mann war eine Zumutung, jemand, der dieses Schicksal verdient hatte, jemand, der in diesen Stuhl gehörte. Und doch bewirkten die Worte etwas, sie zerschlugen den lethargischen Mantel unter dem sich Daro verkrochen hatte, sie erinnerten sie in aller Deutlichkeit daran, warum ihr dieser Mann zuwider war und sein Schuldbekenntnis war letztlich nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Dieselbe Leier hätte auch die Admrialin jemanden vortragen können. Aber dadurch wurde es nicht besser, nein, dadurch gestand man sich nur ein, bereits mit einem Bein im Grabe zu stehen. So düster die Zukunft auch aussehen mochte, nach wie vor lautete ihr Primärziel überleben, sie würde sich nicht ins Fegefeuer werfen wie Vaash, nicht für ein hohles Ideal sterben, dass sich selbst Überlebt hatte. Es gab immer eine Zeit danach, immer eine Zeit nach dem Sturm und auf diesen Tag musste man hinarbeiten. Nicht durch Aktionismus, sondern sorgfältige Überlegungen. Würde Vaash der Königsmacher das begreifen? Vermutlich nicht. Er war wie ein unreifes Kleinkind gewesen, dass im Dunkeln panisch um sich schlug, weil es keinen Pfad, keine Möglichkeiten mehr erkennen konnte. Doch was hatte er erreicht? Misstrauen und eine schlechte Moral, ein Imperium, das so weit weg vom Sieg war, wie nie zuvor. Ein Imperium, dass keines mehr war, sondern nur ein besonders großer Brocken Rest, angeführt von einen machthungrigen und einflussreichen Warlord. Selbst die Bestätigung durch den Senat änderte nichts an den Begleitumständen. Was für eine Wahl bestand? Vaash hatte den leichten Weg gewählt. Den egoistischen, er dachte sein Ideal, wäre das Ideal eines jeden Militärs und täuschte sich damit fatal.
Pestage wäre eine leidvolle aber richtige Wahl gewesen. Es wäre richtig gewesen den imperialen Bürokratieapparat unangetastet walten zu lassen - der Tatsache zum Trotz, dass sich Probleme kurzfristig noch verstärken würden, der Tatsache zum Trotz, dass Pestage für das Amt des Imperators nicht die beste Wahl darstellte. Und doch lautete das oberste Gebot Ordnung. Dafür stand das Imperium. Ordnung. Ein strukturierter Apparat, der nach Protokoll arbeitete. Und Vaash hatte das Protokoll zerstör. Instabilität und Unsicherheit hineingetragen. Vielleicht war es eine gute Leistung, vielleicht desillusionierte es einige Militärs, zu sehen, wie das Kartenhaus ins Wanken geriet. Aber er hatte verloren. Das war das Problem. Seine Schuld. Er hatte verloren. Er hatte es nicht geschafft, sein angestrebtes Ziel zur Gänze zu erreichen und als Resultat präsentierte sich nun Wankelmut. Wankelmut, der selbst in den Worten des alten Admirals wiederzufinden war. Ihr Blick fiel in den Saal zurück. Irgendwo dort würde Il-Raz sitzen, sich Honig ums Maul schmieren lassen. Sie müsste nur dort hingehen, nur aufstehen und diese schreckliche Gesellschaft betreten und Vaash wäre erledigt. Endgültig und für alle Zeit. Aber lag darin Befriedigung? War das ihr Weg? Nein, denn sie war kein Teil von diesem Gebilde. Mehr eine Adaption, etwas, dass nachträglich hinzugefügt worden war, das man aber eigentlich nicht wollte. So war es damals auf Fondor, so war es bei Batch und so war es auch jetzt. Was Vaash anging, so war der Mann bereits gescheitert, ihn endgültig ans Messer zu liefen wäre nur ein sadistischer Akt, eine handlungsweise, die ihr fremd war.
Stattdessen erhob sich die Admiralin, sie würde nicht vor einem Krüppel kuschen, ihn nicht in der überlegenen Position lassen, auf sie herabzublicken und belehren zu können. Nein, Daro entschied sich den Spieß umzudrehen und nun war sie es, die auf den Alten herabblickte, den Mann, der sich augenscheinlich so viel auf seine Erfolge, seine Erfahrung, seine Ideale einbildete.
"Ihr Selbstmitleid ist jämmerlich, Vaash.", warf sie es dem gebrochenen Admiral frostig entgegen. Was sollte sie sagen? Dachte er etwa, er wäre der einzige, der verloren hatte? Der Einzige, der an etwas bedeutungsvollen gescheitert war? "Wie Sie sagten: Sie haben verloren.", Abscheu mischte sich in ihren Blick, als musterte sie einen Schwerverbrecher - eine Annahme, die in mancherlei Hinsicht sogar zutraf. "Aber als Sie um Ihren Preis rangen, Ihr geliebtes Ideal, waren Sie egoistisch genug auszublenden, dass wir alle den Preis zahlen mussten. Und erkennen Sie Ihren eigenen Widerspruch, Vaash? Sehen Sie, dass es auch vorher Ordnung gab? Oder definieren Sie 'Ordnung' nach Ihrer Zufriedenheit? Ihrer Laune?" Sie richtete mahnend einen Finger auf den Admiral, blickte finster auf den Mann herab, der einmal Vorbild so vieler sein wollte, das Musterbeispiel von Soldat. "Ich sagen Ihnen etwas. Von Soldat zu Soldat. Für Ihre ehrgeizigen Ziele waren Sie ohne zu zögern bereit Kamerad gegen Kamerad kämpfen zu lassen, Imperium gegen Imperium." Zusammen mit Harrsk, dem Abspalter, zusammen mit illoyalem Abschaum, wie es fanatische Imperiale ausdrücken würden. Tat das ein guter Soldat? Nein. Vaash war keine moralische Instanz mehr, er war zu einer Karikatur seines früheren selbst verkommen. Durch seine Taten. Es war seine Schuld. Er hatte die Wahl und hat sich auf diesen Pfad begeben. Und nun wollte er ihr Glauben machen, sie müssten nun sein Verderben bis in alle Ewigkeit durchstehen? Nein, das mussten sie nicht. Das musste sie nicht. Daro hatte eine Wahl. Sie hatte Optionen. "Bilden Sie sich nicht ein, Sie könnten auch nur im Ansatz für mich sprechen, Vaash. Ich bin nicht wie Sie, ich setze nicht alles auf eine Karte und ertrinke beim ersten Versagen in Selbstmitleid." Sie schritt voran, forscher und aggressiver als gedacht, vorbei am Hoverstuhl. "Ich habe Optionen."
Der Wind rauschte, drückte auf die Ohren. Die Luft schien gefühlt schwerer, während Daro Zen antwortete. Kritik - traf den Alten immer. Er war es nicht mehr gewöhnt, dass man ihm widersprach. Immerhin war er über Jahrzehnte eine Instanz in der Flotte gewesen, eine Person, der man uneingeschränkt vertraute und nun widersprach ausgerechnet eine Frau ihm. Eine Frau - eine Tatsache, die schwer wog, denn man rechnte Frauen doch eine gewisse Empathie zu? Vaash war in dieser Hinsicht ganzer Chauvinist der alten Militärschule, auch wenn er Frauen den Militärdienst nicht ganz absprach. Die Denke blieb und die Klischees mit ihnen. Ob sie Recht haben mochte oder nicht, dies spielte für den Starrsinn des Alten keine Rolle. Er hatte seine festgefahrene Meinung, die zu Teilen wohl menschlich war aber ebenso selbstgerecht, wie die meisten Menschen in Machtpositionen eben waren. Macht korrumpierte immer, auf die eine oder andere Art. Macht ermöglichte Dinge. Diese Möglichkeiten fraßen die Seele auf, nicht unbedingt die eigentlichen Entscheidungen. Vaash konnte nicht direkt antworten. Die Kanonen der Daro Zen hatten gesessen. Die Breitseite hatte getroffen. Jämmerlich war auch seine Reaktion oder besser seine Nicht-Antwort. Nur der Blick in den Abgrund blieb ihm. In diesen verdammten Abgrund dieses Großstadt-Molochs, welcher Abermilliarden Lebewesen beherbergte und wohl trauriges Symbol für die Betongesellschaft des Imperiums war. Das Imperium war nicht beweglich, sondern fest und fixiert. Es war dieser kalte Kuss von Beton, sterilem Glas und kratziger Luft, der den Offizier wohl doch antworten ließ: "Wir alle sind jämmerlich. Soldaten opfern immer etwas, auch sie. Ich habe meine Entscheidungen nie leicht getroffen und lasse mir hier nicht meinen Schneid abkaufen." Ja, dies war auch ein Krieg gegen sich selbst. Ein Krieg um Ehre. Ehre - ein Wort, was Vaash brauchte, wie die Luft zu atmen und doch hatte er diese in diesem Augenblick verloren. Nicht im Kampf, nicht am Schreibtisch, sondern durch diese ehrliche Kritik einer Frau. Einer Frau, die ihn nicht kannte. Nur seine Entscheidungen. Sie zeigte ihm, was er eigentlich war und doch konnte er nicht einbrechen, nicht eingestehen, auch wenn er gewollt hatte. Ein Eingeständis wäre die finale Niederlage gewesen, der Sturz in die Tiefe, die ihn bereits gepackt hatte. "Sie haben mir nicht zugehört," war die Erklärung des Mannes, der in die Tasche zu seinem Kommunikator griff. "Niemand hat Optionen. Wir alle sind Puppen in diesem Spiel. Ihr Widerspruch ist der Wunsch nach Eigenständigkeit, der Wunsch nach Selbstbestimmung. In dem sie mich brüskieren, brüskieren sie nur sich selbst. Sie sind Soldat. Sie haben sich für ein Leben in Gefolgschaft entschieden. Sie haben sich diesem Staat angeschlossen," donnerte Vaash, während er mit seinem Hover-Stuhl einen Schritt zurückfuhr, mit dem Holo-Kom auf dem Schoß. "Optionen haben sie garantiert keine mehr. Außer Verrat, Untergang oder Sieg. So oder so, sie bleiben das, was ich bin. Ein Soldat. Im Zweifel sogar mit der Erkenntnis, dass sie nicht allein existieren können. Sie können probieren vor der Verantwortung des Momentes zu fliehen aber irgendwann kommt der Tag, wo das Schicksal sie fordert. Ich spreche nicht für sie, das tun allein sie selbst und ich sehe, dass sie feige sind und sich in vermeindliche Optionen flüchten," drückte der Veteran unmissverständlich aus, gar zynisch. "Ich werde mich nun entfernen und sie mit ihren Optionen alleine lassen, allein in ihrer Isolation." Der alte Mann presste den Wippschalter seines Gefährtes fest durch und sauste zurück in den Palast, aus dem er vor wenigen Momenten gekommen war. Während der rauschenden Fahrt hob er das Pad mit der Linken an, aktivierte es und las eine schreckliche Nachricht. "Oh Nein...," entfuhr seinem Mund mit wenig Kraft. Er war wieder in Dienst gesetzt und ihm wurde sogar ein neuer Sternzerstörer zugewiesen, frisch ab Werk: die Veneratio II. Zudem wurde er unter das Sonderkommando des Geheimdienstes gestellt, was nichts Gutes hieß. Der Moment wurde nicht besser. Ein düsteres, fast weltfremdes Lachen entfuhr dem Offizier. "Wie stellen die sich das vor? Ich bin im Hoverstuhl...," dachte sich der Flottenadmiral und gab sich dem Abgrund völlig hin, in den er nicht gesprungen war, dem er aber folgte, wie ein treuer Schoßhund. Verloren war jede Mühe, jedes Ansinnen auf Frieden, der Krieg griff erneut nach ihm und dieses mal auf eine Art, die Vaash verabscheute. Geheimdienstangelegenheiten waren nie gut, nie ehrenhaft und auch nie moralisch. Fernab rückte seine Hoffnung auf Pension. Es war vorbei.
