#51
Korriban rief seine Kinder zu sich, ganz so, wie es Ysanne gesagt hatte. Es war nie eine Frage des wie, des ob oder des wann - Korriban rief sie früher oder später alle. Sei es, um sie zu begraben oder zu beschenken oder auch nur, die allzu Neugierigen zu brechen - wieder und wieder. Und die Nekropole antwortete auf Schreie, die aus ausgebrannten Kehlen in die Weite ausbrachen. Nein, nicht Korriban, selbst wenn es Reah nicht klar war, sie derzeit gar nicht dazu in der Lage war, derartige Gedanken zu fassen, besaßen diese Manifestationen ihren Ursprung nicht etwa im Kern des Planeten. Dies hier war eine Gruftwelt, so hatte sie es gesagt und so entsprach es der Wahrheit. Doch war nicht zu leugnen, dass es sich ebenso um einen Katalysator der Macht handelte, dunkler Mächte zwar, doch nicht weniger Eindrucksvoll als der ehemalige Jeditempel auf Coruscant. Wie ein Aasgeier gleich, dass sich an einem sterbenden Tier labte, tat es der Abgrund Korribans mit menschlichen Emotionen - Hass, Agonie, Wut, sogar Liebe - am Ende waren sie das Mischwerk für eine finstere Seele. Vielleicht dachte diese Manifestation der Macht, dass die klägliche Kreatur um Sand vor ihr, die ihre nicht länger benötigte und es nun Zeit wurde, dass Pfand der Stärke zurückzugeben und die verstandlose Hülle liegen zu lassen oder aber, es war nur der Spiegel der Furcht, einem Lehrstück gleich, der dem Wesen aufzeigen sollte, woher es seine Stärke bezog und ob es bereit wäre, diesen Weg weiter zu beschreiten. Gedanken, die sicherlich unterbewusst ihren Platz fanden, aber im Hier und Jetzt nicht greifbar waren, als die Frau in scharlachroter Uniform vor ihr stand.
Reahs Kopf reckte sich nach oben und wurde sogleich von Korribans peitschenden Sandwinden für diese Aufmüpfigkeit bestraft, so, dass ihr kaum mehr anderen übrig blieb, als diesen wieder in ihrem Arm zu vergraben, dazu gezwungen die Aura dieses abscheulichen Nemesis so dicht neben sich zu spüren und doch war sie so machtlos, schwach und geschlagen, dass ihr kaum mehr anderes übrig blieb als die Worte zu ertragen, Worte, die mit Wut herausgerufene Drohungen so hohl klingen ließen, unwirklich, fraglich wie Seifenblasen - die Träume eines Kindes, dass den lieben Tag verrückte Sachen spann, die es aber nie schafften, sich in der Wirklichkeit zu manifestieren. Ihr Mund öffnete sich und sie wollte widersprechen und doch quoll kein Laut aus der Kehle. Vaash hatte sich nicht gefürchtet, nein, sie wollte, dass er Angst vor ihr hatte, sie wolle, dass er sich vor dem fürchtete, was sie ihn hätte antun können doch er war weggegangen, hatte sich entschieden sie allein zu lassen und war entschlossen fortgegangen und sie hatte getan, was eine Drohung hätte bleiben sollen. Hatte Traggis sie gefürchtet? Vielleicht, doch wenn, dann gut verborgen unter der schützenden Hand, die sie davon abgehalten hatte, ihm die Kehle zu zerfetzen. Und Ysanne selbst war ebenso furchtlos, wie jenes Ebenbild, dass hier vor ihr stand. Man konnte sie stocken lassen und doch folgte das Uhrwerk ununterbrochen seinem Kurs. Selbst den Firrerreo hatte sie kaum genügend Zeit gelassen, tatsächliche Furcht zu entwickeln, ehe eine finstere Laune das Volk aus der Galaxis tilgte. Aber jemand hatte Angst gehabt, eine Person, die stets mit ansehen musste, was die Sith tat, es selbst aber nie spürte, als bestünde das perfide Spiel darin, sie am Leid anderer brechen zu lassen. Vielleicht hatte Reah selbst es nie gespürt, doch nach Vaashs tot, hatte sie das Gesicht gesehen, in dem offenes Entsetzen stand. "Sedrael. Sie hatte Angst vor mir.", würgte der Schatten die Worte undeutlich in den Sand, kaum in der Lage sich zu artikulieren. - Oder um mich?

Trotz machte sich breit, als die Dunkelheit vor ihr, sie zu Triezen versuchte, noch das letzte bisschen Widerstand zu zerdrücken, dass sich bot, bis von der ausgebrannten Glut nur noch Asche übrig war, doch Reah kannte das Dunkel nur zu gut. Es war kalt, verlogen, bog sich und krümmte sich so, wie es passte, nur von der Gier angetrieben sich zu laben und zu nähren, bis es fett und träge wurde, bis der Schlund sich weitete und versuchte die Galaxis am Stück zu verschlingen und dies hier war ein Aspekt davon, doch keiner, den sie nun einfach beiseiteschieben konnte, nicht, dass sie mit der Macht wegfegen könnte, selbst, wenn ihre Kräfte dafür ausreichen würden. Die Manifestation log. Sie stand dreist vor ihr und log der Hexe ins Gesicht. Wie ein ungeschicktes Kind, schien das dunkle Konstrukt, sein Kartenhaus selbst zum Einsturz zu bringen. Natürlich kümmerte es jemanden - darauf fußte die Dunkelheit, es war der Nährboden aller Albträume und Ängste. Leid entstand nur aus Kummer, ebenso wie Angst, Hass und Zorn - all jene Eigenschaften, aus denen die Sith Stärke zogen, waren auf diesen Zentralpunkt ausgerichtet. In diesem abstrakten Gebilde, dass sich Imperium nannte, mochte es zutreffen, das Imperium als solches interessierte sich nicht für sie, aber Individuen darin oder aber, von draußen.
Närrisch war alleine jene vor ihr, die nicht zu sehen vermochte, wie sich die Bestie Stück für Stück aus dem Abgrund emporzog, der geiferte und gierte hier, in ihrer Einsamkeit aber ein so abschreckendes Aussehen annahm, dass praktisch gar keine andere Wahl bestand, als die Flucht nach vorn anzutreten. Leuchtfeuer für Leuchtfeuer und Stufe für Stufe hinaus aus dem schwarzen Morast, in dem sie einst zu versinken drohte. Erst als dunkle Jedi, die als gepeinigte Tiefenseele vor dem Loch saß und ständig hinunter spähte und nicht bemerkt hatte, wie das finstere Miasma sich um sie legte und nun, dann als Sith, die begierig immer tiefer hineinschritt, fanatisch dem Glauben hingegeben, dass Monster, dass darin verweilte zu finden und zu erschlagen. Aber es hatte sich nie gezeigt, vielleicht war es nicht einmal dort, nie dort gewesen, sondern nur als makabre Wunschprojektion in ihren Geist gebrannt. Der Finstergeist vor ihr entschwand in den Winden Korribans, die erzürnt aufheulten und ihr feine, scharfe Steinkörner entgegenschleuderten.

Mehr als das. Ein lautes Knallen ließ ihren Körper furchterfüllt zusammenzucken, als ihr Gefängnis von den wütenden Böen gesprengt wurde - aber waren sie echt? Das dumpfe Stampfen des mächtigen Fußes eines imperialen Läufers, ließ Panik aufsteigen - wollte Isard vielleicht doch auf Nummer sicher gehen, dass sie auch ja hier starb? Absurd, doch nicht absurd genug um ihre Angst zu nehmen. Aufgeregt blitzten ihre Augen auf, in die sogleich Sand und Staub bliesen, so, wie über den Rest des Körpers, der sich anfühlte, als zöge ihr jemand die Haut ab - Stück für Stück, gerade so, dass genug schmerzte um sie auch ja bei Bewusstsein zu halten, um genug Angst vor jenem Fuß zu haben, der bedrohlich über ihr Hing und sie drohte zu zermalmen. Noch nicht. Sie erinnerte sich, vor Isard, vor dem Sand - ein Vogel krächzte unweit von ihr. Gesehen hatte sie ihn nicht und doch... Sie schloss die Augen für diesen letzten Moment, mobilisierte winzige Energiereserven und tastete nach dem Leben, wie es ihr der Abgrund gelehrt hatte und... es kam Resonanz zurück, Resonanz von Niedertracht und Gier, die darauf wartete, dass das Leben aus ihr entwich und nur das wohlschmeckende Aas zurückblieb, ganz dort, wo der Container stehen sollte.
Sie schlug die Augen auf und wie der Sturm die mächtige Maschine wanken ließ, sprach Reah bestimmt: "Du bist nur eine Lüge."
Das Kriegsgerät aus massivem Durastahl kippte und zerschellte auf dem harten Sandboden, so, als hätte die Manifestation der Macht nur auf diese Worte, dieses Eingeständnis gewartet, bevor es den Pfad offenbarte. Denn kaum verschwand das Konstrukt im Sand, ebbte auch der Sturm ab und zeigte das alte Bild: Reah, die noch immer vor dem Container lag, den gierigen Raubvogel im Nacken, der begierig darauf lauerte, dass sie endlich aufgab.

Der Schatten streckte seine Hand aus und tastete zittrig nach dem Stab. Die Finger krümmten sich um den kalten Durastahl, als sie das Hilfsmittel erneut aufstellte und ihren Leib daran hochzog. Tock. Ein Schritt. Gekrümmt schlurfte die elendige Kreatur voran, deren zerfetzte Kleidung sich an Stoffenden durch den Sand zog, ganz wie die Spuren giftiger Schlangen, die nach einem neuen Heim suchten. Noch einmal zögerte sie, als der Abgrund ihr einen letzten Lockruf entgegenbrachte, der sein Kind wieder so gern im schwarzen Morast sehen würde. Sie schüttelte den Kopf und wandte sich endgültig von diesem Ort an und vielleicht auch von dem, was sie hier zurückgelassen hatte. "Dann bleibt er ein herrschender Narr.", gab Reah der Stimme als entschlossenen Rückschluss zu verstehen, auf eine Weise, die zeigte, dass dieses Wesen hier nicht Vesperum war, auch nicht wie er, sondern etwas, dass eigenen Willen besaß.
Sie ging weiter, der Sonne entgegen, eben jenen Pfad des Vesperum entlang, dessen korrumpierte Finsternis sie dabei zertrat. "Ich finde dich. Immer."
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#52
Wütende Blitze donnerten über dem Himmel Korribans. Lügen vielleicht, wie so Vieles, doch in den energetischen Kräften, fähig, jedes Wesen mit einem unausweichlichen Schlage zu Boden zu reißen, lag immer auch das eine Sandkorn an Wahrheit. Und darüber hinaus, Lüge? Wahrheit? Was war das schon? Wörter. Bedeutungslose Hülsen. Nur das Ziel war wichtig. Und dieser Zweck heiligte alle Mittel. Felsen drohten zu mächtigen Bergen zu werden, warfen tierische Schatten auf den Boden, die sich in der untergehenden Sonne schlängelten und immer größer wurden, je mehr sie vom Leuchtfeuer am Firmament zu verdrängen vermochten. Bald schon küssten die letzten Sonnenstrahlen den Horizont und ließen das Lied der Nacht erklingen, die betörende Unstille aus harmlosen, erwachenden Insekten und dem Rauschen des Entfernten. Dort in der Ferne, in einer Schlucht der Schutzsuchenden, wo sich der Wüstenstaub nicht mehr zeigte und durch karge, trockene Erde erlöst wurde, brannte aus der Dunkelheit ein kleines Feuer, das Schritt für Schritt näher kam. Quälende Schritte, die den kleinen Fleck in der Nacht nur langsam größer werden ließen. Mehrere Meter vor dem Ziel enttarnte sich das Feuer als kleines, hölzernes Lagerfeuer, aufgebaut zwischen zwei provisorischen Zelten, die der Witterung nach schon länger hier standen. Ein Basislager für eine Expedition, vielleicht eine vor wenigen Tagen, oder Monaten, oder auch Jahren. Verstaubte Kisten scheinbar wahllos auf dem Boden ausgebreitet, hilflos der harschen Umwelt ausgesetzt, manche geöffnet und womöglich von wilden Tieren im Laufe der Zeit geplündert, während andere anscheinend unangetastet geblieben oder zu kompliziert gewesen waren, um ihr inneres Geheimnis bislang ergründen zu können.

