#9
Es kostete einen Kraftakt, die Platte anzuheben. Der Scherz von Seltano verhallte ungehört, da die junge Frau all ihre konventionellen Kräfte aufbringen musste. Ihre Eitelkeit, ihre gemachten Nägel und auch die saubere modische Kleidung waren vergessen im Angesicht dieser schweren Aufgabe. Die Steinplatte bewegte sich schließlich und gab den Blick auf ein neues Objekt frei. Erschöpft und nach Luft suchend blickte sie Seltano in die Augen, welcher mit ihr die Platte angehoben hatte. Eine kurze Pause im Angesicht der Entdeckung. Schließlich entschied sich Mytria einen Blick hinab zu wagen. Ihre Haare waren zerzaust, der hübsche Glanz verflogen und auch ihre Gesichtsfarbe schien an Farbe verloren zu haben. Staunend aber vorsichtig blickte die Schülerin schließlich in die einst verdeckte Grube hinein. Mytria war sich nicht sicher. Sie kannte dieses Objekt nicht, noch dessen Typ. Der Vorschlag von Seltano erschien glaubwürdig, wenn nicht sogar sehr plausibel aber etwas in ihr widersprach diesem Vorschlag. Es war wieder dieses Gefühl, welches sie oft leitete. “Es ist etwas anderes,” antwortete die Jedi achtsam. Sie wollte keine Geister erwecken, sofern es denn ein Sarg war. Zudem war diese Vorstellung sehr gruselig. Mytria wollte keinen Sarg öffnen. Auch weil sie sich entfernt an die Worte von Saanza erinnerte, dass auch Tote ihre Ruhe verdient hatten. Würde im Umgang mit dem Leben und dem Tod war ein Grundprinzip der Jedi. “Ich weiß nicht, was es ist…,” zweifelte sie und blickte fragend zum Experten in Ausgrabungswesen. Sie war dankbar für seine Anwesenheit, denn trotz der kurzen Zeit der Zusammenarbeit hatte sich ein gewisses Vertrauen eingestellt. Mytria mochte diesen Mann irgendwie. Zumindest wusste er, was er tat und konnte mit anpacken. Nicht, dass dies ohnehin klar gewesen wäre aber nun sah auch Mytria dies. Etwas an Seltano … passte nicht mehr ins Bild, als sie ihn betrachtete. Seine Aura glimmte leicht, wie ein wachsendes Kerzenlicht. Mytria kniff zweimal die Augen zusammen, um sich sicher zu sein, dass es kein Sehfehler war.

Nachdenklich strich Aurons Hand vorsichtig über die Oberfläche des geheimnisumwobenen Behälters. Je mehr Staub er zur Seite wischte, desto stärker glänzte die Struktur im Sonnenlicht. „Keine Patina“, murmelte der Abenteurer vor sich hin und klopfte einmal sanft mit seinen Fingerknöcheln gegen das Gefäß. Der Nachhall war dumpf und metallisch. Das Fehlen einer Korrosionsschicht deutete darauf hin, dass es sich um ein sehr edles Material handelte. Letztlich folgte nicht der Funke einer Reaktion von innerhalb, was Seltano aber ohnehin nicht erwartet hatte. Wiederauferstehende Tote waren eher der Stoff für minderwertige Holoromane. „Ihr habt einen Kampf erwähnt“, sagte er und atmete tief aus. „Könnte es nicht doch eine Art Sarg sein? Die von mir untersuchte Konstruktion enthält auch alle Anzeichen für ein Grabmal“, legte Auron seine Gedanken nochmals offen, während er den Schmutz von seinen Fingern am Overall abwischte.

Das Gehirn des Abenteurers beschäftigte sich mit weiteren möglichen Gründen, einen solchen Behälter zu vergraben. Es könnte sich um irgendwelche Erinnerungsstücke oder Vorräte handeln, die man verstecken wollte. So recht vermochten diese Varianten Seltano aber nicht zufriedenzustellen. Die Lösung für sämtliche Gedankenspiele lag allerdings vor ihm. Er würde das Gefäß öffnen, je nach Möglichkeit händisch und ansonsten maschinell. Der Droide war ohnehin nur noch einige wenige Meter von ihnen entfernt, möglicherweise verfügte er über die entsprechende Ausrüstung. Auron blickte schließlich etwas gedankenverloren von der Grube auf und schüttelte leicht seinen Kopf, während Mytria ihn eindringlich beobachtete. „Ist irgendetwas?“, entgegnete er mit einem Grinsen im Gesicht.

Mytria überlegte und sein Grinsen machte es ihr nicht leichter. Ihre Gedanken waren hektisch, sprunghaft und konnten sich nicht ganz im Moment wiederfinden. Zu vieles ging ihr durch den Kopf. Nicht nur, dass sie nervös war, sondern allein der Umstand, das sich die Macht hier offen zeigte. Die Macht hatte sich ihr selten so offen gezeigt. Die junge Frau war zwar gewissermaßen stolz darauf, dass sie die Macht so wahrnehmen konnte aber es machte ihr auch Angst. Zu gut wusste sie um die dunkle Seite und wie schnell diese aufkeimen konnte, wie eine böse Saat, die in den Tiefen der Macht verborgen war.

