#10
Die Geräuschkulisse änderte sich deutlich, als Saanza die offene Rampe der wartenden Lambda-Fähre emporstieg. Das Geräusch des Regens wurde dumpfer, stattdessen waren nun ihre Schritte auf dem blanken Metall zu hören. Einige Momente lang hatte die Jedi ein schlechtes Gewissen, den Boden des Shuttles mit ihren schlammigen Stiefeln zu besudeln, dann schüttelte sie den Kopf und wagte sich mit ausgestreckten Machtsinnen weiter voran. Sie konnte keine weitere Lebewesen an Bord wahrnehmen, was sie zunächst beruhigte. Doch obwohl das Raumschiff Schutz vor der Witterung bot, konnte es die dunkle Aura dieses Ortes nicht aussperren. Mit den Händen wischte sich Saanza so gut es ging den Regen aus dem Gesicht und strich sich die Haare zurück. An Bord des temperierten, trockenen Shuttles spürte sie wieder unangenehm die klamme Kleidung. Später.

Die Jedi wandte den Blick in Richtung des Cockpits und ging zielstrebig darauf zu. Wieder hinterließen ihre Stiefel feine Spuren. Zwischen dem Piloten- und dem Co-Pilotensitz stand ein asymmetrisch gebauter RX-Droide, der mit seinen drei Armen einige Kontrollen bediente, ehe er sich zu ihr umdrehte. Saanza hörte hinter sich das Surren und Zischen der Rampe, die sich wieder zu schließen begann. Obwohl dies ihre Fluchtmöglichkeit sein sollte, fühlte sie sich abermals wie in einem Käfig. Doch der mechanische Pilot stellte für sie keine Gefahr dar. Keine direkte zumindest.
„Grüße“, schnurrte die helle Stimme der RX-Einheit, die in Gold, Schwarz und Grau gehalten war. Ebenfalls goldene Reflektoren dienten als Augen, ein weiterer Reflektor in der gleichen Farbe fungierte als Mund und leuchtete jedes Mal auf, wenn der Droide mit ihr sprach. „Sie wurde n bereits erwartet. Bitte nennen Sie die gewünschte Destination und nehmen Sie Platz.“

Saanza antwortete nicht sofort, sondern lehnte sich mit einer Hand auf den Co-Pilotensessel, um einen Blick auf den Navigationscomputer zu erhaschen. Die RX-Einheit drehte einen Kopf wie eine Eule wieder um 180 Grad, um sich erneut den Kontrollen zu widmen. Doch obwohl der Droide nicht über Mimik und Körpersprache nach menschlichem Verständnis verfügte, war offensichtlich, dass er noch auf eine Antwort wartete. Die blonde Jedi zog die Augenbrauen zusammen, als sie versuchte, sich auf der spärlichen Anzeige zu orientieren. „Wo sind wir hier?“ Dieser Planet schien vom Rest der Galaxis geradezu abgeschnitten zu sein. Der nächste vertraut klingende Name, den sie am Rande des Displays gerade noch erkennen konnte, war… Korriban. „Thule“, antwortete der Droide knapp, aber nicht unfreundlich. Offenbar hatte man ihn für militärische Zwecke des Imperiums umprogrammiert und seine heitere Persönlichkeit ein wenig reduziert. „Bitte nennen Sie die gewünschte Destination und nehmen Sie Platz.“

„Thule“, wiederholte die Jedi fast ungläubig. Man hatte sie also wirklich von Byss fortgebracht. Fast ans andere Ende der Galaxis – und auf einen weiteren Planeten, welcher der Dunklen Seite nahestand. Aber wozu? „Das ist ein weiter Weg bis nach Naboo.“ Plötzlich kam wieder Leben in den Pilotendroiden. „Naboo? Ist dies Ihre gewünschte Destination?“ Saanza blickte die RX-Einheit prüfend an und wog ihre Möglichkeiten ab. Wie viel Vorsicht musste sie wirklich walten lassen, wenn Lee bereits eine deutliche Spur zum Praxeum gelegt hatte? Sie konnte nicht riskieren, dass ihretwegen der Jedi-Enklave oder der Hauptwelt der Neuen Republik wieder Gefahr drohte. Doch noch befand sie sich mitten im Nirgendwo und konnte sich nicht auf die vertrauten Hyperraumrouten verlassen, die sie sicher zurück nach Hause bringen würden. Der RX-Doide durfte seiner Aufgabe noch eine Weile nachgehen, doch die blonde Jedi fasste den Entschluss, ihn zu deaktivieren, sobald sie den Enarc Run erreicht hatten. „Ja“, nickte Saanza und ließ sich im Pilotensessel nieder. „Bitte bring mich nach Naboo.“

Sie schloss die Augen und hob ihre rechte Hand in Richtung des Droiden. Ließ die Macht durch sich hindurch fließen und tauchte mit ihrem Geist in die Kabel, Schaltkreise und Mechanik der RX-Einheit hinab. Suchte nach einer Möglichkeit, ihn subtil zu deaktivieren und fand sie. Mit ein wenig Erleichterung lehnte sich die Jedi in die Polsterung des Sessels zurück und lauschte, wie der Droide emsig damit begann, den Kurs zu programmieren und die Startsequenz einzuleiten. „Verstanden. Kurs nach Naboo wird errechnet. Wir erreichen das Ziel—“
Es ist deine Bestimmung, Saanza, erklang plötzlich eine tiefe Stimme in ihren Gedanken. Vertraut. Vertrauter als irgendetwas sonst in dieser Galaxis.
„—Standardtagen. Bitte bleiben Sie sitzen, bis wir den Orbit verlassen haben.“
Ihr Keuchen ging in dem Dröhnen startender Maschinen unter, als Leben in das Shuttle kam. Ein zittern, das die Lambda-Fähre durchfuhr, setzte sich im Körper der Jedi fort, die ein erneuter Strudel aus Emotionen in die Tiefe reißen wollte.

Ohne darüber nachzudenken, zog sie die Beine an und schlang die Arme darum. Den Droiden kümmerte es nicht, dass ihre Flecke auf dem Polster hinterließen. Die vom Regen diesige Umgebung, die Saanza durch das Fenster des Cockpits beobachten konnte, wurde durch erneut aufwallende Tränen noch weiter verklärt. Bist du doch noch immer hier? Warum hast du mich hergebracht? Sie legte eine Hand auf ihr Herz, spürte die Dunkelheit, die daraus hervorquoll. Wie Trübungen im Wasser einer Quelle. Was hast du mit mir gemacht? Ein Ruck ging durch das Schiff, als die Lambda-Fähre vom Boden abhob und Kurs auf den Orbit nahm. Als es die Wolkendecke und damit den Regen durchbrach, wurde es still und schon vermisste Saanza das vertraute Geräusch des Regens, das ihre Gedanken nicht ganz so laut hatte klingen lassen. Es ist wirklich. Ich bin wach, sagte sie sich selbst, während der Planet unter ihr immer kleiner wurde. Vor dem Kosmos als Kulisse wirkte auch der Einfluss der Dunklen Seite deutlich schwächer, aber die Jedi konnte ihn noch immer spüren. Wie ein Schleier, der sich über den Planeten gelegt hatte. Bestimmung. Was meinte er damit? Im Orbit kam in der Ferne ein Sternenzerstörer in Sicht, der regungslos im Nichts schwebte. Die Jedi hob den Kopf und sah ihn an. Hoffend, fürchtend. Wissend.
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