Dann regte sich etwas. Ein greller Blitz erleuchtete die Szenerie kurz, eine Gestalt an einem der Zelte abzeichnend. Doch erst der zweite Blitz ließ das farblose Gesicht in der purpurnen Robe erkennen. Ihr weißer Engel stand dort vor ihr, nah, aber nicht nahe genug.
„Reah…“, sagte ihre schluchzende Stimme gepresst, mit erhöhter Atemfrequenz und die Augen weit aufgerissen, Angst, nein, Panik. Kurze Stille.
„Welch freudiges Wiedersehen“, fuhr dann eine weitere bekannte Stimme fort. Neben Sedraels Kopf tauchte der Lauf eines Blasters auf, dann ein Arm, der sich der Sephi um den Hals lege. Die schwarze Uniform schälte sich langsam aus dem Schatten hinter dem Zelt. Aus der kantigen Schwärze trat das Gesicht des imperialen Agenten neben der Schülerin hervor. Doch eine Hand hinderte Reah daran weiterzugehen. Ein kräftiger Griff auf ihrer Schulter. Schwarzes Plastoid glänzte neben ihr, der finstere Helm blutbefleckt, doch ausdruckslos wie eh und je. Den zweiten Panzerhandschuh am Griff des nicht gezückten Vibroschwerts, jederzeit bereit, die noch verbliebene Hand oder noch mehr einzufordern.
„Du wolltest nicht, dass noch jemand sie berührt?“, fragte Traggis schließlich, während er der Sephi durch das weiße Haar strich. „Ganz wie du wünschst.“
„Reah, hilf mir!“, flehte Sedrael sie an, die wässrigen blauen Augen bereits gerötet. Dann aber löste sich bereits der Schuss. Der Laserstrahl bohrte sich von hinten aus Sedraels Stirn und verschwand in den dunklen Wolken. Leblos sackte sie auf die Knie, starrte aus leeren Augen in Reahs Richtung und fiel dann unkontrolliert zur Seite vor die Füße des Agenten. Die Mündung des imperialen Blasters rauchte sanft. Gestank versengten Fleisches lag in der Luft. Ohne Ausdruck im Gesicht stupste der Mann mit der Stiefelspitze den qualmenden Leichnam an.
„Erledigt“, kommentierte der Agent sein Werk geringschätzig, ehe er seine Waffe in Richtung seines Holsters senkte, in dem das Metall eines Lichtschwertgriffs funkelte. Seine Augen hoben sich zu Nigidus an, kopfschüttelnd. „Ein schwaches Wesen. Es wäre nie in der Lage gewesen, sich selbst zu beschützen vor dem, was kommt.“
Was mochte es sein, das kam? Feinde? Die Macht? Vesperum? Gleichgültig. Wahrheit. Lüge. Nur das Ziel war wichtig. Und das Mittel, mit dem es erreicht werden musste. Irgendetwas zog auf in der Galaxis, nicht hier, nicht auf Korriban. Es war der große sich öffnende Schlund, der alles und jeden erfassen würde, wenn es niemanden gab, der sich ihm in den Weg stellte. Früher oder später, jeden Einzelnen verschlingend. Sedraels regungslose Augen stierten in das Gesicht der Nigidus.
„Nur Macht kann das schützen, was wir begehren“, hauchte das gesichtslose Nichts, dieses Mal scheinbar aus den toten Lippen der Sephi hervor, dieses Nichts, das niemals ganz hier und doch niemals ganz fort gewesen zu sein schien.

„Reah…?“, fragte dann eine erstaunte Stimme. Der Rauch des Blasters verging sofort im brennenden Holzfeuer, wie auch der Leichnam und der Agent in Schlieren im Feuer untergingen, im dampfigen Holz an einem kleinen, von Steinen umfassten Lagerfeuer auf dem Boden. Jetzt nur noch ein altes Basislager, zwei Zelte. Die auf einer von vielen metallenen Kisten sitzenden Sedrael stand langsam auf, die Augen überrascht aufgerissen und die Atemfrequenz deutlich erhöht, während sie aus dem Schatten des Zeltes hervortrat, doch nicht weit genug davon, um vor den Schrecken sicher zu sein, die dort warten konnten. Verschwunden waren die Blitze, verschwunden der schier übermenschliche Griff des Panzerhandschuhes auf Reahs Schulter, der in wohlgefälliger Finsternis verschollen war. Doch nur für jetzt? Alles nur eine Illusion? Die kranke Phantasie einer sadistischen Macht, die sich mit Spielen die Jahrtausende vertrieb? Oder war es mehr als das gewesen, das Bildnis dessen, was gleich passierte? Die purpurfarbene Robe tanzte nur in einer leichten Windbrise, warf im Feuerschein wirre Schattenmuster auf die beiden Zelte, in deren dunkelsten Ecken vielleicht bald reale und vielleicht noch imaginäre Gefahren lauern mochten, nur bereit für den richtigen Moment.
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#53
Wie schwer beladene Dewbacks quälte sich Reah über die unwegsamen Sanhügel dieser Wüste ihrer grotesken Existenz. Hier und da brach der Himmel auf und entließ in seiner unbändigen Wut starke Stromstöße, die sich wie Bogen hin zu weiteren finsteren Wolken spannen und diese mit ihrem Zorn aufluden. Unten aber, blieb nur der Staub zu ihren Füßen, der mit jedem ihrer Schritte ein Stück weiter fortgewirbelt wurde, hin zu den toten Nebenarmen dieser endlosen Leere, wo er sich häufte um neue Monster zu kreieren. Auf diesem Weg, war kein Platz für ihn. Beinahe schien es spürbar, wie die Echos alter Lords aus dem Boden hallten, jene Vorreiter, die einst über Korriban schritten und den Planeten für sich beanspruchten, nur um danach in immerwährender Dunkelheit zu versinken. Sie hatten zu früh resigniert, sich an einem Leuchtfeuer inmitten einer kleinen Oase zufrieden gegeben, ohne je den Blick auf das große Ganze erhascht zu haben. Sie jedoch, musste weiter, Schritt für Schritt den in der Hitze flimmernden Horizont entgegen, einem Wettlauf mit der Zeit gleich. Oder war die Zeit bereits längst verstrichen und alles was verblieb war dieses ziellose umherirren auf der Suche nach etwas, dass schon lang nicht mehr existierte? Doch woher dann dieses ständige Gefühl, die gierigen Bluthund im Nacken zu haben, die ihr nachhetzten und nur darauf lauerten, dass Fleisch von den Knochen zu reißen? Einbildung vielleicht? Feedbacks von Erinnerungen, die eigentlich bereits so weit zurücklagen, dass ihr Handeln an diesem Ort keinen Unterschied mehr machte? Wie Bleikugeln, die über Durastahlketten mit ihrem Leib verwachsen waren, zerrte sie die schwer wiegenden Fragen mit sich, die ihre Schritte langsam und bedeutungslos werden ließen. Ganz, nun, wo sie den Aspekt der Finsternis hinter sich gelassen hatte, die Macht der Dunkelheit die Schwäche ihrer Einsamkeit ausnutzte und ihr langsam das Gift der Zweifel einflößte, ganz so, wie sie es schon einmal tat.

Doch dieses Mal blieb sie nicht stehen und machte es sich bequem um hinab in den finsteren Ozean zu starren, dessen korrumpierende Wellen wie schwarzer Teer gleich an den Uferfelsen haften blieben, sich mehr und mehr türmten, bis das Wesen, dass ihnen dabei so voller Faszination zuschaute, darunter begraben wurde. Dieses Mal ging Reah weiter, schlurfte und quälte sich dem Pfad entlang, der unlängst die Finsternis in der Galaxis gebar, lediglich mit ihrem abstrakten Ziel vor Augen. Und ebenso unwirklich war auch ihr Blick, der weniger auf Korriban selbst fiel, sondern vielmehr auf das, was verloren schien. Was in ihrem Geist aber wild umherflatterte, waren kaum mehr als kurze Abrisse oder Fetzen, die es nicht schafften sich zu manifestieren, ehe ihre Augen wieder in die Leere blickten und nicht begreifen konnten, was sie sehen wollte.
Die Wirklichkeit schien greifbarer, als sich das Zwielicht der Nacht über den Planeten legte, oder nicht etwa greifbarer. Realität und Gedanken schienen sich eher einer Art Symbiose hinzugeben, ganz so, als mit dem Einbruch der Dunkelheit der dünne Schleier zwischen Wunsch und Wirklichkeit verschwand - oder doch nur ein weiteres Possenspiel finsterer Mächte, die sich für den Moment vielleicht zurückgezogen hatten, aber doch niemals aufggaben, nicht, wo das Opfer der Verzweiflung so nahe war und Korriban mochte in diesem Pool endlosen Leids, gefüllt mit Abscheu und anderer lästerlicher Tinkturen eine Quelle großer Macht erblicken, die, durch die Dunkelheit kanalisiert, der Galaxis vielleicht den Gnadenstoß bringen mochte, den Vesperum ihr noch vorenthielt.

Flammen tänzelten vor ihren Augen, als sie ihren Körper weiter in die kalte Umarmung der Nacht trieb, während das wüste Lichterspiel des Himmels sie noch immer begleitete. Reah trat näher in Richtung des lang ersehnten Leuchtfeuers, dass mit falscher Sicherheit lockte und... noch mit etwas anderem. Sie blieb stehen wie festgewachsen, nahm sich den Moment und blickte hinüber zu dem Wesen in der purpurnen Robe. So unwirklich und doch... da. Sie zögerte, als klammerte sich etwas an ihr Herz, dass sie davon abhielt hinüberzulaufen, etwas, dass verhinderte, dass sie sich entspannte, sondern mit mahnender Stimme meinte, dass nicht alles gut war, dass dieser augenscheinliche Frieden, nur eine Lüge darstellte. Schwerfällig ging der Schatten voran, dessen Pupillen sich unter dem Schutzmantel der Nacht beinahe panisch zu weiten schienen oder... war die Angst darin real, eine blinde Vorahnung auf das,was in den nächsten Sekunden geschah? Sie hörte ihren Namen. Schwach, gebrochen... unwirklich, gänzlich anders wie sonst. Ihr Körper stoppte noch in der Dunkelheit, bevor er in den knisternden Lichtkegel des Feuers geriet. Fassungslosigkeit zeichnete sich in ihrer Miene ab, als Traggis aus der gegenüberliegenden Finsternis trat. Innerlich spürte sie, wie Gedanken an Sedrael zunehmend von der Präsenz des Agenten verdrängt wurden, von seiner primitiven Blasterwaffe und der Aura der Niedertracht, ganz so, wie der widerliche Krähenvogel. Ihre Stimme stockte. Es war so leicht den Agenten zu übertölpeln, ihm seine Bedeutungslosigkeit vor Augen zu führen, in von der Finsternis peinigen zu lassen aber... hier vor Sedrael gelang es ihr nicht. Kein herausfordernder Spruch, nur stummes, starres Blicken, gepaart mit der beißenden Gewissheit, was geschehen würde.
Kälte durchfuhr ihren Körper, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte, die frostige Einladung,einer Exekution beizuwohnen, nur um wissen, wie sich Hilflosigkeit anfühlte. Traggis sprach weiter und sie blickte wieder zu Sedrael,doch die Sith reagierte nicht, sondern wartete nur mit schneller schlagendem Herzen auf den endgültigen Augenblick. Ein flehen, betteln. Reah riss die Augen auf. "Schwachsinn!", zischte sie mit zitternder Stimme, in welche sich ein trauriger Unterton mischte, auf seltsame Art und Weise doch von dem finsteren Theater vor ihr ergriffen. "Du hast nie um Hilfe gebeten oder gebettelt." Ganz wie der imperiale Kampfläufer, das verlogene Konstrukt der Dunkelheit begann zu wanken, als der Schuss sich löste und der tote Körper der Sephi vor ihr zu Boden fiel. Sie schüttelte den Kopf ob der unpassenden Worte, die der Leichnam Sedraels wie Galle ausspie, Worte, die nie aus ihrem Mund kommen würden, nicht auf diese Weise und nicht nachdem, was bereits geschehen war. Dies war der Geist des Imperators, oder, es entsprach zumindest dem, was Reah mit seiner Denkweise assoziierte. War es etwa dies, was er gefunden hatte? Waren es diese Wirrbilder, Irrlichter, die ihn auf seinen Weg gelenkt hatten? Vielleicht und doch mochte mehr dahinter stecken, als die gegenwärtig ahnte. "Deine Macht kennt nur Zerstörung.", entgegnete sie wieder weitaus standfester und trat einen Schritt voran, dort, wo der Körper der Sephi sich begann aufzulösen, der Agent verschwand und die Hand sich von ihrer Schulter löste.

