#7
Zwielicht. Die nahende Dunkelheit brach über die grausame Welt herein und tünchte die Wirklichkeit der Welt in ein surreales purpurnes Licht. Spitze Zackenformationen vertrackter Kluften und Gebirgszüge reckten sich, wie Finger gleich dem ewigen All entgegen, fasst schon, als geiferten sie danach in dieses kaum fassbare Konstrukt des Kosmos zu greifen. Die sanfte Sinfonie der Dämmerung glich eher einem alptraumhaften Chor unterweltlichen Ursprungs. Grässliches Knurren und Geheul ließen darauf schließen, dass die gefürchteten Jäger der Nacht langsam aktiv wurden und sich auf die Pirsch begaben. Die größten und alptraumhaftesten Jäger dieses unmenschlichen Ödlandes, konnten mitunter jedoch auch die unscheinbarsten Formen annehmbaren, die wohligsten Gesänge anstimmen. "Ssshhh!", sprach eine leise Frauenstimme und hob eine unwirklich fahle, geisterhafte Hand. Die Frau befand sich auf einem der zerfurchten Pfade inmitten dieser immerwährenden Wildnis. Eng und verschlungen, windete sich der Weg vor ihr spiralförmig nach oben, hin zu den zerfallenen Zinnen einer modrigen Ruine. Einst eine Festung? Ein Tempel? Nun aber vor allem ein Unterschlupf für die Nacht, ein Hort der Ruhe und des Friedens. Vor der bleichen Frau, mit ihrer geisterhaften Hand befand sich eine größere Kreatur, vollgepackt mit allerlei Vorräten für eine unmöglich lang erscheinende Reise. Mit seinen kräftigen Beinen, dem massigen Leib und der dicken, ledrigen Haut, machte das Tier einen robusten Eindruck. Zumindest tat es das für gewöhnlich. Nun aber hinkte es ein wenig, schleppte sich schwer schnaufen voran und stimmte ab und an in das wilde Geheul der Nacht mit ein. Es war noch nicht lange her, überlegte der gespenstische Schemen, vielleicht zwei oder drei Stunden, als sie diesen zerklüfteten Bergpfad betreten hatte. Der Bolmas hatte sich im Geröll verfangen und war ungünstig gestürzt. Zuerst schien es, als würde sich das Tier wieder fangen, doch nun benötigte es immer mehr Pausen und in Anbetracht des glitzernden Sternenhimmels, fühlte sie sich als leichte Beute - oder eher, sie fand, dass der Bolmas leichte Beute darstellte und sie hatte kein Interesse daran, dass sich die gefräßige Fauna des Planeten an ihm labte. Zumindest noch nicht, vielleicht auch nie.

