#3
Klirrend stießen die beiden schwungvoll gestalteten Sektgläser aneinander, so dass ein kleiner Teil der prickelnden Flüssigkeit durch den Stoß aus dem Glas schwappte. Das schien indes nur einen der beiden Anwesenden zu stören. Alron Berrik saß etwas steif in seinem Stuhl, doch sein Gegenüber, Großmoff Zsinj, hatte darauf bestanden, dass die beiden zumindest ein Glas des herausragenden Sekts miteinander tranken. Die Unterhaltung mit Amber Ghazalah war ein paar Tage her und nun galt es, die unvermeidlichen Förmlichkeiten nach dem Deal hinter sich zu bringen. Bereits nach einem Schluck stellte Berrik jedoch sein Glas wieder auf dem Tisch ab und deutete somit an, dass er zu gehen gedachte. Er ließ sich nicht gerne auf solche Scharmützel ein. Zwar war er eine Art inoffizieller Repräsentant des Zsinj-Imperiums, aber diese Förmlichkeit hier mit seinem Auftrag- und Geldgeber – und mehr war Zsinj für ihn nicht – hatte nichts mit seiner eigentlichen Arbeit zu tun. Moral? Davon konnte er sich nichts kaufen. Ihn scherte nicht, ob sein Gegenüber morgen tot war, solange er morgen noch seinen Lohn überwies. Er musste dieses Treffen hier wohl hinnehmen, aber nicht für lang. Ein Schluck, gerade genug, um nicht unhöflich zu wirken, aber nicht genug, um irgendeinen emotionalen Bezug vermuten zu lassen, der nicht existent war. Besser wäre es, wenn er wieder an seinen Schreibtisch zurückkehren konnte, um seinen Dienst zu verrichten. Zumal Zsinj – dessen Wangen bereits eine leichte Rotfärbung besaßen, wenngleich manche behaupteten, dies sei ohnehin ein Dauerzustand – nicht unbedingt die Art der Gesellschaft war, die er im Privaten zwangsläufig zu pflegen gedachte. Diese wenige Zeit vertrieb er sich für gewöhnlich auf andere Weise, vor allem mit dem anderen Geschlecht. Auch wenn er dafür zahlen musste.
„Aber bitte, Alron“, flötete Zsinjs aufgeregte und gespielt enttäuschte Stimme unverblümt. „Wollen Sie wirklich schon gehen?“
„Ich fühle mich durch die Einladung geehrt, Großmoff. Aber meine Arbeit für Sie erledigt sich nicht von selbst.“
„Oh. Ja, natürlich. Nun denn…“
Der Großmoff nickte verständnisvoll, während er das Glas ungeschickt auf dem Tisch platzierte, lehnte sich kurz zurück und schob seinen Körper dann nach vorne, so als hätte er Schwung geholt, um überhaupt aus dem Stuhl zu kommen zu können.
„Sie haben mir gute Dienste geleistet, Alron. Ich bin mir sicher, Sie werden Ihren Bonus dafür angemessen finden.“
Ein diebisches Grinsen zeichnete sich auf dem aufgedunsenen Gesicht von Zsinj ab, bevor er freudig erregt in die Hände klatschte. Unmittelbar darauf zischte die Gleittüre in Berriks Rücken auf und eine elegante Frau trat in den Raum. Ein Bild von einer Frau! Jedenfalls empfand Berrik das, als er seinen Kopf zu ihr herumdrehte. Es war ihm schwer, ansatzweise ihr Alter zu bestimmen. Ihr schwarzes, langes Haar hing glatt vor den Schultern und glänzte facettenreich im künstlichen Licht. Nicht schlecht. Obwohl Berrik zugeben musste, dass er vielleicht schon ein paar wenig Hübschere gehabt hatte, kam er nicht umhin, sich zu fragen, ob der Großmoff die Frau nicht doch ganz bewusst nach seinem Schema auserwählt hatte, was es ihm schwer machen sollte zu widerstehen. Das war dann wohl seine Form, sich zu bedanken. Er kannte Berriks Schwäche, wenn man es so nennen wollte, denn dies war wohl eine, der er bereitwillig nachgab. Auch wenn diese einseitige Form des Kontakts ihm letztlich nicht viel einbrachte. Letztlich war ihm klar, dass er charakterlich so tot war wie eine ausgesperrte Motte, die zwar doch eigentlich immer wieder aus naturgegebenem Trieb das Licht suchte, es aber doch nie erreichen würde. Zsinj mochte sich davon vielleicht etwas wie Treue erhoffen, doch diese Vokabel existierte in Berriks Wörterbuch nicht, sondern nur das Wort Pragmatismus. Für einen Moment war Berriks Maschine geneigt, den Moff darauf hinzuweisen, dass sein Geschenk daher sinnlos war, doch letztlich hätte das mehr ihm selbst den Abend verdorben als Zsinj. Daher erschien ihm das nicht zweckmäßig.