Das tobende Himmelszelt hatte sich entladen, als die Manifestation zur Gänze verschwunden war und sich die Wirklichkeit dahinter zeigte, nur, dass das Bild eine erschreckende Ähnlichkeit zur eben betrachteten Szenerie besaß. Und doch fiel weitere Last ab, als sie Sedraels Stimme zu sich dringen hörte. Kraftvoller, lebendiger, ungebrochen. So, wie sie es in Erinnerung hatte, nicht, wie die Marionette der Finsternis. Ihre Gesichtszüge entspannten sich, als die Nachtwinde die Zweifel darin fortwehten. Sie ließ den Durastahlstab aus der Hand gleiten, der mit einem dumpfen Aufschlag im Boden landete und stolperte voran, beinahe wie ein Kind, blind vor Freude und doch so schwach. "Sedrael, du..!" Der Sand kratzte in der ausgetrockneten Kehle, ließ die Worte fragil und heiser klingen, während die Anstrengungen des Fußmarsches sich durch den geschundenen Körper fraßen. Die Stolperschritte wurden wankender, als die Kraft der Knie nicht mehr genügte um den Leib zu tragen, sondern die Frau, ihrem Stab gleich, erneut in Korribans rotbraunem Sandbett lag. "Ich.. kann nicht mehr...", ihr Kopf drehte sich zur Seite und Blickte ins Antlitz der tänzelnden Flammen, "...doch du bist hier, nicht wahr?"
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#54
Die Macht schien mitunter ein seltsames Faible für Überraschungen oder Unerklärbares zu haben. Erst hatte jemand Sedrael irgendwann ohne Erklärung aus ihrer dunklen Zelle geholt, sie dann in ihrem Quartier duschen und umziehen lassen, nur um sie ebenfalls ohne Erklärung dort wieder unter Arrest zu stellen, sie in eine Raumfähre gesteckt und schließlich auf diese verlassene Welt geflogen. Die seltsame rote Frau hatte sie nie mehr gesehen, aber es war kaum möglich, das zu bedauern. Stattdessen war da nur dieser blonde Mann in der schwarzen Uniform gewesen, der sie von der Rampe des Shuttles geschubst hatte. Eigentlich hatte Sedrael nicht damit gerechnet, dass man sie einfach so gehen lassen würde – auch wenn „einfach so“ in Anbetracht dieser kargen, aggressiven Welt letztlich wohl gar nicht so milde war. Viel gefährlicher war allerdings dieser Blaster gewesen, den die schwarze Uniform stets bei sich getragen hatte. Noch unerklärbarer war nur der Umstand gewesen, dass er tatsächlich ein Lichtschwert mit sich geführt hatte, obwohl Sedrael um den Verstand des Mannes keinerlei ungewöhnliche Dehnungen im sanften Strom der Macht hatte spüren können.
„Nein. Da lang“, hatte er gebrummt, als Sedrael sich willkürlich für eine Richtung weg von dem Shuttle entschieden hatte, und ihr mit dem Blaster in eine andere Richtung gezeigt. Warum? Unerklärbar. Sie sollte eben dort hin. Nicht dass es einen Unterschied machte. Ohne Essen und Trinken musste es fast gleichgültig sein, welchen Weg sie einschlug, aber er schien besonderen Wert auf eine Richtung zu legen. Sie sah zu ihm hoch, wie er da am Rand der Rampe stand, ja thronte, die Hände vorne übereinander geschlagen und den Blaster in der Rechten. Irgendwann war sie dann dorthin gegangen und der körnige Sturm hatte die graue Fähre bereits nach Minuten außer Sicht geraten lassen. War er ihr gefolgt? Sie konnte es nicht sicher sagen. Irgendetwas auf diesem Planeten war… speziell, nichts so, wie sie es kannte. Sie fühlte sich beinahe blind, nicht nur wegen des Sturms, der bald dazu führte, dass sie kaum die eigene Hand vor Augen sehen konnte. Vielmehr waren ihre Sinne lahm, im Ansatz jedenfalls. So wie eine taube Fingerkuppe. Alles war da, aber irgendetwas war doch gleichzeitig so fremdartig und ungewohnt. Und sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es am Ende auch genau dieser nagender Zustand in ihrem Kopf war, warum sie nun gerade hier war.

Es hatte nicht lang gedauert, bis sie an einem großen Schrottfeld angekommen war. Metallene Haufen, aufgeheizt von der Wärme, so dass Sandkörner im Laufe der Jahrhunderte den Durastahl verformt hatten. Einige seltsame, blutrote Runen waren mitunter zu erkennen, doch Sedrael konnte nichts davon entziffern – nichts weiter als die Überreste einer alten, toten Zivilisation, ausgebreitet auf dem großen braunen Sandteppich, der sie irgendwann vollständig vereinnahmt haben würde. Mehr noch bestärkte sich der Eindruck, als sie am Rande eines gewaltigen Kraters stand und ungläubig hinabblickte. Im Inneren war aus dem Sand Glas geformt worden, das sich gierig mit an den Rand des Kratzers schleppte und nur matt spiegelte. Immense Hitze musste dort plötzlich explodiert sein und hatte gläserne Schrapnelle durch die Luft geworfen. Sie blieb eine Weile dort stehen, während der Wind ihr Haar wild streichelte. Aus dem Krater sprachen Leid und Verzweiflung, dort auf ewig festgehalten in einem zwecklosen Spiegel. Nach dem zwanzigsten solchen Krater auf ihrem Weg hatte sie aufgehört, sie zu zählen. Ein großes Schlachtfeld antiker Kriege, längst vergessen außer auf alten, verblassten Seiten noch älterer Bücher. Obwohl sie lange niemanden hatte sehen können, war da doch ständig das Gefühl gewesen, dass irgendjemand sie beobachtete. Aber erst als der Wind einen kurzen Moment nachließ, hatte sie auch in der Ferne diesen einen Umriss erkannt, irgendeine schwarze Figur, die dort einsam stand und die Sephi betrachtete. Doch selbst auf die Entfernung hatte sie sehen können, dass die Person mit einem Blaster bewaffnet war. Als der Sturm wieder an Fahrt gewonnen hatte, verschwand der Umriss jedoch bald wieder im lebendigen, tobenden Meer. Nichtsdestotrotz sagte ihr irgendetwas, dass es nicht das letzte Mal gewesen war und beständig lag dieser Schleier in der Luft, der ihr mitteilte, dass ihr immer noch etwas folgte. Immer mit diesem paranoiden Gefühl im Rücken, das in ihrem Nacken als unangenehmer Druck hinaufstieg, schien die sich irgendwann vor ihr auftuende Schlucht als gute Gelegenheit, sich dort zu verstecken und nicht zuletzt, um dem Wind und den Sandkörnern zu entgehen. Irgendwo in einer der Schluchten meinte sie dann, ein großes Gebäude ausgemacht zu haben, doch zeitweise war sie nicht mehr sicher, ob das tatsächlich real gewesen oder lediglich ein Wunschtraum gewesen war. Ihr Mund war bereits viel zu trocken und sie begann nicht zu erwarten, auf einem solchen kargen, unwirtlichen Planeten zufällig auf eine natürliche Wasserquelle zu stoßen, ehe sie verdurstet war. Das große tempelartige Gebäude konnte aber nicht fern sein und schien ihre beste Möglichkeit auf intelligentes Leben im weiteren Umkreis, doch die großen, verzweigten Schluchten ließen das Gebäude in der Ferne bald verschwinden, unklar ob es wirklich je existiert hatte. Umso erleichterter hatte sie irgendwann dieses Lager entdeckt, eine alte Expedition Unbekannter, die aus welchen Gründen auch immer fort waren, doch ihr Basislager hier hatten stehen lassen. Als sie dort chaotisch die Kisten durchwühlt hatte und schließlich in einer surrenden Kühlbox auf Trinkflaschen stieß, war sie in ihrem Leben seltener dankbarer für ein bisschen Flüssigkeit. Das kühle Süß erfrischte herrlich und Sedrael konnte dem Drang, sich ein Drittel einer Flasche ins raue Gesicht zu schütten, nicht widerstehen.

Das weitere Durchstöbern des Lagers war teilweise ergiebig gewesen. Ein paar kleine Medi-Kits, zwei Rationskisten, allerdings beide mit einem elektronischen Schloss codiert und die zufälligen Kombinationen, die sie wahrscheinlich über mehrere Stunden versucht hatte, brachten keinen Erfolg. Das mochte eine der wenigen Gelegenheiten gewesen sein, in dem ihr Lichtschwert als Gegenstand tatsächlich von Wert gewesen wäre. Außerdem war da noch diese wirre Aufzeichnung mit krakeliger Schrift auf einer stilisierten Karte. Es schien schnell klar, dass die Schrift in der gleichen seltsamen Runensprache geschrieben stand wie seinerzeit auf dem Friedhof – was Sedrael irritierte, nicht zuletzt weil die Metallreste auf dem Maschinenfriedhof dort sicherlich schon hunderte Jahre liegen mussten, während dieses Stück Flimsi bei weitem nicht so alt sein konnte, sondern vergleichsweise frisch wirkte. Seltsamer war noch, dass die Kisten und Zelte alle imperiale Wappen trugen, diese seltsamen verkrüppelten Speichenlogos, welche die Sephi vorher nur in ihrer puren Form als das Zeichen der Republik gekannt hatte. Doch auf den imperialen Raumschiffen war sie diesem neuen Symbol ständig begegnet. Dieses Lager konnte also allenfalls einige Jahre existieren. Sedrael nahm sich vor, die Karte am nächsten Tag genauer zu studieren, da dort gewisse offenbar relevante Punkte markiert waren, doch war ihr unklar, wo auf der Karte sie sich selbst befand. Die Dunkelheit der Nacht begann bereits anzubrechen und somit auch die Müdigkeit nach dem langen, anstrengenden Marsch. Doch der Nebeneffekt des so herbeigesehnten Sonnenuntergangs führte bald zum erwarteten Temperatursturz dank eines völlig wolkenlosen Himmels, an dem die Monde des Planeten glitzerten. Der Sturm war vorübergezogen, zumindest für den Moment. Sie hatte daher beschlossen, die Feuerstelle inmitten des Lagers zu nutzen und dank des simplen, offenbar kaum gebrauchten Mechanismus ein kleines Feuer zu entfachen, das ihr Wärme spendete. Zwar mochte ein solches Feuer Aufmerksamkeit erregen – aber da ihr bewusst war, ohnehin auf die eine oder andere Art beobachtet zu werden, schien es gar nicht mehr so notwendig, sich vor etwas zu verbergen, das jederzeit selbst entscheiden konnte, wann es sich zeigte und wann nicht.

Letztlich geschah das auch. Denn dann, nach all diesen seltsamen Dingen, tauchte auf einmal jemand direkt vor ihr auf. Sie hatte damit gerechnet, dass es dieser schwarz gekleidete, bewaffnete Mann war, der sie verfolgt hatte, dessen Atem beständig in ihren Ohren klang und den sie seit dem Sturm nie wieder gesehen hatte. Doch anstelle dass er sich nun zu erkennen gab, stand plötzlich jemand völlig anderes vor ihr. Reah. Reah?! Sedraels Augen waren noch immer überrascht aufgerissen, als die Inquisitorin in ihre Richtung gehumpelt kam. Der große Schatten war zu einem Spielball geschrumpft, ihre Anwesenheit so unmerklich, so unauffällig, dass Sedrael sie nicht bemerkt hatte. Es war fast, als verging die Präsenz der Frau im weitaus dichteren Netz, das die Luft um sie herum spann, in alle Richtungen unsichtbar aussendete. Nur diese kleine Stecknadel funkelte in der großen Bedeutungsschwere, die der Planet schier endlos resonierte, so wehleidig und kehlig hinausstrahlte, als wolle er alles andere, was auf ihm war, übertönen, überschreiben. Alles sollte so klingen, wie er es wollte. Dieser Planet war vereinnahmend, er fraß. Labte sich an Verzweiflung und ergötzte sich am Leid seiner Opfer. Oder vielleicht auch an dem Ballast, den jeder mit sich führte. Mancher mehr, mancher weniger, und umso einfacher und gieriger griff er nach den offenen Wunden und versuchte ihnen mit Salz mehr Schmerz zu entlocken. Wo war sie hier nur? Als Sedrael zum ersten Mal Reah begegnet war, war es gewesen, als habe die Macht ihr mit einem toten, kalten Griff direkt ins Herz gefasst. Sie hatte so etwas noch nie erlebt, noch nie gespürt. Das, was hier in der Luft nun allgegenwärtig schien, war ähnlich – auf vielerlei Weise aber auch ganz anders. Sie konnte nicht genau sagen, was es war, aber all diese Irrnis folgte Reahs Schatten, nagte an ihren Knochen, versuchte sie greifen und zu ihrer Spielpuppe zu machen. Doch es blieb draußen, ausgeschlossen. Es durfte nicht hinein. Reah wehrte sich.

Sedrael blinzelte ein paar Mal irritiert, als die Hexe stammelnd auf sie zukam, den Weg dann jedoch nicht mehr bewältigen konnte, sondern unter dem Gewicht ihrer Last neben ihrem improvisierten Stecken zusammenbrach. Emotionen krochen aus der harten Schale, die spröde Risse bekam, welche nur zu gern von den finsteren Klauenhänden vollständig aufgerissen werden wollten, um sie endgültig verfaulen zu können. Zischend öffnete die Sephi die Kühlbox und nahm eine der Flaschen hinaus. Reah wirkte völlig am Ende, überanstrengt, entkräftet. Vielleicht war sie sogar schon länger hier als Sedrael und hatte offenbar weitaus weniger Glück gehabt. Glück. War es das überhaupt gewesen? Sie war einem relativ klaren Pfad gefolgt, mehr oder weniger, der sie ohne große Umschweife hierhin geführt hatte. Plötzlich kam ihr wieder das Bild des Shuttles in den Geist. Wie der Offizier ihr den Weg wies, einen bestimmten Weg. Genau den, der sie hier zu diesem Basislager geführt hatte. War es das, wo sie hatte landen sollen? Vielleicht, aber es mochte sich bald zeigen. Vorsichtig näherte sich Sedrael der Frau, die Flasche in beiden Händen, Schritt für Schritt. Ihre letzte Begegnung war nicht ganz einfach gewesen, daher war sie nicht sicher, ob das Ganze wirklich angenehm oder unangenehm verlaufen würde. Ein Teil von ihr hatte gedacht, dass Reah für ihre Einsperrung in der Zelle verantwortlich gewesen war, aber sie hatte sie seitdem nicht mehr gesehen. Und sicherlich hatte sie inzwischen auch erfahren, was auf der Medi-Station des Schiffes geschehen war. Tiberius Vaash. Den Reah eiskalt wie eine Nuss geknackt und dann als bloßen Abfall zu Boden geworfen hatte. Empfand sie es als Verrat, dass Sedrael versucht hatte, den Mann zu retten? Aber dann blickte sie auf dieses Häufchen Elend, das dort am Boden lag – und das wirkte wie vieles, aber nicht wie jemand, der gerade einen Racheplan verfolgte. Niemals war Reah so verletzlich und, ja, schwach gewesen wie in diesem Moment, in dem die Fassade vielleicht zum ersten Mal gänzlich verschwunden war, die Inquisitorin, die Sith fortgespült war und nun nur noch an ihrem eigenen Strand angespült lag. Sedrael stand da, die Flasche in beiden Händen, blickte auf das Wesen hinunter. Die scharfe Spitze des Steckens glänzte im Schein des blutroten Feuers und heller Monde am Himmel. Vermutlich war es das, was sie hätte tun sollen, damals schon, als die Frau ihr das Schwert gereicht hatte und sie nur auf den Knopf hätte drücken müssen, um die Inquisitorin mit dem gelben Schein zu durchbohren. Wie anders die Dinge dann gelaufen wären, wusste nur die Macht. Ob Fehler oder Verdienst, am Ende richtete die Macht über sie und mochte darüber befinden, was dem Willen entsprochen hatte und was nicht. Damals schien ihre Entscheidung richtig gewesen, glaubte sie. Glaubte es noch immer.

