02.06.2017, 09:25
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21.02.2021, 22:39 von Force Ghost.)
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Weltraum im Mittleren Rand
Raumschiff Legacy
Die Sekunden bis zum Sprung flossen zäh wie Honig dahin und ihr zweifelhaftes Glück schien sich genauso schnell zu verbrauchen wie die Energie der Schilde. Tal starrte auf die Energieanzeige und ließ den Weltraum völlig außen vor. Eine vertraute Härte hatte sich in ihre Züge und ihre Gedanken eingeschlichen. Der Frachter wurde von einem weiteren Treffer erschüttert und ihre Schilde gehörten der Vergangenheit an. Doch statt eines jähen Endes begannen plötzlich die weit entfernten Sterne Fäden zu ziehen und das gewohnte Kribbeln beim Sprung in den Hyperraum stellte sich ein. Setzte sich als zittriger Schauer durch den gesamten Körper der Twi’lek fort und löste ihre Anspannung in einem leisen Keuchen. Corellia lag nun weit hinter ihr – und doch war mehr als nur ein Teil von ihr auf diesem verdammten Planeten zurückgeblieben. Trotz eines Gefühls der Erleichterung wollte sich nicht einmal ein flüchtiges Lächeln auf ihrem Gesicht zeigen. Davon abgesehen, dass ihr Leben weiterging, gab es für die Schmugglerin momentan keinen Grund zur Freude. Und sie sollte Recht behalten.
Als der Captain dieses Schiffes sich wieder zu ihr drehte, ruhte ein Blaster auf seinem Schoß, der nur rein zufällig in ihre Richtung zeigte. Und auch nur rein zufällig seine Gestik unterstützte, als er sie aufforderte, das Cockpit zu verlassen. Tal gab ein leises, entnervtes Stöhnen von sich, begleitet von einem dementsprechenden Blick, der so viel aussagte wie: Muss das wirklich sein? Doch sie konnte seine Beweggründe zumindest teilweise nachvollziehen. Wenn er über die Mission informiert war – wenn auch offensichtlich nicht über das Diebesgut – dann war sehr deutlich, dass sie nicht auf der Liste der Beteiligten stand. Vielleicht hatte die Twi’lek sich als Saboteurin oder Nutznießerin eingeschlichen. Und dabei nur nebenbei zusammenschießen lassen, damit es echt aussieht. Letzteres stimmte sogar. Zumindest hatte e zu Beginn der Wahrheit entsprochen. Sie hatte Letos Schiff benutzen wollen, um ihr eigenes wieder in ihren Besitz zu bringen. Aber jetzt war es unwahrscheinlich, dass auch nur eines von beiden je wieder in den Himmel aufsteigen würde. Die Liberation und die Hazard würden bestenfalls als Teilspender dienen und im schlimmsten Fall als geschmolzenes Metall enden. Es tat weh, darüber nachzudenken. Doch gerade hatte sie genug andere Probleme. Ein bärtiger Mann mit Blaster war eines davon.
Ihr Bein protestierte nicht einmal mehr, als sich die Schmugglerin abermals erhob und humpelnd mit langsamen Schritten das Cockpit verließ. Stattdessen hatte sich Taubheit eingestellt. Tal behielt den Captain dabei im Blick, um zu wissen, wo er sie hintreiben wollte. Bekam sie einen ordentlichen Sitzplatz für ihr Verhör, durfte sie mit dem Boden vorlieb nehmen oder würde man ihr die wundervolle Aussicht aus der Luftschleuse zeigen? „Wenn du mich durchsuchen willst, wirst du einen Blaster und einen Datenstick finden“, sagte Tal mit gepresster Stimme. Es war alles, was sie hatte. „Der Datenstick enthält angeblich Koordinaten für einen Rendezvouspunkt. Er wurde mir gegeben, bevor…“ Der Rest des Satzes blieb unausgesprochen, während Tal ihre Stirn in Falten zog. „Ich fürchte, das Imperium kennt den Sprungpunkt bereits oder wird ihn bald in Erfahrung bringen.“
Gavin sah die junge Dame einfach nur an ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen. Er würde durchaus, vielleicht jedenfalls, auf das reagieren was sie gerade gesagt hatte, aber das würde sich noch herausstellen. Mit dem Blaster, den er locker in der Hand hielt, deutete er ihr den Weg an und auf die fragenden Blicke von Tasha und Jace hin, deutete er lediglich mit dem Kopf in Richtung Schiffsmesse. Hinter Gavins Rücken warfen sich die Zwei einen fragenden Blick zu, folgten ihrem Captain dann allerdings auf dem Fuße. Er würde hoffentlich dieses Mal wissen was er tat und danach hatte Tasha ein Federvieh mit ihm zu rupfen und zwar ein gewaltig großes. „Setzen“, meinte Gavin in die Richtung der Twi'lek und deutete mit dem Blaster auf die Sitzbank in der Messe. Er selbst ging noch ein paar Schritte weiter, öffnete einen Hängeschrank, nahm eine Flasche heraus, welche er auf das Regal neben sich stellte und dann zwei Becher. Mit dem Ellenbogen schloss er den Schrank wieder, steckte den Blaster zurück ins Holster, denn jetzt wo Tasha und Jace da waren, war er eigentlich nicht mehr nötig. Eigentlich war er die ganze Zeit nicht nötig gewesen, aber es gehörte eben dazu und außerdem sprach er seine eigene Sprache.
