#31
Die aufgerissene Raumfähre blieb im Dickicht des Waldes zurück, bis nur noch der verwehende Rauch über den Wipfeln von ihrer Existenz zu künden wusste. Eines von vielen metallenen Wracks der Jahrhunderte, deren kleine und große Geschichten später niemand mehr zu erzählen vermochte und die so in der Witterung der Zeit verloren gingen.

Kein Plan, nur ein Ziel. Alles, was wir taten, war improvisiert und hat uns beinahe das Leben gekostet. Nachdenklich bearbeitete die Sephi ihre Unterlippe während der Worte des jungen Mannes. Ja, das war… auch ihr Leben, wenn sie daran dachte, wie ihre letzten Jahre verlaufen waren. Diese waren vorübergezogen, eines unbefriedigender als das andere, ständig geprägt von der Angst vor anderen Personen, vor Verrat und Zwietracht. Ein Leben im Untergrund, unter verschiedenen Namen und schließlich auf einem atmenden Friedhof, ehe auch dieser nach einem kräftigen Stoß seinen letzten Zug genommen hatte. Harte, strafende Jahre. Jahre der Anstrengung. Der beständigen Vorsicht. Der Last. Sie blickte in Richtung ihrer Füße hinab und spürte, als jemand anderes praktisch ihr eigenes Leben geschildert hatte, das sich wie eines des Scheiterns las, wie ihre Unterlippe etwas zu beben begann und ihre Augen feucht wurden. Doch noch war nicht dieser Moment des totalen Spiegelbruchs, der es ihr erlaubte, alles abzuwerfen und einmal wirklich das Angestaute nach außen zu kehren, es sich auch selbst offen und ehrlich zu offenbaren und zu erkennen, wie geschreddert das eigene Innerste nach allem war. Schmerzhaft wurden die Scherben dort zusammengehalten, wo es ging. Sie sagte daher zunächst nichts. Als er weiter von seinem Freund erzählte, lichtete sich das finstere Dickicht um sie herum wieder, Stück für Stück. Jedes Wort zerhackte mühsam die Ranken, bis die Sicht wieder freier wurde. So banal das Ganze vielleicht für sie war, weil er von einem Mann erzählte, den sie nicht einmal kannte, so sehr war es vielleicht gerade diese banale Erzählung, die zur Normalisierung beitrug. Und Normalisierung war eines der Dinge, die in den vergangenen Jahren eine wahre Rarität geblieben war. Ein einfacher Alltag, eine Erzählung ohne Hintergedanken. Unbeschwerte Konversation, nicht mehr und nicht weniger. Auch in der Zeit mit Reah war das unterschiedlich gewesen. Reah war… nun… Reah. Anders. Kompliziert. Das hier nun war auch ungewohnt, nicht unangenehm, aber doch nach den Jahren ein doch fremd gewordenes Gefühl, das in der Vergangenheit ein vertrautes gewesen sein musste.
„Natürlich, dann sollten wir uns beeilen“, sagte Sedrael erneut etwas irritiert, weil sich ihr die gesamte Situation ohnehin nicht erschloss, aber jedenfalls klar erschien, dass man die andere Person aus dieser Misere erlösen musste. Sie setzte, so gut es eben ging, einen Fuß vor den anderen, ihre Kiste sie gegen den Bauch gelehnt mit ihren beiden Händen vor sich her – besonders schwer war sie offenkundig nicht.

