Nashtah tat, was ihr über die Jahre antrainierter Instinkt ihr riet. Sie machte sich klein, wenn der Druck zu gross wurde. Unterwürfig warf sie sich vor Peltor zu Boden, die Stirn erneut nur einen Fingerbreit über den blank polierten Steinplatten, den Hals lang gestreckt und dem Überlegenen so den Nacken anbietend. Nicht, dass es für ein Lichtschwert einen Unterschied gemacht hatte, aber sie sprach nicht den Geist an, sondern unterbewusste Wahrnehmungen.
"Mein Lord, ich flehe Euch an, ich weiss es nicht!"
Ihre Hände zitterten vor Angst - das brauchte sie nicht zu spielen. Die junge Akolythin konnte nur hoffen, dass Peltor ihre Reaktion so wertete, dass sie um ihr Leben fürchtete, weil sie nichts sagen konnte. Wenn das nicht der Fall war… Sie spürte, wie ihr die Kontrolle immer mehr entglitt und lange würde sie ihre Maskerade nicht aufrechterhalten können. Dann allerdings wäre es auch relativ egal, wie lange sie gelogen hatte. Der Sithlord würde ihr sicherlich nicht einfach verzeihen, dass sie ihn angelogen hatte, ganz egal, wie lang oder wie kurz.
"Ich kann es Euch nicht sagen."
Geh einfach weg - geh weg - geh weg - geh weg., schoss es Nashtah durch den Kopf und sie strengte ihren Geist in der Richtung an, Peltor irgendwie zu beeinflussen, damit er fortging. Und wenn es nur einige Minuten war, genug Zeit, abzuhauen und sich irgendwo zu verstecken, wo keiner sie finden konnte.
Sie war unterwürfig. Schwach. Sie war unter seiner Würde und jegliches Gefühl von Respekt, wenn es denn je da war, verflog wie ein menschliches Leben. Peltor galt nie als dominant. Nein, als unschuldig, wie bereits erwähnt. Vor allem vor seiner Zeit als Sith sah man ihn nie als ernsthafte Gefahr an. Ein ruhiger Junge und später ein distanzierter Mann, der nicht unbedingt viel Glück in der Liebe hatte. Doch heute war er einer der grausamsten Männer in der Galaxis und gewiss der intelligstenste. Das stellte Peltor nie in Frage. Deshalb war er stets arrogant. Nicht, weil er hochmütig war. Sondern weil es die Wahrheit war.
"Meine Toleranz hat Grenzen.", sprach Peltor mit monotoner Stimme, doch man merkte nun tatsächlich eine gewisse Reizbarkeit, die in seiner Miene nicht annährend zu erkennen ist. Doch sie verfinsterte sich mehr und mehr. Von oben sah er sie an, genoss diesen Respekt, wenn auch es ihn anwiderte. Doch es war kein Geheimniss, dass jeder Mann in der Galaxis ihn fürchten sollte. Ihn anbeten sollte wohl eher.
"Ihr wisst es. Das kann ich spüren.", log er manipulierend. Gewiss spürte er etwas, aber noch war er nicht in der Position, diese Gefühle zu deuten. "An keinen Tag könnt ihr Euch besser erinnern. Dieser Tag gab Euch diese Fähigkeit und eine Stärke, die die anderen Akolythen zerstören könnte. Die selbst den Imperator zerstören könnten, wäre sie nur mächtiger. Vielleicht habt ihr die Gesichter derer vergessen, die euch einst liebten. Vielleicht habt ihr auch selbst vergessen zu lieben. Doch dieser Triumph verfolgt Euch in den Träumen." Manipulation beherrschte Peltor gut. Lügen, ja, das konnte er. Die hinterhältige Brillianz ließ ihn handeln, ohne aufzufallen.
Peltor sprach eine klingende Saite an, wenn auch nicht eine, die Nashtah ängstigte. Zumindest nicht noch mehr. Sie erinnerte sich sehr wohl an jene, welche einst vorgegeben hatten, sie zu lieben. Ihr Vater, die Dorfgemeinschaft - solange, bis sie gemerkt hatten, dass sie anders war, grössere Fähigkeiten hatte als sie alle zusammen. Sie erinnerte sich daran, wie man sie Hexe genannt, ihr den Tod der eigenen Mutter vorgeworfen hatte, an die Gesichter voller Abscheu, die erhobenen Fäuste, die zischenden und brodelnden Stimmen.
Zorn brandete in dem Mädchen auf, ein Zorn, welcher alles andere fortschwemmen wollte. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, so kräftig, dass die Knöchel weiss hervorstanden. Die Macht floss in Nashtah, wenn auch ziel- und zügellos. Sie verwendete sie nicht, Peltor anzugreifen, verwendete sie für gar nichts, auch wenn sie nur hätte zuzugreifen brauchen. Der schmale Körper der Akolythin spannte sich und sie musste dagegen ankämpfen, sich nicht trotzig aufzurichten und sich zähnebleckend auf den Lord zu stürzen. Sie wollte ihre Finger um seinen Hals legen, zudrücken, die Schlagadern abdrücken, damit er innert kurzer Zeit und doch qualvoll starb. Hauptsache, er starb.
Aber nein. Sie durfte nicht. Das war sinnlos. Völlig sinnlos. Die sture Vernunft hielt sie auf den Knien und in der unterwürfigen Haltung, die sie angenommen hatte, auch wenn unübersehbar war, dass das Beben ihrer Muskeln und ihrer Stimme nicht mehr von Angst herrührte, sondern von blossem, zornigen Wahn.
