#5
Zahllose Erinnerungen brandeten gegen ihre inneren Barrieren und wirkten doch so fremd, als würden sie aus einem anderen Leben stammen. Wenn sich Ald’ana darauf konzentrierte, konnte sie alles wieder vor sich sehen – auch wenn es nicht hier geschehen war. Hörte die Schreie ihrer Artgenossen und das Brüllen von Explosionen. Sah den Mahlstrom aus schmutzigem Weiß und verkratztem Metall vor ihren Augen, der von gleißenden Lichtern durchzogen war. Doch all diese Erinnerungen gehörten einem wehrlosen Twi’lek-Mädchen, nicht der stolzen dunklen Jedi, die sie heute war. Und die Vergangenheit, derentwegen sie hier war, lag Jahrhunderte länger zurück als ihr eigenes Leben währte. Dies war keine persönliche Reise – es war eine Mission, die sie nur zufällig nach Ryloth geführt hatte. Darüber hinaus durfte sie Vesperums Gegenwart in keinem Moment vergessen. Der Imperator wirkte … unbeschwerter. Auch wenn dies das falsche Wort dafür war und dieser Eindruck ebenfalls von dem Trugbild herrührte, das er als Antlitz gewählt hatte.

Ald’ana zwang sich zur Disziplin und die schmerzlichen Erinnerungen wurden vor ihrem inneren Auge zu Staub. „Es ist der Ort, an dem ich die Jahre meiner Kindheit verbracht habe“, erwiderte sie abwertend. „Ich frage mich, ob dies genügt, um einen Ort als Heimat zu bezeichnen.“ Doch Ryloth hatte diesen Status noch am Ehesten verdient. Hier war sie geboren, hier lebten und starben ihre Vorfahren, hier hatte ihr Volk seine Wurzeln. Nur hatte man ihr selbst diese Wurzeln schon vor vielen Jahren ausgebrannt.
„Es ist eine raue Welt. Voller Steppen, felsiger Einöden und Vulkanlandschaften.“ Nur am Äquator gab es einen grünen Streifen, der aus dichtem Dschungel bestand und von gefährlichen, teilweise insektoiden Raubtieren bewohnt wurde. „Um uns vor dem Klima zu schützen, ziehen wir Twi’lek ein Leben im schützenden Gestein vor. Die meisten Siedlungen befinden sich an Bergen und Höhlensystemen. Bisweilen reichen sie viele Stockwerke in die Tiefe.“
Die dunkle Jedi legte eine Hand an ihr Kinn und überlegte, während sich ihre Lekku leicht im Wind wiegten. „Sofern sich das Artefakt, nach dem Ihr sucht, in einer Art Tempel oder Grabkammer befunden hat, ist nicht auszuschließen, dass im Laufe der Zeit eine Twi’lek Siedlung darum gewachsen ist. Möglicherweise wurde es auf diese Weise auch bereits entdeckt. Doch in jedem Fall sollten Eure und meine Fähigkeiten ausreichen, um es aufzuspüren.“

Ein Ort, der von der Macht geprägt war, hinterließ immer eine Spur im kosmischen Gefüge. Manchmal war diese Signatur sogar so stark, dass selbst Personen ohne Machtbegabung sie wahrnehmen konnten. Sofern ihre eigenen Sinne sie nicht leiten konnten, lohnte es sich, bei der Bevölkerung nach Gerüchten über verbotene und verfluchte Orte zu fragen. Ald’ana versuchte sich auf Strömungen der dunklen Seite zu konzentrieren. Doch die Präsenz des Imperators machte es schwierig, etwas anderes wahrzunehmen. Vesperum überschattete im wahrsten Sinne alles, das sie in der näheren Umgebung wahrnehmen konnte. Und doch war da ein leichtes Zupfen. Etwas war hier auf Ryloth, das auf ihre Anwesenheit reagierte – und sei es nur, weil es ebenfalls der dunklen Seite entstammte. Die Spuren würden deutlicher werden, wenn sie erst die anderen Eindrücke herausgefiltert hatte, die sie wie ein altvertrauter Geruch umwehten. „Ich fühle einen Ort voller Leben. Nicht nur Twi’lek… Auch andere Spezies sind darunter.“ Ein Hauch Erleichterung lag darin, dass Ryloth sich von den vergangenen Schrecken zu erholen schien. Es gab keinen Grund, dem Volk dieses Planeten Unglück zu wünschen – selbst wenn es sich abermals auf die Seite der Republik geschlagen hatte…

„Das Objekt Eurer Begierde bleibt mir jedoch noch verborgen, mein Lord“, musste Ald’ana eingestehen. „Doch es ist ohne Zweifel, dass es sich auf dieser Welt befindet. Es ist nur eine Frage der Zeit.“ Sie beobachtete mit einem leichten Lächeln, wie er mit einem einfachen Gedankentrick die beiden Raumhafenarbeiter zum Umkehren bewegte. Im Gegensatz zu Vesperums Illusion war ihr dieser Gebrauch der Macht bestens vertraut und hatte ihre Unterhaltungen so manches Mal vereinfacht. Die Twi’lek hielt sich an seiner Seite, als sie den Weg in Richtung Stadt fortsetzen, und sondierte immer wieder die Umgebung. Als Ald’ana das nächste Mal das Wort an Vesperum richtete, war ihr Basic von einem leichten Akzent geprägt. Diesen würde sie für die Dauer ihres Aufenthalts beibehalten, solange sich andere Personen als der Imperator in ihrer Nähe befanden. „Unter welchem Namen soll ich Euch ansprechen, falls dies nötig sein sollte?“, fragte sie und ließ die Spitzen ihrer Lekku wie im Gespräch ein wenig tänzeln.
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