#18
Sie waren gefangen. Sie konnten nirgendwo hin. Die Flucht, sie war vergebens. Mera zerrte an den Ketten, die man ihm auferlegt hatte. Natürlich waren das keine Ketten im eigentlichen Sinne. Aber doch waren sie ebenso effektiv wie diese - oder in gewisser Weise vielleicht sogar noch mehr als das. Bewegen konnte er sich zwar - aber nur äußerst eingeschränkt. Man konnte schon davon ausgehen, dass das Imperium mit dem Festsetzen von "Störfaktoren" bereits eine gewisse Erfahrung hatte. Denn nichts Weiteres waren sie. Störfaktoren. Das Imperium war nicht gerade dafür bekannt, Leben als Solches anzuerkennen - und schon gar nicht, wenn es um das Leben von Aliens ging. Je fremdartiger, umso weniger schien dieses "Leben" wert zu sein. Mera hatte das schon mehrmals feststellen dürfen - doch jetzt war es einmal mehr soweit. Er lauschte dem Gespräch der beiden Piloten, während er auch immer wieder zu Rankis sah. Ja, er war betroffen, dass sie hier mit ihm ein saß. Das war das Schlimmste an der Sache: Dass sie hier war. Aber es war gleichzeitig auch ein kleiner Lichtschein. Gemeinsam konnten sie schließlich jedes Problem bewältigen, so war es doch bisher immer gewesen. Warum sollte sich das ausgerechnet am heutigen Tag ändern? Meras Gedanken kämpften gegeneinander. Die einen meinten, dass sie auch dieses Mal aus dieser misslichen Lage heraus kommen würden. Die anderen aber, und das waren die, die immer lauter wurden, sagten ihm, dass es diesmal wirklich gelaufen war. Sie saßen schon im Gleiter irgendwo hin und waren weit von zuhause weg - so weit, wie noch nie zuvor.

Doch da vernahmen seine Ohren den Befehl. Sektor Blau? Weelak-Straße? Er sah hinüber zu Rankis. Das war doch ihre direkte Nachbarschaft? Lebten da nicht einige der Kinder, mit denen sie losen Kontakt pflegten? Was war denn nun los? Reichte es etwa nicht, dass man sie gefangen hatte? Was hatte man vor? Mera verstand es nicht, sein Weltbild hielt ihn davon ab, zu realisieren was hier wirklich vor sich ging. Einmal mehr sah er zu Rankis - und dann wieder auf seine Füße. Was würde nun kommen? Der Befehl klang wirklich nicht gut. Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen. Ob wohl jemand gesehen hatte, wie man mit den Kindern umgegangen war? Ob etwa genau sie der Auslöser dafür gewesen sein könnten? Er konnte sich eigentlich nichts Anderes vorstellen. Fast jeder in dieser Straße kannte das berühmt-berüchtigte Duo. Und jetzt sollte genau in dieser etwas passiert sein? Er verstand vielleicht nicht viel von der Welt gerade - aber in dieser Sache war er sich sicher.

Doch was er dann sah, verschaffte ihm direkt einen Stich tief durch das Herz. Nicht mit einem Dolch, nicht mit einem Schwert. Einem ganzen Speer. Die Leute da unten, er kannte sie! Und es wurde auf sie geschossen. Erbarmungslos, wie auf irgend ein Ungeziefer. "Nein. Nein! Bitte! Hört auf!" meinte er und hielt sich den Kopf. Diese Bilder, es war, als könnte er durch die eigentlich dichten Scheiben des Gleiters alles hören. Es war, als würde er direkt daneben stehen. Und, es war, als würde er den Schmerz jeder Person dort wahrnehmen können. Konnte spüren, wie hier jemand den Arm verlor, dort jemand bei lebendigem Leibe verbrannte, da überfahren wurde. Ihm war speiübel. Fast hätte er sich auch tatsächlich übergeben. Aber als es dann auch noch mit den Schüssen von Seiten des Schiffes los ging, geriet er regelrecht in Panik. Die Fesseln, sie schnitten sich tief in sein Fleisch, bis sie sich blutig rot färbten von seinem Lebenssaft. Aber er gab nicht auf. Er brach in Tränen aus, wollte fliehen, aber wohin denn? Dort nach unten vielleicht? Ja, vielleicht. All das Leid, es war so hässlich, so grausam, so... intensiv.

Und dann... geschah etwas neben ihm. Etwas explodierte regelrecht, mit einer solchen Intensität, dass er aus Reflex die Binder abriss, er war frei. Aber das realisierte er nicht. Er wusste nicht, was hier genau los war, war hier drinnen geschehen war. Er wusste nur, da war Rankis. Es war nichts explodiert, aber es hatte sich so an gefühlt. "Rankis. Rankis..." meinte er und stürzte gleich zu ihr, um ihr die Fesseln abzunehmen. Gerade in dem Moment, in dem der Gleiter schrill zu Piepsen begann. Er wusste nicht, was genau geschehen war. Er wusste nur Eines: Sie würden abstürzen! Er stürzte nach vorne, wollte an die Kontrollen gelangen. Aber das Schiff strauchelte und taumelte so sehr, es war aussichtslos. Mera fiel längs zwischen die beiden Männer - eine denkbar schlechte Ausgangsposition! Und immer noch waren sie im Begriff, abzustürzen... zumindest wollten ihnen die Instrumente genau das weis machen!
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