#20
"Halt." Eine filigrane Hand gebot den Soldaten Einhalt, eine Hand, deren groteske Erscheinung die dürren Finger aussehen ließ wie gebogene Krähenschnäbel, spitze Fingernägel, dazu gemacht den Kadavern das Fleisch von den faulenden Leibern zu reißen. In der Vorstellung. Doch auf jener, anderen Ebene der Wirklichkeit, die zwar weniger dem tatsächlich Gesehenen entspricht, aber nicht minder wahr ist, erschien auch die verfallene Ortschaft wie eine modernde Ruine, die in einem Sumpf des Schattens versank. Im Abgrund, jenes bodenlose Loch, das schon sie so unzählige Male versucht hatte zu überqueren - und jedes Mal scheiterte, jedes Mal fiel und nicht als Phönix aus der Asche, sondern als Hülle der Verderbnis wiederauferstand. Und es war leicht zu ertrinken, viel zu leicht, hier auf Firrerre. Mochte die natürliche Schönheit sie beeindrucken, sogar verzücken, konnte als dies doch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine Gruft handelte, ein perverses Massengrab, dass die Leiber von Millionen aufsog. Fauliges Leichenwasser sickerte bis auf den Grund, gelangte über Feldfrüchte in die hungrigen Mäuler der Bewohner. Wie gottlose Barbaren fraßen sie mit den Augen der Macht gesehen ihre eigenen Toten. Und mit jedem Happen des süßen Fleisches der Kadaver, schritten sie selbst unaufhaltsam in Richtung ihrer Auslöschung. Aber es war nicht mehr nötig, sie konnten von ihrer Barbarei ablassen, von ihrer Einfalt hier zu bleiben und zu sterben. Sie war gekommen, als Gott, als ultimative Erlösung, die ein Ende der Seuche versprach. Nicht aus Mitgefühl, nicht, weil es ihr gefiel, ihr heimlich Freude bereitete. Nein, der Tod war notwendig - und lange überfällig. Die Firrerreo hatten dieses Schicksal bewusst oder unbewusst gewählt indem sie hier blieben - zwar vom Imperium eingekreist, aber dennoch. Es gab eine Wahl, jeder hatte eine und sie hatten ihre Entscheidung getroffen, das Schicksal hat gerichtet und nun würde sie die endgültige Konsequenz ereilen.

Sogar die Neue Republik hatte es erkannt und überließ Firrerre dem sicheren Tod. Es gab keine Bemühungen zur Hilfe - natürlich nicht, zu offensichtlich war die Gewissheit, dass sie ohnehin versagen würden. Selbst die Macht verweigerte die von den Jedi so hochgepriesene Gnade und es überraschte nur wenig - sie war eine Lüge. Gnade war eine Eigenschaft, welche die Macht als Wesen nicht kannte und Reah war sich dessen bewusst. Sie wurde erst geschaffen, als ein Werkzeug des Lichts und von der Dunkelheit zu einer Waffe pervertiert. Und wie in allen philosophischen Belangen, betrachteten die Jedi auch diese Sicht als absolut und einzig wahre und übersahen das Paradoxon ihrer Glaubensvorstellung. Trotz aller Bestrebungen ihre Emotionen zu unterdrücken, waren sie nur zu oft Ursache ihrer Handlungen. Natürlich waren sie indoktriniert und besaßen lediglich die positive Gefühlswelt als Ausgangsbasis, drückten alles Negative in einen tiefen Schlund... bis manche daran zerbrachen. Unterdrückt war nicht vergessen und so manches Mal kam der Dämon der Dunkelheit wieder emporgestiegen und erinnerte sie sanft daran, dass auch die nur ein Teil der Macht, nur ein Bruchteil des komplexen Gefüges, das weit über Hell und Dunkel hinausgeht.

Derweil erfassten ihre Augen die Lage, ja, hier würden sie warten. Der Jedi kam, sie konnte es spüren. Das kümmerliche Geschöpf, dem es gelungen ist nicht an Firrerre zu zerbrechen, hatte ihre Herausforderung angenommen, ihren Ruf beantwortet. Die Macht hatte es ihr verraten, sie würden aufeinander treffen und es würde einen neuen Anfang geben. Aber nicht für das Imperium, nicht für den Imperator, nein, nur für sie selbst. Eine weitere Leiche würde der Gruft entsteigen - früher oder später, denn sie hatte Zeit und es dauerte, bis das Fleisch begann zu faulen, die Verderbnis sich des Körpers bemächtigte. Bis ihr Wille mit dem Willen jener im Einklang stand.

Hauptmann Cah'az schloss zu ihr auf. "Befehle, Ma'am?", fragte er zackig aus dem Helmkommunikator. Befehle, natürlich, die Drohnen brauchten die Worte ihrer Königin, die Glückseligkeit und Sinn in ihre leeren Automatenherzen trug. Die Gebieterin des Schwarms indes war bereit ihre kleinen Arbeiter glücklich zu machen obwohl derlei nicht nötig war, nein, sie könnten auch einfach... bleiben. Oder zum Schiff zurückkehren. Was auf den ersten Blick absurd wirken mochte, spielte auf den Zweiten kaum mehr eine Rolle. Die Würfel waren gefallen, Soldaten oder nicht, der Ausgang dieses Aktes stand fest in härtesten Granit gemeißelt. Sie erblickte die Finger des Abgrunds, die abgekauten Fingernägel - zwei Türme, längst verfallene Wachtürme wohl, zu beiden Seiten eines alten Torbogens. "Die Schützen auf die Türme, Hauptmann...sonst nichts. Sehen Sie.. warten Sie... aber tun Sie nichts, ehe meine Stimme es Ihnen nicht befiehlt..." Cah'az nickte verstehend und gab die Befehle an seine Männer weiter, blieb jedoch dicht an Reahs Seite. Er fühlte sich... unsicher, verwirrt vom Vorgehen der Inquisitorin gegen die Zivilbevölkerung. Seine Loyalität galt dem Imperium, doch bei dieser mordlustigen Wahnsinnigen... der Hauptmann zweifelte. Selbst jetzt, als sie sich scheinbar friedlich unter dem großen Torbogen niederließ und wartete. "Meine Methoden verwirren Sie?", fragte Reah nur wenig überrascht. Der Mann konnte seine Gefühle nicht vor ihr verbergen, nein, nicht die kleinen gedrillten Drohnen die sie waren, genormt und geformt, wo ihr jegliche Anomalie sofort ins Auge sprang. "Das sollten sie nicht.. denken Sie zurück, erinnern Sie sich an die Klonkriege, gedenken Sie all der Toten. Derselbe Hintergrund, nur ein größerer Schauplatz. Wie die Klonkriege ist Firrerre eine gut präparierte Jedi-Falle... Der Jedi verliert..., weil er kämpft. Weil er Hoffnung sieht, wo es keine gibt. Weil er nicht begreifen kann, dass diese Welt brennen muss, damit er bricht. Deshalb, Hauptmann, töten wir ohne Gefühl, ohne Wahl, ohne Gewissen. Deshalb agieren wir im Fieberwahn der Blutgier - weil all die Toten in wenigen Stunden keine Rolle mehr spielen werden, weil es in wenigen Stunden keine Firrerreo mehr auf diesem Planeten geben wird." Und es zählte nichts, ob Cah'az verstand oder nicht - seine Loyalität bedeutete so wenig wie sein Leben. Sie war ein Aszendent, eine Stammmutter des Abgrunds, einer neuen Dunkelheit die sich in der Galaxis erhob. Versteckt in den Schatten der Schatten, verborgen in der Dunkelheit selbst.
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