Die Frau trat näher an Berrik heran, gekleidet in ein bereits zum Teil halb-transparentes Kleid, das allerdings nur wenige seltene Einblicke bot. Während der Großmoff sich umdrehte, meinte Berrik zu erkennen, wie dessen breites Lächeln von einer Sekunde in die nächste unnatürlich schnell endete, doch war Berrik bereits zu abgelenkt davon, dass die ihn lasziv umkreisende Frau ihm mit ihren zarten Fingern einer Hand erst über die eine, dann über die andere Schulter strich. Gerade so registrierte er, wie die Tür hinter Zsinj zuglitt und dieser die beiden allein ließ. Nun, immerhin wusste er, wann er wirklich störte. Aus großen, dunklen Augen fokussierte die Frau Berrik, als sie ihn zwei Mal umrundet hatte und trat so nah an ihn heran, dass er ihren Atem auf seiner Haut spüren konnte.
„Mehr als angemessen. Sehr großzügig“, antwortete er Zsinj schließlich, auch wenn dieser längst fort war. Er erntete dafür ein hübsches Lächeln der Frau, vielleicht über das von ihm zum Teil beabsichtigte Kompliment an ihr, aber er hatte genug Kenntnis von Mimik, dass er erkannte, dass das allenfalls ein nebensächlicher Grund war, wenngleich er nicht verstand, was sie dann primär dazu veranlasst haben konnte. Seine Gedanken verflüchtigten sich allerdings schnell, als die Frau begann, mit einer Hand ihre Haare nach hinten zu schieben, um ihre vom Kleid nicht verdeckten, strammen Schultern davon zu entblößen.
„Du hast ihm gut gedient“, sprach die Frau leise, noch immer leicht lächelnd, aber wie gewöhnlich bei solchen beruflichen Dingen mit einer offenbar professionellen Distanz zu ihrem Kunden. Berrik zuckte lediglich die Schultern. Er war nicht zum Schwatzen hier. Seine groben Finger versuchten, das Gesicht der Frau zu fassen, doch plötzlich schnellte eine ihrer Hände hoch und hinderte ihn daran, sie anzufassen. Widerspenstig? Das versprach… interessant zu werden.

Berrik wollte gerade einen gespielten, tadelnden Kommentar ablassen, als sich das Handgelenk der Frau ruckartig drehte und mit ihm seine eigene Hand. Reaktionslos betrachtete die Frau, wie es in Berriks Fingern knackte und dieser unter Schmerzen ungläubig aufschrie. Mit einer einzigen Bewegung hatte sie einen Schritt zur Seite gemacht, auch den anderen Arm gepackt und diesen so nach hinten gebogen, dass Berrik sich kaum mehr bewegen konnte, ohne sich selbst eine Schulter auszukugeln oder den Arm zu brechen. Die Frau stand jetzt in Berriks Rücken und drückte ein metallisches Objekt gegen sein Becken. Als er den Druck spürte, fror er sofort in seiner Bewegung ein und leistete keinen Widerstand mehr. Sie schob das Objekt in seiner Hüfthöhe seitwärts, bis es ihn nicht mehr berührte, dann bohrte sich ein gleißendes Licht durch seinen Anzugstoff und eine leuchtende Klinge streckte sich neben Berriks Hüfte hinauf zu seinem Hals, wo die Klingenspitze nur wenige Zentimeter neben seiner Halsschlagader zum Stillstand kam und dort gierig lauerte. Ein Surren ging durch den Raum. Wo er sonst immer die Kontrolle gehabt hatte und der Puppenspieler gewesen war, erkannte Berrik, dass er sowohl im großen als auch im kleinen Maßstab hier selbst nur die Puppe war, die austauschbar und entbehrlich wurde. Im Großen war es Zsinj, der – was Berrik jedoch immer klar war – ihn als vermeintlicher Weggefährte stets von oben gelenkt und gesteuert hatte, aber nun auch in dieser konkreten Situation hier in diesem Raum war er nun selbst der Machtlose. Berrik hatte nicht mehr die Macht über Menschen, nicht mehr die Kontrolle, die er benötigte, um nicht die Fassung zu verlieren. Das grelle Licht des Schwertes sengte an seinen kurz rasierten Bartstoppeln, ein kleines Zucken seinerseits hätte ihn bereits schwer verletzten können.
