#9
Ald’ana zweifelte keinen Moment an seinen Worten. Trotz des Glanzes, den der Imperator über sich geworfen hatte, konnte sie sein wahres Antlitz noch immer deutlich vor sich sehen. Ein Äußeres, das unverkennbar von der dunklen Seite gezeichnet war und von manch teuer erkauftem Sieg berichtete. Vesperum wusste, um was für einen Gegenstand es sich handelte – oder schien es zumindest deutlich zu erahnen – also nahm sich die Twi’lek auch diese Worte zu Herzen und ließ ihre Machtsinne weiterhin in alle Richtungen tasten. Sie wollte offen sein, wenn die dunkle Seite zu ihr sprach. Und Ryloth hatte viele Geschichten zu erzählen. Flecken und Narben von Leid waren überall zu sehen, wo sich auch das Leben sammelte. Vesperum selbst verströmte eine unübersehbare Aura aus schneidender Kälte und Finsternis, die sie stets in ihrem Nacken – und überraschenderweise auch an ihren Armen – spürte. Sie musste versuchen, seine Präsenz beiseite zu schieben, um sich auf die schlafende Dunkelheit zu konzentrieren, die sich irgendwo auf Ryloth befand. Ihrer Erfahrung nach würde das Artefakt auf die beiden Machtnutzer reagieren. So sehr ein Sith verhindern wollte, dass sein Besitz in die Hände eines anderen fiel, so sehr wollte jenes alte Wissen doch gefunden werden.

Zum ersten Mal, seit sie auf diese Mission aufgebrochen war, kam Ald’ana der Gedanke, ob der Imperator sie nur als Absicherung benötigte. Bisher hatte sie keinen Grund, ihm zu misstrauen und an seinen Worten zu zweifeln. Doch Täuschung und Misstrauen waren natürlich für ihresgleichen und in ihrem Leben war sie schon oft betrogen worden. Umso größer war der Wunsch, diesem verkommenen Mann zu vertrauen, der sie damals auf Byss so sehr beeindruckt hatte. Dennoch schadete es nicht, vorsichtig zu sein. Im Gegensatz zu Vesperum war sie ersetzbar – selbst wenn sie momentan sein Interesse genoss – und die Twi’lek tat gut daran, dies nicht zu vergessen. Auch Ryloth hatte sie auf groteske Weise daran erinnert, dass diese Reise nicht ohne Gefahren war. Diese Welt gehörte erneut der Republik, auch darum musste sie ihre wahre Identität verschleiern. Doch trotz ihrer auffälligen Hautfarbe bestand nur eine geringe Chance, dass jemand sie wiedererkannte. Und falls es so kam, würde Ald’ana sich zu helfen wissen.

An der Seite des Dunklen Lords überquerte sie die Energiebrücke, tauchte in das Leben von Lessu ein und wurde in der Menge unsichtbar. Überall waren so viele vertraute Eindrücke, die längst nicht mehr zu ihr gehörten. Hörte angeregte Unterhaltungen in ihrer Muttersprache über belanglose Dinge, roch den typischen Duft von würzigem Rycrit-Eintopf, der von einem der Straßenhändler verkauft wurde, und sah eine kleine Schar Blurrg, die man am anderen Ende des Marktes eingepfercht hatte. An den Außenwänden der Gebäude war an vielen Stellen Propaganda der Republik angebracht. Die Motive waren anders als früher, doch die Botschaft war noch immer dieselbe. Und noch immer gab es Twi’lek, die auf die Lügen der Neuen Republik hereinfielen. Damals wie heute war es nie um ihr Volk gegangen, um ihre Freiheit. Es ging um Ressourcen, um eine Vormachtstellung – und nicht zuletzt um Prinzipien. Ihre Heimatwelt besaß noch immer genug Rohstoffe, um einen Kampf wert zu sein. Doch Ryloth war eine Welt am Äußeren Rand und der Nachfolger der Rebellenallianz hatte nicht genug Unterstützung, um für sie zu bluten…

Ald’ana vermochte ihre abfälligen Gedanken hinter einer gleichmütigen Miene zu verbergen – wenn auch nicht vor Vesperum, der ohne ihr Wissen jederzeit einen Blick auf das offene Buch werfen konnte, das sie in seiner Gegenwart bot. Doch als er, dem sie Aidan nennen sollte, ihre Aufmerksamkeit auf einen Händler richtete, offenbarte die dunkle Jedi eine Seite, die sie in seiner Gegenwart bisher noch nicht gezeigt hatte. Ihre eigenen Machtsinne schlugen an, als er auf einen Marktstand deutete. Hier war vielleicht nicht das Ziel, doch hier war ein Anfang. Auf die eine oder andere Weise war der Händler mit dem gesuchten Artefakt in Berührung gekommen – und wenn es nur gewisperte Worte waren, die er von einem Kontakt vernommen hatte. Die Twi’lek legte ein gut gelauntes Lächeln auf und trat mit fast unbekümmerter Stimme an den Händler heran. Kei’nata ni, guter Mann. Mein Begleiter und ich“ – sie deutete unbestimmt hinter sich in die Menge – „sind für eine kurzen Aufenthalt auf Ryloth und ich habe ihm versprochen, ihm ein Souvenir von meiner Heimatwelt zu schenken. Er ist ein… Kuriositätensammler“, fuhr sie ihre Lüge fort, die zumindest im Kern etwas Wahrheit enthielt. „Daher sollte es etwas Besonderes sein. Habt Ihr da etwas für mich? Es soll seinen Preis auch wert sein.“

Diese Warnung ging in beide Richtungen. Wenn er sich als hilfreich erwies, würde sich die dunkle Jedi durchaus erkenntlich zeigen. Weniger, wenn er versuchte, sie übers Ohr zu hauen. Der Twi’lek förderte allerhand Krimskrams zutage, der für einen Außenweltler durchaus von Interesse sein konnte. Doch für Anwender der dunklen Seite war es nicht mehr als wertloser Tand, kaum authentischer als die Souvenirs, die man in großen Raumhäfen kaufen konnte. Ald’ana beugte sich leicht vor und stützte sich auf den Warentisch. „Das ist leider nicht ganz, wonach ich suche. Aber Ihr habt einen Sinn für ein gutes Geschäft. Gewiss könnt ihr mir auch eine echte Rarität anbieten.“ Als würde sie mit ihrer Fingermuskulatur spielen, ließ Ald’ana eine leichte Suggestion der Macht auf den Händler wirken. Sie machte immerhin einen so freundlichen Eindruck, gewiss würde er ihr in der Hoffnung auf eine Entlohnung verraten, wo sie ein besonderes Geschenk für ihren guten Freund bekommen konnte – wenn er nicht plötzlich selbst noch ein verborgenes Juwel in seiner Sammlung fand.
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