#11
"Ah.", erwiderte Calin'thir beiläufig als die fremde Schwester ihre Vermutung bestätigte. Also keine Bitte, keine verhohlene Drohung doch in den Schoß des Zirkels zurückzukehren. Die Nachtschwester erlaubte sich entspannt auszuatmen - das mochte diese sehr skurrile Angelegenheit doch einfacher machen. Nun war dieses Aufeinandertreffen nur noch ein Kuriosum, eine Laune der allmächtigen Natur denn zumindest noch, ließ sich kein tieferer Sinn hinter dieser Begegnung erkennen. Natürlich bestand die winzige Möglichkeit, dass diese Clanschwester sieh anlog, doch die Art und Weise ihres Eintreffens, die Art wie sie hier saß, verrieten ihr, dass dies sehr abwegig war. Ein lautes Grunzen und zielloses Schnappen in der Luft ließen ihre Augen kurz zum anderen Ende des Feuers blitzen. Offenbar stimmte ihr Bolmas ihr im Traum zum ehe er noch einmal das Maul kräftig zum Gähnen aufriss und mit seinem üblichen gleichmäßigen Grunzen wieder im Tiefschlaf versank. Das Gesicht der Nachtschwester zeichnete ein mildes Lächeln in Richtung des Tieres. So viel Treue und Folgsamkeit, beinahe schon Naivität, die in diesem Geist wohnte. So manches mal schon fragte sie sich, ob dem Bolmas bewusst war, dass sie ihn würde sterben lassen, sobald es notwendig wurde. Wie auch immer diese Notwendigkeit in der Zukunft auch aussehen mochte.

Calin'thir fasste nach einem dürren verdorrten Stock und stocherte damit - eher ungezielt - im lodernden Feuer umher während sie vorerst wortlos ihrer Schwester lauschte. Doch die Nachtschwester beachtete mehr als nur das Gesagte - entscheidend waren auch die Formulierungen und mehr, das, was nicht gesagt wurde. Dann natürlich die Art und Weise des Sprechens, war sie aufgebracht? Wütend? Verwirrt? Dies war zumindest relativ leicht zu beantworten. Sie versuchte klar und knapp zu sprechen, einige abrupt beendete Sätze ließen jedoch auf Misstrauen und mit Sicherheit auch Scham schließen. Diese Hexe hatte eine Entscheidung gefällt und tat sich nun schwer mit ihr zu Leben. Mehr zu sich selbst, schüttelte Calin'thir den Kopf und gluckste. Sie selbst war nicht alt und empfand sich auch nicht so und dennoch kam es ihr nicht aus dem Sinn wie leichtsinnig die Jugend agierte. Was glaubte sie wohl was passiert? Eine Entscheidung zieht Konsequenzen nach sich und es ward an ihnen sich in den Sturm zu stellen und ihn zu ertragen, die wilde Liebkosung des Universums, so unbeherrscht und unkontrollierbar.
Und musste diese junge Hexe denn wirklich fliehen? Natürlich nicht,es ging nie um das "müssen" oder "sollen". Es ging immer um die eigenen Wünsche. Um Gedanken die ihre Haken so stark in den Geist schlugen, dass die Wirklichkeit so geformt werden musste, dass diese endlich losließen und darin Platz fänden. Und den Träumenden musste klar sein, dass dies einen Preis, eine Reaktion nach sich ziehen würde. Balance.

Calin'thir nahm den Stock aus dem Feuer und legte ihn beiseite. Ihre Augen betrachteten noch kurz schweigend die Frau, huschten zwischen ihr und den Flammen hin und her. Ja, ihr war kalt und dennoch würden sie das Licht bald aus der Nacht verbannen müssen, ehe mächtigere Jäger als sie es als Einladung verstanden.
"Warum ich hier bin?", echote die Nachtschwester die Frage. "Tsk. Du willst nicht wissen warum ich hier bin, Kind, deine Frage ist eine andere." Nach dieser milden Schelte erhob sie ihren Kopf ein wenig und sah die andere eindringlich und nun doch recht ernst an. "Was du eigentlich fragst ist: warum bin ich nicht im Zirkel? Die Motivation mag komplex sein, die Antwort ist es nicht: ich sehe nicht wie Gethzerions die Schwestern wieder vereinen soll, sie uns nach der Verheerung der Vergangenheit heilen soll. Und um es zu sehen müssen meine Augen an Orte wandern, die nicht von einem trüben Schleier verhüllt sind." Es war wohl eine vorsichtige und diplomatische Antwort, sie griff die Clanmutter nicht an, immerhin gab es keinen Beweis, dass Gethzerion tatsächlich etwas falsch machte, es bestand immer noch die Möglichkeit, dass es nur ihr eigener Sturkopf war, der sich weigerte zu erkennen, was getan werden musste. Und dennoch entsprach es der Wahrheit, eine simple, unkomplizierte Tatsache.
Calin’thir griff mit ihrer Hand ruhig nach dem Kinn ihrer Schwester, um deren Kopf zu sich zu drehen und sie direkt anzusehen. Vielleicht um den Schleier ihrer Augen zu durchstoßen, bis tief in die Seele selbst zu blicken und was sich dort verbarg. "Vielleicht sollte ich es dir zeigen, was mich so umhertrieb, hm? Bis dahin aber...", die Nachtschwester kramte mit ihrer anderen Hand in ihrem Kanister und holte einen Wasserschlauch hervor und hielt ihn ihr hin. "...trink! Und erhole dich, denn wir müssen der Nacht bald schon sich selbst überlassen. Du schläfst in meiner Unterlage.", stellte die Nachtschwester noch abschließend fest, während sie sich umsah und ihr Blick wieder auf den Bolmas fiel. "Ich nehme das Tier. Er stinkt zwar, aber es gibt einen kleinen Flusslauf in der Nähe. Mh... und einen Namen brauchst du, nicht war? Calin'thir, Tochter von Irilla."
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