„Du hast ihm gut gedient“, wisperten die Lippen der Frau in sein linkes Ohr und schienen dabei zu seinem Verdruss einen besonderen Wert darauf zu legen, dass das kein gegenwärtiger, sondern nunmehr ein vergangener Status war.
„Eure Zusammenarbeit ist hiermit vorüber.“
Das Schwert schob sich ein Stück weit von Berriks Hals fort, so als würde die Frau zum Schlag ausholen, dann raste es wieder in seine Richtung.
„Nein, bitte!“, schrie Berrik instinktiv auf, als die sorgsam trainierte Fassade im Angesicht des Todes abfiel und der so hart verborgene Mensch dahinter zum Vorschein kam. Die feinen Lippen der Frau verzogen sich zu einem befriedigten Lächeln. Sie stoppte das Schwert wenige Zentimeter vor dem Hals erneut und strich ihm mit der freien Hand sanft über die linke Wange, fast als streichle sie ein kleines Jax, das gerade etwas richtig gemacht hatte. Doch kurz darauf drehte sie das Schwert um ein paar Grad so, dass Berrik die Klinge direkt vor seinen Augen sah.
„Dein Arrangement mit dem Großmoff hat niemals stattgefunden“, stellte sie fest. Es war keine Frage, keine Bitte. Es war eine Feststellung, ein Fakt, der nicht zu leugnen war und den kein Mensch in diesem Moment vernünftigerweise in Frage gestellt hätte.
„V-Verstanden.“
„Verlierst du jemals wieder in deinem Leben ein Wort darüber, so werde ich auch dort sein.“
Sie und ihr Schwert, das sich ihm entgegenreckte und nur scheinbar widerwillig von seinem Gesicht Abstand hielt, als ziehe dieses die Lichtwaffe geradezu an. Und plötzlich war ihm klar, wer dort hinter ihm stand, bereit sein Leben zu beenden, sollte sie irgendeinen Zweifel daran haben, dass er dieser Aufforderung nicht nachkam.
„Ihr seid… Lanu Pasiq?“, keuchte Berrik entsetzt.
„Korrekt.“
Der Mann schluckte hart. Würde Zsinj wirklich seine Inquisitorin auf ihn ansetzen, nur damit er nicht plauderte? Nun gut, Berrik wusste, dass es um seine eigenen Ideale wenig weit bestellt war und eigentlich nur ein richtiges Angebot kommen musste, eines, in dem sein Uhrwerk ebenso unbehelligt funktionieren konnte wie in dem unter Zsinj bisher. Bis zu diesem Moment. Inquisitoren waren darauf ausgebildet, unliebsame Gestalten in der Galaxis zu finden und zu vernichten. Die Galaxis war groß, sehr groß, aber es gab eigenartige Gerüchte über die Inquisitorin in Zsinjs Streitkräften. Es musste Zsinj wichtig sein, dass es nicht die Runde machte, dass er sich mit der Republik getroffen hatte, geschweige denn, das er ihr vertrauliche Informationen hatte zukommen lassen. Wenn die Republik das behauptete, konnte er das problemlos dementieren. Wenn es ein ehemaliger Mitarbeiter behauptete, wurde das weitaus schwieriger.
„Ich werde dich finden“, hauchte sie erneut. „Meine Verbündeten sind die Schatten, die dir folgen. Das Licht, das dich blendet. Wohin du auch gehst, du wirst niemals entkommen.“
„Ich schwöre, ich werde niemandem etwas erzählen“, sagte die Drohne Berrik und versuchte dabei, selbstbewusst zu wirken. Ein Fehler.
