#3
Der Captain nahm Tal ihre verbliebenen Habseligkeiten nicht ab, sondern lotste sie unnachgiebig und wortlos in Richtung der Schiffsmesse. Seine Crew, die anscheinend wirklich nur aus zwei Personen bestand, folgte ihm und schien das Szenario mit der gleichen Skepsis zu betrachten wie ihr Anführer. Die Rutian kam dem Befehl des Menschenmannes bereitwillig nach und ließ sich plump auf der Sitzbank nieder. Streckte ihr verletztes Bein aus, aber gab keinen Laut von sich, sondern beobachtete ihn, während ihre Hände deutlich sichtbar auf der Tischoberfläche ruhten. Der Captain füllte zwei Becher mit einer scharf nach Alkohol riechenden Flüssigkeit und stellte einen davon vor Tal auf den Tisch. Seine Waffe hatte er inzwischen wieder weggesteckt, doch die verwundete Schmugglerin stellte für das Trio keine Herausforderung dar – oder würde so loca sein, es zu versuchen.
Tal konnte gerade gut einen kräftigen Schluck gebrauchen. Dennoch rührte sie den Becher nicht einmal an, ehe der Captain selbst davon getrunken hatte. Sie glaubte nicht wirklich, dass er es nötig hatte, ein Gebräu mit irgendetwas zu versetzen, das sie zum Reden oder Schweigen brachte. Doch heute hatte sie mehr als eine Person mit ihrem unerwarteten Verhalten überrascht. Als der Captain seine Frageserie beendet hatte, nahm Tal in einer langsamen Bewegung den Becher in die Hand. Überlegte kurz, ob sie den Alkohol nicht lieber über ihr Bein kippen sollte und entschied dann, dass es um ihn zu schade wäre. Sollte sie doch in der Luftschleuse landen, wollte sie wenigstens mit einem Henkerstrunk enden.

Das Zeug brannte in ihrer Kehle und hinterließ ein Prickeln auf ihrer Zunge, als Tal den Becher in einem Zug hinunterstürzte. Mit einem fast zufrieden klingenden Aufatmen, das ihre Gefühlslage Lügen strafte, stellte sie das Gefäß zurück auf den Tisch und suchte den Blick des Captains. Es hatte keinen Sinn, zu lügen. Sie würde ihm einfach die Wahrheit erzählen, was sich aus ihrer Sicht der Dinge zugetragen hatte – mit allen Details, die ihn etwas angingen. „Mein Name ist Tal’ana. Ich bin… war Captain eines Frachters und zusammen mit meinem Co-Piloten hier auf Corellia, um einen Handel abzuschließen.“ Kein Schiff, keine Crew. Konnte sie sich da überhaupt noch Captain nennen? „Eigentlich hatte ich den Planeten gleich danach wieder verlassen wollen, aber anscheinend hat eure geheime Mission schon sehr früh Aufsehen erregt. Mein Schiff wurde konfisziert, also wollte ich es mit der Hilfe eines anderen Captains – freiwillig oder unfreiwillig – wieder in meinen Besitz bringen. So traf ich auf Leto Halleck.“ Ein mitleidiges Lächeln huschte über Tals Gesicht, von dem sie selbst nicht sagen konnte, ob es ihr oder dem toten Leto galt. „Und bin in dieses ganze Desaster reingeraten. Als er mir erzählte, dass er für die Republik arbeitet, wollte ich ihn an Ort und Stelle stehen lassen. Aber nachdem ich seine Partnerin traf, habe ich meine Meinung geändert. Ich wollte einsteigen. Ich weiß nicht, warum.“
Tal schüttelte den Kopf. Ihre Stimme klang belegt, nicht nur durch den Alkohol. „Vielleicht wollte ich an alte Zeiten während der Rebellion anknüpfen. Vielleicht wollte ich helfen, weil es das Richtige war. Vielleicht wollte ich aber auch nur vor der Republik die Hand aufhalten, um für meine Unterstützung ein Dankeschön in Form eines neuen Schiffes zu bekommen. Alberras willigte ein. Verzweifelte Zeiten erfordern anscheinend verzweifelte Maßnahmen. Von da an ging es schnell bergab. Die Imperialen stürmten die Cantina, in der wir bis eben noch gesessen hatten, und errichteten eine Straßensperre. Halleck hat sich geopfert, um die Sturmtruppen für eine Weile zu beschäftigen und uns die Flucht zu ermöglichen. Alberras führte uns durch den Untergrund bis auf das Gelände der Tell-Werke, aber auch dort wimmelte es bereits vor Imperialen.“