Gavin öffnete die Flasche, schenkte beide Becher voll, stellte die Flasche zurück auf das Regal und ging dann mit beiden Bechern in der Hand auf den Tisch zu. Dort stellte er einen Becher direkt vor die Twi'lek hin, während er sich selbst wieder vom Tisch wegbewegte. Mit der Schulter lehnte er sich gegen den Rahmen des Ausgangs – oder Eingangs, je nachdem aus welcher Richtung man kam – und sah die Twi'lek mit ernstem Blick an. „Erste Frage – Wer zum Hutte bist du?“, stellte Gavin seine erste Frage und nahm danach einen großen Schluck aus dem Becher. Hin und wieder musste es dann eben doch das starke Zeug sein. „Zweite Frage - Welche Rolle spielst du bei dieser Mission?“ Mit einem letzten großen Schluck leerte er den Becher und drehte ihn in der Hand langsam hin und her. „Und Drittens, weil es immer drei Punkte sind“, sprach er dann weiter und stemmte dann eine Hand in die Hüfte. „Rate ich dir, mir die Wahrheit zu sagen, denn sobald ich auch nur den geringsten Verdacht hege, dass du versuchst mich bescheissen zu wollen, findest du dich schneller außerhalb des Schiffs vor als dir lieb ist. Rettungskapsel nicht inklusive.“ Ja, jetzt war wohl wirklich die Zeit gekommen ein paar Fragen zu beantworten und das waren gerade einmal die ersten Zwei die ihm auf der Zunge lagen. Sie wusste auf der einen Seite zu wenig, um wirklich etwas mit dieser Mission zu tun gehabt zu haben und auf der anderen Seite wusste sie viel zu viel. Sie wusste Dinge, die sie eigentlich gar nicht wissen dürfte und wenn man sich vor Augen hielt, wie grandios schief alles gegangen war, dann war da Misstrauen noch das harmloseste, was man zu erwarten hatte.
Der Captain nahm Tal ihre verbliebenen Habseligkeiten nicht ab, sondern lotste sie unnachgiebig und wortlos in Richtung der Schiffsmesse. Seine Crew, die anscheinend wirklich nur aus zwei Personen bestand, folgte ihm und schien das Szenario mit der gleichen Skepsis zu betrachten wie ihr Anführer. Die Rutian kam dem Befehl des Menschenmannes bereitwillig nach und ließ sich plump auf der Sitzbank nieder. Streckte ihr verletztes Bein aus, aber gab keinen Laut von sich, sondern beobachtete ihn, während ihre Hände deutlich sichtbar auf der Tischoberfläche ruhten. Der Captain füllte zwei Becher mit einer scharf nach Alkohol riechenden Flüssigkeit und stellte einen davon vor Tal auf den Tisch. Seine Waffe hatte er inzwischen wieder weggesteckt, doch die verwundete Schmugglerin stellte für das Trio keine Herausforderung dar – oder würde so loca sein, es zu versuchen.
Tal konnte gerade gut einen kräftigen Schluck gebrauchen. Dennoch rührte sie den Becher nicht einmal an, ehe der Captain selbst davon getrunken hatte. Sie glaubte nicht wirklich, dass er es nötig hatte, ein Gebräu mit irgendetwas zu versetzen, das sie zum Reden oder Schweigen brachte. Doch heute hatte sie mehr als eine Person mit ihrem unerwarteten Verhalten überrascht. Als der Captain seine Frageserie beendet hatte, nahm Tal in einer langsamen Bewegung den Becher in die Hand. Überlegte kurz, ob sie den Alkohol nicht lieber über ihr Bein kippen sollte und entschied dann, dass es um ihn zu schade wäre. Sollte sie doch in der Luftschleuse landen, wollte sie wenigstens mit einem Henkerstrunk enden.
Das Zeug brannte in ihrer Kehle und hinterließ ein Prickeln auf ihrer Zunge, als Tal den Becher in einem Zug hinunterstürzte. Mit einem fast zufrieden klingenden Aufatmen, das ihre Gefühlslage Lügen strafte, stellte sie das Gefäß zurück auf den Tisch und suchte den Blick des Captains. Es hatte keinen Sinn, zu lügen. Sie würde ihm einfach die Wahrheit erzählen, was sich aus ihrer Sicht der Dinge zugetragen hatte – mit allen Details, die ihn etwas angingen. „Mein Name ist Tal’ana. Ich bin… war Captain eines Frachters und zusammen mit meinem Co-Piloten hier auf Corellia, um einen Handel abzuschließen.“ Kein Schiff, keine Crew. Konnte sie sich da überhaupt noch Captain nennen? „Eigentlich hatte ich den Planeten gleich danach wieder verlassen wollen, aber anscheinend hat eure geheime Mission schon sehr früh Aufsehen erregt. Mein Schiff wurde konfisziert, also wollte ich es mit der Hilfe eines anderen Captains – freiwillig oder unfreiwillig – wieder in meinen Besitz bringen. So traf ich auf Leto Halleck.“ Ein mitleidiges Lächeln huschte über Tals Gesicht, von dem sie selbst nicht sagen konnte, ob es ihr oder dem toten Leto galt. „Und bin in dieses ganze Desaster reingeraten. Als er mir erzählte, dass er für die Republik arbeitet, wollte ich ihn an Ort und Stelle stehen lassen. Aber nachdem ich seine Partnerin traf, habe ich meine Meinung geändert. Ich wollte einsteigen. Ich weiß nicht, warum.“
Tal schüttelte den Kopf. Ihre Stimme klang belegt, nicht nur durch den Alkohol. „Vielleicht wollte ich an alte Zeiten während der Rebellion anknüpfen. Vielleicht wollte ich helfen, weil es das Richtige war. Vielleicht wollte ich aber auch nur vor der Republik die Hand aufhalten, um für meine Unterstützung ein Dankeschön in Form eines neuen Schiffes zu bekommen. Alberras willigte ein. Verzweifelte Zeiten erfordern anscheinend verzweifelte Maßnahmen. Von da an ging es schnell bergab. Die Imperialen stürmten die Cantina, in der wir bis eben noch gesessen hatten, und errichteten eine Straßensperre. Halleck hat sich geopfert, um die Sturmtruppen für eine Weile zu beschäftigen und uns die Flucht zu ermöglichen. Alberras führte uns durch den Untergrund bis auf das Gelände der Tell-Werke, aber auch dort wimmelte es bereits vor Imperialen.“
