#4
„Und was habe ich davon, Kriegsherr?“, fragte die bläuliche Gestalt im Holo-Projektor. Erwartbar. So erwartbar. Es ging darum, immer nur darum. Ganz gleich, wen man in dieser Galaxis fragte, es war immer nur eine Frage des Preises. Jeder hatte einen Preis. Jeder. Idealisten waren in der Regel nur solche Leute, die noch nicht herausgefunden hatten, wie hoch ihrer war, oder solche, denen bisher schlichtweg noch niemand ein Angebot gemacht hatte. Beides war leicht zu kontrollieren, wenn man wollte. Und wenn man ein Gespür hatte. Es gab Leute, die dies hatten und die sehr genau abschätzen konnten, wie weit sie gehen konnten.
„Sie verletzen mich. Ich hatte erwartet, meine Sympathie wäre ausreichend“, spielte Großmoff Zsinj gekränkt, ohne sich jedoch ein abstoßendes Grinsen aus dem fetten Gesicht zu zaubern. Er wollte, dass der andere es auch gut sehen konnte. Manchmal konnte er einfach nicht anders. Manchmal wurde er schlichtweg wieder zu dem Kind, das es so sehr liebte, mit seinen kleinen Tieren zu spielen, welche so unwissend und anders waren, die gar nicht verstanden, was er mit ihnen tat. Man musste nur wissen, wie weit man gehen konnte. Wenn man diesen Punkt abschätzen konnte und wusste, wie weit man den Bogen spannen konnte, ehe eine Person umschlug, konnte man viel erreichen, sehr viel. Neben der eigenen Belustigung auch seine Ziele, auf die man so oder so hinarbeite.
„Sparen Sie sich die Scherze“, antwortete der abgespaltene Admiral Terrinald Screed und seine Augenprothese funkelte bedrohlich. „Meine Zeit und meine Geduld sind begrenzt, wenn…“
„Die Hälfte meiner Einnahmen aus dem Handel mit dem Korporationssektor.“
Das war natürlich gelogen. Aber das spielte keine Rolle. Zsinj sah, wie sein Gegenüber stockte, selbst in der vergleichsweisen schlechten Bildübertragung des bläulich schimmernden Hologramms. Der ältere Mann hatte es nicht erwartet. Auch wenn er es versuchte zu verbergen, so musste man nur wissen, worauf man achtete. Doch nach einigen Sekunden des Schweigens wurde ihm wohl bewusst, dass es wenig Sinn hatte, diese Scharade aufrecht zu halten.
„Sie wollen Ihre Handelseinnahmen aus dem Korporationssektor zu meinen Gunsten halbieren?, fragte Screed skeptisch, um sich zu vergewissern, dass er seinen Gesprächspartner korrekt verstanden hatte.
„Nein, ich will es nicht. Aber ich kann es. Wenn wir den gesamten Import und Export nach bzw. in den Korporationssektor kontrollieren, bleibt mehr als genug für uns beide übrig. Und es ist nur gerecht. Wir wären dann schließlich gleichberechtigte Partner in unserer Allianz.“
Das war natürlich gelogen. In Anbetracht der militärischen und wirtschaftlichen Stärke war im Grunde klar, wer der Chef in dieser Allianz sein würde. Selbstredend würde Zsinj mit seinen zahlreichen verdeckten Identitäten, Geheimverträgen und Verschwiegenheitsklauseln dafür sorgen, dass der beweisbare Handel mit dem Korporationssektor nur einen Bruchteil dessen darstellte, was er eigentlich verdiente. Screed würde allenfalls den Stück eines Krümels erhalten, während er vom großen Kuchen gar nichts wusste. Nicht zuletzt, damit sein Partner auch nicht korrekt einschätzen konnte, welchen Bedarf und welche Stärke das Reich von Zsinj tatsächlich hatte. Jeder hielt ihn für kleiner als er tatsächlich war. So würde Screed weiterhin Schlüsse ziehen – welche auch immer das sein mochten –, aber immer aufgrund falscher Voraussetzungen. Zumindest wenn er Zsinj einigermaßen traute. Was er natürlich zunächst nicht tun würde, aber dann spielte die Täuschung ohnehin keine Rolle. Täuschung war schlichtweg die brillanteste aller Waffen. Nur die Cleveren. durchschauten eine Täuschung – und selbst wenn, würde der geschickte Täuscher zwar nicht gewinnen, durch seine Täuschung aber auch nichts verlieren. Es würde sich in der Zukunft zeigen, von welcher Sorte Admiral Screed sein würde.
