#8
Wen hatte sie sonst? Die Frage war so beiläufig gefallen, so unwichtig und doch traf sie Amber seit jeher wie ein Schlag. Denn sie kannte die Antwort, alle kannten die Antwort. Sie hatte niemanden, war allein, das letzte Überbleibsel eines verlorenen Krieges, der Schatten, der Nachhall, das, was vom Leben übrig bleibt. Und trotzdem so stur, stolz und unbeugsam wie eh und je, weil sie glaubte. Sie glaubte an ihre gerechte Sache, Amber tat, was sie tat, weil es ihrer Überzeugung entsprang, weil ihre Worte, ihr Körper und Geist lebendig waren und keinem toten Mantra folgten, das lange schon leer und ausgehöhlt war. Vielleicht war dies die vermeintliche Schwäche, die Berrik in ihr sah, für das sie von so vielen belächelt wurde, als wüsste sie es einfach nicht besser. Amber lebte, sie hatte nicht vergessen mitzufühlen, nicht vergessen, wem ihre Treue galt und für wen sie die Verantwortung trug. Sie benötigte nicht den persönlichen Vorteil um zur Handlung motiviert zu werden, aber sie war auch wankelmütig, der Geheimdienst würde es vielleicht sogar als illoyal einstufen, wie sich hier zeigte. Amber wusste das, aber schlussendlich entsprang der vermeintliche Verrat paradoxerweise ihrer Ehrlichkeit. Sie konnte sich nicht für einen Staat verbiegen, an den sie nicht glaubte, deren Führung sie nicht vertraute und nie vertrauen würde, denn schlussendlich würde die Neue Republik über kurz oder lang im Übel der Alten Republik versinken. Das unreformierte alte System ließ es nicht anders zu und vielleicht war es sogar so gewünscht. Aber das spielte keine Rolle. Sie war allein, durchaus, aber sie war schon immer allein gewesen, hatte immer alles allein geschafft. Dafür hatte sie die Hilfe der Republik nicht gebraucht und auch nicht die Hilfe von Zsinj. Manche meinten vielleicht, sie hätte der Republik nicht beitreten sollen, Terminus als neutrale Welt, doch schlussendlich mussten sie einsehen, dass sie in einem offenen Krieg von den ressourcenhungrigen Giganten schlussendlich zermalmt worden wären. Und doch war es ihr gelungen die Republik auf relativen Abstand zu halten, die Zusammenarbeit im Terminus-System auf das nötigste zu begrenzen. Selbst die Unterstützung durch die republikanische Flotte hatte sie abgelehnt - sie vertrauten auf ihre eigene Verteidigung, ihre eigene Stärke. Denn nur zu schnell ging es, da wurden aus republikanischen Flottenkommandeuren plötzlich Regionalgoverneure und Regierungen über Nacht entmachtet, Völker entmündigt. Schlussendlich lag Terminus so sehr am Rand der Galaxis und im Hauptgebiet der Republik, dass mehrere Planeten als Pufferzonen gab und ein ernsthafter Angriff kaum zu befürchten war, erst recht nicht wenn es mit den großen Werften von Sluis Van und Sullust viel lukrativere Ziele gab.

Schlussendlich stellte sie Berrik vor die erwartete Wahl, aber der Mann verkannte, dass ihr das Spiel des Großmoffs vertrauter war, als er ahnte - denn war es im Prinzip nicht auch ihre Methodik? Die Republik gegen das Imperium zu unterstützen, es zu zerstören, in der Hoffnung, dass am Ende nicht mehr genug vom Ideal der Republik verblieb um damit einen Staat zu füllen? Dennoch hatte er sie mit seinen Worten getroffen, beinahe so, als wäre sie plötzlich aus einem Traum aufgeschreckt. "Ich bin niemandes Diener, Mister Berrik.", entgegnete sie ungewohnt scharf. Er mochte ihr in diesem Punkt widersprechen, doch musste selbst der eiskalte Imperiale bemerkt haben, dass sie sich niemanden beugte, niemanden unterwarf, sondern lediglich ihren Interessen und den Interessen der Bevölkerung Terminus folgte. Berrik wusste es, versuchte sie zu locken und Ködern, weil er wusste, so wie sie auch, dass ihre Möglichkeiten am Ende sehr begrenzt waren, anders als Zsinj besaß sie keine Durckmittel sondern nur ihr Wort, ihre Schwäche war, dass sie dazu gezwungen war, anderen zu Vertrauen, eine tatsächliche Sicherheit aber gab es nicht. Für einen Moment versuchte sich Amber einzureden, dass die Republik wohl einen gemäßigteren Expansionsdrang als der Großmoff an den Tag legen würde, doch sie erkannte die Selbstlüge dahinter. Die Republik würde, wie das Imperium, alle Welten beanspruchen, wenn sie sich erst gefestigt hatte. "Wenn ich sie unterstütze, diene ich nicht.", sprach Amber in mattem Ton, eher zu sich selbst als zu Berrik, als müsste sie sich noch einmal bestärken, ihren Glauben und ihren Willen festigen. "Ich werde deshalb darüber nachdenken, wenn er in diesem Punkt tatsächlich... offen ist. Aber unterliegen Sie nicht dem Trugschluss, dass ich nicht merke, wenn sie versuchen mich zu locken, wie Sie versuchen mich zu locken. Ich bin mir meiner Lage sehr wohl bewusst." Eine, so sie sich von Moral und Anstand lossagen würde, sehr angenehme Lage. Amber müsste nur ihr Gewissen beiseiteschieben, ihm die volle Unterstützung zusagen und hätte zeit ihres Lebens, solange es Zsinj gab, ausgesorgt. Aber zu welchem Preis? Selbstverrat verbrannte die Seele und ließ nur verkohlte Überreste im inneren zurück, wie in Alron Berrik.