Die Republik ist alles andere als subtil gewesen, schien ihr Blick zu sagen. Doch auch wenn die Mission vielleicht nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war, so hätte sie in dieser Galaxis niemals reibungslos laufen können. Vor allem nicht mit den Beteiligten, die Tal kennengelernt hatte. Die Twi’lek richtete sich auf der Bank auf und legte Gewicht in jedes ihrer Worte. Sie wollte, dass der Captain genau verstand, was sich zugetragen hatte. „Alberras hat Verstärkung angefordert und als diese ausblieb eine Entscheidung getroffen. Sie gab mir einen Datenstick, ihr Chrono und eine Anweisung. Einer von uns musste bis zu diesem Schiff durchkommen, um die Mission erfolgreich zu beenden. Danach hat sie sich den Imperialen gestellt und wurde gefangen genommen.“ Nun war ganz deutlich Bitterkeit in ihrer Stimme zu hören. Keine lässige Fassade, welche die Schmugglerin so oft an den Tag legte. Nicht einmal Galgenhumor. „Sie hätte mich genauso gut in die Reihen der Sturmtruppen stoßen und sich selbst retten können. Aber das hat sie nicht getan.“ Eine Tatsache, die in Tal gleichermaßen Bewunderung und Verwirrung auslöste. Sie gehörte nicht hierher, auch wenn sie als einzige noch lebte oder in Freiheit war. „Also habe ich alles daran gesetzt, ihren Befehl auszuführen“, fuhr die Twi’lek fort. „Wir sind durch ein Lagerhaus geflohen, um die Sturmtruppen abzuhängen. Mein… Co-Pilot hat sich…“ Tal leckte sich über die Zähne, während sie nach Worten fischte. Der Alkohol zupfte selbst in der kleinen Menge an dem Gefühl des Verlustes, das sie gerade noch im Zaum halten konnte. „Er hat sich geopfert, um mir Zeit zu verschaffen. Die Zeit, die ich gebraucht habe, um dieses Schiff zu erreichen und einen vielleicht wertlosen Stick zu übergeben.“
Frustration. Leben hatten ein Ende gefunden, um eine Information zu übermitteln, die das Imperium vielleicht schon längst selbst erhalten hatten. Statt sich in die Untiefen von Coronet City zurückzuziehen und den Sturm auszusitzen, hatten sich Risa und Leto direkt ins Nest des Gundark begeben. Und wofür? Warum hatte man nicht die Liberation genommen und war über den freien Luftweg entkommen, statt die kontrollierten Straßen zu nehmen? War das Schiff ebenfalls vom Imperium beschlagnahmt worden? So viele Fragen, auf die Tal niemals eine Antwort erhalten würde und die sie schmerzlich an die Rebellion erinnerten. Warum? Für die Republik. Für das Wohl aller, war stets die einzige Antwort gewesen. Eine wahre Antwort – und ein Dorn, der sich niemals ganz herausziehen ließ. Selbst wenn die Twi’lek es von klein auf gewohnt war, Personen um sich sterben zu sehen und geliebte Wesen zu verlieren, musste sie sich nicht aus Gewohnheit damit abfinden. Ein weiterer Grund, weshalb sie damals die Aufnahme ins Militär der Neuen Republik abgelehnt hatte. Es musste ein Leben geben, in dem sie nicht mehr jeden Tag ums Überleben kämpfen mussten. Aber dieses Leben konnte es nur geben, wenn das Imperium endgültig bezwungen war… „Also, wie lautet Ihr Urteil, Captain?“
Gavins Blick ruhte noch einen Moment auf der Twi'lek ehe er sich mit einem nicht unüberhörbaren Seufzen vom Eingang der Messe abstieß, zu dem Regal hinüber ging und nach der Flasche griff, auf den Tisch zuging und nachdem er die Flasche abgestellt hatte, sich ebenfalls an diesen sinken ließ. „Wie mein Urteil lautet?“, fragte er und es war schwer zu entscheiden ob er jetzt frustriert oder amüsiert geklungen hatte. „Die Republik denkt, sie ist der gefährliche Rancor, der nur brüllen muss und schon suchen alle ihr Heil in der Flucht, aber in Wahrheit ist sie nur ein zahnloser Bantha.“ Gavin zog den ihren Becher zu sich heran und füllte ihren, wie auch seinen ein zweites Mal auf ohne auf das leise Knurren von Tasha zu achten, die wohl der Ansicht war, dass jetzt nicht gerade der passende Zeitpunkt für einen kleinen Plausch wäre. Aber hin und wieder musste man sich diese paar Minuten gönnen, auch wenn das Schiff es vielleicht nicht lange zulassen würde. Doch man sollte nicht vergessen, dass sie es gerade geschafft hatten einen Sternzerstörer zu überleben und da durfte man doch durchaus einmal Fünf gerade sein lassen.
„Sie hat ihren Biss verloren und die Aktion war das perfekte Beispiel dafür“, sprach er weiter und schob der Tal'ana den vollen Becher zu. „Während der Rebellion wären eine handvoll Leute rein und wären mit dem Ding wieder raus, ohne dass auch nur einer etwas davon mitbekommen hätte. Aber jetzt, wo sie glauben das Imperium besiegt zu haben denken sie, dass ihre bloße Anwesenheit Bedrohung genug wäre. Du hast ja selbst gesehen wie viele Kommandos herum gelaufen sind. Da braucht man sich nicht wundern, dass es jemand bemerkt.“ Gavin lehnte sich auf seinem Platz zurück, hielt seinen Becher oben am Rand und bewegte ihn in kleinen Kreisen hin und her. Er machte so etwas gerne, wenn er über seine nächsten Worte nachdachte oder einfach nur Eindruck schinden wollte bei seinem Gegenüber. „Damals hatten Männer und Frauen der Tat das Sagen und heute“, sprach er weiter und unterbrach sich selbst, indem er einen Schluck aus dem Becher trank. „Sind es Männer und Frauen die eine Frontlinie gerade einmal aus Erzählungen kennen. Sie reden viel, aber handeln? Fehlanzeige.“ Selbstverständlich wusste er, dass viele von denen, die damals das Sagen hatten, auch heute noch das Sagen hatten, aber heute waren es einfach zu viele die der Meinung waren, das was sie zu sagen hatten, wäre wichtig. Es gab einfach einen Punkt, an dem zu viele Meinung einem Erfolg eher im Weg standen, als förderlich waren und in seinen Augen hatten die Republik diesen Punkt eindeutig überschritten. Es waren zu viele Meinungen, zu viele Ansichten, zu viele Regeln und Wünsche, Forderungen und Bestimmungen, dass man so doch niemals auf einen grünen Zweig kommen konnte. Wie sollte man sich bei so vielen Meinungen jemals einig werden? Gavin konnte sich schlichtweg nicht vorstellen, dass es funktionierte und Corellia war für ihn ein weiterer Beweis dafür, dass es auch nicht funktionierte. Derjenige, der sich diesen Plan überlegt hatte, musste exakt so jemand gewesen sein, der von der Praxis keinerlei Ahnung hatte. Man konnte nicht mit derartig vielen Truppen auf einer imperialen Kernwelt landen und glauben, es würde niemand mitbekommen. Das Imperium derartig zu unterschätzen zeugte entweder von absoluter Unfähigkeit oder grenzenloser Überheblichkeit. Aber im Falle der Republik traf wohl beides zu.