Und so kniete sich Sedrael hin, legte die Flasche kurz weg und griff mit beiden Händen an Reahs Schultern, um sie von ihrer Lage auf dem Bauch vorsichtig auf den Rücken zu drehen, so dass Reahs Kopf in ihrer Armbeuge Platz fand.
„Schhh“, machte sie kurz. „Ganz ruhig.“
Ihre Augen fanden einige kleinere Schnittverletzungen an Reahs Körper – nichts Schwerwiegendes, aber in dieser Umgebung waren Infektionen dennoch immer ein mögliches Problem, auf das zu achten war. Oh. Erst jetzt erkannte sie, dass der Frau auch eine Hand fehlte. Sie betrachtete den Stumpen kurz, nichts, was sie nicht auch während des Kriegs im Tempel gesehen hätte – zumindest war die Wunde behandelt worden, ordentlich sogar, soweit sich das jetzt sagen ließ. Nähte hielten die Haut vor dem freigelegten Fleisch und Knochen zusammen, würden sich aber auflösen, sobald der reguläre Heilungsprozess abgeschlossen war. Sedrael schob mit der freien Hand die Kleidung über Reahs Armbeuge und sah dort auf ihrer Haut mehrere Einstiche, sicherlich Teil einer Vollnarkose. Mehrere Einstiche sprachen allerdings dafür, dass hier auch nach dem Eingriff noch künstlich eine Betäubung hervorgerufen worden war. Mithilfe eines Medi-Kits und – so die Macht wollte – vielleicht auch mit deren Hilfe, sollten die Verletzungen und etwaige Folgen behandelbar sein.
„Ich bin hier“, versicherte sie dem Gestammel der Frau in ruhigem Tonfall, während sie mit ihrer freien Hand nun wieder die Flasche am Boden aufnahm, mit zwei Fingern den Verschluss aufdrehte und die Flasche in Reahs vorhandene Hand legte, auch um ihre Wachheit, sowie Reaktions- und Aufnahmefähigkeit zu überprüfen.

Langsam schob sich Sedrael etwas näher an das wärmende Feuer heran, als der kühle Glanz der Wüstennacht sich auf sie legte. Immer nur ein bisschen, so dass die Schmerzrezeptoren für die vielen kleinen und größeren Wunden nicht sofort ein Inferno in Reahs Gehirn anrichteten. Erst als die schöne Flamme direkt neben ihnen loderte, gab die Heilerin ihre Patientin kurz frei und holte eines der harten, keilförmigen Kissen und ein Medi-Kit aus einem der Zelte. Achtsam hob sie Reahs Kopf langsam an und schob den gepolsterten Keil darunter.
„Was ist geschehen, Reah? Wo und warum sind wir hier?“
Womöglich war es nicht der beste Zeitpunkt, direkt auf die Antwort dieser so brennenden Frage zu drängen. Und doch schien die Antwort so wichtig zu sein, dass sie keinen Aufschub duldete – es mochte so vieles erklären, vielleicht auch, ob sie sich wirklich Sorgen machen mussten, in feindlicher Absicht beobachtet zu werden, von Einheimischen oder vielleicht von Schlimmerem. Gepresst ausatmend setzte sie sich auf eine der Rationskisten neben Reah und blickte hinaus in die dunkle Ferne, in der andeutungsweise fremde Felsen einander übertrafen und in geheimen Orten Lebewesen verbargen, die sich wohl ebenso über die Anwesenheit der ungleichen Gefährtinnen wunderten wie diese selbst. Oder zumindest nur diese eine bewaffnete Lebensform.
„Denn wir sind nicht allein“, fuhr sie kurz fort, während ihr Blick auf das Medi-Kit fiel, das sie öffnete und auf der Kiste neben sich ausbreitete. „Irgendjemand folgt mir schon eine Weile. Jemand mit einer Waffe.“
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#55
Die Flammen spielten vor ihren Augen, bissen sich wie kleine Sonnendrachen, die immer wieder zuckten, sich dann aber doch wieder ineinander Verschlangen. Es wirkte zugleich faszinierend, wie auch beruhigend, oder aber es war lediglich die nun einsetzende Gewissheit, dass sie nicht allein hier war. In diesem Moment war es für Reah auch nicht wichtig, ihr Kopf schien leer, frei von Sorge und erfüllt von Zufriedenheit, nun, wo sie das wiedergefunden hatte, was verloren geglaubt war.
Feine Sandkörner knirschten hinter ihr, als Sedrael sich in Bewegung setzte, begleitet von einem sanften Zischen einer versiegelten Box. Warum oder was sie tat - Reah wusste es nicht. Der Schatten blickte ins lodernde Licht, welches hier und da seine Funken in die ferne Dunkelheit entließ. Manche verglimmten nicht so sofort. Sie tanzten beständig durch den Nachthimmel, ehe sie wieder zu Boden fielen und sich tapfer gegen den kühlen Nachtwind behaupteten. Doch allein blieben sie trotz allem nur allzu fragil und schafften es nicht sich gegen den Moloch der Finsternis zu stemmen, der sie schlussendlich verschlang. Sie waren immer zu zweit. Dies war die Regel der Sith, begründet durch Darth Bane, vernichtet durch Imperator Vesperum, der sie allein ließ. Sie alle. Jeder Sith in seinem Imperium focht mit seiner eigenen Dunkelheit, stillschweigend, immer wieder, bis der schwarze Schemen gewann, so wie sein Sieg über die glimmenden Funken. War dies etwa der große Plan? Die Idee des neuen Ordens? Sith schufen zwar Dunkelheit, aber lediglich dadurch, dass sie andere versuchten durch ihre Macht zu verderben. Nun aber waren sie selbst die Saatkörner, aus denen die Finsternis hervorbrach. Wie Eier. In ihnen regte und wandte es sich, bis die Schale aufbrach und den finsteren Schwarm entließ. Verseucht von Myriaden kleiner Würmer, die sich im Blut tummelten, unter der Haut juckten und doch nie an die Oberfläche brachen.

Das Knirschen kam näher, die Schritte. Der weiße Engel kam zurück - um das Toxin aus dem korrumpierten Körper zu ziehen? Nein, das konnte niemand. Vielleicht war es nun zu einem untrennbaren Teil ihres selbst geworden, ein perfider Anker der Dunklen Seite, der Leib und Seele jederzeit zurück in den Abgrund reißen konnte. Sie spürte die warme, sanfte Berührung an den Schultern, so angenehm und sogleich auch fremd, eine Nähe oder gar Zärtlichkeit, die es im Imperium nicht gab, die dafür sorgte, dass sich kalter Durastahl um die Haut eines jeden Einzelnen legte. Mitgefühl war... selten geworden. Nein, ausgelöscht. Nur eine Erinnerung, bis dieses Wesen daherkam und sie immer wieder daran erinnerte, ihr immer wieder zeigte wie es sich anfühlte, als ob der Schatten sich irgendwann einmal daran entsinnen würde, wie Mitgefühl funktionierte, auf welcher Grundlage es basierte.
Reah spürte, wie ihr Körper sich auf dem körnigen Boden drehte und sich die Perspektive verschob, weg vom Blick in das Feuer, hin zu den unendlichen Sternen und Gestirnen am Himmelszelt. Ihr Hals überstreckte sich ein wenig nach hinten, so, dass ihre Augen nun in das Antlitz der Heilerin sahen. Sedrael wirkte konzentriert, beinahe professionell und es dauerte einen Augenblick, ehe sie realisierte, dass ihr Körper nach Wunden und Verletzungen abgesucht wurde. Sie spürte einen kühlen, rundlichen Gegenstand in ihrer Hand, den sie abtastete und als eine Art Wasserflasche einordnete. Ihre Hand glitt weiter nach oben, stellte fest, dass der Deckel geöffnet war und der Körper seinem Verlangen nach Wasser nachgeben konnte. Dennoch, noch trank sie nichts, nur ab und an drückte sich Fingernägel in das Gehäuse.

Der Blick verschob sich erneut, als sie sich bewegte, langsam über den Boden, immer näher zu den Flammen hin, die Wärme spendeten, obgleich sich ihr Leib anfühlte, als wäre er gerade erst versengt worden, doch war es ihr unmöglich zu deuten, ob dies nur durch den hervorgerufenen Schmerz so war, oder die brütende Tagessonne ihren dienst verrichtet hatte. Ihr Kopf richtete sich auf, als Sedrael eine Art Stützkissen darunter legte und ihr Blick ins Feuer fiel. Reah starrte geradeaus, doch schwieg, sei es, weil sie nicht wusste, wo sie beginnen sollte, oder ob es in diesem Moment noch etwas zu bereden gab - bis die Sephi schließlich das Wort ergriff und die Stille brach. "Korriban.", begann die verdrehte Seele nach einer gefühlten Ewigkeit, die Wasserflasche noch immer unangefangen in der Hand haltend. "Dieser Planet hier, dies ist Korriban. Grab- und Geburtsstelle der Sith." Dies war der leichte Teil. Ihr Blick fiel hinunter zur Flasche in ihrer Hand. Behutsam entfernte sie den losen Deckel und führte diese an die Lippen, ehe das kühle Nass die Kehle herunter floss und einen Teil von Staub und Schlacke hinfort spülten. "Nach...", etwas biss im Inneren, vielleicht ein Lichtfunke, der dreist nach der Finsternis schnappte und dessen Biss einen kurzen Schmerz verursachte. "...nach Firrerre rief mich der Imperator zu sich, wir haben uns getrennt, du warst in Donnovans Obhut und bist nach Atrisia geflogen, richtig?" Eine Frage, die mehr ihr selbst galt, als ihr Hin versuchte die Ereignisse zu rekonstruieren, die sie in diese Lage gebracht hatten. "Eine riskante Aktion, dazu gedacht, dich vor ihm zu verstecken, vielleicht nicht aus Mitgefühl aber... ich dachte du wärst verschwendet, unbrauchbar für seinen Orden." Reah seufzte, vielleicht als stilles Einverständnis dafür, dass sie die Sephi damals ebenso unterschätzt hatte, mittlerweile war ihr jedoch klar, dass Sedrael andere Qualitäten besaß. "Aber uns fehlte die Zeit für eine wirklich gute Tarnung, das kleine Verwirrspiel hat den imperialen Geheimdienst nur unlängst davon abgehalten herauszufinden, dass es eine Person gab, die ich ihnen vorenthielt. Ein Umstand, der Ysanne Isard offenbar sehr in die Hände spielte." Sie lächelte finster ob der geschickten Effizienz, mit der die Direktorin ihr Anliegen kurzerhand umgesetzt hatte. "Die Frau in Rot,", wählte Reah einen für Sedrael vielleicht verständlichere Umschreibung, unklar, ob sie, als ehemalige Jedi der alten Republik etwas von Armand Isard gehört hatte und die Verbindung erkannte. "sieht das Galaktische Imperium in Gefahr und als eine Person, die die Wege der Macht nicht versteht, sieht sie den Imperator als einen Verrückten an, der sich ihrer Kontrolle entzieht und da ich mich zu eindeutig verräterischen Tendenzen hinreißen ließ, sah ich mich gezwungen ihr den Beweis zu bringen, den sie braucht, um gegen ihn vorzugehen." Reah ließ die Worte einen Moment lang wirken, ehe sie sich sammelte und kurz zusammenfasste: "Wir sind hier, um das zu finden, was Darth Vesperum so gefährlich werden ließ, weil ich sie nicht aufhalten konnte, weil dies hier immer noch besser für dich ist, als die Zitadelle auf Byss." Die Worte endeten und der Schatten Blickte in die Leere, ehe ein paar Worte ihn sich hektisch umschauen ließen. Sie spürte, wie sich ihr Herzschlag merklich erhöhte, als Sedrael einen möglichen Verfolger erwähnte. Jemand, der dafür Sorge trug, dass sie sich auch an ihren Handel hielt? Oder war es lediglich ein perfides Katz-und-Maus-Spiel? "Wie.. wie sah der Mann aus? Trug er ein Lichtschwert?" Bilder jüngsten Szenerie kehrten zurück, Agent Traggis, der aus dem Schatten trat und einen Blaster auf Sedrael richtete.
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#56
Korriban.

