#7
Mit jedem Schritt fügte sich Ald’ana besser in ihre Rolle. Die Bewegung ihrer Lekku wurde natürlicher, auch wenn sie für einen Twi’lek noch immer ein wenig steif und unexpressiv wirkte. Ihr imperiales Basic wurde von der Sprachmelodie ihrer Muttersprache durchzogen. Und trotz der eindeutigen Spuren, welche die dunkle Seite an ihr hinterlassen hatte, würde sie sich in die Menge ihrer Artgenossen einfügen können. In Teilen war dies ihrer Jugend geschuldet, die sie noch unter ihresgleichen verbracht hatte – wenn auch unter widrigen Umständen. Doch in der Tat waren das meiste antrainierte Verhaltensmuster, um unauffällig zu erscheinen und ihrem Gegenüber einen bestimmten Eindruck zu vermitteln. Noch immer strahlte die Lethan Selbstbewusstsein und Wehrhaftigkeit aus. Doch es war nicht mehr die stolze Sith, die durch den Staub in Richtung der Stadt schritt. Nur eine galaxiserfahrene Twi’lek, die man nicht so leicht übervorteilen konnte.

Oh, ihre Kindheit hatte sie geprägt. Viele der Narben, die Ald’ana n ihrem Körper trug, hatte man ihr bereits in jungen Jahren beigebracht. Doch während die unerbittlichen Gezeiten einen Stein zu Sand zermahlten oder seine Kanten rund und glatt wuschen, war sie zu einer Speerspitze geworden. Ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen, würde bedeuten, der Quelle ihres Hasses zu entsagen – und damit auch einem wichtigen Teil ihrer Verbindung zur Macht. Im Gegensatz zu ihrer Zeit als Schülerin unter Renata June war der Hass nicht mehr allgegenwärtig, sondern äußerte sich nur noch in vereinzelten Momenten, in denen die dunkle Jedi zu einem gefährlichen Raubtier, manchmal gar einer Naturgewalt wurde. Doch sie hatte längst gelernt, ihre Machtbegabung durch Leidenschaft und Grausamkeit zu kanalisieren. Zu genießen, statt zu leiden. Doch dies war nicht das gleiche, wie mit ihrer Vergangenheit abzuschließen. Zumal es eine Person gab, die sie immer an das erinnern würde, das sie gewesen war. An den Verlust, den sie erlitten hatte. Wenn sie sich darauf konzentrierte, konnte Ald‘ana ihre Meisterin noch immer in der Macht spüren – und eines Tages würde sie Renata aufspüren und zur Strecke bringen. Der Triumph des Schülers über den Meister.

Ein dekadentes Lächeln schlich sich in ihre Züge. Was würde Renata June dazu sagen, dass Ald’ana nun die Aufmerksamkeit des neuen Imperators auf sich gezogen hatte, gar in gewissem Maße sein Vertrauen genoss? Würde sich ihre einstige Meisterin anbiedern, um ebenfalls Vesperums Gunst zu erhalten? Sich auf alte Bande berufen? Auf die Rettung einer jungen Sklavin von Ryloth? Vor welche Wahl du mich damals gestellt hast... Mich erschießen zu lassen oder dem Imperium zu dienen. Ich habe deine ‚Gnade‘ nie vergessen. Und wenn wir uns wieder begegnen, werde ich mich dafür … erkenntlich zeigen. Während sie im unsichtbaren Spinnennetz ihrer Gefühlswelt gefangen war, lauschte Ald’ana dennoch aufmerksam ihrem machtvollen Begleiter. Noch wusste sie nicht, wie sie dieses Ziel erreichen sollte. Gefühle gaben einem Sith seine Macht und ihre Emotionen waren noch immer eng mit ihren Erinnerungen verknüpft. Sie war nicht länger die hilflose, unterworfene Person aus ihrer Vergangenheit. Doch sich von dieser Person zu lösen, gar zu befreien, lag nicht in der Natur der dunklen Seite. Nichtsdestotrotz faszinierte Ald’ana diese Sichtweise und in ihrem tiefsten Kern wusste sie, dass sie ein solcher Schritt ihrer Erlösung ein Stück näher bringen würde. Doch diese leise Stimme wurde auch von einer Seite genährt, die mit ihrem jetzigen Leben ganz und gar nicht im Einklang stand. „Ich werde mir Eure Worte zu Herzen nehmen, mein Lord.“ Es war eine nachdenkliche Antwort, die sie gab. Doch sie hatte zumindest mehr Gehalt als die Aussage, dass sie darüber nachsinnen würde. Das tat die Dunkle Jedi ohnehin – ob sie es nun wollte oder nicht.

