#12
Die Augenblicke verstrichen zäh wie Honig, während die Lambda-Fähre langsam in Sichtweite des Sternenzerstörers vorbeiglitt. Saanza fühlte sich wie ein Beutetier, das an seinem Jäger vorbei zu schleichen versuchte. Noch immer rechnete sie jederzeit damit, dass sich ein Schuss löste, ein TIE startete oder ein Traktorstrahl aktiviert wurde, um ihrer inszenierten Flucht ein Ende zu bereiten. Die Jedi hatte nur das Wort des Imperators, dass er sie gehen lassen würde. Bis zu dem Tag, an dem Vesperum seine ‚Großzügigkeit‘ wieder einforderte… Bis dahin konnte Saanza in Angst leben – so, wie sie es bisher getan hatte. Oder sie konnte versuchen, die Galaxis vor dem Schrecken des Dunklen Lords zu verteidigen. So, wie sie es bisher getan hatte. Es blieb also alles beim Alten und doch fühlte es sich für die Jedi-Ritterin gänzlich anders an. Ihre Positionen auf dem Dejarik-Feld waren noch die gleichen. Doch ohne, dass Saanza es wusste oder auch nur erahnte, würde jeder ihrer Züge vom anderen gespiegelt werden.
Ich bin immer bei dir, erklang eine weitere Botschaft von Aidan in ihren Gedanken. Tröstliche Worte ihres Ziehbruders und eine unmissverständliche Drohung des Imperators. Die Mischung dieser widerstreitenden Gefühle ließen Saanzas Blut in ihren Adern gefrieren, begleitet von einem Ziehen in ihren Eingeweiden, als das Schiff in den Hyperraum sprang und Thule wie eine albtraumhafte Erinnerung hinter sich zurückließ.

„Sprung erfolgt. Sie können sich nun frei auf dem Schiff bewegen“, schnarrte die Stimme des Droiden, doch die Jedi beachtete ihn kaum. Sie starrte durch das Sichtfenster des Cockpits auf die vorbeifliegenden Spuren von Raum und Zeit. Ihre Verbindung zur Macht verriet Saanza, dass Vesperum nun weit entfernt war. Doch ein Teil der Aura, die ihn ausmachte, war zurückgeblieben. Ganz, wie er gesagt hatte. Und daneben noch andere Stimmen, deren qualvolles Stöhnen in ihrem Inneren widerhallte. In der Stille des Hyperraums gab es keinen Ausweg mehr, um vor ihren Emotionen zu fliehen und der einzige Zeuge war ein stoischer Pilotendroide. Also ließ Saanza ihrem Entswtzen, ihrer Trauer und ihrem Schmerz freien Lauf, bis ihre Kehle wund war und ihre Augen vom Salz der Tränen brannten. Ihre Finger, mit denen sich die Jedi in ihrer dunklen Robe verkrallt hatte, hinterließen Spuren auf ihren Oberarmen, die jedoch alsbald verheilen würden. Schneller als es selbst unter Machtbegabten üblich war.

Geistig erschöpft und doch körperlich noch immer voller Kraft lehnte sich die Jedi wieder im Pilotensessel zurück. Warf einen Blick auf den Navigationscomputer, der noch immer einen weiten Weg anzeigte. Der RX-Droide hatte von Standardtagen gesprochen, also würde sie noch eine ganze Weile auf diesem Shuttle verbringen. Saanza spürte die vom Regen und von Tränen nasse Kleidung nun mehr denn je und wurde sich bewusst, dass sie nicht die gesamte Reisedauer sitzend oder meditierend verbringen konnte. Es gab Dinge, über die sie sich Gedanken machen musste. Wie würde sie sich bei ihrer Rückkehr nach Naboo verhalten und was würde sie preisgeben? Wie konnte sie in Erfahrung bringen, was geschehen war, ohne mit Vesperum Kontakt aufzunehmen? War es überhaupt wichtig, dass Saanza die Einzelheiten kannte? Und wie lange würde es dauern, bis Aidan seine Worte wahr machte?
Zunächst aber gab es andere Dinge, um die sich die Jedi kümmern musste. „Ich werde mich eine Weile zurückziehen“, erklärte Saanza unnötigerweise dem Droiden und erhob sich. Die RX-Einheit reagierte nicht und nur der gelegentliche Blick auf die Schiffsanzeigen sowie das Leuchten der Reflektoren verrieten, dass ihr Pilot sich nicht abgeschaltet hatte.

Die Jedi verließ das Cockpit und machte sich auf den Weg i nden Passagierbereich der Fähre, der meist zum Truppentransport genutzt wurde. In einer Ecke befand sich eine spartanische Erfrischungszelle, die nicht mehr als das Nötigste enthielt. Saanza zog ihre Stiefel aus und stellte sie neben einen der Sitze, über den sie die Jacke ihrer Robe zum Trocknen aufhing. Nach kurzem Zögern folgte ebenfalls das klamme Beinkleid. Dank der Klimatisierung fror die Jedi auch in der ärmellosen Unterkleidung nicht. Nach einer Katzenwäsche betrachtete sich Saanza im kleinen Spiegel des Erfrischers. Ihre Haare waren so geflochten wie immer, nur ein paar Strähnen hatten sich durch Schlaf und Sturm gelöst. Die Jedi löste ihren Zopf, entwirrte die Haare mit den Fingern und ließ ihre blonden Locken über ihre Schultern fließen. Nichts an ihrem Spiegelbild kam ihr befremdlich vor. Und doch war da dieses Gefühl, dass Saanza nicht abschütteln konnte…

Auch eine gründliche Untersuchung des Schiffes mit übernatürlichen und mundanen Sinnen führte zu keinem anderen Ergebnis: Sie und der Pilotendroide waren die einzigen Wesen an Bord des Shuttles. Es gab keine versteckten Sturmtruppler oder Dunkle Jedi in den Ladekammern des Schiffes. Auch keine Waffen – nicht, dass Saanza eine von ihnen genutzt hätte. Selbst das Gewicht ihres Lichtschwerts fehlte nicht an ihrem Gürtel, obwohl es doch eines der Markenzeichen eines Jedi-Ritters war. Nur ein paar Getränke- und Essensvorräte mit Selbsterhitzer, Decken und anderes Zubehör, das auf einem längeren Transport von Nutzen sein konnte. Die Jedi nahm sich eine Portion und ließ sich im Schneidersitz auf einer Bank nieder. Die warme Mahlzeit vermittelte einen Hauch von Normalität, doch Saanza hatte keinen wirklichen Appetit und führte das Besteck eher mechanisch zum Mund. Erst nach einer Weile fiel ihr auf, dass ihre Hände zitterten. Mit einem Seufzen stellte die Jedi das Essen beiseite und schloss die Augen.
Es gibt keine Gefühle, es gibt Frieden…
Sie hatte eine lange Reise vor sich.


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