Die Republik ist alles andere als subtil gewesen, schien ihr Blick zu sagen. Doch auch wenn die Mission vielleicht nicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war, so hätte sie in dieser Galaxis niemals reibungslos laufen können. Vor allem nicht mit den Beteiligten, die Tal kennengelernt hatte. Die Twi’lek richtete sich auf der Bank auf und legte Gewicht in jedes ihrer Worte. Sie wollte, dass der Captain genau verstand, was sich zugetragen hatte. „Alberras hat Verstärkung angefordert und als diese ausblieb eine Entscheidung getroffen. Sie gab mir einen Datenstick, ihr Chrono und eine Anweisung. Einer von uns musste bis zu diesem Schiff durchkommen, um die Mission erfolgreich zu beenden. Danach hat sie sich den Imperialen gestellt und wurde gefangen genommen.“ Nun war ganz deutlich Bitterkeit in ihrer Stimme zu hören. Keine lässige Fassade, welche die Schmugglerin so oft an den Tag legte. Nicht einmal Galgenhumor. „Sie hätte mich genauso gut in die Reihen der Sturmtruppen stoßen und sich selbst retten können. Aber das hat sie nicht getan.“ Eine Tatsache, die in Tal gleichermaßen Bewunderung und Verwirrung auslöste. Sie gehörte nicht hierher, auch wenn sie als einzige noch lebte oder in Freiheit war. „Also habe ich alles daran gesetzt, ihren Befehl auszuführen“, fuhr die Twi’lek fort. „Wir sind durch ein Lagerhaus geflohen, um die Sturmtruppen abzuhängen. Mein… Co-Pilot hat sich…“ Tal leckte sich über die Zähne, während sie nach Worten fischte. Der Alkohol zupfte selbst in der kleinen Menge an dem Gefühl des Verlustes, das sie gerade noch im Zaum halten konnte. „Er hat sich geopfert, um mir Zeit zu verschaffen. Die Zeit, die ich gebraucht habe, um dieses Schiff zu erreichen und einen vielleicht wertlosen Stick zu übergeben.“

Frustration. Leben hatten ein Ende gefunden, um eine Information zu übermitteln, die das Imperium vielleicht schon längst selbst erhalten hatten. Statt sich in die Untiefen von Coronet City zurückzuziehen und den Sturm auszusitzen, hatten sich Risa und Leto direkt ins Nest des Gundark begeben. Und wofür? Warum hatte man nicht die Liberation genommen und war über den freien Luftweg entkommen, statt die kontrollierten Straßen zu nehmen? War das Schiff ebenfalls vom Imperium beschlagnahmt worden? So viele Fragen, auf die Tal niemals eine Antwort erhalten würde und die sie schmerzlich an die Rebellion erinnerten. Warum? Für die Republik. Für das Wohl aller, war stets die einzige Antwort gewesen. Eine wahre Antwort – und ein Dorn, der sich niemals ganz herausziehen ließ. Selbst wenn die Twi’lek es von klein auf gewohnt war, Personen um sich sterben zu sehen und geliebte Wesen zu verlieren, musste sie sich nicht aus Gewohnheit damit abfinden. Ein weiterer Grund, weshalb sie damals die Aufnahme ins Militär der Neuen Republik abgelehnt hatte. Es musste ein Leben geben, in dem sie nicht mehr jeden Tag ums Überleben kämpfen mussten. Aber dieses Leben konnte es nur geben, wenn das Imperium endgültig bezwungen war… „Also, wie lautet Ihr Urteil, Captain?“
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