Ein Name aus antiker Vergangenheit, aus Geschichten, welche man Kindern erzählte, um sie zu erschrecken. Ihnen begreiflich zu machen, dass da draußen, irgendwo, die Finsternis lag; dort von seinem Versteck aus auf den Rest der Galaxis blickte, immer wieder knorrige Finger ausstreckte und dabei zufrieden aus der Entfernung betrachtete, was es damit anrichtete. Korriban. Die Welt, an der sich Realität und Mythos schnitten, Hand in Hand gingen. Es war das große, verbotene Wunderland aus Geschichten, die man sich nur flüsternd des Nachts erzählte, damit niemand sonst sie hörte und niemand je herausfand, dass man darüber gesprochen hatte. Nachts mit seinen Freunden, gewärmt am Lagerfeuer vor der vereinnahmenden Dunkelheit, um der Schauergeschichte die richtige Atmosphäre zu verschaffen. Soll ich dir die Geschichte von Korriban erzählen?, fragte das Älteste das Jüngste. Die Geschichte von Sonnen und Schatten? Erinnerungen. Sedrael blickte mehrere Sekunden ziellos, abwesend in das Medi-Kit. Gute Erinnerungen eigentlich, doch die kalte Berührung des Windhauchs aus der Vergangenheit ließ sie in diesem Moment weitaus bitterer anfühlen als sie eigentlich waren. Alles schien unbeschwert gewesen, einfacher. Doch wie schnell war die Galaxis damals durch den Krieg aus den Fugen geraten. Einst war sie selbst dann das Älteste gewesen, hatte die beschäftigungslosen Jünglinge auch zu Beginn des Krieges noch nach Sonnenuntergang entführt. Ihre aus Menschensicht leichenblasse Haut schien den Geschichten im Schein des Feuers auch immer einen zusätzlichen Schauer zu verleihen. Ja. Auf eine Art war alles genauso wie jetzt gerade. Welch Ironie. Die Vergangenheit legte ihren Schleier ab, heulte nun nicht mehr als bloßes Schreckgespenst der Sephi ins Gesicht. Vom Mythos in die Realität. Nun sollte Sedrael wirklich selbst hier sein? Das war schwer zu glauben. Mehr noch, schwer zu verstehen. Verloren gedachte kindliche Neugier paarte sich mit Verunsicherung.

Was wusste sie davon? Nicht viel. Soweit Sedrael aus dem Jedi-Unterricht erfahren hatte, war Korriban der sagenumwobene Ort, an dem die vier Verbannten des Ordens vor Tausenden von Jahren zu den ersten Sith gereift waren – der Ursprung dessen, das die Galaxis seither regelmäßig heimsuchte und offenbar trotz aller Bemühungen nicht mehr aus dieser zu entfernen, womöglich sogar zum zwangsläufigen Teil davon geworden war. Die Frage mochte sein, ob die Verbannten sich hier auf dieser Welt nur ihren ohnehin bestehenden Dispositionen zügellos hingegeben hatten oder ob nicht selbst hier an diesem Ort korrumpiert worden waren. Die Macht wirkte stark und seltsam auf dieser Welt, nagend, stichelnd. Keine Spur von den sanften Wogen, in deren erfrischendes Nass man sich zurücklehnte und von der Strömung an sein eigenes Unterbewusstsein und das Millionen Anderer treiben ließ. Anstelle in der Verbindung mit der Macht Ruhe finden zu können, fand man darin nur den Zungenschlag des Irrsinns. Sedrael war nicht in der Lage, sich auszumalen, wie sehr es Person und Charakter brechen musste, wenn sich durchgehend die krallenbewehrten Finger des Abgrunds am eigenen Geist labten, mal stärker, mal weniger, doch beständig. Jeder würde dadurch zugrunde gerichtet werden, irgendwann. Die Sephi hob ihren Blick nur für einen Moment an, auf die Frau am Boden. Jeder.

Das machte nichts von dem ungeschehen, was passiert war. Sedrael hatte Firrerre nicht vergessen. Verdrängt vielleicht, doch nicht vergessen. Es würde ein Bild für die Ewigkeit bleiben, die eigene, ohnehin schon gebeutelte Heimat brennen zu sehen. Die Erwähnung ihres Planeten durch seine Mörderin rang ihr keine Reaktion ab, zumindest keine gezielte. Sedrael spürte, wie ihre Haut zu schimmern begann, als ihr Körper ihr den Dienst dabei versagte, um etwas zu kaschieren, das noch immer eine offene Wunde war, nicht weniger als die körperlichen Wunden, die die Inquisitorin derzeit mit sich führte. Vielleicht im schwachen Licht des Feuer nur schwerlich erkennbar, dennoch ärgerte sie dieser kleine Moment, der sie dazu veranlasste, weiter im Medi-Kit zu sortieren, schließlich Steri-Streifen, eine Dose Bacta-Salbe daraus entnahm. Während die Inquisitorin zu erklären begann, schüttete sich Sedrael sparsam etwas Wasser aus der Trinkflasche in eine Hand, verteilte es dann zum Auswaschen auf beide Hände und sprühte anschließend Desinfektionsspray auf die feuchten Hände. Still, grimmig setzte sie sich mit den Utensilien dann neben die sprechende Hexe, unterließ es dabei jedoch, die Frau anzublicken. Ein sanfter Biss auf die Unterlippe verkniff die Frage, die sich ihr schon so lange stellte. Die Frage nach Firrerre. Sie rückte näher. Doch noch war sie nicht da. Stattdessen nahm sie sich der Wunde am Arm der Frau an, nahm den Arm mit einer Hand, schloss die Augen und führte die andere nur ein paar Zentimeter über die Wunde. Die Wunde sang ihr wehklagendes Lied, das Lied eines wahrlich sauberen Schnitts. Offenkundig jedoch keiner aus der leicht erkennbaren Feder eines Lichtschwertes, da es hierfür an einer Kauterisierung der Wunde fehlte, was für eine gewisse Expertise des Trägers sprach. Die Wunde schien weiterhin etwas älter als die übrigen zu sein, wenn auch nicht viel. Mit entsprechender Ausrüstung hätte sie zur Überprüfung vermutlich die Nähte entfernen und das freigelegte Fleisch untersuchen müssen, aber mangels medizinischer Möglichkeiten war das Öffnen hier keine Option, ohne massive Infektionen in der Folge zu riskieren. Soweit sie das sagen konnte, schien der Eingriff rasch und behelfsmäßig durchgeführt worden zu sein, ließ aber keinen Zweifel daran, dass ihn ein Arzt vorgenommen hatte – vermutlich war die Wunde also nicht hier auf diesem verlassenen Planeten, sondern in entsprechender Umgebung fachgerecht behandelt worden. Insoweit schien es sicherer, es für den Moment so zu belassen. Die kleineren Wunden, die gerade erst zu heilen begonnen hatten, wusch Sedrael mit dem Trinkwasser aus der Flasche aus – nicht die beste Option, da sie nicht beurteilen konnte, wie sauber dieses Wasser war, aber da das Wasser frisch aus einer imperialen Versorgungseinheit stammte und alles im Imperium geradezu klinisch rein gewesen war, schien das Risiko durch Infektionen hierdurch weitaus geringer als das Risiko, das durch die hiesige Umgebung hervorgerufen wurde. Anschließend gab sie etwas Bactasalbe auf die Wunden, ließ diese einige Zeit auf den Schnitten, Rissen der Haut einwirken, und fixierte dann die Wundschließung mithilfe der dünnen Steri-Streifen. Die Erläuterungen der Hexe nahm Sedrael so hin. Zumindest erklärte sich die Existenz der roten Frau so, deren Anwesenheit die Sephi bisher nicht hatte einsortieren können. Allerdings passte die Aussage der Inquisitorin nicht unbedingt gut zu der Tatsache, dass die Frau vom Geheimdienst von Sedrael den Ort der Jedi-Niederlassung hatte erfahren wollen. Andererseits waren Geheimdienste immer an einer Vielzahl von Informationen interessiert. Auf der anderen Seite mochte das die Anwesenheit von Reah erklären – ihre eigene dagegen nicht. Wirklich vollständig überzeugend erschien die Antwort daher nicht, wobei unklar schien, ob die Inquisitorin davon selbst überzeugt war oder nicht. Skeptisch betrachtete sie eine deutlich erkennbare Wunde an der Schläfe ihrer Patientin aus der Nähe, offenbar eine Platzwunde durch einen gezielten Schlag, die ebenfalls genäht worden war, inzwischen aber auch schon etwas besser am Verheilen war. Für eine Kühlung war es daher schon zu spät, der Bluterguss hatte sich bereits ausgebreitet und eine mutmaßlich schmerzhafte Schwellung verursacht. Das war jedoch vielleicht nicht einmal das größte Problem.
„Kopfschmerzen?“, fragte sie schließlich in die Worte der Frau hinein, während sie sich zur Seite beugte, eine kleine Lampe aus dem Kit hervornahm und kurz die Pupillenreaktion überprüfte, die allerdings keine Auffälligkeiten ergab. Zwar kein wirkliches Indiz für eine fehlende Gehirnerschütterung, doch immerhin. Sedrael hob ihre linke Hand und fasste kurz von oben und unten an die Schläfe der Inquisitorin, eine wärmende, pulsierende Bewegung, körperlich wie auch in der Macht, die Schwellung im Inneren streichelnd, massierend. Der warme Stausee des Blutes floss noch immer nicht in seiner gewohnten Bahn, blockiert, doch zumindest etwas erleichter. Vielleicht hätte sie auch andere der Wunden noch besser mithilfe der Macht versorgen können, doch da sie nicht wusste, wie lange sie hier wohl sein würde, schien es bereits jetzt ratsam, Kräfte sparsam einzusetzen. Die Heilung dank der Macht war für sie selbst immer anstrengend, belastend, daher sollte es die Ausnahme bleiben. Und vielleicht wollte auch ein bestimmter Teil von ihr, dass diese Frau noch eine Weile an ihren Verletzungen zu nagen hatte.

Sedrael entfernte ihre Hand schließlich wieder vom Gesicht der Frau, setzte sich langsam auf und packte den Rest der Utensilien wieder zurück in das Medi-Kit. Sie setzte sich neben dem Kit auf die Versorgungskiste, im sicheren Abstand vor der flammenumsponnenen Frau am Boden, die dort vermeintlich harmlos lag und nur im Schattenspiel das Gesicht des dornenreichen Monsters zeigte, das in ihr schlummerte und irgendwann wieder erwachen mochte.
„Doch wenn wir es finden, macht es das nicht ebenso gefährlich?“, erwiderte sie der Erklärung schlussendlich, fast rhetorisch. Das Ziel war offenbar ein Fundus eines korrumpierendes Giftes, das eine schwache Person in ein Monster verwandelt hatte. Wenn etwas jemanden bereits zum Monster gemacht hatte, vermochte es dies auch mit anderen. Wer wusste schon, welches Gift sie dort erwartete. Wen es befallen konnte und welche Auswirkungen auf ihren Körper und Geist besaß. Vielleicht war einer anfälliger als andere, aber konnte es wirklich Lösung bieten, gleichsam andere diesem Wahnsinn auszusetzen, der offenbar schon einmal eine Person völlig verzehrt hatte? Am Ende konnte es auch zur Schaffung der zweiköpfigen Bestie aus zwei verirrten Seelen werden, die nun nicht mehr einsam schien, sondern Seite an Seite in Verbindung mit einem anderen aufging. Der Mann, der hier bereits gefallen war und die Frau, die nun seiner Spur folgte. Sedrael vermutete nicht, dass das Gift ihr ein Angebot machen konnte, das ihr einen Wert bot, aber bei ihrer Begleiterin schien ihr dies nicht so klar. Möglicherweise fanden sie also nicht die ersuchte Lösung, sondern brachten vielmehr ein weiteres Monster in die Galaxis. Und vielleicht war es auch eine weitaus weniger bewusste Entscheidung als ihr selbst überhaupt klar war. Womöglich entschied man nicht – sondern wurde einfach. Doch um die Bestie zu begreifen, war Wissen und Verstehen auch notwendig; ein schmaler Grat auf der maroden Brücke über dem Abgrund. Sie mochten erkennen, was auf der anderen Seite lag oder bei dem Versuch beide den Halt verlieren. Ein Risiko, das sich nicht abschätzen ließ. Irgendwann konnte die Macht auf diese Entscheidung eine Antwort liefern, einen Wink des Schicksals, ob es ihr Weg sein sollte oder nicht. Sedrael hatte kein gutes Gefühl – aber ein solches wäre auf einem Planeten wie diesem auch kaum denkbar gewesen.

