#13
Es gab doch Gemeinsamkeiten zwischen Amber und ihm: Sie machten beide immer weiter, egal, wo sie standen oder wie sinnig ihre Handlungen waren. Dieses Wiederholen von Prozessen war ihnen beiden gemeinsam. Amber wiederholte ihre hoffnungsvolle Plattitüde und spielte ihre Rolle als selbstsichere Frau mit Bravour. Alron Berrik spielte seine Rolle als kalter Beamter und fand sich selbst in seiner emotionalen Wüste wieder. Tiefer fielen beide in dieses Spiel, in diesen Wahnsinn - in das neue Wunderland voller grauer Farben. Die Sonne ging für beide unter aber nicht wieder auf. Niemand schnitt sie aus ihren Leben hinaus, setzte sie neu ein und gab ihnen bessere Karten, um dieses Spiel besser zu machen. Dieses dumpfe Gefühl beschlich den Imperialen, deplatziert zu sein, kauerte sich in die hinterste Ecke von Berriks Verstand. Sie sprach wieder von Kämpfen. Immer wieder kämpfen aber wofür? Es gab nichts, außer dieses eine Leben, welches man hatte. Es wurde einem gnadenvoll geschenkt, ob man es nun wollte oder nicht. Man hatte es und musste damit leben; in diesem Wunderland, welches scheinbar geordnet war aber jederzeit, wie ein Kartenhaus zusammenbrechen konnte. In der Tat war es ein Märchen - nur ohne Happy End. Tiefer hinein in diese Märchenwelt voller Betrug, Verrat, Selbstaufgabe und Unmoral. Das war das echte dunkle Wunder, was Amber mit Berrik zusammen geschaffen hatte. - Oder besser Berrik. Dieser Mann hatte es geschafft, Amber Ghazalah neu zu definieren, auf einen Kurs zu schicken, der sie einmal verdammen würde. Hatte er es bewusst getan oder unbewusst? Es spielte keine Rolle mehr. Beide standen sie nicht mehr auf solidem Boden, sondern wankten umher und suchten irgendwo Halt in Floskeln und Lügen. Die Erkenntnis war das Gift. Die Erkenntnis, sich selbst zu betrügen. Das war die wahre Zelle, aus der aus kein Entkommen gab. Sich genügsam dem Selbstbetrug hinzugeben, wie es Berrik tat.

"Ein Krieg oder Kampf hat keinen Zweck, wenn man ihn vermeiden kann," folgte wieder eine pseudo-wahre Floskel, die fast pazifistisch daherkam aber voller Kälte war. Alron Berrik war kein Kämpfer, kein Mann von fixen Überzeugungen, sondern ein aalglatter Beamter, welcher in jedes System passte. Irgendwie hatte es immer funktioniert und nur Funktion spielte eine Rolle. In post-demokratischen Strukturen waren Ideale einfach nicht mehr gefragt, sondern waren nur noch Markenrechte, Markenzeichen eines Staates und nicht mehr verinnerlichte Überzeugungen. Es ging einfach nur darum, weiter zu machen. Weitermachen, wie die beiden an diesem Tisch hier. Wahrlich war Ambers Widerstand bedeutungslos für die galaktische Entwicklung und auch für diesen Berrik. Warum sollte es sie kümmern? Es war nur eine Person, die wirklich an etwas glaubte und sich damit betrog. Dieser Krieg hatte gut daran gewirkt, Moral zu zerschlagen.

Dieser Bürgerkrieg hatte die Grundfesten der Gesellschaft erschüttert. Mit einem Schlag waren Planeten verschwunden und an einem aktiven Kriegstag starben mehr Menschen als man sich bildlich vorstellen konnte. Warum sollte es Berrik da kümmern, was diese Person vor ihm dachte? Selbst in den Gefängnissen des Imperators saßen jetzt mehr Menschn und Lebewesen ein, als man glauben wollte. Auch bei Zsinj war es nicht anders. Gewalt war alltäglich geworden und legitimes Mittel eines Staates, welcher nicht mehr zu existieren schien. Es waren nur noch Richtungen. Entweder links in den Abgrund oder rechts in den Abgrund. Berrik war nicht bereit, einen Weg zu wählen und zog es vor, einfach das zu tun, worin er gut war: akzeptieren. Indem er nicht wirklich glaubte, sich nicht emotional beteiligte, würde er am Ende den Krieg überleben. Wer in den Krieg zog, ging unter. Das war die einfache Tatsache dieser Tage. Dieser Imperiale hatte seinen Platz als am Tisch des Dicken gefunden, würde dort bleiben, solange seine Funktion dort verblieb. Berrik wählte eigentlich nicht mehr, sondern trieb durch dieses System. Amber konnte dies nicht begreifen, weil sie selbst emotional beteiligt war. Für den Gesandten war dies das beste Beispiel dafür, warum er sich gegen Beteiligung entschieden hatte. Fantasielos blickte Berrik Amber an und presste die Lippen zusammen.

"Lassen Sie uns weiter machen," brachte er es mal wieder maschinell auf den Punkt. Tiefer hinein in dieses kalte Wunderland.

"Meine Person ist unwichtig für diesen Fall." Wie ein Fallbeil sauste diese Antwort aus seinem Mund und durchtrennte die Hoffnungen, die die Vertreterin von Terminus vielleicht gehabt hatte. Berrik nahm sich mal, wie geübt, aus dem Feuer. Keine moralische Dispute, keine persönlichen Fragen, sondern nur die Aufgabe. Bewusst hatte er die Formulierung "Fall" gewählt, um Amber deutlich zu machen, dass es hier nicht um Privatgespräche ging und sie nur eine beamtische Angelegenheit von vielen war. Es gab hier nichts zum Leben zu äußern. Es gab hier nichts über ihn, was es wert war, darüber zu sprechen. Berrik war inzwischen gänzlich in die Defensive gewechselt, um weitere persönliche Fragen abzuwehren. Keine emotionale Beteiligung, auch hier nicht. Damit überlebte dieser Mann. Immer. Kein Kennenlernen und keine Bindung zu einer Person, die ihm eine Gefahr sein konnte.

Dieser Diebstahl seines Getränkes hatte aber all diese Mechanismen für einen Moment unbrauchbar gemacht. Völlig verschüchtert, gaffte er noch immer auf die schöne Frau. Seltsam war es. "Es gibt nur eine Sicherheit und das ist das Geschäft. Seien Sie uns etwas wert," sagte er dann, nachdem er seine Worte wieder gefunden hatte. Dann tat auch er etwas, womit Amber sicherlich nicht gerechnet hatte. "Ich werde nun die Getränke bezahlen und gehen." Der Fall war abgeschlossen. Es gab keinen Zweck für weitere Worte mehr. Der Sieg war erreicht und weitere Ausführungen mit dieser Dame konnten den Plan gefährden. Berrik, ganz in seiner Funktion, entschied sich, die Flucht anzutreten, um sich keine weitere Blöße zu geben. "Einen guten Tag," floskelte er dann noch imperial und deutete eine kleine Verbeugung an. Leere Höflichkeitsgesten eines leeren Mannes, welcher gerade abtrat, um an der Bar ein paar Credits abzugeben.

Später würde er sich dafür verabscheuen, nicht etwas Mensch gewesen zu sein aber es ging einfach nicht mehr. Die Nutten, davon gab es hier genug, würden helfen. Ein wenig Wärme im Bett geben, wenn die Einsamkeit und Kälte kamen.
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