Und ließen sich Entscheidungen etwa nicht rückgängig machen? Natürlich war das möglich, tagtäglich wurde es sogar von politischen Wendehälsen demonstriert. Der Admiral begriff das nicht, er war ebenso alt wie verbohrt, festgefahren und deswegen würde er in diesem Krieg sterben. Vielleicht war das sogar irgendwo die Idee, der große Plan. Vaash sollte in der Schlacht fallen, damit er Millionen von Soldaten als Märtyrer diente, als Inspiration und Idol, sich diesem sinnlosen Wettstreit um das bessere Staatssystem anzuschließen. Die Worte des Alten beeindruckten sie weitaus weniger als erwartet, vielleicht weil Zen irgendwo wusste, dass er recht hatte, Nein, nicht nur irgendwo, Vaash schätzte sie richtig ein, doch im Gegensatz zu ihm, sah sie darin nichts verwerfliches. Daro war keine Idealistin und verschrieb sich keiner besonderen Staatsideologie, sondern erledigte ihre Arbeit, das, wofür sie ausgebildet wurde. Für manchen mochte Ehre etwas bedeuten, den geleisteten Eid unbedingt erfüllen, doch für Menschen wir Daro war es nur sinnloses Beiwerk, von dem sich naive Tölpel beeindrucken ließen und sie war davon überzeugt weder das eine, noch das andere zu sein. Wenn der Flottenadmiral dachte, er könnte sie bei einem solch nebulösen Begriff wie Ehre packen, dann hatte er sich grundlegend getäuscht. Ehre war für jene wichtig, die nach Größe der eigenen Person geiferten, die sich hervortun wollten, zeigen, wie besonders sie waren. In dieser Hinsicht befand sich Daro als sehr bescheiden: sie wollte lediglich diesen Krieg überleben wie und mit welchen Mitteln spielte dabei immer weniger eine Rolle. Sie war kein Macher, kein jemand der Dinge in die Hand nahm, der sich einbildete etwas ändern zu können, nicht wie Vaash. Die Admiralin war eher eine Mitläuferfigur, die sich dem Zeitgeist anpasste und in dieser Zeit gab es für Militärs nur zwei Richtungen: jene, die weiter für dieses marode Imperium kämpften und früher oder später durch die Republik fielen und jene, die sich nach anderen Strukturen umsahen und ein Leben in relativer Sicherheit führten. Zugegebenermaßen war die Zeit der großen Abspalter vorbei und Daro sah sich auch nicht als Person an, die dazu geeignet wäre ein solches Reich zu führen, aber es gab immer noch Schlupflöcher. Und wenn Vaash mit seiner Ansprache eines deutlich gemacht hat, dann, dass es Zeit war dieses Imperium zu verlassen und weiterzuziehen und mit der drohenden Offensive vor der imperialen Haustür sollte das eher früher als später sein.
In diesem Sinne: ja, es wurde Zeit dieses sinkende Schiff zu verlassen, mehr noch diesen Prunkpalast mit seiner sinnlosen Gala, seinen sinnlosen schmatzenden Gästen. Es wurde Zeit wieder einen Schritt in Richtung eigener Zukunft zu tun. Sie ging nicht etwa zurück zu ihrem Tisch, zurück zu diesem Cadera, sondern wandte sich entschlossen dem Ausgang zu. Immerhin - die Gelegenheit könnte günstiger nicht sein, denn offenbar war ein Krüppel im Hoverstuhl eine weitaus größere Attraktion als eine Frau, die den Saal verließ. Lediglich das Personal am Ausgang fragte gewohnt höflich und doch militaristisch abgehakt nach: "Sie gehen schon?" Schwerfällig nickte Daro und tat ihr bestes, einen kränklichen Blick zu simulieren. "Ja.. ja, es tut mir sehr leid, aber manaanische Tintenfischsuppe..." Der Mann nickte und grinste blöd. "Eine Delikatesse in den Kernwelten." Daro runzelte nachdenklich die Stirn und entbehrte ein sanftes Lächeln. "Vielleicht ein wenig zu delikat für meinen Gaumen. Ich darf?", fragte sie und nickte in Richtung des Ausgangs. Der Mann nickte und trat respektvoll einen Schritt beiseite. "Selbstverständlich. Einen angenehmen Restabend, Admiral." Daro schleppte sich etwas träge weiter vorwärts und nickte dem Wächter noch einmal freundlich zu - vermutlich zum letzten Mal in diesem Leben. "Ihnen ebenfalls." Schweigsam huschte sie hohen Gänge entlang, bis sie in ihrer Garderobe verschwand. Es wurde Zeit diese grässliche Galauniform abzulegen, zum einen aus Gründen der Bequemlichkeit, aber mehr noch aus Gründen der Anonymität und eine zivilere Bekleidung anzulegen. Danach ging sie weiter, die Echos des großen Saals im Ohr, das Stimmenwirrwarr, das ab und an verstummen mochte, wenn Pestage oder Il-Raz mit ihren hohlen Ansprachen daherkamen und die Menge auf Kommando applaudierte, so, wie sie auf Kommando schoss.
Mit ihrem kleinen Koffer in der Hand betrat Daro Zen wieder die Bühne des weltlichen Coruscants, das sich mittlerweile im Sternenkleid der Nacht präsentierte, dass in einiger Entfernung zum imperialen Palast von dunklen, schweren Wolken verdeckt wurde. Hier und da tummelten sich einige Taxis, die eifrig Besucher zu und von dem hiesigen Gebilde wegbrachten und eines jener Gefährte, steuerte die Admiralin nun an. "Wo soll's hingehen?", fragte ein Zeltron mittleren Alters und bat sie, mit einladender Geste einzusteigen. Eifrig zog Daro ein Stück Flimsi aus der Innentasche ihres Mantels und reichte es dem Taxifahrer. "Dahin?", hakte der Zeltron unsicher nach. Die Admiralin nickte steif. "Hin vielleicht, aber für die Rücktour müssen Sie sich jemand anderen suchen." Wie selbstverständlich drückte sie ihm den Koffer in die Hand und fing an Credits abzuzählen. "Das bringen Sie für mich zum Empire Arms Hotel." Ihre Hand hob sich und stapelte die Credits fein säuberlich vor den größer werdenden Augen des Zeltrons auf den Koffer in seiner Hand. "Und dafür stellen Sie mir keine Fragen mehr." Der Mann nickte, nunmehr aus Geldgier motiviert den Koffer schnell einzuladen und seiner Neugier abzuschwören. Zumindest für ein paar Minuten, solange, bis sie dieses elende Pflaster erreicht hätten. Obgleich er zugeben musste, dass es ihn schon interessierte, was eine Person, die soeben aus dem Palast kam, an einem Ort wie diesen verloren hatte. Aber womöglich sollte er wirklich nicht nachfragen, nein, immerhin gab es Gerüchte. Gerüchte über eine versunkene Stadt, tief im Herzen von Coruscant, ein imperiales Labor oder Gefängnis und wer wusste schon, zu welcher Einheit diese Frau gehörte? Nein, das war nicht die Art von Job, bei der man ein hohes Risiko eingehen wollte, nicht, wenn man vorhatte noch eine Weile zu leben und ein bescheidenes, aber beschauliches Leben zu führen. So gut das im Imperium eben ging.
