#46
Versagen... das Wort entfaltete sich nur langsam in ihrem Gedächtnis, undeutlich und für den ersten Moment kaum hörbar. Erst nach und nach gelang den Kriegstrommeln im Dickicht des Geistes die gänzliche Offenbarung. Aber es war kein Fehler, kein Versagen, nein. Was die Inquisitorin tat, war ein Akt der Aufopferung, der Selbstlosigkeit. Mit dem Wunsch beseelt ihre kleine Kerze zu schützen, die sie auf dem verendeten Kadaver dieser Welt gefunden hatte, zu schützen, das schwindende Licht neu zu entzünden. Sie konstruierte sich eine Niederlage, die keine war, sie begab sich in die tödliche Gefahr, nur, dass eine andere Seele verschont blieb, nur, dass nicht noch jemand in diese Schlucht des Elends fiel. Doch Heldenmut war fehl am Platze, diese Entscheidung war bloße Notwendigkeit, ein Akt der Güte an die galaktische Asche. An das, was nach dem Krieg noch übrig blieb. Wichtiger jedoch war, dass das Ungetüm sich auf ihr eingelassen hatte, auf ihre Person, nicht auf eine andere. Sie hatte sich in den Fokus gedrängt, in sein Sichtfeld und selbst der Sith schien nicht durch die Schatten sehen zu können - noch nicht. Das düstere Gefieder versperrte den Blick auf die heiligen Formen darunter. Die Fittiche waren noch dicht, zwar triefte das Öl noch herunter, zwar konnte sie sich nicht majestätisch erheben, davonfliegen in eine andere Welt, doch der Meister der Dunkelheit hatte versäumt, hatte nicht daran gedacht, sie mit seinem Zorn zu verbrennen. Er schuf eine Chance, ein Fenster, durch dass sie entkommen konnten. Seine Egozentrik war seine Schwäche, die lahmen Augen waren nicht mehr stark genug weit genug in die Ferne blicken zu können, ihre Konzentration ungenügend. Nur zeitweilig schien es dem Imperator möglich zu sein, sich auf das wesentlichere zu konzentrieren, all jene Sachen, die nicht seine Person betrafen, sein Handeln. Er stolperte über seine Dominanz, über seine Sucht nach Furcht - denn das wollte er, Furcht verbreiten, sehen wie sich alle krümmten vor seiner Gestalt. Und was wäre er ohne die Macht? Wenn sie ihn nun betrachtete, was war zu sehen? Ein dementer Mann, alt wirkte er, alt und verbraucht. Speichel lief aus seinem Mundwinkel herab und er war kaum mehr in der Lage seine wirren Gedanken zu artikulieren. Wer also hatte versagt? Sie hier? Er auf Korriban? Die Galaxis selbst, indem sie solche Entwicklungen, solche Perversionen überhaupt zuließ?

Aber er konnte sie nicht Ängstigen, nicht Einschüchtern, nicht auf Dauer, nicht, wenn sie es erwartete. Mehr als ein halbes Leben lang, irrte die Inquisitorin bereits durch die dunklen Schatten, mehr als ein halbes Leben lang war sie zwischen Angst und Hass gefangen, dazwischen zermahlen worden und trotzdem, trotz allem, war immer etwas von ihr übrig geblieben. Nie war es der Finsternis gelungen, sich ihrer Seele zur Gänze zu bemächtigen, bei aller Grausamkeit, war ihr stets bewusst gewesen was sie tat. Und vielleicht lag darin die Strafe. Nicht einfach wahnsinnig zu werden, nicht einfach im Irrsinn zu schwelgen, sondern mit der Last zu Leben und weiterzugehen, so hohl und leer man sich auch fühlte. Doch mochte darin die Ursache liegen, der Grund für den Wunsch es zu beenden - ein für allemal. Anders als viele Sith, viele Anhänger der hereinbrechenden Nacht, konnte sie noch fühlen was geschah, sehen wohin es sie alle führte. Der auf Blut errichtete Staat des Imperiums, hatte endlich das Ungeheuer bekommen, das er verdient hatte, den perfekten Götzen, das ideale Feindbild, das war Vesperum. Gegner allen Lebens. Der Verkommene. Der Fresser, der immer mehr wollte, mehr brauchte. Und nun sie. Er wollte sie, ihre Nähe, ihre Person, als gelüstete es ihm nach Menschenfleisch. Ihr innerstes sträubte sich, als sie das Hologramm anblickte. Nein, sie wollte nicht zu ihm, nicht jetzt, am besten nie. Doch dies war die Zeit, wieder war es die Zeit, die nur den Weg nach vorn kannte, nie zurück. und sie hatte die Wahl gehabt, vor wenigen Minuten noch, hätte sie ihm die Sephi präsentieren können, hätte einfach weitermachen können wie bisher. Tiefer in die Schatten. Bis sie irgendwann an des Monsters Seite saß. Verloren, leer, nur noch ein ausgedorrter Kadaver, unnütz, wohl darauf lauernd, endlich weggeworfen zu werden. Doch nun hatte sich der Schatten gewehrt, Reah brauchte Gottes Anweisungen nicht mehr, sondern entschied selbst. Ihr eigenes Schicksal, nicht seines, nicht das seines Reiches, nein, nur ihr eigener Weg war es der zählte und wie weit sie diesen Pfad würde beschreiten können.

Ausdruckslosigkeit hatte sich auf ihr Gesicht gelegt, wie die willenlose Akzeptanz des Unvermeidlichen, gegen das kein Aufbegehren half. Sie spielte mit, sie gab ihm was er wollte - noch. "Wie Ihr wünscht, mein Imperator.", lautete ihre demütige Antwort, ein Stück weit resigniert, als würde sie die Strafe kennen, sie widerwillig akzeptieren. Aber er würde nicht siegen, noch nicht. Denn wie auch der Sith, war Reah eine Person, die nicht leicht zu töten war, die zäh und findig sein konnte, wie Ungeziefer, Ratten und ein Gespür für Schlupflöcher besaß. "Wir werden so schnell wie möglich aufbrechen."
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