„Ich habe die Szene vom Lagerhaus aus beobachtet“, informierte er Tal'ana darüber, dass er durchaus Kenntnis von dem hatte, was sich vor dem Gebäude abgespielt hatte. „Ich habe den Trupp rechtzeitig vor dem imperialen Aufgebot gewarnt, in das sie beinahe gelaufen wären und ich habe sie dazu aufgefordert jeden Soldaten, der nicht mit dem Verladen beschäftigt ist, zu eurer Unterstützung nach draußen zu schicken.“ Gavin leerte den Becher in einem Zug, betrachtete einen Moment lang den Becherboden und stellte ihn zurück auf den Tisch. „Aber sie haben es vorgezogen sich in Sicherheit den Arsch zu kratzen und euch stattdessen drauf gehen zu lassen.“ Er konnte bis jetzt noch immer nicht fassen. Früher, da hätte es so etwas nicht gegeben. Da hatte man niemanden geopfert oder seinem Schicksal überlassen, wenn es vermeidbar gewesen wäre und verdammt, hier wäre es vermeidbar gewesen. Ja, vermutlich wären so einige dabei drauf gegangen, aber man hätte Beiden den Rückzug sichern können. So hatten sie allerdings nur ihre eigene Haut gerettet und dem Imperium Informationen in die Hand gespielt und Gavin würde seinen Knackarsch darauf verwetten, dass das Imperium sich bereits sämtliche Informationen geholt hatte, die man aus der Gefangenen nur herausholen konnte.
„Jace? Nimm dich dem Stick an und vielleicht findest du ja etwas, von dem man nicht gewusst hat, dass es drauf ist“, wandte sich Gavin an sein Crewmitglied, zu dem er für einen kurzen Moment den Kopf gedreht hatte. „Und du Tasha könntest deine zarten Händchen an sie legen und dich um ihre Verletzung kümmern und vielleicht findet hier hinten im Lagerraum noch etwas brauchbares zum anziehen.“
„Und was machst du in der Zwischenzeit?“, fragte Jace und trat an den Tisch um sich den Datenstick geben zu lassen.
„Ich mache das, was ein Captain eben so macht“, antwortete Gavin und grinste Jace von unten herauf an. „Nein, nicht das was du denkst. Einer von uns muss doch schauen, welche Schäden das Schiff davon getragen hat.“ Und so wie er befürchtete, würde es eine lange Liste werden.
Tal’ana spannte sich an, als sich der Captain mit einem Seufzer wieder in Bewegung setzte. Sie rechnete fest damit, dass er sie am Arm packen und unsanft in Richtung der Luftschleuse bugsieren würde. Es hätte diesen Tag perfekt gemacht. Stattdessen ging er an ihr vorbei und zielstrebig auf das Regal zu, in dem sich der Alkohol befand. Die Überraschung stand der Schmugglerin für ein paar Momente deutlich ins Gesicht geschrieben, ehe sie ihre Mimik wieder unter Kontrolle hatte. Ihre braunen Augen ruhten jedoch weiterhin aufmerksam auf dem Menschen, der mit der Flasche in der Hand wieder an den Tisch zurückkehrte. Seine Worte enthielten eine nicht zu überhörende Bitterkeit, die mit der Twi’lek resonierte. Zum ersten Mal seit einer gewühlten Ewigkeit wagte sie, sich zu entspannen, auch wenn Tal sich noch nicht in völliger Sicherheit wiegen wollte. Sie hatte ihr Vertrauenskontingent für heute aufgebraucht, auch wenn der unbekannte Captain ihr vermutlich um einiges ähnlicher war als die republikanischen Agenten. Noch dazu war es seit jeher klüger, unter ihresgleichen vorsichtig zu sein. Den nachgeschenkten Alkohol nahm Tal‘ana trotzdem gerne an und hielt den Becher in beiden Händen, während sie dem Menschen weiter zuhörte.
Ein leichtes Nicken stahl sich durch ihre Selbstbeherrschung, auch wenn sie die Spezialeinheit der Republik nur kurz gesehen hatte und nicht wusste, wie viele von ihnen auf dem Weg zum Schiff ebenfalls gestorben waren. Jetzt, wo sie das Imperium nicht mehr direkt im Nacken hatten, zeigte der Captain eine ganz andere Seite. Die gemeinsame Fassungslosigkeit baute eine Brücke, auch wenn diese nicht von Bestand sein musste. Er hatte anscheinend ebenfalls kaum etwas über die Mission gewusst, als man ihn angeheuert hatte. Warum auch? Er war der Backup-Pilot gewesen und hätte man nicht gerade jemanden wie Leto in den Brennpunkt geworfen, wäre sein Einsatz vielleicht auch gar nicht notwendig geworden. „Man hätte Leuten wie uns die Sache von Anfang an überlassen sollen“, sagte Tal halblaut und mehr zu sich selbst. Doch der Versuch, ihre gesplitterte Selbstsicherheit durch Sarkasmus zu flicken, scheiterte kläglich. Schuld daran waren die nächsten Worte des Captains. „Heute habe ich aber wirklich Pech“, sagte sie mit einem Lachen, das schon fast in ein trockenes Schluchzen abzugleiten drohte, und leerte ein weiteres Mal den Becher, bis ihre Kehle vorrangig vor Alkohol brannte. Sie wollte sich lieber nicht vorstellen, was in diesen Momenten mit Risa Alberras geschah – und konnte es doch zu gut. Hatten die Commandos die Flucht von Corellia ebenfalls überlebt? Wenn ja, hatten sie ebenfalls eine weitere Etappe vor sich oder konnten sie auf einer Welt der Republik ihre Wunden lecken? ‚Mission erfüllt‘ und sich auf die Schulter klopfen?