"Ich erinnere mich an all dies, mein Lord. Ich erinnere mich auch an den Tag, an dem ich diese Datei gefunden habe. Aber es wurde vieles zerstört, als Darth Vesperum nach Byss kam. Ihr sagtet, meine Fähigkeit sei mächtig, mein Lord - ich wage es nicht zu beurteilen, aber mein Wissen ist mit Eurem niemals zu vergleichen. Und sicherlich wusste auch der Dunkle Lord wohl, was er tut."
Instinktiv versuchte Nashtah, die beiden Lords gegeneinander auszuspielen, auch wenn das ein riskantes Spiel war.
"Mein Lord, ich bitte Euch, gebt mir etwas Zeit - und ich werde die Datei wiederfinden. Ich habe sie nicht erneut gesucht aus Furcht, jemand würde es bemerken. Aber bestimmt existieren Kopien. Gebt mir die Möglichkeiten und ich werde für Euch finden, wonach Ihr bei mir vergeblich sucht."
Da dieses Mädchen immer mehr auf Erinnerungen und Gefühle zurückgriff, wurden diese für den Sith-Lord immer spürbarer und fast greifbarer. Es war bereits ein Fortschritt für den mächtigen Sith, dass er ihren Zorn spüren konnte. Sie war schwach - so wie jeder Mensch, der Gefühle zeigte. Darth Peltor selbst griff oftmals auf psychische Folter zurück und nun fühlte er sich bestätigt, wie mächtig diese Art von Folter eigentlich war. Ja, er hatte viele am Abgrund gesehen. Leider selten Menschen, die er hasste. Doch allgemein sagte man, dass die Gefühlskälte Peltors übergreifend wäre. Ganz nach dem Motto, dass er weder hasst, liebt oder trauert. Und zumindest in ersterem Gefühl würde er vielen Sith widersprechen. Doch die heutige, sinnlose Ideologie der Sith, des Dunklen Lords, waren fragwürdig. Allein schon seine Zerstörung im Tempel waren bei weitem nur ein Beweis seiner Inkompetenz.
Peltor bemerkte ihre Wut und ihren Hass und dennoch betrachtete er sie unbeeindruckt und arrogant. Angst hätte er gewiss nicht vor, wenn auch der Sith dazu neigte, seine Feinde nicht zu unterschätzen. Aber sie war eine Akolythin, die leicht aus der Fassung zu bringen war. Wie gefährlich konnte dieses naive Mädchen also sein? Sie war schwach und ließ sich von anderen Dingen lenken und vor allem ablenken.
"Also habt Ihr mich belogen?", fragte er in arroganter, aber ruhiger und monotoner Stimme. Sie sprach langsam und war schleppend, was ihn aber nicht langweilig, sondern eher bedrohlicher machte. "Ihr erinnert Euch sehr wohl ..." Langsam drehte sich Peltor nun von ihr um und schien ihren Worten zu lauschen und entgegnete vorerst nicht mehr als Schweigen darauf. Und das Schweigen schien Minuten zu dauern, wenn man sich fürchtete.
"Euer Versagen könnte den Tod bedeuten, bedenkt dies. Ich spiele gar mit dem Gedanken, Euch jetzt einfach zu töten. Doch ... davon hätten wir beide nichts. Ich gebe Euch Zeit - wenig Zeit." Mehr sprach er nun nicht, dennoch rührte er sich nicht vom Fleck. VIel eher blickte er sie wieder mit den braunen Augen an und wartete auf eine Reaktion, eine Zustimmung oder gar auf etwas, womit sie sich wieder selbst verriet.
Aus ihrem unbändigen Zorn zog Nashtah Kraft. Sie war vielleicht die Kröte, die sich immer schwach gab, die Parasitin, die von den Kräften anderer lebte. Aber sie war auch eine Sith und so jung sie auch war, hatte sie nun doch schon mehrere Jahre gelernt. Und überlebt. Eine Tatsache, welche viele oftmals vergassen, wenn sie behaupteten, Nashtah wäre unfähig.
"Ich habe Euch nicht belogen, mein Lord. Ich weiss nicht, wo die Datei jetzt ist. Ich brauche sie nicht mehr.", unterstrich Nashtah ihre Worte - die selbstverständlich gelogen waren - erneut. Nun endlich hatte sie den Ausweg gefunden. Nicht Schwäche, nicht Unterwürfigkeit. Peltors Sucht nach Macht war es, die sie hier rausbringen würde. Und vielleicht gelang ihr sogar noch mehr, als bloss zu überleben. Auf ihre Worte hin schwieg der Sithlord, doch die Akolythin bewegte sich in dieser Zeit nicht, von ihrem Atem abgesehen. Peltor wollte die Datei und sie war die einzige Möglichkeit, wie er darauf Zugriff bekommen konnte. Dumm für ihn, gut für sie.
"Ich werde für Euch finden, was Ihr begehrt, mein Lord.", erwiderte sie nur erneut ihr 'Angebot', welches er ohnehin auch hätte verlangen können. Aber wahrscheinlich war es klüger gewesen, aus freiem Willen das zu bieten, was der Überlegene auch mit Gewalt hätte nehmen können. Nach oben buckeln, nach unten treten, das war auf Onderon ein völlig normaler Ablauf. Die Zeit, in welcher Nashtah aufbegehrt und sich gegen die Stärkeren mit direkter Kraft gewehrt hatte, war längst vorbei. Sie wusste wohl, dass ihr Leben davon abhing, nicht einem mit einem Lichtschwert bewaffneten Sith die Stirn zu bieten. Erst recht, wenn sie selbst unterbewaffnet war.
Dumme Akolythen lebten nicht lange.
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