Ein neues Lied fand seinen Einklang in die Düsternis, während sie die verwundete Kreatur vor sich beäugte. Aus der ferne hörte sie das dumpfe rhythmische Geräusch von Trommelschlägen - offenbar würden sich einige der Zabrak bald dem nächtlichen Treiben anschließen, doch das sollte sie weder bekümmern noch stören. Vielleicht würde Calin'thir am nächsten morgen die nächstgelegene Siedlung besuchen, die jungen und übermütigen Krieger wieder instandsetzen, die Alten und Schwachen dafür opfern und ihnen ihre letzten Riten zukommen lassen. Denn so war es nun einmal: einer mochte sterben, damit der nächste leben konnte. Und so würde es auch mit ihrem Bolmas vonstatten gehen. Die Machthexe trat einen Schritt näher an das Tier heran und beäugte einen schweren Sack, der sich in der Dunkelheit zu winden schien. Vorsicht stuppste sie mit einer Hand dagegen, was sogleich eine protestierende Reaktion in Form eines geifernden Fauchens nach sich zog. Was auch immer sich darin befand, schien sein Schicksal offensichtlich zu kennen oder wollte nicht gestört werden. Die Dathomiri lächelte milde. Es war einerlei. Sie hatte entschieden wer heute leben durfte und wer sterben musste und kein Winden würde daran etwas ändern. Die Hexe bückte sich und griff nach einem etwa faustgroßen Stein - ein brachiales Narkosemittel aber zweifellos wirkungsvoll, ehe sie sich wieder erhob und damit einmal fest auf den Sack schlug - in etwa dorthin,wo sie den Kopf des Wesens vermutete. Mit einem verwundeten Fiepsen, nahm die Aktivität in dem Behältnis ab, so, dass Calin'thir dieses lösen und entleeren konnte. Zum Vorschein kam eine etwa rattengroße, überragend hässliche Kreatur mit aufgeblähtem Bauch, kräftigen Pfoten, schwefelgelben, nun angsterfüllten Augen und spitzen, aufgestellten Ohren. Offenbar hatte sie nicht gut getroffen. Die Dathomiri packte die Kreatur im Nacken und drückte sie zu Boden - bevor das dumme Vieh doch noch auf die Idee kam zu fliehen - ehe sie ihr Messer zückte und es dem rattenartigen Wesen durch ihr Hinterbein trieb.
Ein markerschütterndes Kreischen erfüllte für einen Moment die Kluft, bevor die Kreatur, mehr aus Reflex als aus echtem Kampfeswillen, erfolglos versuchte nach ihrer Hand zu schnappen. Die Machthexe ließ sich indes nicht beirren und zog mit ihrem Finger eine dünne Linie in den Sand, von der Ratte weg zu ihrem Bolmas, ehe sie sich zwischen die beiden setzte und jedem mit einem Blick bedachte. Dann schloss sie ihre Augen und lauschte den fernen Trommeln, hörte auf den feinen Rhythmus, bis er zu ihrem Herzschlag wurde und stimmte mit einer leisen Melodie ein. Vor ihrem innen Auge, sah sie, wie das Leben allmählich aus der widerwärtigen Kreatur hinaussickerte, sich in die Welt ergoss und irgendwann im dürren Boden vergehen würde. Calin'thir streckte eine Hand in Richtung des vom Tode bedrohten Geschöpfs, während sich fahlgrüne, geisterhafte Fäden um das Wesen woben. Stark konzentriert, war sie sehr darauf bedacht nichts vom wertvollen Nektar des Lebens zu vergeuden und spürte, wie der kosmische Kanal die Energien zu ihr zurückführte. Berauschend. Aber dies war nicht für die Dathomiri, sie war lediglich eine Art Vermittler, die höhere Instanz, die entschied, wem dieses Geschenk zuteil werden sollte. Sie streckte ihre andere Hand dem schnaufenden Bolmas entgegen, während sich dieselben Fäden um das verwundete Bein wanden, Fleisch und Knochen vitalisierten. Der Prozess dauerte einige Minuten - die Dosis war entscheidend, die richtige Menge zur richtigen Zeit und kein Deut zu viel. Vorsichtig führte Calin'thir ihre Hände zum Boden, spreizte die Finger weit auseinander und löste den Knoten des verwobenen Lebens. Der Tausch war vollzogen und was übrig blieb, floss sanft ab in jene Welt unter ihr. Langsam öffnete sie ihre Lider und betrachtete den unfreiwilligen Spender. Röcheln, die letzten Atemzüge, die doch eine unendliche Qual sein konnten. Bestimmt erhob sich die Machthexe und trat an das Geschöpf heran. Mit einer flüssigen und offenbar sehr geübten Bewegung umschloss sie das Genick der Kreatur und brach es mit einem widerlichen Knacken. Es kam keinen Grund dieses Leid weiter hinauszuzögern. Danach zog sie ihr Messer aus der Hinterpfote und stopfte den wabbligen Kadaver zurück in den Sack - vielleicht gab es demnächst noch einmal Verwendung dafür, ehe die Dathomiri wieder alles am Bolmas verzurrte und der Kreatur einen auffordernden Klaps gab. Das Tier grunzte und stapfte, nunmehr wieder weitaus zielstrebiger, voran.

Die Dunkelheit hatte ihren Zenit erreicht und das Feuer, entfacht aus verdorrtem Holz beschwor tanzende Schattendämonen an den Wänden der antiken Ruine, in der Calin'thir Schutz gesucht hatte. Züngelnd und gierig sprangen die Schemen an den Wänden auf und ab und schickten sich an, Traum und Wirklichkeit zu zerreißen. Die Machthexe saß derweil kniend am Feuer, während ein schlafender Bolmas offenbar zufrieden grunzte und betrachtete einige Schieferplättchen mit fremdartigen, skurillen Symbolen vor ihr. Ab und an nahm sie einige dieser Plättchen und vertauschte sie, brachte sie in neue Konstellationen, als ob sie ihr etwas anderes zeigen würden. Dann wieder erhob sich ihr Blick, linste durch die halb eingestürzte Decke dieses vielleicht einstmals prächtigen Domizils, hinauf zu den sterben. In der Ferne des Alls blitzten gelegentlich bedrohlich wirkende Lichter auf, auch wenn sie von hier unten nur erscheinen mochte, wie schwache Funken. Irgendwann aber, würden diese Funken näher kommen und zu einer heißen Glut werden, die sich über diese Ödnis ergoss. Wieder einmal ergoss. Vielleicht diese Nacht, vielleicht in der nächsten. Oder aber auch erst in zehn Jahren, das konnte sie nicht sagen. Aber sie würden kommen und wenn sie den Mond und alles, was sich darum tummelte, auf diese Welt herabzerren musste. Die Dathomiri nahm eine der Tafeln und hielt sie in das heiße Licht des Feuers. Das Symbol zeigte in etwa die krude wirkende Abbildung eines Augapfels. Oh, sie würde sehen, sehen, was hinter dem fürchterlichen roten Schleier Dathomirs lag und die Wirklichkeit dahinter betreten. Dann würde sie sehen, was Gethzerion nicht sah und die Clanmutter würde ihr zuhören. Dann würde sie die fürchterliche und kryptische Deutung Irillas erkennen und verstehen, woran das kosmische Gefüge so krankte, verstehen, warum die Dinge nicht mehr so waren wie früher und nie wieder sein würden. Das Gestirn der Macht war zerrüttet und aus dem Kadaver ergoss sich eine Flut aus Wahn und Eifer, die viel, die alles und jeden in ihrem Strudel hinabzuziehen drohte.
Offline
Zitieren
 


Nachrichten in diesem Thema