Tals steinerne Miene sprach Bände für einen aufmerksamen Beobachter. Doch noch hatte sich die Twi’lek nicht so weit abgeschottet, dass sie nicht selbst auf ihre Umgebung achtete. Jace und Tasha. Nun kannte sie zumindest die Namen der beiden Crewmitglieder und die Aussicht auf eine Versorgung ihr Wunden sowie – den Umständen entsprechend – frische Kleidung ließ weitere Anspannung von ihr abfallen. Auch wenn Tal’ana noch skeptisch war, wie ‚zart‘ die Hände der Wieselartigen wirklich sein würden. Solange sie nicht noch einmal durch das halbe Schiff humpeln musste… Tal war normalerweise ziemlich trinkfest, doch durch den Blutverlust merkte sie den Alkohol. Die Rutian fischte den Datenstick aus ihrer Tasche und hielt ihn dem Mann, den sie nun als Jace identifizieren konnte, entgegen. Dann wanderte ihr Blick wieder zu dem noch namenlosen Menschen. „Danke, Captain.“ Wieder legte sie Gewicht in ihre Worte. Er hatte ihren Respekt gewonnen. Dazu war ihr Urteil mild ausgefallen – zumindest bis jetzt. „Oder hast du auch einen Namen, mit dem ich dich ansprechen kann?“
Gavin sah seinen Gegenüber an, ein leichtes Grinsen auf den Lippen und lehnte sich dann bequem auf der Sitzbank nach hinten. Für einen kurzen Moment wirkte es so, dass er auch noch vorhatte die Beine auf den Tisch zu legen, doch dann war es nur seine Hand, die in die Hosentasche glitt und einen runden, flachen Gegenstand hervorzog. „Also um ehrlich zu sein“, antwortete Gavin und ließ den Gegenstand über seine Fingerrücken hin und her wandern. „Mir gefällt das Captain ja außerordentlich. Wenigstens einer hier an Bord, der meine Position zu schätzen weiß.“
„Halt die Klappe Gavin“, kam es von Jace, der Gavin erst einen liebevollen Schlag mit der flachen Hand auf den Hinterkopf verpasste und sich dann Tal'ana zuwandte. „Wenn auf dem Stick mehr ist, als das, was man dir gesagt hat, dann finde ich es garantiert. Ist immerhin mein Spezialgebiet.“ Er nahm den Stick aus der Hand der Twi'lek und war schon halb dabei sich umzudrehen, als er doch noch einmal zu ihr sah. „Keine Angst, ich werde ihn dabei schon nicht kaputt machen.“ Er zwinkerte kurz und verließ dann die Schiffsmesse, um sich an seinen Platz zu begeben, um den Daten auf dem Stick auf die Spur zu kommen. Natürlich nicht ohne die eine oder andere Sicherheitsvorkehrung, denn noch konnte man sich nicht sicher sein, ob auch wirklich das drauf war, von dem der Gast vermutete, dass es drauf war. Selbst wenn die Daten verschlüsselt waren, würde er sie finden. Immerhin hatte er viel Zeit damit verbracht republikanische Informationen zu entschlüsseln. Damals, als viele Dinge noch anderes gewesen waren.
„Genau das meinte ich, wenn du verstehst, was ich meine“, seufzte Gavin und sah Tal'ana an, während er mit dem Daumen in die Richtung deutete, in die Jace verschwunden war. „Ich bin Gavin Benett und du befindest dich an Bord der Twilight Legacy. Sie macht den Kessel Run zwar nicht in unter 12 Parsec, aber das braucht sie auch gar nicht, denn sie hat andere Vorzüge. Allerdings kann ich sie dir leider nicht verraten, denn sonst brauchen wir die Fluchtkapsel doch noch.“ Eine Aussage, die er allerdings nicht ernst meinte. Ja, sein Schiff hatte andere Vorzüge und diese band er nicht jedem auf die Nase und schon gar nicht Personen, die er nicht wirklich kannte, aber deswegen würde er gewiss niemanden aus der Welt schaffen. Morden taten andere bereits genug. „Ja, vielleicht hätte man es uns von Anfang an überlassen sollen und ich bin mir sicher, wir hätten es besser gemacht, aber für die sind wir doch alle nur ein Haufen Verbrecher. Leute die Ärger bereiten, Leute die lügen, Leute die hinter Gitter gehören. Wir haben eben kein Prinzesschen an der Hand das alle unsere Taten legitimiert“, sprach er weiter und es war offensichtlich auf wen er anspielte. „Die würden lieber einen Fehlschlag riskieren, als einen von uns um Hilfe zu bitten.“ Gavin setzte sich wieder ordentlich an den Tisch und legte den Gegenstand hochkant vor sich auf den Tisch, schnippte ihn leicht an, so dass er sich anfing zu drehen. „Um ehrlich zu sein bin ich mittlerweile der Meinung, dass ich einzig und alleine aus einem Grund dort war – Um einen Sündenbock für das Imperium zu haben. Wenn die Jagd auf einen Schmuggler machen, dann ist das kein großer Verlust sollten sie ihn erwischen. Die Republik hat ihre Beute und das Imperium jemanden an dem sie ihren Frust auslassen können. Der perfekte Deal.“ Natürlich war es nur eine Vermutung, aber Gavin würde es der Republik leider durchaus zutrauen. Bisher war ja noch nicht einmal sicher, dass in der Box auch wirklich das war, von dem sie alle glaubten, dass sie es an Bord hatten. Aber vielleicht waren sie auch nur das geplante Ablenkungsmanöver gewesen, während die wahre Beute schon längst auf sicherem Weg in Richtung Republik war.
„Vielleicht -“
„Vielleicht solltest du dich jetzt einfach mal um die Schäden am Schiff kümmern ansonsten mache ich das und du darfst Krankenschwester spielen“, warf Tasha ein und trat an den Tisch.
Tal war beinahe bereit, sein Lächeln zu erwidern. Dem Captain mangelte es nicht an Selbstvertrauen und er hielt mit seiner Meinung nicht hinterm Berg, wie die Schmugglerin bald erneut feststellen würde. Es waren Eigenschaften, die sie respektierte und sogar ein wenig bewunderte. Aber der vertraute, wenn auch ruppige Umgang zwischen Jace und Gavin – der Name ihres Gegenübers – zog erneut an ihren Eingeweiden. „Es ist mir egal, wenn der Stick dabei kaputt geht“, sagte die Twi’lek ehrlich und bitter. „Aber wenn darauf noch irgendwelche anderen Daten sind, will ich davon wissen. Mein Freund und ich haben dafür immerhin unseren Hals riskiert.“ Sie konnte die Crew natürlich nicht zwingen, ihre Bedingung zu erfüllen. Aber sie konnte sie zumindest stellen.