Coruscant - Grenze zur Hüttenstadt
Es gab Orte auf Coruscant, die so fremd und anonym sein konnten, dass es dafür nicht einmal nötig war den Planeten zu verlassen und das, obwohl sie nur in einigen Kilometern Entfernung zum Senatsgebäude lagen. Die Hüttenstadt war zweifellos einer dieser Orte. Ein riesiges, uraltes Industriegebiet, das mehr und mehr zerfiel. Zweifellos hätte man die Ruinen einfach eingeebnet - hätte sich nachweisen lassen, wem was gehörte. Die Besitzansprüche in diesem Distrikt waren ebenso undurchsichtig und verschlungen, wie die Pfade in diesem Labyrinth. Jede Minute in diesem Vorort der Hölle, kam einem vor wie zehn Jahre des Lebens. Mit jedem Luftzug schmeckte man den ungefilterten Ruß auf der Zunge, der immer noch aus den kilometerhohen Schornsteinen längst verlassener Industrieanlagen emporstieg. In die Hüttenstadt kamen freiwillig nur jene die nicht gefunden werden wollten, etwas zu verbergen hatten, oder auf der Suche nach einer neuen Dosis Killersticks waren. Auf Daro Zen trafen derzeit alle Möglichkeiten zu. "Da wären wir." Die Stimme des Zeltrons zerschnitt die friedliche Stille. Ja, nun war sie hier, so nah und doch so weit entfernt von neugierigen imperialen Augen. In diesem Bezirk gab es kein Recht, keine Ordnung, schon gar keine Strafverfolgung. Man stand direkt unter der Nase des Imperators und er übersah sie einfach. Schweigen. Seit sie das Taxi bestiegen hatte, hatte die Admiralin nicht gesprochen und daran würde sich auch jetzt nichts ändern. Ohne ein weiteres Wort stieg sie aus dem Gefährt aus und betrat die industriell versuchte Gegend. Der Fahrer indes verlor keine Zeit und zündete die Repulsoren. Nun war sie allein. Ganz allein. Ganz wie Vaash gesagt hatte. Aber vielleicht war das weniger schlimm als er wusste. Denn irgendwie war sie schon immer allein gewesen. Über ihr begannen die dunklen Wolken sich zu entleeren, der giftige Ruß vermischte sich mit Wasser und tropfte herab wie schwarzer Pech. Ganz so elendig anzusehen, wie sie sich fühlte. Aber der Entschluss stand, wenn nicht jetzt, dann würde sie es morgen umso mehr bereuen. Sie würde es anschließend den Rest ihres, so sie nichts dagegen unternahm, nur noch sehr kurzen Lebens bereuen. Eiligen Schrittes durchquerte sie die nassen Gossen, wo aus tausenden verrosteten Rohren Augen zu linsen schienen, wie Nadelstiche, die sie dazu zwangen sich immer wieder umzudrehen. Flüssiges Toxin vom Himmel weichte die dünne Ummantelung der Zigarette auf, während sie bei jedem Zug wütend aufglimmte. Nach mehreren Minuten war sie dort, wo sie hinwollte. Der Grund für den Aufenthalt an diesem widerlichen Ort. Ein öffentliches Holoterminal, so weit vom Rest der Zivilisation Coruscants abgelegen, dass es nur die gänzlich Verzweifelten benutzten. Die Chance hier belauscht zu werden war nicht nur gering, sondern quasi nicht gegeben. Die meisten dieser Geräte waren älter als das Imperium, viel älter und nicht einmal die akribische imperiale Sicherheitsbehörde hatte die Zeit und Muße sich um die abgewirtschafteten und verlassenen Gebiete Coruscants zu kümmern. Zumindest nicht sofort.
Der Vorteil von im Chaos versunkenen Sektoren wie Bright Jewel war der, dass man selbst als augenscheinlich loyaler imperialer Soldat Kontakte zu weniger ehrlichen sondern eher zwielichtigen Individuen knüpfen konnte, ohne, dass allzu viele Fragen gestellt wurden. Oftmals war es jener verräterische Abschaum, der für ein wenig Gnade und ein paar Credits seine Kameraden verriet und so irgendwo seinen Beitrag zur Befriedung des Sektors leistete. Manche dieser Wesen besaßen wiederum Kontakte zu anderen, es war wie eine komplex gestrickte Leitung, doch hatte man eine solche erst entdeckt und bis zum Ende verfolgt war es einerseits interessant und nützlich zugleich, wer der Lauscher am anderen Ende war. Nun wurde es Zeit eine solche Leitung in Anspruch zu nehmen und sich durchstellen zu lassen um... Kontakt aufzunehmen. Daro wusste, dass es sich dabei allein um eine Formalität handelte und ihr Interesse an einem Wechsel des Dienstherrn im Prinzip ausreichte um akzeptiert oder zumindest assoziiert zu werden. Das stark verrostete Terminal blinkte störrisch auf und zeigte das Bild eines kleinen untersetzten Mannes in einer schwarzen imperialen Uniform. "Reave.", begrüßte die Admiralin den Mann mit einem süffisanten Lächeln. "Schön zu sehen, dass Sie ihren... Shuttleabsturz auf Onderon überlebt haben. Wie geht es Ihnen?"[/align] Das runde Gesicht des Mannes verformte sich, weg von Überraschung hin zu einem Ausdruck eines Menschen, der ein sehr störrisches Ärgernis betrachtete. "Admiral. Woher haben Sie die Nummer - nein vergessen Sie's. Warum wissen Sie überhaupt, dass ich lebe." Das Lächeln verschwand und ließ nur ein kaltes Gesicht zurück, das Antlitz einer Person, die wenig Lust auf Spielchen hat. "Sie zahlen Ihren Komplizen zu wenig, Reave. Vankos Spurensicherung ist ein wenig stutzig geworden, nachdem sie erfahren hatte, dass das Shuttle erst einige Minuten nach dem Aufschlag explodierte." Daro machte eine Pause und starrte in das große o, in das sich der Mund des Mannes formte. "Und... was wollen Sie jetzt von mir?", fragte der Mann verdutzt. "Dummerweise Ihre Hilfe. Sagen Sie ihrem Boss, dass wir uns unterhalten müssen - persönlich." Die Augen des Agenten verengten sich, als er die Frau betrachtete. "Sie wollen also...?" Daro nickte ernst. "Verstehe, verstehe... ich werde sehen was ich tun kann, der Großmoff ist ein vielbeschäftigter Mann. Reave Ende." Irgendwo am anderen Ende der Galaxis schaltete Wessel Reave die Holkommunikation ab und fuhr sich mit der Hand durchs dunkle Haar. Das war interessant. Brisant. Ein imperialer Admiral, der sich kurz vor einer republikanischen Offensive lossagen sollte. Das war nicht nur feige, das war erbärmlich, aber es war nicht seine Angelegenheit darüber zur urteilen und irgendwo war er selbst nicht besser. Auf jeden Fall würde Zsinj sein Amüsement daran finden, das war sicher.
Ende. Ja, vielleicht waren sie alle am Ende, aber was spielte das für eine Rolle? Es war eine einfache Verzögerungstaktik, der Weg des Aussitzens. Kriege machten niemanden groß, schlimmer noch, gab es keine Gewinner, nur die Überlebenden. Und wie jemand überlebte, war allein für Historiker von Bedeutung, jene, die gewichtige Namen in den Geschichtsbüchern verewigten. Aber auch das war nur für jene wichtig, die irgendwo ihr Ego befriedigen mussten. Vom Regen durchnässt klebten ihr die Haare auf der Stirn, während große Tropfen davon herab trieften. Es wurde Zeit diese grausige Gegen zu verlassen. Abermals zeigte das Hologramm einen Mann in imperialer Uniform, nun aber jemanden, der der Sternenflotte angehörte. "Delvin? Ich brauche ein Taxi." Der bullige Mann blickte auf das durchnässte Abbild seiner Vorgesetzten ehe ihm ein schwerer Seufzer entglitt. "Da Sie offenbar nicht im Palast sind... können Sie Ihren Peilsender aktivieren?" Daro zögerte. Nein, sie könnte - natürlich, aber sie würde es nicht tun. "Negativ. Ich bin bei der Hüttenstadt suchen Sie nach...", ihre Augen durchforsteten die Gegend nach einem markanten Punkt, ein Unterfangen, dass sich in den verfallenden Ruinen als schwierig herausstellte. Einige hundert Meter entfernt entdeckte sie schließlich ein hochgelegenes Gebäude, dessen Lettern noch einigermaßen zu entziffern waren. "...LeMerge." Delvin nickte, ehe das Holobild verblasste und verschwand. LeMerge-Energy. Natürlich, jeder der alt genug oder historisch einigermaßen bewandert war, konnte mit diesem Namen etwas anfangen, obgleich sich nur noch wenige daran erinnerten, dass der Konzern auch hier auf Coruscant ein Hauptquartier besessen hatte. Und wer LeMerge nannte, der assoziierte diesen Namen meist mit Finis Valorum, einst Kanzler der Galaktischen Republik, Vorgänger Palpatines. Nun wo sie darüber nachdachte schien es seltsam, beinahe zu perfekt, dass der wegen der Schmiergeldaffäre um LeMerge abgewählte letzte Kanzler, ausgerechnet Palpatine, den von den republikanischen Nostalgikern der Allianz verhassten ersten Imperator, den Weg zur Erschaffung seines Reiches geebnet hatte.
Langsam trottete sie dem wuchtigen Gebäude, diesem zerfallenen Monolithen entgegen, auf den der saure Regen niederprasselte. Es war ungünstig gewesen Delvin Haelstroem in diese Sache zu involvieren, denkbar ungünstig, aber daran ließ sich jetzt nichts ändern. Er würde Fragen und es wäre besser diese Fragen hier zu beantworten als anderswo, auch wenn sie sich unsicher war wo er stand, wie seine Sicht der Dinge aussah. Ein Risiko. Aber besser ein Risiko in dieser verlassenen Gegend beseitigt, als vor den Augen der Kameraden. Schritt um Schritt ging es die kaputten Stufen empor, bis hin zu einem alten Landeplatz, wo ihr kalter Wind ins Gesicht blies. In der Ferne glommen Lichter auf. Ja. Die Oberstadt war so nah und doch so fern. Vielleicht hätte sie einfach hier zurückbleiben sollen, zusammen mit dem restlichen Abschaum verrotten. Die Lichter kamen näher und der Gleiter bremste, wirbelte Jahrzehnte alten Dreck auf und blies ihn über die Plattform. Die Tür öffnete sich und der kräftige Mann trat heraus. "Was um alles in der Welt machen Sie hier?", entfuhr es Delvin gleichsam verdutzt als auch wütend. "Es gab... Komplikationen bei dieser Feier. Sie waren auch nicht dort." Der Offizier schnaufte und hob entwaffnend die Hände. "Schon gut, schon gut... ich war im Diamond Casino.. das große, oben beim Boulevard." Er trat einen Schritt vor und fuhr mit ruhiger Stimme fort: "Vaash?" Vaash. Natürlich Vaash. Wer sonst? Von Harrsk wäre nichts anderes zu erwarten gewesen, aber vielleicht hatte sie irgendwo gehofft, daran geglaubt, dass der Alte sich getroffen fühlte, dass er sich erklärend würde, einsehen, wie falsch er lag. "Hm.", lautete ihre einfache Bestätigung. "Das erklärt Ihre Abwesenheit. Aber was machen Sie hier? Sie wissen, was hier für Gestalten herumlungern..." Nun war es das also, sie würde nicht Drumherum kommen und zugegebenermaßen fiel ihr tatsächlich keine plausiblere Erklärung als die einfache Wahrheit ein, dass ihre Anwesenheit an diesem Ort erklären würde. "Ja, ich weiß... was ich hier mache nun... ich gehe." - "Wie? Weg?" - "Ja, weg." Der Offizier kratze sich am Kinn, an dem sich bereits ein Rinnsal des Regens gebildet hatte. "Und.. wohin?" Ein weiterer Seufzer entglitt ihr, nun... nur ein Schritt nach vorn und die klare Grenze wäre gezogen. Schwarz oder weiß. Richtig oder falsch. Ein Schritt und die Extreme wären klar definiert. "Zsinj."