„Ich verstehe. Und Sie versichern mir, dass Sie Ihr Handeln weiterhin auf der Grundlage der Imperialen Charta fußen lassen?“
„Selbstverständlich!“, protestierte Zsinj und sprang geradezu empört auf, dass Admiral Screed das überhaupt in Frage zu stellen schien.
Das war natürlich gelogen. In diesem Moment hätte er Screed alles versprochen, was dieser an Bedingungen gestellt hätte, wohlwissend, dass ein realistischer Einschätzer wie Screed keine irrationalen Bedingungen stellte, zumal die formale Annahme von Bedingungen noch nicht bedeutete, dass diese seitens Zsinj auch tatsächlich erfüllt wurden. Screed war derzeit das Tor zum Korporationssektor und Zsinj wollte durch dieses Tor schreiten – ob mit oder ohne Screed. Mit wäre günstiger. Also versuchte er es zunächst mit ihm. Schließlich setzte sich der Kriegsherr nach einigen Sekunden der gespielten Empörung wieder, wobei er dafür Sorge trug, dass sein schweres Atmen durch das Aufspringen gut im Sichtbereich des Holoempfängers zu sehen war. Wie ein eitler Geck strich er sich durch sein schütteres Haar, nachdem es vermeintlich in Unordnung geraten war. Schließlich räusperte er sich kurz und fuhr er mit leuchtenden Augen fort.
„Palpatine ist unser aller Maßstab. Als treusorgende Imperiale werden wir das Mögliche tun, um sein wahres Imperium wieder auferstehen zu lassen.“
Der Admiral verengte das gesunde Auge, wobei es dennoch so wirkte, als folge die Prothese diesem Beispiel. „Ich denke, Sie überschätzen Ihre Möglichkeiten etwas.“
„Ich bin mir meiner Möglichkeiten und Unmöglichkeiten sehr wohl bewusst“, lächelte Zsinj. „Ich kann den Handel des Korporationssektors schließlich nicht alleine kontrollieren.“
Das war natürlich gelogen. Er hätte es im Notfall tun können, aber es war unpraktisch und nicht ratsam. Es würde zu einem nicht sehr wünschenswerten Ausdünnen seiner Streitmacht führen – daher bevorzugte er, wenn stattdessen jemand anderes seine Streitmacht dafür ausdünnte. Das Ganze war deutlich einfacher, wenn sich jemand anderes darum kümmerte, zumindest so lange, bis sich ihre beiden Streitkräfte sich so weit vertrauten und untereinander durchmischt waren, dass sie sich schwerlich voneinander trennen ließen. Dann war es an der Zeit, Screed zu feuern. Am besten mit einer Kanone ins All.