Trotz allem konnte sie den Mann möglicherweise wachrütteln, sein inneres Uhrwerk, das so stur und unnachgiebig immer weiter tickte durcheinanderbringen und es brauchte nur ein winziges Staubkorn, damit die Maschinerie ins stocken gerät. "Die Idee von Ordnung und Sicherheit ist älter als Sie und ich, sie ist älter als dieses Imperium.", erklärte sie sanftmütig und lächele leicht, als erläuterte sie Berrik noch einmal in aller Ruhe, was er eigentlich wissen sollte, aber in einem schwachen Moment verdrängt hatte. "Sie existiert seitdem es Leben in der Galaxis gibt. Aber Ordnung und Sicherheit sind etwas anderes als Bevormundung und Ängstigung, als Kontrolle und Machtsucht. Sie wissen, was die Wahrheit hinter Ihren Worten ist, Sie wissen was Ordnung und Sicherheit für die meisten Aliens bedeutet. Sie müssen sich nicht hinter einer Worthülse verstecken. Eine Idee, ein Ideal, ist ein Leuchtfeuer, dass die Leute anzieht, dass ihnen Schutz und Wärme bietet, unter Gleichgesinnten, ohne sie mit seinen Flammen zu verbrennen. Der Konflikt besteht allein deswegen, weil zu viele Wesen denken, es könnte nur ein Leuchtfeuer geben, dass eine Koexistenz nicht möglich ist und nicht weil es Imperatoren und Kriegsherren gibt."

In ihre Augen mischte sich eine Spur von Traurigkeit, nicht etwa, weil sie ihr die gebotenen Optionen nicht sonderlich gefielen, sondern weil Berrik es aufsagte wie eine Maschine, wie vom Großmoff ferngesteuert, programmiert, ohne wirklich auf sie einzugehen. Beinahe wäre es ihr lieber, er wäre wieder der dreiste Charmeur wie zu Beginn ihres Gesprächs, bei dem seine Wünsche, Bedürfnisse und Gelüste nur zu deutlich aus dem Gesicht zu lesen waren. Es machte ihn menschlicher, anfälliger für Fehler, schwächer - denn schlussendlich war Amber vollkommen klar, dass er sie in die Ecke drängen würde, dass er, wenn sie erst angebissen hatte, eine Forderung nach der anderen nachschieben konnte und fürchten zu müssen, dass sie ernsthaft ablehnen konnte. "Nun...", begann Amber in beiläufigem Plauderton und machte sich daran die verschrobene Lederjacke auszuziehen, wohl bewusst, dass sie ihren Oberkörper ein wenig nach vorn schieben musste, um ihre Arme aus dem Ärmeln zu ziehen. "...Sie wissen so gut wie ich, dass die Republik so oder so angreifen wird, unabhängig davon wann, was und wie ich etwas sage. Aber Sie überschätzen meine Position wenn Sie glauben, ich könnte ihm unsere Eroberungen einfach überlassen, Sie wissen dass ich nun... sagen wir manchmal prinzipiell abgelehnt werde.", fuhr Amber schließlich fort während sie ihre Jacke zusammenfaltete und neben sich platzierte. "Ich kann Sie natürlich versorgen, aber Sie werden bezahlen müssen - wie alle anderen auch. Rabatte und Vergünstigungen jenseits meines jetzigen großzügigen Angebots sind...", sie begann ihr Top ein wenig zurechtzuzupfen und lächelte schließlich gewinnend "...Verhandlungssache. Ich muss Sie nicht erst über Wirtschaft belehren, Sie wissen, dass ich Gewinn erwirtschafte muss. Sie wissen, dass mein Firmenwachstum auch Ihnen schlussendlich Vorteile einbringt." Die Ratsherrin hatte ihre Taktik geändert, diktierte selbstbewusst und überzeugt ihre Spielregeln als unumstößliche Fakten. Aber was machte diese Zusage aus ihr? Eine Verräterin? Eine ehrlose Lügnerin, die nur sich selbst sah? Nein. Es ging um den Erhalt derer, die im letzten Krieg so viel verloren hatten, entschied sie, um sie vor der Vereinnahmung, der Auslöschung ihres freien Willens, sei es durch Republik unter Imperium, zu schützen und zu bewahren. Und wenn es ein Pakt mit dem Teufel war, dann sollte es eben so sein.

"Doch Sie können.", widersprach sie Berrik schließlich dreist, denn es war die Wahrheit und er musste verstehen, dass er durchschaut wurde, er musste begreifen, dass sie freiwillig in diesen Abgrund sprang und sich jeder Konsequenz, jedes Risikos, vollkommen bewusst war. "Aber es würde seiner Strategie widersprechen. Deswegen wird er nicht helfen - er kann nicht einschreiten, ohne sein Gesicht zu verlieren. Mir ist sein Standpunkt vollkommen klar. Aber er setzt auf Langfristigkeit, er wettet darauf, dass die Republik sich verrennt doch am Ende muss sie es bis in den Kern schaffen. Andernfalls ist sie Geschichte und wenig später wird er es auch sein.", erklärte Amber sachlich und ruhig, als hielt sie es für nötig Berrik noch einmal daran zu erinnern, was genau Krieg alles beinhaltete, dass jede Handlung oder unterlassene Handlung Konsequenzen nach sich zieht und das selbst mächtige Kriegsherren nicht stetig vor unangenehmen Entscheidungen gefeit waren.
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