„Ich... weiß es nicht. Die Person kam mir nie nahe“, entgegnete sie dann langsam, nach kurzer Verzögerung, etwas irritiert von den letzten Fragen der Inquisitorin. Ein Mann? Sedrael konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich wirklich um einen Mann gehandelt hatte, dafür war die Entfernung letztlich immer zu groß gewesen. Sie schüttelte den Kopf. Noch überraschender war die Frage nach einem Lichtschwert gewesen. Mit der Wunde konnte das nichts zu tun haben. Die gesamte Reaktion schien weitaus zielgerichteter und fixierter als die Erwähnung Sedraels selbst. So als wisse die Inquisitorin in der Tat mehr als es den Anschein hatte.
„Sie trug schwarz, einen Anzug, glaube ich. Aber ich bin mir sicher, einen Blaster in den Händen erkannt zu haben. Ein Lichtschwert konnte ich nicht entdecken.“
Eine ihrer Hände hob sich und deutet auf eine große Felsenkette, die stufenweise bis zum Horizont reichte.
„Die Person tauchte immer wieder oben an den Felsen auf. Ich habe ihr ein Mal zugerufen, aber dann ist sie verschwunden. Vielleicht versteht sie mich nicht.“
Sedrael hatte zunächst vermutet, dass der Person womöglich das Basislager hier gehörte, aber da sie die Gestalt bereits im Wüstensturm gesehen hatte und nicht erst hier, schien das nicht unbedingt naheliegend.
„Allerdings kann ich nicht sagen, dass sie aggressiv wirkte. Ich habe eher den Eindruck, sie beobachtet mich nur.“
Zumindest... für den Moment.
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#57
Tote Körper im Wüstensand... ein Massengrab. Für sie, für die Galaxis, für alle. Faulige und korrumpierte Leichen waren sie, die von den Sternenschiffen in den Staub dieser Welt geworfen wurden, um der bedauernswerten Leere ihrer Existenz entgegen blicken zu können. Hier und dort rissen kleine Silberstreifen auf und ließen die vermoderten Augen der korrumpierten Kreatur hindurchblicken. Lose Eindrücke aus dem Davor und dem Danach reiten sich aneinander, ungenaue Bilder von Dingen, die geschehen waren und Dingen, die vielleicht erst noch geschehen mochten. Vielleicht hatte dieses elendige Wesen seine ersten zaghaften Schritte unternommen aus dieser ewigen Teergrube zu entrinnen, in die sie einst gefallen war, doch nun, wie schwer konnte es sein die Realität anzuerkennen und nicht doch wieder umzukehren, die liebkosende Umarmung von Dunkelheit und Wahnsinn anzunehmen, die so lang nun schon ein treuer Begleiter war. Was hielt sie also davon ab sich im Schmerz des Verlustes zu suhlen, ganz wie ein räudiger Kläffer, wie sie es immer schon tat. Sie konnte Terror sein - ein durchfegender Orkan mit scharfen Klingen, ein Wesen jenseits irdischer Fesseln, jemand, der es nicht nötig hatte nach Moral zu entscheiden, sondern nach Gefallen. Und alles was es dazu benötigte war nur ein kleiner Schritt zurück. Die Dunkelheit konnte warten, war geduldig mit der Beute. Früher oder später würde wieder jemand fallen. Sie alle taten es, begriffen nicht, dass der Abgrund stets zurückstarrte, war jemand ein solcher Narr einen Blick in diesen Höllenpfuhl hineinzuwerfen. Vielleicht stimmte es sogar, was die Jedi sagten, das diejenigen, die einmal den finsteren Nektar dieser Verderbnis gekostet hatten, nie mehr davon loskamen. Es war wie ihr Elixier, das sie am Leben hielt, das all die Taten, die sie begingen, erträglich werden ließ. Die Finsternis stellte sich als verlockende Freundin dar, eine, die zeigte, dass es neben ihr keine weitere benötigte.

Ob Sedrael es gerade wusste? Tatsächlich wusste was sie tat, als sie mit ihren Händen so bereitwillig diesen verderbten Kadaver berührte? Unwahrscheinlich. Möglicherweise war es wie ihr eigener bestialischer Instinkt zu töten, immer und immer wieder und die kleine Sephi wiederum sah sich bestärkt darin gerissene Wunden zu schließen. Für diesen Augenblick mutete es ihr beinahe wie ein irrsinniger Wettstreit an, zwischen derjenigen, die alles daran zu setzen gedachte eine unheilbare Wunde in die Galaxis zu schlagen und derjenigen, die alles dafür tat, dass dies nie geschehen würde. Heilung konnte beides bedeuten. Durch Wonne, wie durch Leid und wenn Schmerz eines versprach, dann, dass Lektionen nicht so schnell vergessen wurden. Die größte Absurdität an ihrer Situation mochte aber tatsächlich sein, dass Sedrael das Risiko einging ein Monster zu retten, vielleicht den fatalen Fehler den sie selbst erst unlängst begann, als sie Vesperum aus rotbraunen Hölle heraushalf. "...hätte ihn hier begraben sollen!", zischte die Sith leise in die Flammen hinein, die boshaft aufflackerten als wären sie von der dunklen Präsenz des Imperators besessen. Für ihn war definitiv jede Rettung zu spät. Seine Strafe für sein Versagen... an sich, an den Sith, an allem was er berührt hatte, konnte nur noch der Tod sein. Schmerzhaft, wie das Licht, dass durch ihre düstere Gedankenwolke brach und ihr in die Augen blendete. "Was zur...?", begann die Hexe verdutzt, wollte das viel zu helle Licht beinahe anfauchen ehe sie registrierte, dass es offenbar Gegenstand von Sedraels rudimentärer Behandlung war. Noch war sie ein Wrack und die heilende Wirkung der hellen Seite der Macht war bestenfalls ungenügend oder sprach in diesem Augenblick nur wieder ihre eigene Ignoranz die heilende Wirkung anzuerkennen, anstatt es in stiller Dunkelheit zu ertragen? Zumindest hatte sie Sedrael nicht ausdrücklich darum gebeten sie zu heilen, dieses zerrissene Nervennetz, dass nur noch vor Schmerz schrie wieder zusammenzusetzen. Die Sephi schob sanft ihren Kopf nach oben und begann damit ihre Schläfe zu massieren... Kopfschmerzen? - natürlich, der Schlag der Schattensturmtruppe, kurz nach dem Verlust ihrer Hand. Reahs Augenlider senkten sich herab und ihre Pupillen blickten Korribans Horizont entgegen, die Behandlung ihrer seltsamen Gefährtin annehmend. "Du weißt wen... was du ins Leben zurückholst, oder? Aber du machst es trotzdem... warum?" Aus ihrer Sicht weder eine kluge noch langfristig weise Entscheidung, erst recht nicht an einem Ort wie diesen. Oder war es sogar Korriban? Ein kleiner Wink der Macht, dass die Wurzel allen Übels ihr Kind noch nicht sterben sehen wollte.

Doch was sprach die Sephi? Hörte sie ein zögern in der Stimme? Stumme, zweifelnde Gedanken bezüglich ihrer Absicht an diesem Ort? Vermutlich. Und es wäre seltsam wenn nicht und doch ließ die Formulierung dieser simplen Gegenfrage Rückschlüsse zu, wie wenig Sedrael offenbar über die Dunkelheit wusste. Womöglich kannte sie die alten Spukgeschichten aus dem Jedi-Tempel, zum Großteil ausgeschmückte Märchen, dazu gedacht die formbaren jüngeren Mitglieder des Ordens auf Kurs zu halten. Aber das war es nicht, es ging hierbei nicht um die eigentliche Dunkelheit, sondern um einen Katalysator. Vesperum muss etwas gesehen haben, dass ihn wie nichts in der Galaxis antreibt, etwas, dass es ihm wert war seinen Verstand dafür zu opfern. Einst war er nur Imperator, doch nach Korriban, war er weit mehr als das - zumindest schien er seiner weltlichen Rolle mehr und mehr überdrüssig zu werden, Isards Enthüllungen in dieser Hinsicht ließen darauf schließen. Es war, als hätte vorher ein kleines Teil gefehlt und dieser Planet hatte es ihm gegeben. "Was auch immer er fand, wird kaum mehr hier sein.", offenbarte die Hexe bestimmt und überzeugt, obgleich auch sie noch nicht wusste, was genau der dunkle Herrscher von hier mitgenommen hatte. "Sedrael, dieser Planet hier, er macht uns nicht zu Monstern. Leute wie ich, wie Vesperum..., wir zerbrechen an anderen Dingen - oder werden gebrochen. Die einzigen Zeugen, die tatsächlich wissen was er tat, sind die Toten unter unseren Füßen." Sie erinnerte sich an ihn und sie wusste, dass sein Grab hier irgendwo sein musste, irgendwo im Tal der Dunklen Lords. Finsternis blitzte in den Augen auf, die wiederkehrende Gier nach den Schatten, nach der Macht, die sie in sich verbargen. Korriban konnte ein herrlicher Schatz sein, nur Ysanne schien es nicht erkannt zu haben... oder wollte es schlichtweg nicht war haben. "Ludo Kressh.", ließ Reah den Namen in die Dunkelheit entgleiten, nicht ohne ein schwaches, doch beinahe ehrfurchtsvolles Zittern in der Stimme, unsicher ob die uralte Sith-Wesenheit nicht allein durch das Nennen ihres Namens angezogen wird. "Er wird wissen was geschah."

Zu Sedraels Beschreibungen über die unbekannte Gestalt, zeigte die Hexe keinerlei Reaktion, mochte es sein, weil die ihr mitgeteilten Informationen ohnehin kaum relevanten Inhalt besaß, oder weil sie eine Konfrontation mit Agent Traggis ohnehin für unausweichlich hielt.
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#58
Die Frage nach dem Warum – es war die Frage kleiner Kinder an ihre Eltern, wenn sie die Dinge der Welt nicht verstanden hatten, komplexe Dinge außerhalb ihrer Vorstellungskraft und ihrer Kontrolle. Eine gleichermaßen seltsame wie interessante Frage. Ein kurzer strenger Blick in die finsteren Augen der Hexe. Als ob sie ihren brennenden Planeten jemals vergessen würde. Nein. Und das sollte die Frau auch nicht. Die beiden kannten sich nun seit ein paar Monaten, nicht lange und doch lange genug. Wusste sie es? So wirklich? Allenfalls teilweise, in Mosaiksteinchen. Sie kannte schlechte Teile davon und weniger schlechte. Sicherlich, ein Teil von Sedrael hätte gern diesem Impuls in sich nachgegeben, diesem kleinen Zwicken in ihrem Inneren, jedes Mal, wenn sie die Hexe betrachtete, der vielleicht in irgendeiner Form davon befriedigt wurde, sie so zu sehen wie jetzt. Es erschien letztlich gerecht, das Pendel, das zurückgeschlagen hatte und nun einen Anfang dafür bot, was der Menschenfrau noch bevorstehen mochte. So wie die Macht es immer eingerichtet hatte, vor Tausenden Jahren, heute und auf alle Zeit. War ihre Gegenüber so gefangen in ihrem Tun, dass sie die Konsequenzen ihrer Handlungen für sich selbst gar nicht mehr begriff? Sah sie nicht, dass all ihr Tun nur die Aktion war und sie die Reaktion nun erst noch ernten würde? Es war schwer vorstellbar, wie das Verursachen von Leid und Tod von Tausenden sich dann nur noch auf eine Person konzentrieren würde – eine verlorene Hand und die anschließende Tortur waren nicht viel mehr als ein kleiner Vorgeschmack dessen. Ja, vielleicht sah dieses Wesen vor ihr als das nicht, dieses drohende Unheil, das über ihr aufzog. Vielleicht, doch es gab die eine Tür, die einen Spalt geöffnet schien. Sie musste ihn nur erspähen, ihn erkunden wollen. Geöffnet hatte sie ihn bereits selbst. Die Menschenfrau hatte ihre Gefangene verschont, sie versteckt. Sedrael konnte immer noch nicht mit Gewissheit sagen, vor was – und ebenso wenig, was nun wirklich der Anlass der Hexe dafür gewesen war, die stets mit Rätseln darauf reagiert hatte. Doch die Macht gab der Sephi das beklemmende Gefühl, dass sie in der Tat dadurch einem weitaus größeren Übel entronnen war. Und dass sie nun hier auf dieser morbiden Welt nach der Antwort auf diese Frage suchten, schien dem nur Recht zu geben.
„Du schütztest mich, als du es nicht hättest tun müssen. Damals fragte ich nach dem Warum. Nun ist es umgekehrt. Wir sind beide nicht das, was man von uns erwartet. Und was wir vielleicht auch nie werden wollten.“
Nur wie wurde jemand das, was die Hexe geworden war? Wie trieb jemand in den versetzenden Abgrund hinab, aus dem es so schwer zu entkommen schien? Der Treibsand, der einem den festen Stand zu nehmen begann und je mehr man sich dagegen wehrte, desto tiefer versank man im erbarmungslosen Strudel. Es war kaum vorstellbar, dass sich jemand wirklich freiwillig in diesen Sog gebracht hatte, war womöglich leichtsinnig hineingestolpert oder gestoßen worden und sah nun keinen Ausweg mehr als zumindest sehenden Auges sich dem Einzigen hinzugeben, was einem nun noch verblieben war. Das panische Festhalten am letzten rettenden Stachel, der die Hände immer weiter blutig riss, aber zumindest den Absturz ins Ungewisse verhindern konnte. Doch irgendwann mussten die vom Schmerz gepeinigten Hände erlahmen, irgendwann konnte der Körper nicht mehr.
„Reah, du sagtest mir einmal, du wärest einst eine Jedi gewesen“, fuhr sie schließlich fort, müde. Sie blickte die Frau nicht mehr an, sah von ihrer Kiste aus nur in die lodernde Feuersbrunst vor sich, die die Finsternis um sie herum verbrannte, auslöschte und in der düsteren Nacht für zwielichtige Zuflucht sorgte.
„Was ist geschehen, dass sich die Dinge so änderten?“
Radikale Wechsel im Denken und Handeln passierten für gewöhnlich nicht einfach so – meist gab es irgendeinen Auslöser, eine Ursache. Manchmal mochte sie noch so klein sein und doch prägend genug, um eine Änderung mit sich zu bringen. Es konnte so viele Gründe geben, sein altes Leben aufzugeben und ein neues zu suchen und schließlich zu finden. Doch dass sich die eigene Moral um so viele Punkte komplett drehte und das Leben selbst nun so anders war, war selten. Nichts erinnerte mehr an die Lehren der Jedi – das Leben als Wert für sich, ein ruhiges Leben in Harmonie mit seiner Umwelt, nicht aber zuletzt vor allem auch mit sich selbst, Gelassenheit. Alles hiervon war einer beständigen Unrast und Getriebenheit gewichen, einer Verachtung von Leben, einer ungezügelten Brutalität. Wo war die Menschenfrau hin, die sich einst als Jedi bezeichnet hatte? Irgendwann einmal musste sie existiert haben, innerhalb dieser Kreatur, die nun in ihrer Nähe kauerte und sich ergötzte an dem, was sie aus ihr gemacht hatte. Aber die Menschenfrau, sie war so weit weg.