„Gavin Benett. Twilight Legacy“, wiederholte Tal und versuchte sich zu erinnern, ob ihr einer der beiden Namen schon einmal über den Weg gelaufen war. Vielleicht auf Steckbriefen im HoloNet. Doch da sie kein Kopfgeldjäger war und sich eher dafür interessierte, welche Planeten und Kunden sie besser meiden sollte, war es eher unwahrscheinlich, dass der Captain auf ihrem Radar gelandet war. „Ein netter Name für ein Schiff. So gern du auch von ihr schwärmen willst, ich kann verstehen, dass man manche Dinge lieber für sich behält. Ich will es auch gar nicht wissen“, sagte Tal und hob beschwichtigend eine Hand. „Das Herz einer Frau und das Innenleben eines Schmugglerschiffes sind die größten Geheimnisse der Galaxis.“ Ein kurzes Lächeln, von Wehmut geprägt, begleitete ihre Worte.
„Wir sind entbehrlich“, nickte die Twi’lek und drehte den leeren Becher in ihrer Hand, wie Gavin es zuvor getan hatte. Umso weniger verstand sie, warum Risa sie nicht einfach ins Kreuzfeuer geworfen und ihr eigenes Leben gerettet hatte. „Aber es wäre auch zu riskant, jemandem aus unserer Branche alle Informationen zu geben. Wer kann schon sagen, was wir damit anstellen? Ich habe für die Rebellion geblutet, aus Überzeugung. Nicht, weil ich keine andere Wahl hatte. Ich hätte auch einfach den Schwanz einziehen und mir im Outer Rim ein schönes Leben machen können.“ Auch auf Corellia hatte sie eine Wahl gehabt und hatte sich dafür entschieden, um der ‚guten alten Zeiten‘ Willen, der Republik unter die Arme zu greifen. „Wie kann eine anscheinend so wichtige Mission so kolossal danebengehen?“
Ihre Unterhaltung wurde von Tasha unterbrochen, die Gavin an seine Pflichten erinnerte. Es war vermutlich besser, dass der Plausch der beiden Schmuggler abriss, auch wenn es Tal’ana unsanft in die Gegenwart zurückversetzte, in der sie aus diversen Wunden blutete, streng genommen kein Captain mehr war und sich unter ihrer Verbissenheit gerade schrecklich einsam fühlte. „Kümmere dich um dein Baby“, pflichtete sie Tasha bei. Es war wichtig, dass die Legacy wieder auf Vordermann kam. Sie konnten nicht ewig im Hyperraum bleiben. „Ich bin später auch noch da.“
„Nun, ich weiß ja nicht was du mit derartigen Informationen anfangen würdest“, meinte Gavin mit einem kurzen Aufblitzen in den Augen. „Aber ich weiß sehr gut, was ich mit diesen Informationen anfangen würde.“ Er brauchte nicht einmal besonders viel Phantasie oder Vorstellungskraft dafür. Was man mit derartigen Informationen machte lag klar auf der Hand und ehrlich gesagt gab es auch nur einen einzigen sinnvollen Weg. Sinnvoll jedenfalls wenn man Schmuggler war und von allen Seiten gleichermaßen gehasst wurde. Man wurde von allen Seiten benutzt, aber mögen tat einen keiner. Da brauchte man sich nichts vormachen. Aber man konnte natürlich auch zu einem dieser Gutmenschen und Weltenverbesserer mutieren und das Richtige tun. Also das moralisch richtige eben. Aber Moral rettete einem nicht das Leben und schon gar nicht in einer Situation wie der, in der sie sich gerade befanden.
Aus den Augenwinkel registrierte Gavin Tashas scharfen Blick und hob beschwichtigend die Hände und stand im nächsten Moment auch schon auf. Wenn es eine Person gab, mit der er sich unter keinen Umständen anlegen wollte, dann war es Tasha. Immerhin wusste er zu was sie in der Lage war und auch wenn ihm klar war, dass sie ihm das nicht antun würde, so wollte er es besser doch nicht darauf ankommen lassen. Nicht das sie irgendwann vielleicht doch noch ihre Einstellung änderte. Ruhigen Schrittes ging Gavin auf den Ausgang der Messe zu und blieb im Türrahmen stehen. „Also was das Innere eines Schiffes angeht, da stimme ich dir zu“, meinte er und warf Tal'ana einen Blick über seine Schulter zu. „Aber was das andere angeht, da bin ich geneigt dir zu widersprechen.“
„Und wenn du nicht gleich verschwunden bist, wird dir das Sprechen für den Rest des Tages schwer fallen“, meldete sich Tasha zu Wort, der es für ihren Geschmack schon wieder viel zu lange dauerte. Sie hatte keine Ahnung wohin sie gerade flogen, sie wusste nicht wie der Zustand des Schiffes war und in Kombination war das alles andere als vorteilhaft. Sie mochten zwar die imperiale Blockade erfolgreich überwunden haben, aber das bedeutete nicht, dass sie es auch los waren. Mittlerweile war mit Sicherheit das gesamte imperiale Militär in Alarmbereitschaft und mit einem angeschlagenen Schiff sollte man diesem unter keinen Umständen begegnen.