Delvin kam es vor als wäre eine Ewigkeit vergangen, dabei hatte er lediglich kurz geblinzelt. Die Zeit schien wie eingefroren. "Und....", das Eis knackte, "...was wird aus uns?" Dies war der schwierige Punkt, die Art Frage, auf die sie keine klare Antwort hatte, zumindest keine allumfassend zufriedenstellende. "Sie kommen mit. Alle." - "Nein!" Nun war es Daro, die blinzelte, ungläubig, wie von einem Schlag getroffen, fehlten ihr für einige Augenblicke die Worte. Sie trat einen Schritt zurück, als hätte sie plötzlich einen Fremden vor sich. "Ein Admiral ist nur mit einer Flotte nützlich. Eine Flotte braucht ihre Kommandeure um zu funktionieren. Sie kommen mit." - "Nein. Das ist... Wahnsinn. Ich verstehe wenn Sie gehen wollen Zen, nun, nur zu. Aber lassen Sie die anderen aus dem Spiel. Sie haben kein Recht über Besatzungen zu bestimmen, Sie haben kein Recht, uns alle zu Verrätern zu machen!" Der Mundwinkel der Admiralin zuckte kalt. Ja. Da war die Front. Soldat und Soldat standen sich gegenüber - tragisch allein war der Umstand, dass es Delvin war und nicht Vaash. "Verräter. Äußerst dehnbarer Begriff - meinen Sie nicht? Sie dienen einem Imperium ohne Imperator und der letzte Imperator wurde von einem Verräter auf den Thron gesetzt, nachdem er sich quer durch die imperiale Flotte geschossen hatte! Und dieser hochgelobte Imperator...", Daro spuckte das Wort beinahe verächtlich aus, "...besaß am Ende nicht einmal die Integrität die Abspalter hinter sich zu einen. Das ist kein Imperium, kein Reich, kein Staat, das ist ein Witz. Ein Haufen Bürger, der von einer militärischen Armada lose zusammengehalten wird!" Delvin wandte sich ab, als könnte er nicht hören, nicht tatsächlich verstehen und begreifen, was ihm entgegen geschleudert wurde. Als wären es Worte einer fremden Sprache schüttelte der Mann verständnislos den Kopf. "Tut mir Leid. Hilft nichts. Ich muss Sie melden." Die Soldaten hatten sich in die Schützengräben zurückgezogen, als das Sperrfeuer über sie hinweg pfiff. Nun herrschte eine kurze Waffenruhe, Stille, die Gelegenheit voranzupirschen und die Initiative zu übernehmen. Ihre Hand glitt in die Manteltasche und ertastete das kalte Metall, biss ihre Finger sich um den Griff schlossen und die Waffe herauszogen. Mit einem charakteristischen Klacken schnappte eine neue Gaskartusche ein. Als Delvin Haelstroem sich umdrehte blickte er nicht nur in das finstere und gleichzeitig traurige Gesicht Zens, sondern auch in die Mündung einer Blasterpistole. "Ihre Familie, oder Haelstroem? Sie haben Angst, dass Sie sie nicht widersehen. Das ihnen etwas angetan werden könnte. Aber zu spät, ich habe mich entschieden, meine Optionen abgewogen." Kopfschütteln, vorsichtig hob der Offizier seine Hände und ging einige Schritte zurück. War das tatsächlich noch die Frau, die er vor vielen Jahren kennengelernt hatte? Oder war er so blind gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, wie der Krieg sie verändert hatte? Immer mehr zerbrochen hatte, bis nichts mehr übrig war? Zen war nie für den Krieg geschaffen, nie dafür geeignet gewesen und nun traf ihn vielleicht der Richtspruch, dass er damals Sympathie über Pflicht gestellt hatte. "Sie sind wahnsinnig, Zen. Sie sind nicht besser als Batch!" Wieder ein Schritt vorwärts, der Feind schritt einen zurück. Gleichgültiges Schulterzucken. Was brachte es noch, sie jetzt zu kritisieren? Die Zeiten der Moral waren vorbei, die Zeiten des Anstandes ausgelöscht, so, wie auch einer ihre Freunde in kürze ausgelöscht sein würde. Was zählte war das Überleben des einzelnen und wenn es auf Kosten tausender ging, dann war es ebenso. "Verdammt Zen! Ich habe Ihnen vertraut! Ich war Ihr Freund!" Die letzte Windbrise abwarten. "Nein. Nur eine Nummer im System. Und morgen kommt eine neue." Schuldspruch. Der Finger krümmte sich am Abzug, bis der Schuss auslöste. Binnen Millisekunden war Delvin Haelstroem tot, während der Kadaver des Mannes in die unbekannte Tiefe der Hüttenstadt fiel. Dort wo sich Legenden zufolge die blinden Kannibalen herumtrieben - Cthone - und niemanden im imperialen Apparat würde sich dafür interessieren. Es ging allein um die Frage, wie die ausgefallene Funktion zu ersetzen war und in welcher Form. So oder so, niemand würde die Leiche mehr finden und noch weniger würden hinter dem Mord Daro Zen vermuten, die als treue humorvolle, zuweilen auch bissige Freundin ihrer Kommandeure galt. Nun... Zeiten änderten sich und man musste sich anpassen.
Die rauchende Blastermündung schob sich unter ihr Kinn. Vielleicht wäre das eine gute Gelegenheit es doch zu beenden, jetzt, wo es kein Zurück gab. Keine andere Wahlmöglichkeit. Die Augen schlossen sich. Nur noch einmal am Abzug ziehen und der Albtraum wäre vorbei. Keine Schuld mehr, keine Gefühle. Das Metall zitterte, löste sich und die Waffe fiel hinab in die tiefen, dorthin, wo auch ihr Opfer lag. Nein. Wieder nicht. Mit zittrigen Händen schob sie eine Zigarette zwischen ihre Lippen und entzündete sie. Noch war die Tat nicht real. Vielleicht würde sie es auch nie werden, nein, ausgeschlossen. Es half nichts. Ihr Blick fiel auf den Gleiter mit dem Delvin gekommen war, auch darum würde sie sich kümmern müssen - jetzt. Und dann... dann gab es vielleicht Frieden im Hotel. Irgendwo zwischen Alkohol und Bettlaken, ein paar Stunden jemand anderes sein. Nur ein paar Stunden von Frieden träumen.
Weg von hier. Weit weg. Aber wohin fliehen? Tiberius Vaash sah auf sich herab, seinen Hoverstuhl und auch die alte Decke, die seine verkrüppelten Beine bedeckte. Zertrümmert waren sie durch den Absturz, durch die Niederlage über Eriadu. Er hatte sie geopfert, um einem Mann der Mannschaft, das Leben zu retten. Jemanden zu retten, war das größte Opfer, auch im Zweifel mit seinem eigenen Leben. Gleichgültigkeit war der kleine Tod einer Person und der schleichende Tod einer Gesellschaft. Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben.
Vaash wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Wie viel Zeit er gebraucht hatte, um in dieses Shuttle zu gelangen. In ein Raumgefährt, welches ihn zu seiner alten oder nun neuen Flotte bringen würde. Zurück in einen Krieg, den er nicht mehr wollte. Was war, konnte der Offizier nicht mehr bestimmen. Wie viel war real? Wie viel war verseucht mit dem Gefühl? Diese Kälte, welche kam und ging. Sie nahm zu, je näher er seiner Aufgabe kam. Einer Aufgabe, die reine Pflicht war. Allein mit sich, saß der Alte im Sitz des Personentransportes, zusammen mit zwei Marinesoldaten als Geleit etwas weiter abseits. Aus dem kleinen Fenster konnte er die Gebäude, grausamen Türme von Coruscant beobachten. Niemand sprach mit ihm. Irgendwie hatte auch er die Sprache verloren, griff zum Glas vor sich, um dann aus einer eleganten Karaffe rotbraunen Alkohol einzuschenken. Vergessen wollte er. Auch die Sterne, zu denen er nun aufbrach. Wieder weg. Wieder einmal fort. Wie immer. Vaash hob das Glas an, so dass er es betrachten konnte, im weiß-sterilem Licht der Deckenbeleuchtung. Durch dieses Glas betrachtete er wohl auch sich selbst. Durch ein Fenster in seine Seele. Er führte das Getränk zu seinem Mund, wobei es leicht durch den Schwenk seiner Hände, plätscherte. Der Offizier trank allein. Es rann die Kehle herunter, bis das Glas leer war. Der Alte schenkte nach. Mehr. Mehr vergessen. Wieder ein Blick ins Glas und die Zeit verging dickflüssig, wie die rotbraune Flüssigkeit. Es tat gut, wie die Wärme des Alkohols seine Adern wärmte, seinen Hals aufwachen ließ und die Einsamkeit vertrieb. Ein Gefühl, welches Tiberius Vaash deutlich spürte. Krieg hatte ihm seine Ehre und Schneid genommen, nun blieb ihm nur dieser Moment der Ruhe. Mit dem erlösenden Gift des Alkohols.