Schwere Knochen mahlten in ihren Gelenken. Der anstrengende Tag forderte seinen Tribut, überall die staubige Trockenheit aus der Ödnis. Das rhythmische Knacken des Feuers beruhigte sie. Die Kälte begann dennoch fühlbarer zu werden und die Sephi ließ ihre Hände unter dem Stoff ihrer purpurnen Robe verschwinden. Aber war es nur die nächtliche Kälte, die natürliche Kälte? Ein Frösteln beim Sprechen eines alten Namen. Ein Name der Jahrtausende. Ludo Kressh? Ein altertümlicher Sith, seit Ewigkeiten bereits fernab der Lebenden und inzwischen nur noch eine Geschichte für Legenden. Eine alte, kranke Legende sollte nun also weiterhelfen. Reah schien indes fest davon überzeugt, dass es so sein würde. Womöglich war sie... geisteskrank geworden, mehr als noch zuvor. Vielleicht war es aber auch dieser Planet, dieses sagenumwobene Stück Land, das für Unmögliches sorgte, so es nur den eigenen Vorstellungen entsprach. Das schwache Wispern der Inquisitorin in die Weiten der Finsternis, hinaus in den fernen Wind, der ihnen nur leicht entgegenblies. Aber wurde der Wind etwa gerade mehr? Sedraels Haare flatterten kurz in der tanzenden Luft. War es etwa das, was hier geschehen konnte? Die Beschwörung eines okkulten Geistes, der aus dem Nichts erschien, wenn man seinen verbotenen Namen aussprach? Erwartungsvoll blickte die Sephi hinaus aus dem Lager ins Nichts, in fast kindlicher Neugier weiteten sich ihre Augen. Wie in den Geschichten. Draußen, außerhalb des Feuerscheins und des kleinen Lagers, badeten einzelne Sandkörner im Wind der rostfarbenen Schlucht, ein tausendfaches Knistern, als sie sich an das Gestein schmiegten, um Halt zu suchen. Eine Böe fegte durch die Schlucht. Mehr nicht. Weit in der Ferne ein heulendes Tier. Nichts geschah. Sedrael blickte langsam zurück zur Hexe, zwiespältig aus Enttäuschung und Erleichterung zugleich. Einerseits ein solches Wunderland in Aktion zu erleben, wäre eine erstaunliche Erfahrung gewesen, andererseits graute sie genau diese Vorstellung, insbesondere wenn das Ziel eine mysteriöse Gestalt aus grauer Vergangenheit war.
„Er wird warten müssen“, entgegnete sie dann der Stille, da Reah nicht den Anschein machte, sich davon entmutigen zu lassen. Die Sephi nahm die vorhin geöffnete Wasserflasche in die vom Ärmelstoff verdeckte Hand. Sie spürte, wie die Machtheilung ihren Körper verausgabt hatte – nur ein kleiner Moment war es gewesen, aber dennoch fühlte sie sich gleich mehrere Jahre älter. Die Macht zu zähmen und kurzzeitig dem eigenen Willen zu beugen, um einen fremden Körper von außen wieder zu regulieren, war anstrengend und sie hoffte nicht, dass sie es bei ihrer Gefährtin häufiger tun musste. Erst ein Vergleich zu morgen mochte zeigen, wie die Frau ihre Verletzungen trug und ob Besserung eintrat oder noch nicht. Sedrael trank den Rest der Flasche mit ein paar Schlücken leer, legte diese dann zurück in die noch geöffnete Versorgungskiste.
„Du bist nicht in der Verfassung weiterzugehen. Ich ebenfalls nicht. Wir brauchen beide einige Stunden Ruhe, wenn wir länger unterwegs sein wollen. Ich rechne nicht damit, dass wir auf absehbare Zeit ein weiteres Lager finden werden.“
Korriban hatte bis jetzt nur Staub, Schluchten, einen alten Sendeturm und ein Kraterfeld einer längst vergessenen Schlacht geboten. Sofern Zivilisation hier jemals existiert hatte, musste sie lange fort sein. Ihr war nicht klar, wohin die Hexe wollte, wenn sie von einem Treffen mit einem Toten sprach, vielleicht sogar mit jemandem, der nie existiert hatte und nur im Raum mythologischer Geschichten zu finden war. Vermutlich wusste es die Hexe selbst nicht. Aber manchmal war Hoffnung das Einzige, das die Sinne noch beisammen hielt. Sie waren hier, allein, mit genügend Versorgung für ein paar Wochen. Doch es schien nicht als kämen sie jemals wieder fort von hier. Auf Dauer gefangen mit der Kreatur auf einer leeren Einöde. Denn bislang war Korriban einfach nur eine karge, verlassene Welt der Enttäuschung, nichts vom magischen Zauber aus den Legenden, abseits der Elemente, die sie in ihrer Naivität kurzfristig dafür gehalten hatte. Wie immer war die Realität weitaus kleiner. Und vielleicht waren sie auch bloß deswegen hier. Einfach nur als eine perfide Art, jemanden auf einer einsamen Welt zurückzulassen, nur um ihn hier sterben zu sehen. Freiheit genug, um immer wieder zu hoffen, aber doch von Anfang an dem Untergang geweiht.
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#59
Erwartungen, sie waren Schall, Nebel, Rauch - irgendwo vorhanden aber nie wirklich real oder bedeutsam genug sich intensiv mit ihnen zu befassen. Es war die Sicht eines Fremden auf eine Person, sie wollten etwas, bestrebt darin das andere Wesen zu kategorisieren, fassbar zu machen und in eine Schublade zu stecken. Eine plumpe Art augenscheinlicher Entmystifizierung von dem was jemand sein konnte oder auch sein wollte. Sedrael hatte in diesem Punkt natürlich recht, das musste sie, wenn auch stillschweigend, zugeben und dennoch beantwortete es ihre Frage nicht. Die exilierte hatte wenig, eigentlich gar keinen Grund ihr zu helfen denn letztendlich war die Inquisitorin das einschlagende Erlebnis, dass Sedrael, bis auf sich selbst, alles genommen hatte was je da war. Planet, Freiheit und gewissermaßen sogar die Entscheidungsgewalt, selbst wenn Reah das nie zugeben würde. Das Überleben der Sephi hing stets von der Laune der Inquisitorin ab - wäre sie dieser bizarren Beziehung überdrüssig geworden, hätte sie keinen Moment gezögert sich ihres Anhängsels zu entledigen. Ein bestimmter Teil mochte sogar sehnsüchtig darauf gewartet haben, dass dieses fragile kleine Wesen protestiert, sie irgendwie herausfordert nur, um dann mit in ihren Abgrund gerissen zu werden. Stattdessen schien Sedrael es einfach zu ertragen und zeigte sich nun selbstlos darin, ihr dennoch zu helfen auch wenn sie die verworrene Dunkelheit im Inneren der Hexe nicht einmal im Ansatz verstand. Alles was sie besaß waren wertlose Fragmente, die ein eher vages und unzureichendes Bild der Person projizierten, lose Eindrücke bestenfalls, wie diese Frau sich selbst sah.
Interessant an ihrer Aussage indes war, ob sie denn nicht ebenfalls Erwartungen hatte, ob sie nicht ebenso diese Inquisitorin lieber in einem anderen Licht sehen wollte, statt ihrer zersplitterten Teile, die sich in den Schatten verstreut hatten. Was von ihr zurückblieb war bestenfalls eine zerbrochene Klinge: scharfkantig, barbarisch und verzweifelt gefährlich aber gewiss nicht das, was Sedrael gerne sehen wollte. Oder zu sehen hoffte. Letzten Endes, so schloss die Frau, waren Erwartungen lediglich Wunschträume des eigenen Irrsinns, die sich in den Gedanken manifestierten ohne es je in die wache Welt zu schaffen. Reah selbst hangelte sich an Zielen entlang, nicht an Hoffnungen. Stets an dem was fassbar war und nicht nur ein Bildnis einer skurrilen Fantasie. Dies mochte der Unterschied zwischen den beiden Frauen sein: Reah sah die Galaxis wie sie war und antwortete mit ihren eigenen Methoden darauf während Sedrael vielleicht eher daran dachte wie sie werden könnte.

Sie wurden wohl das, was sie werden mussten weil die Galaxis oder zumindest die Individuen darin, es von ihnen verlangten. Und war es deshalb wichtig zu wissen was geschehen war? Warum jemand zu dem wurde was er ist? Kaum. Es war lediglich der Anfang eines kleinen gedanklichen was-wäre-wenn-Spiels, das bestenfalls Fantasie und Neugier befriedigte aber abseits davon keinen merklichen Nutzen erzielte. Worauf also zielte Sedrael an dieser Stelle mit der Frage ab? Wenn sie Reah besser begreifen wollte, war dies wohl die falsche Frage und wenn sie wissen wollte, was sie tun musste um einem solchen Schicksal zu entgehen, hatte sie nicht begriffen wie verschiedenartig die Dunkelheit sein konnte. Vielleicht war die Sephi sogar bereits korrumpiert und wusste es nur noch nicht - die Auswirkungen des Abgrunds waren mannigfaltig und nicht jeder wurde zu einer wilden Bestie. In einigen manifestierte sich die Finsternis auf schleichende Weise und ließ Grausamkeiten gar subtil wirken - es brauchte nicht viel, nur einen kleinen Stein, eine einfache Geste, um eine Lawine der Dunkelheit zu entfesseln. Kleine Gemeinheiten konnten zu großem Elend führen und ein Echo der Dunkelheit nach sich ziehen, mit dem der Verursacher selbst nicht gerechnet hatte.
"Was geschehen ist?", wiederholte Reah Sedraels Frage ungläubig als misstraute sie dem unschuldigen Interesse dahinter. "Nela Vali ist geschehen." Nela Vali... ein Name, den sie gewiss seit über zehn Jahren nicht mehr benutzt hatte und es gab auch keinen Grund, die nautolanische Jedi war seit einer gefühlten Ewigkeit tot als ihre Welt begann ihre Farben zu verlieren. "Sie hat mich am Ende der Klonkriege vor den Kämpfen bewahrt und mich mitgenommen. Ich denke unser Ziel war Coruscant, der Jedi Tempel doch wurde unser Schiff auf dem dorthin abgeschossen." Sie musste sich zusammenreißen, die feinen Kristallsplitter richtig zusammenzusetzen um ihre Vergangenheit zu rekonstruieren, während ihr Blick ins Feuer viel, erwartungsvoll, als würden sich Bilder der Vergangenheit darin finden. Doch nichts, ihre Augen starrten nur in die Finsternis dahinter. "Wir konnten nicht weg und so hat sie damit begonnen mich auszubilden - so gut sie es eben konnte. Irgendwann zu dieser Zeit muss Order 66 geschehen sein, der Anfang vom Ende, wenn du so willst. Und mit der Order, kam schließlich das Imperium. Es kam nicht sofort, es dauert und saß uns doch im Nacken... vielleicht... vielleicht war es letztlich sogar die Angst davor, die den Keim legte. Wie dem auch sei, man kann gegen das Imperium kämpfen, aber nicht vor ihm davonlaufen." Was folgte war eine längere Pause in er die Inquisitorin unsicher erschien, weitererzählen zu wollen oder nicht, vielleicht allein aus dem Grund, weil es Erinnerungen daran weckte, was Traggis ihr erst vor kurzem angedroht hatte. "Letztendlich wurde sie von jemanden wie mir, einem Inquisitor aufgespürt und getötet. Ich hatte mich nicht gewehrt, kam nach Byss dort, wo du auch gelandet wärst. Letztendlich legst du gefangen in dieser Dunkelheit den glauben an die Werte der Jedi ab... es.. geht nicht anders. Jeden Moment deines Daseins wird dir das Gegenteil vorgelebt und mit jedem Schritt den du dich weigerst auf die Dunkelheit zuzugehen, kommt sie auf dich zu. Du kannst kämpfen und wirst verlieren. Licht muss geschaffen werden, doch Finsternis war schon immer da und auf Byss, wirst du kein Licht finden und eine einzelne Kerze kann die nahende Dunkelheit nicht aufhalten. Sie wirft nur unsere dunkelsten Schatten an die Wand... dort finden wir uns selbst."
Und doch war es lediglich der Anfang, wie sie wusste. Byss war lediglich Korrumpierung, was folgte, war Indoktrination und das Resultat aus beidem war wohl eine Art Irrsinn, die sich kaum beschreiben ließ. "Später landete ich als... Spezialverwendung beim imperialen Geheimdienst um mich für den Inquisitorius zu Schulen als auch um mich... zu einem gefügigen Werkzeug zu machen. Und der IGD bricht dich vollends. Wieder und wieder. Sie lassen dich zurück, nur mit dir allein, deinem Schatten und dieser Finsternis die in deinem Herzen sitzt. Und wieder kämpfe ich. Einen sinnlosen Kampf gegen Durastahlwände. Was noch von dir übrig ist, wird auf Verzweiflung und Panik reduziert, bis du irgendwann um Gnade flehst, weil du dich selbst im Dunkeln nicht mehr erkennst und dankbar wirst, für jeden kleinen Funken Licht, den deine Augen erblicken, weil du es selbst nicht mehr hervorbringen kannst." Dabei beließ es Reah, sicher gab es noch andere Details, aber sie spielten keine Rolle für die Frage und waren für jemanden wie Sedrael wohl auch kaum von belang.

