#1
„Ja, wir haben einander“, bekräftigte Saanza die Aussage der Schülerin mit einem Nicken. Mytria versuchte, für die heimgekehrte Jedi eine Brücke zu bauen – dabei war sie es doch, die jetzt Trost und Geborgenheit brauchte. Im ersten Moment wollte Saanza das blauhäutige Mädchen dafür bewundern, trotz ihres eigenen Leids selbstlos an das Wohl anderer zu denken. Aber der Nachhall ihrer Worte klang mehr wie ein Hilferuf, in diesen Stunden nicht allein zu sein. Die Macht war stark in Mytria, das konnte Saanza deutlich fühlen. Doch diese Stärke kam nicht nur von dem Licht, das die Wroonian gedämpft umgab – im Gegenteil. Die Dunkle Seite fand in einem aufgewühlten Herzen umso leichter Einzug. Und die Spuren dieser Dunkelheit waren deutlich in Mytrias Augen zu sehen.

Die junge Schülerin wirkte verunsichert, beinahe scheu. Sie wollte nicht auffallen und konnte ihr wahres, verletztes Selbst doch nicht ganz verbergen. Schon gar nicht in der Macht. Saanza war erleichtert, dass ihr Zimmer noch existierte. Doch dieses Gefühl schmolz dahin wie Schnee auf Mustafar, als sie die weiteren Worte des Mädchens hörte. Nein, das tut es nicht. Schwarz ist die Kleidung der Dunklen Seite. Mytria hatte ihre Worte nicht so gemeint, wie konnte sie auch? Die Implikation stammte allein aus Saanzas Erinnerungen. Nur einmal zuvor habe ich eine solche Kluft getragen – und auch das nur, weil ich es musste! Plötzlich fügte sich langsam ein anderes Bild vor ihren Augen zusammen, das die Jedi zutiefst erschütterte. „Mytria…“ Ihre violetten Augen waren schreckgeweitet. Sie sieht aus wie ich, als ich auf Byss war.

Hatte sie schon damals so gefühlt, bevor Saanza das letzte Mal zu den Sternen aufgebrochen war? Ich hätte es sehen müssen – Luke hätte es sehen müssen! Bitte, komm bald zurück – für uns alle. Die Jedi schloss für einen Moment die Augen, um die Emotionen aus ihrer Miene zu vertreiben und nur noch Sanftheit zuzulassen. Aber so ganz gelang es ihr nicht. Sorge war in ihren Zügen zu lesen. „Dann komm mit mir. Ich werde nicht lange brauchen.“ Danach mussten die beiden reden. Saanza konnte Mytria nicht gehen lassen, ehe sie nicht zumindest einen Anhaltspunkt hatte, was in ihr vorging. Sie bot der Schülerin ihre Hand an, um eine körperliche Verbindung zu schaffen, und wappnete sich für die letzten Schritte ihrer Heimkehr.

Der Weg durch die Gänge des Praxeums fühlte sich an, als würde sie über Glasscherben laufen. Saanza wusste nicht, ob es die Erinnerung ans Machtgefängnis war oder sie tatsächlich das Stöhnen und Geschrei der Gefallenen hörte. Unwillkürlich hielt sie Mytrias Hand fester. An einer Abzweigung hielt die Jedi kurz inne und starrte in den Gang. Hier war Lee gestorben. Saanza wusste es, auch ohne dass sie sich an die Details ihrer Vision zu erinnern brauchte. Wehmütig blickte sie an die Stelle und blinzelte aufkommende Tränen weg. Nicht jetzt. Nicht hier. Erst als sich die Tür zu ihrem Zimmer hinter den beiden schloss, konnte die Jedi wieder aufatmen. Dieser Ort war in vielerlei Hinsicht unberührt. Hierhin war Lees Zorn nicht vorgedrungen und es war ein kleines Refugium, das ihr gehörte. Ein Ort, den sie Zuhause nennen konnte. Dabei gab es in dem spärlich eingerichteten Zimmer so wenige Dinge, die wirklich ihr eigen waren. Ihr Bett, ein Schreibtisch, eine Kommode und selbst die Kleider darin – das alles gehörte dem Jedi-Orden und das meiste hatte bereits vor ihrer Zeit in diesem Raum gestanden. Doch es gab einen Gegenstand in diesem Raum, von dem nicht einmal Luke etwas wusste…

Fast schon versonnen strich die Jedi über das Möbelstück und hinterließ feine Spuren im Staub, ehe sie die Schublade öffnete und darin in der Tat frische Kleidung entdeckte. Sie war sauber, wenn auch etwas abgestanden und selbst diese Kleinigkeit machte der Jedi bewusst, wie lange sie fort gewesen war. „Setz dich“, bot sie Mytria einen Platz auf ihrem Bett an und löste den Knoten, mit dem sie die dunkle Robe um ihre Hüfte gebunden hatte. Saanza hatte kein Problem damit, vor der Schülerin ihre Kleidung zu wechseln. Die Jedi stand mit dem Rücken zu ihr und es war nicht so, als ob sie unter der dunklen Kluft nichts Weiteres tragen würde. Nur eine Sache ließ sie zögern. Saanza fühlte das gefaltete Stück Flimsi, das sie schon fast vergessen hatte. Verbarg es in ihrer Hand und legte es mit einer schnellen Geste zusammen mit ihrer dunklen Kleidung in die Schublade, die sie mit einer ruckartigen Bewegung schloss. In ihren vertrauten, fast weißen Gewändern, fühlte sich die blonde Frau wieder mehr sie selbst. Hatte Byss und Thule hinter sich zurückgelassen. Vorerst…

Saanza ließ sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder, sodass sie Mytria betrachten konnte. Suchte den Blick des Mädchens und lächelte sie milde an. „Es tut mir leid, dass ich dir solche Sorgen bereitet habe. Ich würde gerne erklären, warum ich so lange fort war. Doch das ist nicht einfach –und im Moment auch nicht wichtig. Ich war nicht da, als ihr … als du mich gebraucht hast. Aber jetzt bin ich hier.“ Sie wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen. Es würde Mytria nur in die Defensive drängen. Wer gab schon gerne zu, dass er mit einer Situation überfordert war oder sich fehl am Platze fühlte? Saanza würde sich vorsichtig vorantasten und dem Mädchen eine Chance geben, von sich aus auf die Jedi zuzugehen.
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