„Und dir rate ich, besser nicht auf ihn hereinzufallen“, wandte sich die Selonianerin an Tal'ana. „Das endet sonst nur in irgendeiner Cantina.“ Ob bei Tal'ana die Warnung angebracht war oder nicht, interessierte Tasha nicht besonders. Sie gab einfach nur den Ratschlag lieber im voraus, ehe es unter Umständen zu spät dafür war. Sie hatte schon genug mit eigenen Augen angesehen, auch wenn sie sich nicht erklären konnte, wie er es immer wieder schaffte die Frauen um den Finger zu wickeln selbst dann, wenn er es eigentlich gar nicht darauf anlegte. Von seinem Vater hatte er das jedenfalls nicht. Der war aus anderem Holz geschnitzt gewesen. „In Ordnung, du ziehst dich jetzt erst einmal aus, während ich dir ein paar Sachen zusammensuche und dann schauen wir, wie nahe du dem Tod stehst und ob es sich überhaupt noch lohnt irgendetwas zusammen zu flicken“, meinte Tasha ziemlich trocken und wandte sich ein Stück um. „Oh und keine Sorge wegen den anderen Beiden. Du hast nichts an dir, was sie nicht schon gesehen hätten.“ Tasha wusste allerdings, dass keiner von den Beiden hier hereinschneien würde, ehe sie nicht absolut sicher waren, dass sie den Raum wieder betreten konnten. Jace war in seinem Element und würde erst aufhören, wenn er sich absolut sicher war auch ja nichts übersehen zu haben und Gavin würde mit der Inspektion lang genug beschäftigt sein. Vermutlich länger, als ihm lieb war, aber das hatte er sich selbst eingebrockt.
Tals verzog bei Gavins Erwiderung keine Miene. Sie hatte mit einer ähnlichen Antwort gerechnet. Kein Vertrauen unter Halunken. Aber auch sie blieb standhaft in ihrer Ansicht. „Mich fragen, ob ich nochmal meinen Hals für die Republik riskiere“, meinte sie unterkühlt. „Viel anderes habe ich ja nicht mehr.“ Vielleicht hätte er seinen letzten Gedanken nicht laut aussprechen sollen, auch wenn die Twi’lek diese Vorgehensweise durchaus nachvollziehen konnte. Wer zwischen den Fronten saß, musste sehen, wo er bleiben konnte. Oder sich endgültig einer der beiden Seiten anschließen. Tasha schickte dem Captain noch eine Drohung hinterher, als dieser endgültig den Raum verließ. Für den Moment konnte Tal die wieselartige Frau sehr gut leiden – aber das mochte sich ändern, wenn sie die ruppige Art der Selonianerin selbst zu spüren bekam.
„Keine Sorge, ich bin mit Leuten wie ihm bestens vertraut“, sagte die Schmugglerin und blickte für einen Moment zum leeren Eingang der Messe, ehe sie sich mit einem schiefen Grinsen Tasha zuwandte. „Außerhalb von Cantinas habe ich an so etwas auch keinerlei Interesse.“ Und obwohl er gewissermaßen ihr Lebensretter war, hatte Tal‘ana nicht vor, sich auf diese Weise bei dem Captain zu bedanken. Ihre Augenbrauen hoben sich, als die nächste Anweisung der Selonianerin lautete, sich zu entkleiden. Aus der kurzen Überraschung wurde ein Nicken. „Ich lasse es dich wissen, wenn ich in deiner Abwesenheit verblute.“ Um die beiden Männer machte Tal sich in der Tat keine Gedanken, selbst wenn ihre Arbeit sie nicht lange genug in Beschlag nahm. Ansonsten hatte sie noch mindestens einen Becher, den sie nach dem Captain oder Jace werfen konnte. Auch Tasha gegenüber hatte die Rutian keine Bedenken, noch mehr Haut zu zeigen. Es war bei Risa – der blauhäutigen Risa – auch nicht anders gewesen und dabei war die Ärztin um einiges sittsamer gewesen als Tasha.
Tal’ana wartete einige Momente, nachdem die Selonianerin ebenfalls die Messe verlassen hatte. Dann begann sie damit, den ledernen Kopfschmuck und die verbliebenen Lederbänder von ihren Lekku zu lösen und legte diese neben sich auf den Tisch. Als nächstes folgten Stiefel und Hose, was sich mit ihrem verletzten Bein nicht gerade einfach gestaltete. Doch Tal biss die Zähne zusammen und schaffte es mit einigem Knurren, das verwundete Körperteil aus dem Hosenbein zu bekommen. Ihr durchgeschwitztes und verdrecktes Top behielt die Twi’lek vorerst an. Es hatte weniger mit Scham als dem Wunsch zu tun, bis zu Tashas Rückkehr nicht zu frieren. Sie konnte sich noch immer vor der Selonianerin entblößen, wenn diese wieder vor ihr stand. Blieb nur noch der halbgare Lederverband an ihrem Arm. Tal rechnete bereits damit, dass es wehtun würde, das Lederband wieder zu entfernen. Doch diese Intensität hatte sie nicht erwartet.
Ein unangenehm reißender Schmerz ließ die Twi’lek aufkeuchen. „Verdammt!“ Das getrocknete Blut musste das Band an ihrer Haut festgeklebt haben und nun, da wieder Luft an die Wunde kam, begann sie erneut zu bluten und zu brennen. Aber das war nicht, was der Schmugglerin die Tränen in die Augen trieb. „Verdammt...“ Mit der Hand fuhr Tal sich grob über die Augen. Schluckte schwer … und schluchzte. Endlich. „Quen. Bitte verzeih mir“, brachte sie halb wimmernd mit der Stimme eines Kindes hervor und vergrub das Gesicht in den Händen. Tal schämte sich nicht, halbnackt vor offener Tür zu sitzen. Aber sie schämte sich für den Moment der Schwäche. Hasste sich dafür. Für ihren Leichtsinn, für ihre Sturheit, die ihren besten Freund das Leben gekostet hatte. Mehr als nur ein Freund. Ihr Ziehvater. Quen hatte sie damals als verängstigtes Mädchen an Bord der Hazard in der Transportkiste gefunden. Er hatte ihr den Spitznamen ‚Squid‘ gegeben und war immer für sie da gewesen. Bis zuletzt. Und ich habe dich sterben lassen. Es war ihre Aufgabe als Captain gewesen, auf ihre Crew aufzupassen – so wie Deeroku, ehe das Imperium ihn erschossen hatte. Aber nun war sie kein Captain mehr. Hatte keine Crew. Sie war allein. Wie sollte sie es Risa und Liam, wie Shiv erklären? Dass ihr geliebter Rodianer tot war und dass sie daran Schuld hatte? „Fierfek.“ Die erste Welle der Trauer war gebrochen, aber noch immer zitterte ihre Stimme und Tränen rannen aus ihren Augen. Tal fuhr sich mit dem Handrücken grob über die Wangen und lehnte sich auf den Tisch, den Kopf auf die Fingerspitzen gestützt. Er fehlte ihr. Er fehlte ihr so sehr. Nichts würde Quen Tyn je ersetzen können.