„Gewiss. Dennoch möchte ich, dass du dich immer an diesen Schwur erinnerst. Und an mich.“
Lanu Pasiq kippte ihr Lichtschwert erneut um ein paar Grad, bis es bedrohlich nahe an seiner linken Augenhöhle lag. In Berriks Magen zog es sofort und er versuchte instinktiv zurückzuweichen, doch die Frau ließ es mit ihrem Griff nicht zu. Bald sah er nur noch das gleißende Licht der Klinge vor seinem linken Auge. Knisternd verbrannten seine Wimpern an dem Strahl und schließlich vollführte die Inquisitorin zwei rasche Schnitte nach oben und unten, die sich in Stirn- und Jochbein fraßen. Berrik schloss das Auge, das sich sofort zu verflüssigen begann, doch eigenartigerweise spürte er keinen Schmerz mehr. War es der Schock? Berrik fühlte, wie ihm kurz schwarz vor Augen wurde und ihn der Schwindel zu übermannen drohte. Der Körper wurde schwer. Mit einem Zischen hatte die Schwertklinge die oberflächlichen Schnitte sofort wieder kauterisiert und stülpte die zerstörte Haut nach außen. Eine dicke Narbe würde auf ewig bleiben und sein Gesicht zieren. Die Klinge Pasiqs senkte sich.
„Der Großmoff würdigt hiermit deine erfolgreichen Dienste in seiner Obhut.“
Im ersten Moment hatte Berrik in seinen verschwommenen Gedanken gedacht, dass Lanu Pasiq einen höhnischen Scherz machte, doch anhand ihrer Tonlage wurde ihm schnell klar, dass es ohne jeden Zweifel die Wahrheit war. Seinen Diensten als einfache Maschine, seiner Routine und seiner Diskretion war es geschuldet, dass Zsinj ihn nicht einfach umbringen ließ. Es gab keinen anderen Grund. Er hoffte nur, dass Lanu Pasiq sich auch daran hielt, deren Tonfall andeutete, dass sie die Meinung des Großmoffs offenbar nicht teilte und Berrik lieber tot sehen würde. Für diesen hatte das Ganze aber nichts Persönliches, es war Geschäft. Wie immer. Nur dieses Mal nicht mit anderen, sondern mit ihm, Berrik, selbst als Objekt – und das war das Neue an der Situation. Letztlich war das selbst aus seiner eigenen Sicht nur logisch. So wie er über Schicksale entschieden hatte, ohne mit der Wimper zu zucken, musste es auch Zsinj tun, um seine Interessen zu schützen. Doch war der exzentrische Großmoff überhaupt zu so viel Fingerspitzengefühl in der Lage? Man konnte nicht abstreiten, dass er meistens sehr plump wirkte und nicht wenige würden behaupten, er hatte mehr Glück als Verstand.

Berrik rätselte in seinem üblichen Repertoire noch erfolglos über eine angemessene Antwort in einer so unkonventionellen Situation, als Lanu Pasiq plötzlich an seine Schulter griff und ihn zwang, sich zu ihr herumzudrehen. Ihre dunklen Pupillen betrachteten ihr Werk aufmerksam und zufrieden, aber Berrik hatte sofort den Eindruck, dass sie ihn nicht nur deswegen musterte. Er versuchte, nicht zu zittern.
„Nachdem er seinen Standpunkt klargemacht hat, können wir nun zum interessanteren Teil übergehen“, sagte sie, während die Klinge in den Griff zurückglitt und sie diesen schlichtweg unter sich auf den edel verlegten Teppichboden fallen ließ. Die flinken Finger der Frau öffneten den oberen Verschluss seines Anzugs. Er fragte sich zwar, ob das wirklich noch zum Geschenk des Großmoffs gehörte oder nun nicht doch eher eine eigenwillige Auslegung von Pasiq selbst war. Zumindest aber war er nicht in der Lage, sich zu wehren. Oder vielleicht wollte er es auch nicht. Welche Ironie. Der Mann, der sonst Frauen mit Geld seinem Willen unterwarf, wurde nun selbst unterworfen, ohne etwas dafür zu erhalten. In Pasiqs Handeln steckte keine Rationalität, und auch keine Ideale, sondern nur die ungebremste Emotion. Und Emotion entwaffnete ihn. Hatte sie den Mann gebrochen? Kaum. Es war nur ein Moment. Vielleicht war es keine dauerhafte Lektion, die genügte, um die Natur in den Menschen zurückzubringen und die Maschine in ihm zu zerstören, doch eines würde er so oder so nie in seinem Leben vergessen. Den Namen Lanu Pasiq.
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