„Wir werden sehen, Kriegsherr. Ich werde darüber nachdenken.“
„Gewiss, Admiral“, nickte der dicke Großmoff. „Lassen Sie meinen Kontaktmann wissen, wie Sie sich entschieden haben. Alle weiteren Details klären wir, falls Sie sich dafür entscheiden.“
So endete die Holokonferenz. Screed nickte knapp, dann erlosch das Holobild in wenigen Augenblicken. Es bestand kein Zweifel, dass er das Angebot annehmen würde. Im Gegensatz zu anderen hatte sich Zsinj nie wirklich vom Imperium distanziert, somit war sein Bekenntnis zur imperialen Ideologie glaubhaft, aber selbst wenn es anders gewesen wäre, war das Angebot fürstlich. Schon unter den Zahlen, die Screed nun durchrechnen lassen würde. Der Korporationssektor war das lukrativste Gebiet der gesamten Galaxis, Screed dagegen einer der angesehensten imperialen Militärs, die sich nach Endor abgespalten hatten. Zwei Vorteile zu einem kleinen Preis. Jemanden wie Screed zu sich ins Boot zu holen, würde Zsinjs Reputation bei unentschlossenen Imperialen, die nicht wussten, wo ihr Weg nach Endor lag, zweifellos bessern und vielleicht ein paar weitere Freiwillige zu ihm lotsen, zumindest aber die Hemmschwelle senken und somit ihren Preis mindern. Ja, letztlich lief es in der Tat immer darauf hinaus. Jeder hatte seinen Preis. Ein Preis, der von zahlreichen Umständen abhängig war und den man mit dem Jonglieren von verschiedenen Faktoren zu seinen eigenen Gunsten verbessern konnte, sofern man diese Faktoren richtig beeinflusste. Man musste lediglich aufpassen, nicht zu sorglos zu jonglieren, sonst passierte es leicht, dass einem etwas abhandenkam.
„Melvar?“, sprach Zsinj schließlich in das Kom-Gerät an seinem Tisch, die Stimme nun plötzlich weitaus weniger schrill, sondern völlig natürlich, der Atem gemäßigt und der Blick fokussiert.
„Ja, Kriegsherr?“, antwortete die tiefe Stimme seines Stellvertreters verzerrt aus dem Gerät.
„Lassen Sie Kontakt mit Ghazalah aufnehmen. Inoffiziell, versteht sich. Ich brauche noch einige dieser Typhoon-Fregatten. Nach dem, was mir die angefertigten Risszeichnungen sagen, eignen sie sich gut für das, was wir vorhaben. Bestenfalls um die hundert Exemplare, falls das möglich ist. Und ich möchte wissen, wie lange Forerunner für eine Lieferung dieser Größenordnung benötigen würden.“
Es dauerte einige Zeit, bis sich der Mann in der Leitung meldete. „Einhundert Fregatten? Das kostet.“
„Das ist mir bewusst. Teubbos Kalkulationen sehen darin kein Problem, wenn es sich so entwickelt wie gedacht. Es wird sich in diesem Fall schnell rechnen.“
„Gut, ich werde es veranlassen. Sonst noch etwas, Kriegsherr?“
„Nein“, antwortete der Kriegsherr und lehnte sich genüsslich in seinem Stuhl zurück. „Vergessen Sie nur nicht, auf unseren netten Rabatt hinzuweisen und sich dafür angemessen zu bedanken. Verwenden Sie dieses Mal das Muster Unterwürfigkeit. Sie wissen schon.“
„Natürlich. Auch wenn ich hoffe, dass wir dieses demütigende Theater bald beenden können.“
„Wir werden sehen, General. Ich werde darüber nachdenken.“
Natürlich echote er Screeds Worte damit bewusst. Alles war Theater. Ob man es nun spielen wollte oder nicht. Die Kameras waren versteckt, nein, es gab schlichtweg keine, aber zumindest gab es eine Person, der das Ganze Freude bereitete. Die meisten waren Komparsen, einige waren Darsteller und nur wenige waren Regisseur, nach dessen Stichwörtern die anderen handelten. Es war eine Schande, dass Melvar seine Passion zu diesem schönen Theaterstück nicht teilen konnte. Darsteller, die glaubten, Regisseure zu sein, waren letztlich immer die amüsantesten Beteiligten eines Stücks. Darsteller musste er bezahlen, auf die eine oder andere Art. Doch früher oder später würde jemand die unsichtbaren Fäden erkennen, an denen er hing, aber erst, wenn die Zeit reif war. Der Vorhang durfte nicht zu früh fallen, aber auch nicht zu spät. Die Inszenierung musste stimmen. Nur ein ungeduldiges Publikum würde es nicht erwarten können. Schlechtes Publikum war wahrlich eine Schande für jeden Künstler.
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