Als er begann, von seiner Herkunft zu erzählen, wurde sie wieder etwas hellhöriger.
„Oh?“, machte sie etwas überrascht und kam nicht umhin, ihm dafür ein kurzes Lächeln zu schenken. Den Planeten hatte er zuvor bereits erwähnt, aber dass er auch ein Kind des Äußeren Randes war, hatte sich ihr dadurch noch nicht erschlossen. Als kurz darauf eine andere Stimme… oder nein, eigentlich die gleiche Stimme, nur von einem anderen Ort ertönte, war sie kurz perplex und realisierte erst einen Moment später, dass das seitens des Droiden gekommen war. Offensichtlich waren die beiden bereits länger zusammen unterwegs und hatten schon Vieles miteinander erlebt.
„Ihr seid schon seltsame Weggefährten“, fuhr sie dann fort, ohne aber jede Spur von Herabwürdigung in der Stimme, sondern mehr belustigt, wenngleich das vielleicht dazu beitragen mochte, dass es dem Mann neben ihr noch peinlicher wurde. Auf Coruscant hatte sie bei ihren Unternehmungen beim MedCorps häufiger mit Droiden zu tun gehabt – nun bildeten manche davon mit der Zeit eine gewisse Form von Persönlichkeit aus, doch so etwas wie dieser Droide war ihr tatsächlich noch nicht begegnet.
„Aber ich verstehe, was du damals meintest“, entgegnete sie vielleicht etwas abstrakt, andeutend, dass sie zwar begriff, was er seinerzeit damit hatte aussagen wollen, aber wohl ein ganz anderes Verhältnis zu ihrem Heimatplaneten hatte. Sie hatte in ihrer Zeit im Kern festgestellt, dass viele Menschen aus dem Rand sich vernachlässigt gefühlt hatten und einen Umzug in dichter besiedelte Regionen oder Stadtplaneten häufig als Aufstieg empfanden. Wer im Kern war, hatte es zu etwas geschafft. Das war für sie eine spannende Perspektive gewesen, die sie allerdings nie ganz begriffen hatte. Vielleicht lag es auch daran, dass die Jedi dem Verzicht unterlagen und materieller Besitz oder gar Reichtum somit keinen großen Stellenwert in ihrem Denken einnahm. Wirtschaftlich betrachtet mochte diese menschliche Perspektive nachvollziehbar sein, umso mehr vielleicht bei einer Spezies, die – anders als viele andere - praktisch regelmäßig in der gesamten Galaxis anzutreffen war. Doch hatte sie die Erfahrung gemacht, dass die Kernmenschen dadurch am Ende gar nicht glücklicher mit ihrem Leben geschienen hatten.
„Ich war noch sehr klein, als man mich mitnahm, und habe nicht viele Erinnerung an meine Heimat von damals.“
Ihr Blick richtete sich plötzlich nach oben in die Baumwipfel Yavins und einen Moment lang schien sie dort nach etwas zu suchen. Etwas Ungewohntes mischte sich in ihre ansonsten angeschlagene Mimik, ein kleiner, spannender Funke, der eine ehrliche, ja jugendliche Freude ausstrahlte und sie direkt weitaus jünger und unbeschwerter aussehen ließ, während ihre blauen Augen dort weitersuchten.
„Aber ich weiß noch, wie wir als Kinder auf dem Weg zu den Großen Wasserfällen durch die Wälder streiften und Mishalopen in den Bäumen zählten – genügsame Streifentiere, die oben in den Baumstämmen hängen und sich wahrscheinlich immer nur darüber wunderten, was die kleinen, lauten Wesen da unten wieder treiben und von ihnen wollen.“
Doch abgesehen von einigen fremdartigen Tönen der lokalen Fauna und etwas Geraschel in den Bäumen, das auch durch den Wind hervorgerufen werden konnte, konnte sie nichts ausmachen. Es hatte wenige Gelegenheiten gegeben, in all dieser Zeit zu so etwas zu gelangen, was einer inneren Ruhe gleichgekommen wäre – und es war derart lang her, dass ihre Erinnerung ihr nicht preisgeben wollte, wann es wohl das letzte Mal überhaupt so gewesen war. Ein erstes Einsprengsel, aber nur ein flüchtiges. Ohne jedoch echte Enttäuschung, nichts in der Art im hiesigen Wald gefunden zu haben, senkte sie ihren Blick wieder. Ihre Haut schimmerte rötlich, nachdem sie das Diesseits einholte und der kurz flackernde Funke wieder erloschen war.
„Tut mir leid, ich gebe zu, natürlich ist das nicht so… nun… aufregend wie Coruscant, aber es sind schöne Erinnerungen an einfachere Zeiten. Manchmal genügt das. Die Abgelegenheit des Rands hat auch etwas Unbeschwertes.“
Mitunter fragte sie sich, was wohl aus ihr geworden wäre, wäre sie damals nicht in die Obhut der Jedi gelangt. Es war keine besonders zielführende, sondern vielmehr emotionale Frage, aber diese Weichenstellung in ihrer Kindheit hatte so unermessliche Auswirkungen auf ihr Leben gehabt, dass sie sich gegen diese unbeantwortete Frage nicht wehren konnte, insbesondere nicht seit ihrer Zeit im Exil. Vielleicht wäre es ein besseres, vielleicht aber auch ein schlechteres Leben geworden. Vielleicht wäre auch sie noch dort gewesen, als das Virus seinerzeit ausbrach und so als eine der ungenannten Millionen geendet. Welche Fähigkeiten, ja welche Interessen hätte sie wohl stattdessen entwickelt, wäre sie nicht in der Macht unterwiesen worden? So wenig zielführend die Frage zunächst schien, so sehr bohrte sie doch in einer tiefen Wunde – nämlich in der fundamentalen Frage, wer sie überhaupt war und wie sehr externe Umstände auch ihre inneren Motive prägten.