Es kostete nicht viel und man wurde zu einem Monster. Mytria glaubte fest an die Warnungen der Jedi und wollte nicht noch einmal in dieser frostigen Kälte versinken, die sie gespürt hatte, als Lee diese schreckliche Tat vollbracht hatte. Immer noch war er dies unverständlich, wie ein gutherziger Mann, wie Lee, so weit fallen konnte. - Und genau dieser Gedanke ließ sie zögern. Ihre Ungeduld und Hektik wandelte sich in ein klares Gefühl der Angst, welches durch jeden Gedanken kroch. Die dunkle Seite war heimtückisch, gefährlich und lauerte überall. Auch hier. Auron konnte es nicht wissen, nicht spüren aber diese Angst wurde wieder realer für Mytria. Ein schwarzer Nebel schien über den Boden zu kriechen, wie aus dem Nichts beschworen und materialisiert. Nein, er war nicht für Auron hier, sondern um sie zu holen. Kleine Blitze im Nebel ließen ein Knistern zurück, ein fernes Rauschen, welches sich in ein Dröhnen wandelte. Tausende Stimmen schrien in Agonie und Leid auf, forderten Verzweiflung und Wahn. Nein, die Jedi Geister wollten ihr dieses Objekt nicht zeigen, sondern sie warnen. Es war eine Warnung, glaubte Mytria und lag falsch. Mytria riss die Augen weit auf, wollte schreien aber ihr Mund blieb fest verschlossen. Aurons Worte drangen nicht zu ihr durch.

Mytria war wieder in diesem Frost gefangen, der so mächtig war, dass sie sprach- und regungslos war. Die dunkle Seite manifestierte sich und aus dem Nebel erhoben sich schattenhafte Figuren, die Körper formten, die ziellos umher wanderten. “Sie sind hier,” jappste sie wirr. “Dieser Ort ist verflucht,” meinte sie, endlich den Frost, der sie gefangen hielt, zerschmetternd. “Der Kampf,” wiederholte sie abwesend. Ihre Augen waren fest auf die Wanderer gerichtet. “Ihr seht es nicht?” Mytria konnte nicht verstehen, warum sich gerade ihr diese Offenbarung zeigte. Für sie war es eine Offenbarung, die sie zutiefst erschütterte. “Ich denke, dass die alten Jedi hier etwas versteckten… Etwas versteckten,” sagte sie, zitternd, da die Kälte alle Wärme zu vernichten schien. Mühsam versuchte sie den Nichtgesichtern der dunklen Gestalten auszuweichen, die Auron nicht sehen konnte. Wieder blickte sie auf den Abenteurer, dessen Aura immer heller schien.

Der dunkle Kontrast schuf Klarheit, dass Auron vom Licht umgeben war. Ein schimmernd blaues Licht war hier bei ihm, schützte ihn und auch Mytria, die jenes Licht nun auch an sich bemerkte. “Wir müssen es ... öffnen,” kam ihr in den Sinn, wie ein fremder Gedanke, der eine klare Eingebung war. Es war ein Gefühl, dass dieses Gefäß, die Dunkelheit vertreiben würde. “Es gibt die Macht! Glaubt,” forderte eine wunderschöne Stimme aus der Ferne ein, die mit einem Lichtstrahl durch die Dunkelheit fiel. Mytria reagierte widersprüchlich aber war sich sicher, dass sie sich mit dem Objekt geirrt hatte. Die dunkle Seite wollte sie daran hindern, das hier zu finden. - Und auch Auron konnte diese Stimme in seinen Gedanken hören, die auch ihn aufforderte. Eine Stimme, die seinen Glauben forderte.

Mytria blickte zum Lichtstrahl, der direkt auf das Artefakt fiel. Sie legte ihre Hand in den Strahl und das Objekt öffnete sich mit einem lauten Knacken und Zischen. Zwei Gegenstände lagen darin, die in einen einfachen grauen Stoff eingewickelt waren. Mytria blickte über die beiden Klappen, welche zur Seite gesprungen waren, hinein, denn die Neugier siegte über Angst. Der leicht zerfallende Stoff gab an beiden Enden jeweils einen Knauf zu erkennen, der auf zwei Schwerter oder Waffen schließen ließ. Die Knäufe trugen das Symbol des alten Jedi Ordens. “Hoffnung vertreibt die Dunkelheit,” erklärte die fremde Stimme aus dem Licht, bevor das Licht verschwand und Mytria ratlos zurückließ. “Habt ihr das gehört?” - fragte Mytria, den Versuch unternehmend, die finsteren Geister, die sie umkreisten, zu ignorieren. Die junge Jedi wirkte zwar überzeugt aber auch ein wenig verloren.

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Irkalla - von Protokolldroide - 12.01.2020, 02:40
RE: Irkalla - von Auron Seltano - 12.01.2020, 20:30
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