--> Imperiales Oberkommando
Ah, der große Ball. Die Versammlung von Menschen, die vorgaben, etwas feiern zu wollen, obgleich viele der hier Anwesenden der Meinung waren, dass die Freiwilligkeit bei dieser Festivität ohnehin keine Rolle spielte, weil man verpflichtet wäre zu erscheinen. War das so? Natürlich nicht. Das Imperium hätte Abwesende kaum mit der Militärpolizei abgeholt und ihre Anwesenheit an dieser Veranstaltung erzwungen. Und das war allen klar. Jeder war freiwillig hier, selbst wenn es einen vermeintlichen psychischen Zwang zur Anwesenheit gegeben hätte. Einige mochten hier sein, weil sie vermuteten, dass die Abwesenheit einen fragwürdigen Eintrag in die eigene Akte bedeuten würde. Andere strahlten auf Cassio eine Aura der Gelassenheit und der Zufriedenheit aus, überwiegend solche, die in kleinen Offiziersgruppen zusammenstanden und anhand von Mimik und Gestik recht gut ersichtlich wohl kaum über die derzeitige militärische Lage diskutierten. Doch das Interessante war, dass man lediglich ein paar andere, zufällige Gesichter studieren musste, um zu erkennen, dass sich manche auch mehr als unwohl fühlten und eiligst den Anschein zu erwecken versuchten, genau diesen Anschein doch zu vermeiden. Amüsante Heuchler. Cassio seinerseits hatte überhaupt keine schlechte Laune. Im Gegenteil, merkwürdigerweise. Seit er hier war, hatte ihn eine eigenartige Hochstimmung erfasst. Warum? Es war das letzte Mal. All dieser politische Dreck, dieses verachtenswerte Zurschaulaufen aufgeblasener Egos, die nur dann hervorgekrochen waren, wenn sie wieder Beachtung für notwendig hielten und bei solcher Gelegenheit schließlich brav schwanzwedelnd und demütig angekrochen kamen, ja all das endete für ihn also mit dem heutigen Tage. Es war vorbei, für immer. All die dickwanstigen Fratzen, all die speichelleckenden Würmer würde er nicht wiedersehen. Es war demnach eigentlich unmöglich, schlechte Laune haben zu können. Alles, wahrlich alles, selbst das, was ihn erwarten würde, war besser als das hier. Geradezu surreal spielte die Musik allmählich vor sich hin, einige der jüngeren Offiziere begaben sich mit ihren Partnerinnen oder auch völlig Fremden auf die Tanzfläche. Irgendein Zinnsoldat, der aussah, als kam er frisch von der Akademie, geschniegelt und gebürstet, baute sich neben Cassio auf und streckte mit stolzgeschwellter Brust seine Hand zur Adjutantin des Admirals aus. Tasha lachte kurz, aber Cassio kannte sie inzwischen gut genug, um zu wissen, dass es mehr aus Verunsicherung kam.
„Nur zu“, sagte der Admiral und entließ Tasha mit einem kurzen Fingerzeig aus Zeige- und Mittelfinger aus seiner Gesellschaft. Der junge Offizier zerrte die beinahe widerwillige Frau fort auf die Tanzfläche und die Lockerheit im Umgang der beiden ließ ihn zu dem Schluss kommen, dass die beiden sich kennen mussten. Nicht allzu interessiert verfolgte er die Unbeholfenheit der beiden, bis er sich abwandte, um etwas im Raum zu suchen. Nun, logisch. Sie konnten feiern. Die Jungen hatten zumindest die Chance, noch lebend aus dieser Sache herauszukommen, selbst wenn dieser Krieg verloren gehen sollte. Die Wichtigen würden hängen, so oder so. Und sie wussten es. Das war wohl der Hauptgrund, warum sie niemals kapitulieren würden. Es würde ihnen schlichtweg nichts bringen. Cassio war einer von ihnen. Und das war es wohl, was am Ende noch vielen der Jungen das Leben kosten würde, die hier und heute ihre Last abzulegen und zu feiern wussten. Herauszögern, nur damit das Unvermeidliche noch ein paar Tage weiter entfernt blieb. Eigentlich ein Trauerspiel, und doch war es so menschlich.
Schließlich bahnte sich Cassio seinen Weg durch die Menge, immer wieder angehalten von dem einen oder anderen älteren Offizier, mit dem er ein paar kurze Sätze wechselte, einige davon durchaus informativ, andere weniger, ehe er sich entschuldigte, weil er – vermeintlich – zum nächsten Offizier musste, ehe er das Ende der losen Gruppe erreicht hatte und bis zu einem etwas abseits an der Wand stehenden Droiden gelangt war.
„Zwei Bakuraner“, sagte Cassio, ohne sich dem Droiden zuzuwenden, den Blick weiter in Richtung der Gäste gerichtet, fast als wolle er diese nicht aus den Augen lassen, sondern als rechne er damit, dass jederzeit irgendetwas passierte.
„Verzeihen Sie, Sir, aber Bakuraner sind derzeit nicht verfügbar.“
Der Admiral hob eine Braue an und zog seine Augen nun doch kurz auf den etwas unförmigen, nur entfernt an einen Humanoiden erinnernden Droiden hinüber. Dessen Rezeptoren nahmen dies zu Recht als die ungestellte Frage auf, die es auch war.
„Ja, Sir. Die letzte Lieferung Bakuraner erreichte uns vor zwei Wochen. Möglicherweise gibt es auf dem Planeten Lieferungsprobleme. Es könnte…“
„Wie bedauerlich“, murmelte Cassio mit einer Prise Sarkasmus. „Etwas Vergleichbares?“
„Natürlich, Sir.“
Einen Augenblick blieb der Droide still, während sich ein Teil seines Brustkorbs öffnete. Einer der mechanischen Greifarme fasste hinein und zog zwei pechschwarze Cigarras mittlerer Größe hinaus.
„Ich vermute, diese dürften Ihnen als Ersatz passend sein, Sir. Sie wurden eigens aus den…“
Cassio nahm bereits die zwei alternativen Cigarras entgegen, schob sie in die Brusttasche neben seinen Codezylindern und ging wortlos an dem für ihn uninteressanten Gebrauchsgegenstand, der der Droide selbst war, vorbei, ohne ihm weitere Aufmerksamkeit zu widmen. Längst war er gelangweilt von der zum Teil penetranten Programmierung, die Droiden im Laufe der Zeit erlangten, wenn ihre KI begann, weiter zu arbeiten, als ursprünglich in ihrem Aufgabenbereich lag. Das war letztlich allen Droiden gemein, deren Arbeit ein Maß an Kreativität und Anpassungsgabe verlangte. Und dadurch dazu führte, dass sie regelmäßig Speicherlöschungen über sich ergehen lassen mussten. Nicht zuletzt deswegen waren ihm beschränkte KIs ohne jede Art von Persönlichkeitsentwicklung lieber. Sie störten nicht. Sie waren eben da. Wie ein Holopad oder ein Turbolift. Nützlichkeit. Nur darum ging es. Das lebende Wesen unterschied sich insoweit nicht von der Maschine, nur die Maßstäbe der Nützlichkeit waren anders. Und wer die ihm zugewiesene Funktion nicht erbrachte, der wurde entsorgt. Es war nur logisch, in gewisser Weise auch überraschend fair. Der Nutzen oder Nichtnutzen waren dadurch messbar, bewertbar. Das Imperium hatte somit gar keinen Platz für Willkür – es tauschte eben nur die Glieder aus, die den vorgeschriebenen Nutzen nicht mehr erbrachten, damit der Motor als solcher nicht zu stottern begann, sondern wie geschmiert lief. Nun, so war es dann eben. Es würde nichts daran ändern, dass der Fahrer Pestage ein Dilettant war und zielgerichtet auf den Abgrund zusteuerte. Derzeit hoffte Cassio nur, ihm zumindest noch rechtzeitig ins Gesicht lachen zu können, wenn dem Alten der Strang um den Hals gelegt wurde, bevor es ihn selbst traf. Das wäre Befriedigung genug.
Mit einem professionellen Nicken trat er für seinen Geschmack ein paar Meter zu nah an Kallice vorbei, gerade im Gespräch mit dem Oberbefehlshaber der Flotte Dharien Thoss. Die beiden schienen ihn für einen Moment lang aufhalten zu wollen, doch Cassio warf ihnen nur so viel Aufmerksamkeit zu, wie es zum Abschluss des Nickens notwendig gewesen war und zog dann zielgerichtet weiter in Richtung Ausgang. Nein. Er konnte Mitleid, ob gespieltes oder echtes, oder Hohn jetzt nicht ertragen. Vaashs Blick hatte bereits genügt. Eine der Wachen direkt an der gewaltigen Doppeltüre trat heran und öffnete das Machwerk direkt vor Cassio, der hindurchging und anschließend die Stufen in flotten Tempo hinuntereilte. Dröhnend schloss sich die Doppeltüre hinter ihm, dämpfte die ehemals lauten Geräusche des Balls. Mit leicht erhöhtem Atem gelangte er von den Stufen aus in die Empfangshalle des Festsaals. Ein Blick durch ein Oberlicht der Halle verriet ihm eine graue Wolkendecke und Regen.
„Mantel“, forderte er den Mann am Empfang auf. Dieser blickte kurz von seinem Datapad auf, das er sich für die Zeit, in der er nichts zu arbeiten hatte, als Beschäftigung bereitgestellt hatte. Einen schnellen, einschätzenden Blick später nahm er einen schwarzen Militärmantel in Cassios Größe von einem der endlosen Bügel hinter ihm hinunter, ehe er auf den Admiral zuging. Der frühere Stabschef nahm aus seiner Brusttasche eine der beiden Cigarras, schob diese in den Mund und entnahm aus der anderen Tasche das kleine Feuerzeug. Vielleicht würde er dieses Laster endlich beseitigen können, wenn er wieder einmal – seit langer, sehr langer Zeit – auf der Brücke eines Raumschiffes stand. Es war vor Yavin gewesen, in einer Zeit, in der so viel noch so richtig gelaufen war. Cassio brummte unterdrückt. Er entfachte das kleine Feuer in seiner Hand und senkte den Kopf hinab, um die Cigarra zu entzünden.
„Sir, es tut mir leid. Sie dürfen hier nicht rauchen. Brandschutzbestimmungen“, sagte der Mann in seinem Rücken, während dieser ihm den Mantel von hinten über die Schultern warf. Cassio hielt inne, die Flamme ein paar Zentimeter entfernt von der Cigarra in seinem Mund, weit genug, diese nicht entzünden zu können.