Sie seufzte leise, wahrscheinlich nicht einmal hörbar. Manches, Vieles womöglich, musste man auch erst sehr viel später herausfinden. Dafür benötigte es aber einer Kraft, Ruhe und letztlich auch Ausgeglichenheit, die sie augenblicklich noch nicht besaß. Die Aussicht zumindest auf eine zeitweilige ruhige Bleibe war sehr willkommen – umso mehr, als sie ihren Blick hob und der Wald so etwas wie Zivilisation freigab, zumindest etwas, das einst eine gewesen war. Ein großes tempelartiges Gebilde tat sich, als sich der Wald mehr und mehr lichtete, ein Stück vor ihnen auf. Der Wald hatte ihn ein Stück weit wieder für sich vereinnahmt, wie auch die planierte Fläche, die sich um ihn herum ausbreitete. Darauf befand sich ein altes Raumschiff, vielleicht nicht so alt wie diese Tempelanlage, aber Sedrael war nicht firm in der Kunst des Ingenieurstums und konnte es daher nicht beurteilen. Während der Tempel selbst verlassen zu sein schien, erblickte sie am Fuße alten Schiffes jedoch bereits aus der Ferne einige der Personen, denen sie zuvor begegnet war, insbesondere war natürlich die schwarze Uniformierung der beiden Piloten selbst auf die Entfernung leicht auszumachen.
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#32
Luke vernahm durchaus die Worte der jungen Frau und auch wenn er sich natürlich Gedanken darüber machte, was wohl im Falken und mit Han geschehen war, änderte sich seine Gangart in keinster Weise. So ruhig wie er auch seine Schritte zuvor gesetzt hatte, setzte er sie auch weiter. Es gab durchaus Momente wo Eile geboten war, doch wenn man sich von ihr vereinnahmen ließ, dann drohte man den schnellen Weg zu wählen und dieser war nicht immer der Weg, den man gehen sollte.

„Unser Zusammentreffen hat mein Leben verändert“, kam es von Luke, dessen Blick für einen Augenblick nachdenklich wurde und ein kurzer Schatten von Trauer legte sich über seine Augen. Damals hatte er sich viele Male gefragt, wie wohl sein Leben verlaufen wäre, wäre er 3PO und R2 an diesem Tag nicht begegnet ohne jedoch je eine Antwort zu finden. Mit den Jahren hatte er sich diese Frage immer seltener gestellt, während er begonnen hatte sein Schicksal zu akzeptieren, aber verschwunden war diese Frage nie gänzlich. War es wirklich Schicksal gewesen, das sie zusammengeführt hatte oder war es der Wille der Macht gewesen? „Wir alle haben viel in den vergangen Jahren gemeinsam erlebt und überlebt und auch wenn man ihn manchmal am liebsten abschalten möchte, so ist doch auch er Teil eines größeren Ganzen.“ 3PO hatte eine ganz eigene Persönlichkeit entwickelt und er war vorlaut und neigte dazu seine Meinung in Situationen von sich zu geben, wo es besser war zu schweigen, aber er hatte ihnen viele Male Nutzen eingebracht. Er konnte es sich einfach nicht mehr vorstellen, ihn nicht immer wieder um sich zu haben. Es war, als würde etwas fehlen. Aber das war etwas, das er ihm nicht gerade unter die Nase reiben würde, denn er würde mit Gewissheit dafür sorgen, dass er es in seinem Leben nicht mehr vergaß.