Gavin zog seinen Kopf wieder aus der geöffneten Luke und wischte sich die von Leitungsflüssigkeit verschmierten Hände hinten an der Hose ab. Er hatte bisher nur einen kurzen Blick in das Innere geworfen, aber das was er da schon gesehen hatte, hatte ihm eigentlich schon wieder vollauf gereicht. Gut, es war jetzt vielleicht nicht hoffnungslos, aber das war auch das Einzige was man von den Schildgeneratoren sagen konnte. Einer war war vollkommen hinüber und einfach nur noch ein Haufen verschmorter Müll und der andere war gerade noch so einsatzfähig. Wobei einsatzfähig hier wohl übertrieben war, denn auch nachdem er Hand angelegt hatte, würde er mit viel Glück gerade einmal die Schilde auf allerhöchsten 20% bringen können und das war, mit dem Imperium im Nacken und davon war Gavin überzeugt, auch nicht besser als gar keine Schilde zu haben. Ohne Schilde wäre es wenigstens schnell vorbei. Nicht dass er es darauf anlegen würde, aber ein bisschen Realismus hatte noch nie geschadet. Die Situation in der sie gerade steckten konnte man nur realistisch sehen, denn Optimismus, wie auch Pessimismus, war vollkommen fehlplatziert. Optimismus führte nur dazu, dass sie die beschissene Lage unterschätzten in der sie alle, dank der Republik, steckten und Pessimismus führte nur dazu, dass man zu schnell aufgab. Noch waren sie ja am Leben und das war zumindest eine Basis, auf der sich aufbauen ließ. Jetzt musste man nur noch dafür sorgen, dass sie das auch lange genug blieben, um sich einen Plan einfallen zu lassen. Oder anders ausgedrückt, dass er sich einen Plan einfallen lassen konnte. Er hatte die Verantwortung für das Schiff und für seine Crew und somit war es auch seine Pflicht sich etwas einfallen zu lassen. Was wäre er sonst für ein Captain, wenn er die Verpflichtungen anderen überließe? Nein, sowas würde an Bord der Legacy niemals passieren.
Die Luke ließ Gavin einfach offen, als er sich dem nächsten Problem zuwandte, denn erstens würde er demnächst dort eh Hand anlegen müssen und zweitens wen sollte es auch stören? Musste man halt die Augen aufmachen, wenn man durch das Schiff lief. Ein paar Schritte weiter löste er eine Platte aus dem Boden des Ganges, kroch in das Loch, löste eine weitere Platte und kaum hatte er einen Blick dahinter geworfen, kamen Worte über seine Lippen, die man nicht einmal in der heruntergekommensten Cantina in dieser Galaxies zu hören bekommen würde. Er ließ die kleine Platte fallen, kletterte aus dem Loch im Boden und eilte in Richtung Cockpit. „Verdammt, verdammt, verdammt“, fluchte er dabei monoton vor sich hin und ließ sich im Cockpit nur halb auf den Sitz fallen. Kurz huschten seine Augen über die verschiedenen Anzeigen im Cockpit, ehe er ein paar Knöpfe und Schalter betätigte und das Schiff reichlich unsanft aus dem Hyperraum fiel. Er konnte Jace fluchen hören, aber jetzt war keine Zeit für Erklärungen. Die würde er später liefern oder auch besser etwas sehr viel später, immerhin musste er sich gut überlegen wie er es erklärte. Nicht weil er befürchten musste, dass man ihn sonst nicht verstand, sondern weil er befürchten musste, danach einen Kopf kürzer zu sein. Wieder huschten seine Augen über die Anzeigen, ehe er einen neuen Kurs programmierte und die Legacy nun mit Unterlichtgeschwindigkeit durch den Raum flog. Nicht unbedingt das, was man mit nicht funktionsfähigen Schilden tun sollte, aber weiter durch den Hyperraum zu fliegen, würde sie mit Sicherheit umbringen. Nach einem letzten kontrollierenden Blick, verließ Gavin das Cockpit wieder und reagierte lediglich mit ein paar Handbewegungen auf Jaces fragenden Blick. Erklärungen hatten Zeit, jetzt musste er sich erst einmal um das größte Problem auf dem Schiff kümmern und das so schnell wie möglich.
„Tasha wo sind...“, hatte Gavin angefangen, als er schwungvoll die Schiffsmesse betrat und genau so schwungvoll wie er sie betreten hatte, drehte er sich auch wieder herum. „Hör zu, ich weiß die Situation in der wir gerade sind ist beschissen. Ich weiß, dass du auf Corellia jemand verloren hast und auch wenn ich nicht weiß wie nahe ihr euch standet weiß ich, dass jetzt nicht der Zeitpunkt ist in Selbstmitleid zu verfallen. Mag gerade nicht das sein, was du jetzt hören willst, aber etwas das gesagt werden muss.“ Gavin war gewiss nicht jemand mit einem Herz aus Eis, aber es gab Situationen da musste man sich einfach am Riemen reißen und genau das war gerade so eine Situation. Zu viele derartige Emotionen führten nur dazu, dass der Verstand aussetzte und ein ausgesetzter Verstand führte nur zu Probleme und noch mehr Probleme konnte hier keiner gebrauchen. „Weder wird er von Tränen wieder lebendig, noch helfen sie dabei uns das Imperium vom Hals zu halten“, sprach Gavin weiter, den Blick auf die Wand vor ihm gerichtet. „Was jetzt benötigt wird ist ein klarer Verstand und keine Selbstzweifel, Selbstmitleid oder Schuldgefühle. Wenn du nicht willst, dass er umsonst gestorben ist, dann reiße dich am Riemen und zahle es denjenigen heim, die ihn auf dem Gewissen haben.“ Gavin war sich durchaus bewusst, wie herzlos seine Worte gerade klingen mussten und vermutlich würde sie ihm innerlich auch genau das vorwerfen, doch irgendwann würde sie es verstehen. Aber vielleicht war sie auch in der Lage es sofort zu verstehen. Fähig das Große Ganze zu sehen und nicht die vielen Kleinigkeiten aus dem es sich zusammensetzte.
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