„Wirklich“, entgegnete er knapp, wartete noch einen Moment und steckte die Cigarra an. Nach einem kräftigen Zug blies er den Rauch mit geschlossenen Augen in die lächerlich großen Hallen, die nun Sate Pestage gehören würden. Pure Heuchelei, von Funktion und Funktionalität zu schwadronieren und dann diese pompöse Arroganz eines Gebäudes zu sehen. Sollte es doch brennen. Er klopfte etwas Asche auf den makellosen Marmorboden, entfernte sich wortlos von dem Empfangsherrn und trat an die archaische Türe heran, die nach draußen an die Parkanlage für Speeder und Fähren führte.
Ehe er die Türe öffnete, blieb er jedoch stehen. Draußen an den Stufen, welche an die Landefläche heranführten, mitten im künstlichen Regen der Hauptstadt saß jemand. Ein Offizier. Cassio konnte nicht sagen, ob die Frau auch auf der Festivität zugegen gewesen war, aber der Schluss lag nahe, nachdem sie ihre große Dienstuniform trug. Der schwere Stoff der Uniform war bereits durchweicht von zahllosen Tropfen des Wolkenteppichs. Zunächst entschied Cassio Kehrt zu machen und stattdessen die Landefläche auf der anderen Seite des Palastes aufzusuchen. Doch ehe er sich umdrehte, erinnerte er sich an das Gesicht der Frau. Nicht aus persönlichem Kontakt, natürlich nicht. Akten. Wie üblich. Nun wusste er dadurch und aus den Gesprächen auf dem Ball aber, dass es sich gerade um die Person handelte, der Cassio unterstellt werden sollte. Der Vizeadmiral konnte sich ein trockenes Lachen kaum verkneifen. Einer Frau, noch dazu jünger als er. Eine eindeutigere Botschaft hätte Pestage einem Offizier der Sternenflotte kaum geben können. Dämmrig drang die Erinnerung an seinen Ausbruch zurück in sein Gedächtnis, als er in seinem Büro Tasha im Zorn vorgeschlagen hatte, dass man Pestage für seine Dreistigkeit an die Wand stellen sollte. Stünde Pestage jetzt dort draußen und hätte Cassio seinen Merr-Sonn… wer weiß. Der Vizeadmiral nahm sich die Cigarra aus dem Mund und hielt sie locker zwischen Mittel- und Zeigefinger. Er ignorierte den skeptischen Blick des Empfangsherrn, der sich weitgehend auf den Glimmstängel richtete.
„Noch einen“, sagte er dann und deutete unruhig in Richtung der Mäntel, erntete dafür einen irritierten Blick. Als er jedoch nicht nachließ, händigte der Mann ihm einen weiteren schwarzen Mantel aus, welchen sich Cassio um den Unterarm warf. Admiral Zen starrte gedankenverloren ins Nichts, schien ihn zunächst nicht zu bemerken, so wenig wie sie den Regen zu bemerken schien, der ihr von nassen Haaren über das Gesicht rann. In ihrer Hand fand Cassio eine nahezu ausgerauchte, simple Zigarette, welche dem Regen zum Trotz weiterglomm. Seine Stiefel kamen unmittelbar neben Zen zum Stillstand, die auf der obersten der Stufen saß. Langsam perlten die ersten Tropfen an seiner Kleidung ab. Mit einem Zupfen nahm er den zweiten Mantel von seinem Unterarm und ließ ihn auf ihre Oberschenkel fallen.
„Das ist mehr von Ihrem Format“, meinte er nur, nickte in Richtung der Zigarette und hielt ihr seine zweite Cigarra hin, die er ursprünglich für später am Abend eingeplant hatte und nun zweckentfremdete. Notfalls holte er sich noch einmal eine. Das Imperium zahlte schließlich. Cassio zog ein Mal an seiner eigenen Cigarra und blickte über die Landefläche, auf der mehrere Lambda-Fähren und einige kleinere Gefährte penibel aufgereiht standen.
„Wie es aussieht, werden wir künftig häufiger das Vergnügen haben“, fuhr er etwas monoton fort, ohne sie anzusehen. Keine Spur von Freude beim Wort Vergnügen, aber auch kein wirklicher Sarkasmus. „Mein Geschwader wird in den nächsten Tagen Ihrem Kommando unterstellt werden.“
Irgendwann einmal, mochte sie sich der Frage stellen müssen, was einen Soldaten dazu trieb die eigenen Kameraden so kaltherzig zu töten. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht einmal in den nächsten zwanzig Jahren, aber am Ende holte die Wahrheit die sündigen Seelen dieser Galaxis doch ein, wog ihre guten und schlechten Taten gleichermaßen ab und fällte ein abschließendes Urteil. Eine trostlose Hoffnung, zumindest für jemanden wie sie, der sich nicht einmal daran erinnern mochte, wann die letzte wirklich gute Tat, fern von Eigennutz, fern von der Beeinträchtigung anderer Interessen, begangen wurde. Möglicherweise nie, man mochte meinen, derart wäre im Imperium nicht möglich - eine Annahme aber, die so durchsichtig und zerbrechlich war, wie gesprungener Transparistahl.
Der dunkle, wolkenverhangene Himmel entließ ein zorniges Grummeln, als wäre er sich der Schuldigen auf der Welt dort unten wohl bewusst, doch der Regen, den die Wolken entließen, vermochte die Sünden nicht von der Haut zu waschen. Aber das war ihr nicht wichtig. Daro hatte erwartet Mitleid zu haben, Schuldgefühle, ein Anflug wie auch immer gearteter Schuldgefühle, stattdessen aber fand sich nur Desinteresse. Vielleicht hatte sie gelernt in ihren Kameraden das zu sehen, was das Imperium schon die ganze Zeit sah: entbehrliche Soldaten. Niemand, der es wert wäre, dass man ihm nachtrauert oder gar Tränen vergießt, nein, gewiss nicht. Im besten Falle gab es ein gut geschmücktes Begräbnis und eine für den Moment beeindruckende Andachtsrede - bevor die nächsten Gruften gefüllt wurden. Krieg endete nicht, weil ein Held starb, oder ein guter Freund. Das mochte sie irgendwann einmal, vor vielen, vielen Jahren naiverweise gedacht oder vielmehr gehofft haben, aber die Realität des Militärs wusste solche Fantasien schnell zu durchkreuzen. Es war also egal wer starb, es war so egal warum er starb oder unter welchen Bedingungen: es würde nichts ändern. Nicht für sie, nicht für die Galaxis, nicht für irgendwen. Daro bildete sich ein, ein Gespür dafür zu haben, wie es den Soldaten der alten Republik wohl in den Klonkriegen ergangen sein musste: man begann nach mehreren Wochen im ständigen Einsatz wohl eher den eigenen Tod zu erwarten, anstatt des nächsten Tages. Der derzeitige Krieg war im Prinzip ähnlich - er tobte in dieser Form nur noch nicht lang. Doch nun, wo die Republik die Ressourcen besaß sich gegen das Imperium zu stemmen, wo zahlreiche Abspalter nur darauf warteten, dass sich eine Lücke im Moloch auftat, war es nur eine Frage der Zeit, kurzer Zeit, bis es den nächsten traf, immer weiter die Runde herum, bis niemand mehr stand. Was also machte es aus wer wen erschoss, wo ohnehin niemand mehr ernsthaft erwarten brauchte, auch nur irgendetwas zu überleben?
Der Regen trommelte weiter auf ihre Kleidung ein, deren Stoff die Tropfen inzwischen nicht mehr abperlen ließ, sondern freudig aufsog. Ihr war kalt, sie mochte es nicht zeigen, doch in jenen Momenten, in denen sie kurz vom Glimmstängel, dessen dampfende Spitze dem Regen entschlossen die Stirn bot, bemerkte Daro wie ihre Lippen immer wieder kurz zitterten. Dennoch, sie wollte nicht aufstehen, nicht gehen, was auch immer sie hier erwartete, auf wen auch immer sie wartete. Und doch ging sie auch nicht zurück, nicht wieder dort hinein in diesen Palast, dorthin, wo sich Einfalt mit Dekadenz zu paaren wusste. Sie blinzelte die Wassertropfen aus ihren Augen, die von den Haaransätzen herunterrannen. Abgesehen von ihrer Uniform, wirkte an Daro Zen derzeit nur noch sehr wenig nach einem imperialen Admiral. Vorbeikommende mochten sie wohl eher als eine von "denen da oben" betrachten, eine Prinzessin, die von ihrem frisch gebackenem Akademieprinzen sitzen gelassen wurde, weil eine andere nun doch schöner war und womöglich hoffte ein Teil von ihr sogar, dass einige so dachten. Ironischerweise schien der Großteil der Bevölkerung mehr Mitleid mit jenen zu haben, die Opfer eines unglücklichen Alltagsdramas wurden, als mit jenen, die daran zerbrachen ihre Heime und Häuser vor dem zu schützen, was sich Krieg nannte.
Nicht, dass Daro dieses Mitleid wollte, sie brauchte es nicht, aber sie forderte Verständnis, jemand, der frei vom ideologischen Wahn begriff, was hier geschah, jemand, der erkennen mochte, dass all das hier längst verloren war - es fehlten lediglich die republikanischen Schiffe an Coruscants Theaterhimmel. Einen Moment lang hoffte sie, eines dieser Aufblitzen Lichter am Himmel würde das Ende endlich einläuten. Turbolaserblitze würden gegen den planetaren Schild hämmern und sie würde einfach sitzen bleiben und das Schauspiel genießen, interessiert dabei zusehen, wie das Imperium vergeblich Schiff um Schiff gegen die Invasoren warf, aber letztendlich unterging. Und vielleicht könnte sie sogar sehen, wie die Rebellenschiffe landen würden, einen nach dem anderen zum Galgen führten: Pestage, Isard, Harrsk, Tiggelinus und all die anderen, die sich am meisten vor ihrer Niederlage fürchteten. Natürlich würde sie auch sterben, aber es erschien leichter das Unvermeidbare zu akzeptieren, wenn es mit unerwarteter Wucht über einen hereinbrach, anstatt Tag für Tag um das eigene Leben zu bangen.