Vesperums ominöse Worte gaben ihr ebenfalls zu denken. Doch der Imperator wusste mehr über diese Mission als sie und würde sein Wissen nach eigenem Gutdünken mit ihr teilen. Sie als seine Dienerin und Jägerin tat gut daran, solchen Äußerungen Aufmerksamkeit zu schenken und sich dessen während ihrer Suche bewusst zu sein. Die Macht sandte ihr bereits deutliche Zeichen, dass der Planet ihre ‚Heimkehr‘ bemerkt hatte. Auch das Artefakt war ein fester Teil von Ryloths Geschichte, auch wenn es sie vielleicht nie direkt beeinflusst hatte. Diese Spuren zu finden und zu verfolgen, würde ebenfalls ihre Aufgabe sein. Doch Spuren der Macht waren deutlich schwerer zu verwischen als Spuren im Sand. Sobald sie die Fährte aufgenommen hatten, würde die dunkle Seite sie leiten. Kälte kroch in ihre Glieder, machte die nächsten Schritte beschwerlich – und selbst der Imperator schien von einem eisigen Wind durchfahren. Seine Worte hatten einen eisigen Klang und sein Atem ging schwer, als hätte ihm die Macht gerade eine Vision gesandt. Nur warum wirkte er dann so … angegriffen? Hatte er seine eigenen Sinne ausgestreckt und war auf Widerstand gestoßen? Nicht selten hatten Sith-Lords ihre Artefakte mit dunklen Kräften gesichert, damit niemand ihren Besitz stehlen konnte. Derartige Sicherungen währten oft auch länger als die Lebenszeit des Sith – diese unliebsame Erfahrung hatte Ald’ana bereits machen müssen. Doch der Imperator trug den Sieg davon – wie konnte er auch nicht – und die Kälte verflog. Eine befremdliche Mischung aus Hingabe, Mitgefühl und Abscheu lag in den Zügen der Twi’lek, ehe sie sich fasste und mit analytischer Stimme wieder das Wort ergriff. Einen Mann wie Vesperum fragte man nicht danach, ob es ihm gut ging oder er Unterstützung brauchte.

„Ein Markt?“ Diese Aussage hatte sie tatsächlich überrascht. „Da könnte die Dinge erheblich vereinfachen. Dann ist es sehr wahrscheinlich, dass das Artefakt bereits gefunden wurde. Aber möglicherweise weiß sein Besitzer nicht, was er dort in Händen hält. Ich frage mich, inwieweit es die Umgebung bereits beeinflusst hat“, teilte sie laut ihre Gedanken mit. Einige Gegenstände der Sith waren für den Unbedachten ungefährlich. Es erforderte Machtbegabung oder sogar eine Ausbildung in der dunklen Seite, um sie nicht nur für Tand zu halten. Andere jedoch schienen fast einen eigenen Willen zu besitzen und strahlten ihre Präsenz auf ihre Umgebung ab. Waren dazu in der Lage, selbst Wesen ohne Zugang zur Macht zu beeinflussen. Nach Vesperums Resonanz vermutete sie fast, dass es zur letzteren Kategorie zählte. Doch deswegen konnte ein ignoranter Twi’lek seinen wahren Wert noch immer verkennen. Ald’ana fühlte sich von Stolz durchflutet, als er von den Sith sprach. Noch zählte sie nicht zu ihnen, war wieder zu einer Schülerin geworden, die umso neugieriger die dunkle Seite studierte. Doch eines Tages würde sie den Titel eines Darth tragen. Das war ihr erklärtes Ziel – und diese Mission war ihr erster Schritt dorthin. Sein wahrer Name rührte etwas in ihr. Doch sie war klug genug, nicht danach zu fragen, was für ein Mensch jener Aidan gewesen war. In ihrer Sprache ließ sich der Name grob mit ‚Zeit des Mondes‘ übersetzen. Er passte zu dem Mann, der neben ihr ging – selbst wenn dieser inzwischen den Namen Vesperum trug.

„Aidan“, wiederholte sie und versah die Aussprache dabei wieder mit ihrem eigenen Akzent, sodass es der Wortbedeutung auf Ryl noch näher kam. „Wie Ihr wünscht“, mein Lord. Sie waren nun nahe genug an Lessu, dass die ersten Stände in Sicht kamen, die noch vor dem Eingang zur Stadt lagen, und sie bald in den Strom aus Bewohnern und Besuchern eintauchen würden. Ihre Maskerade musste perfekt sein. Ald’ana besann sich auf die Auswirkung ihrer Meditation – auch wenn es unwahrscheinlich war, dass ihnen ein anderer Machtbegabter begegnen würde – als sie erneut eine Welle aus Kälte spürte, die den Moment förmlich einfror. Die Personen, die sie umgaben, welkten vor ihren Augen dahin. Verwitterten und verwesten, bis nur noch blanke Totenschädel ihr entgegenblickten. Ald’ana atmete scharf ein, doch sie zwang sich zum nächsten Schritt, anstatt vor dem Schreckensbild zurückzuweichen. Alte Wut wurde angefacht, loderte in ihrem Inneren und schmolz den Frost. Ließ die Toten wieder lebendig werden – vor ihrem inneren Auge zumindest – und der unnatürliche Moment war verstrichen. Dennoch dauerte es eine Weile, bis ihr Herzschlag sich beruhigt hatte. Dies waren keine Erinnerungen, die sie bewusst herbeigeführt hatte. Dessen war die Dunkle Jedi sich sicher. „Möglicherweise hatte ich gerade eine … Offenbarung“, erklärte die Twi’lek unverfänglich, während sie sich in die Menge einreihten, die den Weg über die Energiebrücke beschreiten wollten. „Über die Vergangenheit dieses Ortes – oder seine Zukunft. Doch ich bin fest überzeugt, dass wir uns auf der richtigen Spur befinden.“
Offline
Zitieren
 


Nachrichten in diesem Thema