Sie schwieg, wenn auch erfüllt von innerer Unruhe, der Tatsache zum Trotze, dass die Sephi recht hatte. Sie mussten ruhen und doch war sie rastlos, musste weiter, als ob das Tal der Dunklen Lords sie heimlich rief. Möglicherweise wollte sie das auch nur glauben und es spielte auch gar keine Rolle. Dennoch überschlugen sich ihre Gedanken, wie lange mochte die Inquisitorin ihren eigenen Körper mit der Macht zusammenhalten können, bevor sie zusammenbrach? Wie weit würde sie allein kommen? Möglicherweise nicht weit genug. Doch der nächste morgen würde lediglich den Schmerz zurückbringen. Es machte ohnehin kaum einen Unterschied. Zu hoher Wahrscheinlichkeit würden sie hier sterben und Sedrael war naiv zu glauben, dass es noch weitere Lager geben würde, nein, dieses hier muss einst Vesperum genutzt haben und das wiederum mochte bedeuten, dass sie dem Tal bereits näher waren, als sie selbst dachte. "Finden wir nicht.", antworte sie mit absoluter Entschlossenheit. "Es gibt keine weiteren, dieses hier muss Vesperum vor kurzem während seiner Expedition genutzt haben."
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#60
Die Hexe erzählte am Lagerfeuer ihre Gruselgeschichte – die mit einem Namen begann, einem vertrauten Namen. Nela Vali. Der Schleier der Vergangenheit rankte sich um sie, hüllte sie ein in die Erinnerungen. Der fast real wirkende Ruf aus dem Jenseits. Sedraels Augen weiteten sich erneut, überrascht flimmerte ihre Haut auf. Sie hatte die Nautolanerin nicht gut gekannt, flüchtig bestenfalls. Aber allein den Namen aus einem früheren Leben zu hören, ließ sie im ersten Moment perplex zurück. So viel war vergessen und verdrängt worden, niemand wollte mehr etwas von wissen, dass eine Erinnerung wie ein Blitz einschlug. Sedrael blinzelte ein paar Mal, versuchte die Überraschtheit zu zähmen, was nur mäßig gelang. Zumindest schien auch die Hexe selbst von der Fragestellung überrascht worden zu sein – ein interessanter Punkt, dass für sie offenbar nicht naheliegend war, dass jemand diese Frage überhaupt stellte. Hatte das noch niemand getan? Sie schien... aus Sicht der Sephi beinahe zwangsläufig zu sein. Nur wer die Vergangenheit einer Person verstand, der verstand auch, wie sie dorthin kam, wo sie jetzt war, und vielleicht auch, wohin sie noch gelangen mochte.
„Ich kannte Nela Vali“, entgegnete Sedrael dann vorsichtig, mit einem Anflug eines traurigen Lächelns, nur kurz abwartend, wie die Frau wohl reagierte. „Ein bisschen zumindest. Vor... langer Zeit, noch vor dem Krieg. Eine Kämpferin. Und doch gütig.“
Von dem, was sie wusste, schien ihr nicht überraschend, dass die Nautolanerin sich einer anderen Person angenommen hatte, um sie zu schützen vor dem, was gekommen war. Leider war es ebenfalls nicht überraschend, dass es zu jener Zeit nicht von Erfolg gekrönt war. So war also wieder eine kleine Geschichte aus einer großen Galaxis zu Ende gegangen. Sie hätte Besseres verdient gehabt, wie so viele. Es war für die Sephi in gewisser Weise eine Ironie, dass all jene, die gekämpft hatten, am Ende auch gestorben waren und nur sie, diese kleine, nicht gerade bemerkenswerte Heilerin, die nie gekämpft hatte, überlebte. Bis heute. Sedrael zweifelte auch nicht daran, dass sie jetzt nicht mehr leben würde, hätte sie damals Nigidus mit dem Schwert konfrontiert. Die Macht schien ihrer Einstellung gewogen zu sein, für den Moment. Das war keine Garantie für die Zukunft, aber es war zumindest mehr, als ihr alter Orden von sich behaupten konnte. Er hatte gekämpft – und verloren. Kampf nährte immer die schlechtesten Eigenschaften und breitete den Abgrund nur weiter aus. Das Imperium also bekämpfen? Das Imperium war doch nur ein Symptom. Es würde ohnehin bald verschwinden, auf die eine oder andere Art. Aber das allein machte noch keinen Unterschied. Die Frage war immer, was danach kommen mochte und ob die Lehren daraus gezogen worden waren, die die Macht mit dem Wurf ins eiskalte Wasser der Dunkelheit aufgezeigt hatte. Falls nicht, würde sich nur wieder eine neue Kreatur aus den Schatten schälen, die nun in anderer Form für ähnlichen Terror in der Galaxis sorgte. Solange die Dunkle Seite weiter so stark in der Galaxis wirken konnte, änderte sich nichts. Feuer mit Feuer zu bekämpfen war sinnlos. Sollte die sogenannte Neue Republik an ihren Feinden ähnliches Gräuel begehen wie die Imperialen ihrerseits, dann würde sich nichts ändern. Aber hatten sie gelernt oder nicht? Es würde sich zeigen müssen. Das Imperium zu bekämpfen hatte daher keinen Wert für sich, wenn nicht das System und die Ideologie dahinter gebrochen wurde. Sonst änderte sich nur die Zielrichtung des Leides und des Todes in der Galaxis, nicht deren Existenz.

Ein Stocken bei der Erzählung der Menschenfrau. Unsicherheit. Alte Wunden mochten aufquellen durch die Wiedergabe. Aber so musste es vielleicht gerade sein. Diesen Terror, den dieses Übermaß an Dunkler Seite brachte, beschrieb ihre Gegenüber ausführlich. Warum also blieb sie immer noch auf der Seite dieses Schreckens? Was hielt sie dort? Nichts davon schien locken zu können, nichts war ein Gewinn oder ein Nutzen in ihrem Leben gewesen. Man hatte sie gezwungen, doch nun hätte sie ihm jederzeit den Rücken kehren können. Wenn sie es nur wollte. Da war kein Geheimdienst gewesen, als sie dem alten Mann hinterher lief und ihm den Kopf zertrümmerte. Da war auch kein Geheimdienst gewesen, als sie Firrerre hatte brennen lassen. Sie hatte das alles entschieden, niemand sonst. Es war zwar eine nachvollziehbare Ausrede, Untaten auf eine brutale Vergangenheit zu schieben, auf das Unrecht, das einem widerfahren war. Sedrael nickte nachdenklich auf die Schilderungen der Hexe. Ja, wahrscheinlich brach es jeden irgendwann. Das änderte nur nichts daran, was diese getan hatte und vermutlich wieder tun würde. Dass der Abgrund sie immer wieder mit seinen Fängen hinabriss in das Moor und sie sich diesem dort mit Freuden den schlammigen Untiefen hingab, um darin Befriedigung zu finden.
„Ich konnte dich nun eine Weile beobachten, Reah. Da war nie jemand, der dich zu den Dingen, die du tatest, gezwungen hat. Das war einmal, und es klingt furchtbar. Niemandem sollten solche Dinge widerfahren. Und doch bist du immer noch Reah Nigidus. Vernarbt vielleicht, und dennoch sitzt sie hier.“
Sedrael wandte ihren Blick zu ihrer Begleiterin herüber, die dort saß. Das Häufchen Elend, das auch jetzt wieder versuchte, so stark wie nur möglich zu sein, und ihre Schwächephase gegenüber der Sephi vermutlich als Demütigung empfunden haben musste. Morgen würde sie vielleicht wieder ganz wie vorher sein, bestimmender, beißender. Mehr Inszenierung als Realität.
„Wir können unseren Weg selbst gestalten“, fuhr sie dann fort, zitierte dabei die Hexe selbst vor einer Weile über Atrisia. „Reah Nigidus tut die Dinge, zu denen man sie erst zwingen musste, jetzt nicht mehr, weil sie es muss. Sie tut sie nun, weil sie es will.“
Die Frau, die Jedi, war bearbeitet und geformt worden, damit sie dem Schlund diente. In Formen gepresst, um zu funktionieren. Eine Gehirnwäsche von einem vernichtenden Apparat in Ausgeburt des Imperiums. Aber sie funktionierte offensichtlich nicht nach Wunsch, jedenfalls nicht vollständig. Sie tat Dinge, die der Schlund wollte – aber auch Dinge, die er nicht wollte. Ein Aufflackern von Widerstand, nicht genug vielleicht. Aber es war mehr als die Galaxis bislang hervorgebracht hatte. Vielleicht war es das gewesen, dieser Funke, der seit der ersten schauderhaften Berührung durch diese Frau auf Firrerre übergesprungen war und der sie nun beide hierher geführt hatte. Sedrael blickte einen Augenblick lang zu Boden, schüttelte dabei den Kopf, während sie ihre Situation bedachte. Der vom Sand geschliffene, etwas unebene Erdboden zeigte Risse und Kanten zu ihren Füßen.
„Und ich muss sie vielleicht tun, will es aber nicht“, sprach ihre Stimme schließlich monoton in den Boden hinein. Würde man sie dazu zwingen können? Vielleicht. Das mochte am Ende sogar die Konsequenz sein. Sie hatte der Hexe bereits gesagt, dass sie die Dinge nicht ewig tolerieren konnte. Ab irgendeinem Punkt musste ihr so schlecht von dem beständigen Kratzen mit scharfen Fingernägeln an ihrem Inneren werden, dass die Striemen blutig wurden und es nicht mehr ging. Womöglich war am Ende genau das der Punkt. Dass die Hexe tatsächlich sterben sollte und jener kleine Schimmer, der sich als Spalt am wolkenumhangenen Himmel aufgetan hatte, war eben nur das gewesen: ein Moment, welcher niemals fruchtbar gemacht werden konnte. War das das Schicksal, auf das es hinauslaufen sollte, auf das die Macht für die Sephi hinauswollte? Eine bizarre Vorstellung. Und keine, die Sedrael im Moment schlüssig erschien, sondern die Dinge viel eher schlimmer machte als sie jetzt waren. Ein unterdrücktes Seufzen. Müdigkeit nagte an ihren Augenlidern. Ein Lager des Vesperum war besser als keines. In der Einöde war es nur eine Frage der Zeit, bis ihnen die Vorräte ausgingen, da sie nicht in der Lage sein würden, allzu viel davon mit sich zu führen. Wo auch immer Reah hinwollte – es durfte nicht fern sein, ansonsten war es der Marsch in den baldigen Tod. Der Umstand, dass der Imperator dieses Lager hier benutzt hatte und dennoch lebend an seinem Zielort angelangt war, ließ aber zumindest in dieser Hinsicht Hoffnung aufkommen. Auch wenn der Umstand, dass hier an diesem Ort die Dunkelheit genächtigt und am nächsten Tag weiter in Richtung ihres Kreuzzuges ausgezogen war, beängstigend schien. Und doch... war es nur ein Lager. Eines, das sie aus purem Glück beide gefunden zu haben schienen. Oder auch nicht. Der schwarze Offizier hatte sie explizit in diese Richtung entsandt, so dass sie über die Schlucht beinahe zwangsläufig hier hatte landen müssen. Hierin lag also vielleicht mehr Koordination als ursprünglich angenommen. Zumindest sollten sie also das finden können, was sie suchten, ohne in den endlosen Weiten verloren zu gehen.
„Umso mehr ein Grund, es zu nutzen“, antwortete sie der Menschenfrau und erhob sich langsam von der verschlossenen Versorgungskiste, auf der sie saß, etwas schwerfälliger als ihr lieb war. Sie blickte mit halb zugekniffenen Augen in den schwarzen, sternenlosen Himmel über ihnen. Noch keine Anzeichen dafür, dass es heller wurde.
„Morgen sehen wir weiter.“
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