Ihre Finger glitten in die Brusttasche der Uniform und tasteten nach der inzwischen klammen Zigarettenschachtel, deren Inhalt sich nicht viel vielversprechender anfühlte. Oder aber es lag schlichtweg daran, dass ihre Hände ebenso sehr vom Regen trieften wie der Rest ihres Körpers. Daros Fingerspitzen kniffen in den Filter und zogen einen weiteren Glimmstängel heraus und platzierten ihn zwischen ihren Lippen. Das spärliche Feuer flackerte wütend im Regen, vermochte allerdings seinen Zweck zu erfüllen. Sie ließ ihr Feuerzeug zurück in die Tasche gleiten und blies den bläulichen Rauchschwall in die feuchte Nachtluft hinein. Wohin also mit Daro Zen, wenn sie wieder nach dort drinnen, noch nach hier draußen gehörte? Keine ganz einfache Frage, nicht einmal für sie. Sicherlich, sie konnte so tun, als wollte sie weg vom Imperium - zugegebenermaßen musste sie sich dafür nicht einmal verstellen, aber der Grund lag weitaus weniger darin, weil es ihr woanders merklich besser gefiel - ein wässriges Argument vielleicht, dass sie nutzte um ihre Entscheidung für Zsinj und gegen das Imperium zu rechtfertigen, aber eigentlich stimmte es nicht. Eigentlich wollte sie nur Sicherheit für sich, es ging nicht um einen großen Vorteil, sie besaß nicht die Ambition einen Krieg gegen die Republik oder sonst wen führen zu wollen, Daro wollte ihren Frieden, ein Stück weit geschützt sein vor dem Rest der Galaxis, der in den Flammen unterzugehen drohte. Der Großmoff mochte dafür die erstbeste Gelegenheit sein, aber nicht zwingend die Beste. Der Krieg endete nicht auf Coruscant, diese Vorstellung fand sie, als Admiralin mehr als absurd. Die Republik würde sich nicht damit begnügen das Imperium zu besiegen und die übrigen Abspalter unangetastet zu lassen. Es mochte eine kurze Ruhephase geben bevor der letzte Vorstoß begann, aber mehr auch nicht. Wohin also gingen Krieger, die genug Krieg gesehen hatten? Eine Frage, auf die sie keine befriedigende Antwort fand, vielleicht nicht einmal finden wollte, einfach, weil sie sich selbst daran hinderte. Irgendwo gefangen zwischen Gewohnheit und Wunsch.
Daro bemerkte lose, das Geräusch näher kommender Schritte, sah sich aber nicht dazu bemüßigt sich extra umzudrehen, auf irgendeine Art anzuzeigen, dass sie Interesse an ihrer Umwelt hätte oder auch nur daran, diese wahrzunehmen - und ebenjene Reaktion erwartete sie für gewöhnlich auch von jenen passiven Störenfrieden, die für gewöhnlich an ihr vorbei schritten. Dieser hatte offenbar anderes im Sinn. Daro Augen blickten weiterhin geradeaus, folgten stur dem Befehl ihres Kopfes, sich nicht um eine andere Person zu kümmern, während andere Teile sich bereits darauf einstellten gleich irgendeine überaus dumme und irrelevante Frage beantworten zu müssen. Stattdessen traf sie etwas weitaus seltsameres, womöglich hätte sie damit rechnen müssen, war aber so weit in ihren Gedanken gewesen, dass es für diesen Augenblick absurd erschienen. Nun, mochte die Galaxis am Abgrund stehen, das zwischenmenschliche Betragen tat es nicht - zumindest noch nicht. Aus ihren Augenwinkeln heraus musterte sie den vermeintlich Unbekannten, dessen Aussehen vertrauter erschien, als ihr lieb war: Cassio Acchetia. Stabschef... ehemaliger Stabschef. Ihr Blick wandte sich wieder aber und fiel erneut in Coruscants Nacht, sie nickte kurz, vielleicht mehr ein Zeichen dafür, dass er als Person wahrgenommen und registriert wurde, weniger für seine aufmerksame Geste. Daro schnippte die beinahe abgerauchte Kippe davon, betrachtete den Flug des glimmenden Stängels wie er über ein Geländer glitt und dann nach unten fiel, ehe sie den Mantel nahm und sich über die Schultern legte.
Eigentlich hatte die Admiralin erwartet, er würde gleich weiter gehen, sie wieder allein lassen, aber er blieb. Ihre Ohren zuckten kurz bei seinen Worten, schienen sich aber nicht mit deren Inhalt befassen zu wollen. Womöglich weil sie wusste, dass es nicht stimmte, weil es von ihrem Standpunkt aus, wie Sarkasmus klang - auch wenn er es nicht betonte. Acchetia kannte ihr Format nicht - und das mochte gut so sein. Aber die Wahrheit zu kennen, nur im mit einer Lüge gefüttert zu werden, konnte so viel bitterer schmecken. Dennoch nahm sie das Angebot an, tastete mit ihren kalten Fingern nach der Cigarra und platzierte das erlesene Genussmittel zwischen ihren zitternden Lippen, ehe sich das Feuerzeug erneut gegen den Regen behaupten musste. Sie wartete weiter ab, tat bewusst oder unbewusst so, wie interessant Coruscant im Vergleich zu Cassio Acchetia sein konnte, während sie ihm doch zuhörte. Da war er also schon: der Ersatz. Wie vortrefflich das Imperium doch zu arbeiten wusste. Es wusste nicht einmal jemand, dass ein Teilchen fehlte und schon schickte man ihr ein Neues. Oder auch nicht. Daro zählte die simple Gleichung in ihrem Kopf zusammen. Eriadu, Acchetia, Pestage. Das war es. Es ging gar nicht um sie, nicht direkt, sie war nur eine nette Spielfigur für Pestage, ein Objekt der Demütigung für... nun, für so jemanden wie Acchetia. Zumindest schien es Pestage zu denken. Daro blies den Rauch aus und bewegte den Kopf leicht, ein sachtes Nicken, ein Zeichen dafür, dass sie es verstanden und akzeptiert hat, vielleicht sogar so, dass es ihm zeigte, dass es für sie keine Rolle spielte, es eigentlich nicht einmal interessierte.
Irgendwo in Coruscants nichtssagendem Lichtermeer fand sie es schließlich, eine Leuchtreklame, groß genug um nicht übersehen zu werden, das typische Werbebanner für die Sternenflotte. Mehr oder Minder also das Fließband, dass die Kälber zur Schlachtbank trieb. In kräftigen Neonfarben waren die prestigeträchtigen Sternenzerstörer ausgeleuchtet, während ein kurzer Werbeslogan die vermeintliche Raumfahrerromantik vorgaukelte. Sie nickte in Richtung des Schildes, ehe sie einen Arm ausstreckte, an dem die durchnässte Uniform klebte. "Schauen Sie mal, Acchetia, das Plakat.'Bringen Sie der Galaxis Ordnung und Sicherheit zurück! Erkunden Sie fremde Welten! Werden Sie Teil der imperialen Sternenflotte!'", las Daro den Aruabesh-Schriftzug vor, wobei nicht klar zu erkennen war, ob das Amüsement in ihrer Stimme aus einem gewissen Sarkasmus herrührte oder aus nostalgischer Erinnerung. "Haben Sie je daran geglaubt? Je einen Gedanken daran verschwendet wie viele Akademiefrischlinge, für diesen Spruch zu sterben bereit sind?" Daros Augen hingen weiter am Plakat, aber sie formulierte ihre Frage ruhig. Es war kein Vorwurf, mehr ein neugieriges Interesse, wie sie zurückdachte an das erste Mal, dass sie dieses Plakat erblickte.
Der künstlich erschaffene Regen des Zentrums plätscherte auf dem Boden dahin, pochte auf Stein und Metall. Auf Coruscant hatte der Mensch längst die Natur besiegt und sie sich Untertan gemacht. Riesige Wettermaschinen sorgten für Wolkenbildung, deren Inhalt das Zentrum bewässerte, nachdem der Planet von selbst nicht mehr in der Lage war, Regen hervorzubringen. Ein wundersames Schauspiel, etwas erst zu zerstören, um es anschließend in anderer Weise wieder selbst zu erschaffen. Vielleicht lag am Ende sogar mehr Imperium in der Geschichte Coruscants als er bisher realisiert hatte. Cassio klopfte etwas Asche ab, die in der leichten Windbrise tanzte und hinausgetragen wurde in die windreicheren Höhen des Palastes, an dessen Gemäuer weit über zwei Kilometer Höhe immer wieder das Heulen entfernter Böen erklang. Nur ein kurzer Blick also, das rasche Überprüfen, ob er ein Anooba bereit zum Angriff war oder doch nur etwas ohne besonderes Interesse. Letzteres. Der Blick ins Nichts, in den endlos beflogenen grauen Himmel in der Ferne, die immer gleichen Gebäudespitzen solcher Machwerke, die zumindest noch annähernd auf der Höhe des Palastes waren. Dann ein zierender, wortloser Griff nach seiner Offerte, angenehm, um aus der Kälte heraus zittrige Lippen mit etwas zu fixieren und ihnen Beschäftigung zu geben. Keine Sekunde zu früh, bevor Cassio mit seiner erkühlenden, nun wieder freien Hand sich die Mütze etwas tiefer ins Gesicht zog, um seine Augen mit deren Schirm besser vor dem Regen zu schützen, und sie anschließend wieder unter dem Mantel verschwinden ließ. Wie lange Zen hier wohl schon saß? Dann auch noch ohne Begleitung. Ein unerwartetes Bild, gerade an einem Tag der Festlichkeit, an dem man zumindest das eine oder andere vertraute Gesicht wiedersehen würde. Nun ja, aber vielleicht war es eben auch genau das. Das Wiedersehen von Gesichtern und das Wissen, dass es bei manchen vielleicht das letzte Mal sein würde. Das Grübeln, wie lange es noch so weitergehen würde und wie seltsam deplatziert jede Feier doch in Anbetracht der Situation eigentlich wirkte. Das konnte selbst Menschen von Format unvorbereitet treffen. Und Frauen in der Sternenflotte waren tough. Tougher zumeist als ihre männlichen Gegenstücke. Mussten es sein, wenn sie länger dienten. Nur wer diese Hartnäckigkeit mitbrachte, würde als Frau überhaupt in der Hackordnung nach oben steigen, geschweige denn in die Admiralität. Er hatte hier ein ganz seltenes Exemplar neben sich. Die wenigen Frauen, die das erreichten, hatten einen recht schillernden Ruf, galten zumeist als zeternde, unattraktive Alphatiere – ob zu Recht oder nicht.