Schweigsam lauschte er den Erzählungen der jungen Frau und versuchte sich alles vor seinem inneren Auge vorzustellen. Es war ein farbenfrohes, glückliches Bild und so gegensätzlich zu der Welt, in welcher er aufgewachsen war. Wo bei ihr Leben geherrscht hatte, war es bei ihm eine trostlose Einöde gewesen. „Ich beneide dich beinahe um die Erfahrungen, welche du als Kind gemacht hast“, kam es dann mit einem kleinen Lächeln von ihm. „Das Einzige was es für ein Kind auf Tatooine zu entdecken gab war Sand. Jede Menge davon.“ Sand und Felsen wohin das Auge auch geblickt hatte. In einer solchen Umgebung zu leben war nicht einfach. Für niemanden. Es war für eine Weile gegangen, als er noch seine Freunde um sich gehabt hatte, doch einer nach dem anderen hatte die Chance genutzt Tatooine zu verlassen, bis nur noch er übrig geblieben war. Er vernahm ihre weiteren Worte, doch er sagte nichts dazu, denn er wollte die Stimmung nicht schwer werden lassen. Das Leben auf Tatooine hatte nichts Unbeschwertes an sich gehabt, nichts Einfaches und seine Erinnerungen waren mit Schmerz verbunden. Onkel Owen und Tante Beru – Beide waren auf grausame Art und Weise vom Imperium getötet worden. Biggs, sein bester Freund aus Kindheitstagen – Er hatte sein Leben über Yavin verloren. Wie könnte er sich an seine Kindheit auf Tatooine erinnern, ohne nicht auch ihre Gesichter vor sich zu sehen? Er mochte nicht leugnen, dass es für ihn gewiss auch spannende oder lustige Momente in seiner Kindheit gegeben hatte, doch die Erinnerungen daran waren in den Hintergrund gedrängt worden.

„Ich wüsste nicht, warum es dir leid tun sollte“, entgegnete er der jungen Frau mit einem aufrichtigen Blick. „Sind es nicht unsere Erinnerungen an die schönen Momente in unserem Leben, welche uns die dunklen Tage leichter überstehen lassen?“ Derartige Erinnerungen waren ein Quell, aus dem sich Kraft ziehen ließ. Kraft um Dinge zu tun, die einem beinahe unmöglich erschienen. Jeder hatte seine eigenen Quellen aus denen er schöpfte. Für die einen waren es Erinnerungen, für anderen war es die Vorstellung einer besseren Zukunft und für andere wiederum war es die persönliche Bindung zu jemanden. Jeder hatte seine eigenen Beweggründe und das war nichts, wofür man sich entschuldigen müsste.

Als sich der Wald um sie herum lichtete und den Blick auf die alte Tempelanlage frei gab, welche ihnen vor Jahren als Basis gedient hatte, waren es zahlreiche Bilder und Erinnerungen, die seinen Geist fluteten. Ihre Ankunft hatte es nicht getan, doch nun passierte es. Vermutlich war ihr Gespräch der Grund dafür. Vielleicht hatte es eine Türe in seinem Geist geöffnet, die er verschlossen gehalten hatte. Erinnerungen an schöne Momente. Erinnerungen an das bange Hoffen. Erinnerungen an Freude und Trauer. Es benötigte ihn Kraft, diesen Sturm in seinem Geist wieder zum Schweigen zu bringen, denn er konnte sich in diesem Moment keine Ablenkung leisten. Nicht solange er nicht wusste, welche Schwierigkeiten und Herausforderungen ihm noch bevor standen.

„Es ist deine Entscheidung, ob du dem Gespräch beiwohnen möchtest oder nicht“, meinte er dann an sie gewandt. Dass sie erschöpft war, war sichtbar und er würde demnach verstehen, wenn sie es vorzog sich erst einmal zurück zu ziehen. Aber er verstand ebenfalls, wenn sie dem Gespräch beiwohnen mochte, um heraus zu finden, was es mit der Nachricht auf sich hatte.
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