Cassio kam nicht umhin zuzugeben, dass ihn ihre Frage überrascht hatte. Zum einen in logischer Hinsicht, denn schließlich kannte Zen ihren Gegenüber nicht oder jedenfalls nicht persönlich. Es schien viel zu irrelevant zu sein, was er zu dieser Frage dachte, schien schlichtweg keinerlei Bedeutung oder besonderes Gewicht für sie haben zu können, was er von etwas hielt. Wen interessierte in dieser Sache schon die Meinung Fremder? Kennenlernen? Ein Abtasten? Für später vielleicht, um herauszufinden, mit welcher Sorte Mensch sie nun bald zu tun haben würde. Das schien zwar zunächst naheliegend, passte aber wenig in das sonstige Bild, das sich hier zeigte. Sie saß hier, abgekapselt, verlassen. Hatte sich für seine Anmerkung, dass sie künftig zusammenarbeiten würde, nicht einmal wirklich interessiert, sondern es nur registriert. Mehr aber auch nicht. Zum anderen überraschte ihn die Frage aus inhaltlicher Sicht. Es war eher eine Seltenheit, dass sich noch fremde Offiziere untereinander solch heikle Themen ansprachen, einfach schon, weil nur schwerlich ausgeschlossen werden konnte, dass einer davon alsbald auf einer Loyalitätsliste der ISB stehen würde. Defätismus war einer der vielen Gründe dafür. Und wer illoyales Gedankengut nicht meldete, galt selbst als illoyal. Daher beschränkten sich kritische Auseinandersetzungen mit dieser Thematik für gewöhnlich auf den privateren Offizierskreis, Menschen, die man also kannte und einschätzen konnte. Was Zen hier tat, war für sie brandgefährlich, und das war ihr zweifellos auch bewusst. Vielleicht wollte sie es sogar so, legte es darauf an? Das verleitete den Admiral zu der Schlussfolgerung, dass hier gerade eine Person saß, die eigentlich dringend reden wollte, aber nicht richtig konnte. Was in merkwürdigem Kontrast zu ihm selbst stand, der von sich sagen würde, dass er reden konnte, aber nicht wollte. Kurz beobachtete er sie aus seiner stehenden Position aus dem Augenwinkel.
„Hm“, machte er zunächst nur, ließ sie lange Sekunden auf eine Fortsetzung seiner Antwort warten, die er innerlich überschlagen musste. Hatte er? Rauchschwaden bildeten sich vor seinem Gesicht, als er ausatmete, lösten sich auf und verflüchtigten sich in der Umgebung. Sein Blick richtete sich auf die besagte Tafel. Ein altes Erinnerungsstück, die Grundprinzipien der Propaganda hatten sich nie wirklich verändert. Immer der Lockruf des Fremden, des Abenteuers. Sei Teil einer eingeschworenen Gemeinschaft. Kämpfe für das Gute. Dinge waren sehr leicht auf einfache Botschaften herunterzubrechen, die im Gehirn viele gewisse Knöpfte drückten und eine merkwürdige Form der Bewunderung und der Sehnsucht auslösten, insbesondere in jungen Menschen. Die romantische Vorstellung von der Erkundung der Weiten des Alls, dort in der Fremde, wo alles so viel schöner und besser schien. Und vom eigenen heldenhaften Sieg über die Mächte des Bösen. Wer sah sich schon selbst als das Böse an? Nicht einmal den Rebellen konnte er dies unterstellen. Sie waren vielleicht fehlgeleitet und ihre Methoden, die gesamte Galaxis in einen großen Krieg endlosen Ausmaßes zu ziehen, waren verachtenswert. Aber auch dort waren es zweifellos keine finsteren Gestalte in dunklen Kammern, die sich über das Chaos freuten, das sie der Galaxis gebracht hatten, sondern es eher zur Erreichung ihrer politischen Ziele als notwendiges Übel betrachteten. Das machte es aus der Sicht eines Feindes nicht besser, aber es steckte nun einmal im Wesentlichen die gleiche Motivation dahinter wie auch beim Imperium selbst. Der Kampf gegen das Böse. Nur die Definition davon unterschied sich.
„Sicher“, entgegnete Cassio dann, einen Moment lang mit Blick in der Vergangenheit, wobei sich die Selbstverständlichkeit seiner Äußerung mit der langen Wartezeit zu beißen schien. „Jeder, der zum Militär geht, glaubt daran. Oder war es damals bei der jungen Daro Zen etwa anders?“
Fast eine rhetorische Frage. Und eine Antwort, die gleichermaßen gezielt offen ließ, wie und ob Cassio zu dieser Art der Floskeln heute stand. Sicherlich mochte sein Betragen und die Wartezeit aber Spielraum für Interpretationen bieten und das Stöbern in der Vergangenheit schien nahezulegen, dass es eben genau das sein konnte. Vergangenheit. Deren blumiges Ideal inzwischen längst von der Realität gefressen und verdaut worden war, nun aber noch irgendwo im Inneren des Körpers ruhte.
Und vermutlich explodierte dieser Körper irgendwann auf einem Raumschiff im Weltraum. Doch Zen mochte irren, wenn sie glaubte, dass der Großteil derer mit der Bereitschaft zu sterben gedient hatte. Die meisten waren nie dazu bereit gewesen. Wann war jemand schon bereit zu sterben, mitten im wehrfähigen Alter, jung, voller Träume? Nein, die meisten waren mit der absoluten Überzeugtheit gestorben, dass es sie nicht treffen würde, sondern es immer der andere sein würde. Bis man selbst dieser andere für jemanden war. Aber spielte es überhaupt eine Rolle, wie viele es waren? Sie alle waren Herren ihrer Entscheidung gewesen. Niemand hatte sie gezwungen. Boni, ja. Versprechen, ja. Doch kein einziger imperialer Bürger war je zum Dienst an der Waffe gezwungen worden. Jeder kannte die Risiken, hatte sie für sich abgewogen, sie akzeptiert. Was darüber hinaus passierte, war weitgehend eine Sache von Zufall, von Glück und Pech, ob derjenige gerade am richtigen oder am falschen Ort diente. So war es eben. Menschen starben. Ein Krieg war ohne Verlust von Menschenleben schlechterdings nicht zu führen. Es ging nur darum, ihn zu minimieren, damit das Ziel erreicht werden konnte. Um schließlich das Endziel zu erreichen, nämlich endlich diesen Krieg zu beenden. Und dafür war sehr viel recht und billig, denn nichts verschlang mehr Leben als der Krieg selbst. Je mehr also dafür bereit waren zu sterben, desto weniger würden es am Ende auch wirklich tun.
„Offensichtlich sind es nicht genug, die dazu bereit sind“, entgegnete er ihr nach einer kürzeren Weile dann ohne hörbares Bedauern in der Stimme, was dem Ganzen eine fast schon zynische Note gab, die man nun auf die eine oder andere Art auslegen konnte. Wären es genug, die dazu bereit waren, liefe der Krieg nicht so, wie er es gerade tat. Ob Cassio damit entweder lediglich das Offensichtliche feststellte oder damit eine Kritik an der Führung oder gar eine weit darüber hinausgehende Kritik an diesem Faktum äußerte, der auch nahelegen konnte, dass der Admiral ihn in einer unausweichlichen Niederlage interpretierte, schien zweifelhaft. Doch Cassio würde nicht den Fehler machen, seine persönliche Meinung allzu deutlich herauszustellen. Ihm war bewusst, dass er vermutlich unter Beobachtung stand, nachdem er als Stabschef abberufen worden war, weil man davon ausgehen würde, dass er deswegen frustriert war. Was auch durchaus zutraf. Oder vielleicht war dieses Bewusstsein auch nur bloße Paranoia. Jedenfalls aber hatte Cassio durch seine Tätigkeit Zugang zu wertvollen Militärgeheimnissen gehabt, von denen das Imperium zweifelsohne nicht wollte, dass sie in irgendeiner Form nach außen drangen. Vermutlich war es auch deshalb logisch, dass er nun nahe am Äußeren Rand landen würde. Und sicherlich gab es auf seinem neuen Flaggschiff mehr als genug Undercoveragenten, die nur darauf warteten, dass Cassio irgendetwas tat, das man als Preisgabe dieser Dinge auslegen konnte. So funktionierte dieser Staat nun einmal.
„Und ich bin mir meines Rufs bei diesen Leuten sehr wohl bewusst“, fuhr er schließlich fort, fast als wollte er einer naheliegenden und vielleicht bereits häufig ihm gegenüber vorgebrachten Erwiderung ihrerseits den Wind aus den Segeln nehmen. Cassio war bei der Truppe nie beliebt gewesen, galt als der Schreibtischtäter, der er eben auch war, und als zu wenig empathisch für die Frontsoldaten. Manche sprachen ihm daher das Recht oder die Kompetenz ab, sich zu ihnen zu äußern. Stabsdienst war im Imperium nicht allzu hoch angesehen, galt als wenig prestigereich. Aus Cassios Sicht hatte das Imperium dagegen geradezu einen Fetisch für den hohen Frontoffizier entwickelt, der seine Männer aufopferungsvoll von vorne in die Schlacht führte. General Veers galt schon dadurch als das leuchtendste Beispiel des Offizierskorps. Dienst am Schreibtisch brachte eben keinen Ruhm mit sich wie es Heldentaten großer Offiziere an der Front konnten, die in die Ruhmeshallen imperialer Geschichtsschreibung eingehen sollten. Oder eben als die größten Kriegsverbrecher.
„Aber wissen Sie, wer jeden Tag hunderttausende Gefallene über seinen Schreibtisch wandern sieht, dessen Perspektive auf die Dinge verändert sich“, malte er an den grauen Himmel ein Bild, von dem sich viele Kritiker nie die Mühe gemacht hatten, es einmal aus der Nähe zu betrachten und zu verstehen, warum es eben so sein musste, wie es war. Und dass am Ende jeder seine bestimmte Verwendung hatte und sie auch ausfüllte.
„Jeder spielt eben seine Rolle.“
Es war beinahe eine Frage. Und manche taten eben genau das. Eine Rolle spielen. Welche auch immer. Seine Augen glitten hinab zu ihr, betrachteten sie einen Moment zu lange, um es als bloßen Zufall oder als Willkür anzusehen, sondern so, dass sie es bemerken musste.
„Mehr oder weniger gut.“
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