#34
Mord? Zum Glück flammte das bei Ilara nicht mehr auf. Sie hatte noch immer das ungute Gefühl dessen, was sie im Staub draussen gesehen hatte. Ihre Schwester… das ganze Blut, ihr Körper, der viel schöner war als Ilaras, obwohl er genau gleich aussah, genau gleich gebaut, genau gleich viel wog, genau gleiche Haare hatte, sogar.. alles war gleich! Aber doch war sie viel perfekter, liebenswürdiger und kam weiter, ohne einen Finger zu rühren. Jetzt aber war sie wieder im Hier und Jetzt, vermutlich darum, weil sie im Moment alles zuliess. Macht strömte ohne Widerstand durch sie hindurch, kein Widerstand mehr, Leere… grosse, grosse Leere. Sie konnte einfach nicht mehr. Der Turm war beinahe eine Wohltat, da hier der Sand aufhörte und es kühler wurde, und zwar der Umgebung wegen, nicht wegen Vesperum, der Kälte durch jede Pore ausstörmte.

So wie die Macht durch sie hindurchwaberte versank sie immer mehr im Nichts. Es fühlte sich sogar richtig an, geführt durch das, was in ihr war seitdem Vesperum sie seltsamerweise mit Schmerz geheilt hatte. Seine Präsenz verschwamm immer mehr im Angesicht der Macht und sie schloss müde die Augen, ging einfach weiter in diesen Turm und blieb schliesslich stehen, da sie fühlte, dass der Neuerkorene der Galaxis kurz stehenblieb. Sie sollte das Leben fühlen? Was wollte sie mit Leben, wenn sie diesen Schwebezustand haben konnte, in dem sie sich befand? Er war fast… friedlich. Ohne Widerstand und je mehr sie sich fallen liess, desto angenehmer war es. Schwarze Watte. Wenn sie die Augen öffnete verengte sich ihr Sichtfeld zusehens. Es war der Körper, der nach Ruhe und Nahrung lechzte, gemischt mit dieser Gefahr der Macht, die in sie eindrang und ihr mehr zu schaffen machte als Vesperum. Hier in diesem Turm war es sogar seltsam ruhig, gleichmässige Laute waren zu hören. Frieden.. sie zog sich in Frieden zurück. Eigentlich war es ein gutes Gefühl, eines, was sie gar nicht kannte. Frieden… sie fand Frieden an diesem Ort? Weil sie alles zuliess, sich nicht mehr wehrte, eine Egalstellung erreicht hatte, bis… ja, bis sie eben die Hände auf das Leben legte und mit aller Macht auf die Knie gerissen wurde. Wie sie das gemacht hatte? Sie wusste nicht einmal, dass sie etwas getan hatte. Vesperum ging weiter, während sie auf den Knien auf dem Boden harrte und sich fühlte, als würde sie der Planet anziehen und ihr dabei alle Knochen brechen. Sie keuchte schmerzerfüllt auf, stemmte sich gegen die Kraft, die in jeder Zelle wehtat. Sie im Eingang des Turmes und fühlte etwas auf sie zudriften. Was es war bemerkte sie erst, als es ankam. Es war Leben… das sie in sich aufnahm. Die Wunde an ihrem Bein begann zu brennen wie mit Feuer übergossen, die Gesichtshaut spannte, schien zu reissen. Ilara schrie auf, während sie dieses Leben in einigen Sekunden anzog, bis sie fast das Bewusstsein verlor. So wunderbar sie sich gefühlt hatte, so schrecklich fühlte sie sich nun. Sie lag auf dem Boden. Jetzt tat sie es also. Knurrend erhob sie sich auf die Arme, streckte sich und krallte den Dreck des Boden zwischen ihre Finger. Knurrend erhob sie sich, die Kruste ihrer Beinwunde fiel ab. Die Wunde sah viel besser aus, ihre Gesichtshaut schien gestrafft und vitaler zu sein. Die Artefakte lagen jetzt nutzlos am Boden. Sie hatte sie einfach fallen gelassen in ihrem Sturz. Sie atmete stark, als würde ihr etwas die Lunge zusammenpressen. Ihre Wahrnehmung war eingeschränkt, sie fühlte keinen Kressh, keine andere Machtnutzung, nur ihren Schmerz, die Atemschwierigkeiten, als sie weiterschritt, die Hände zu Fäusten geballt, langsam, als lasteten Tonnen auf ihren Schultern. Ihre Augen leuchteten Rot, als die Tiere neben ihr zu Boden fielen. Was auch immer Vesperum nun sehen wollte, fühlte, sie wollte es töten. Ein unbändiger Wille zum Töten ergriff sie. Sie besah Vesperums Rücken und fühlte heissen Hass in sich aufbrodeln. Er war Schuld. Er alleine. An allem. “Was?“, fragte sie. Konnte er keine klaren Ansagen machen? Sie war kurz vor der Explosion, fühlte das, was er Leben nannte, um ihn herum vibrieren. Es schien ihn zu speisen, so wie er es absog.

Sie kam einige schwere Schritte auf ihn zu. Ihn, der wirklich an dieser ganzen Misere schuld war. "Was soll das?", fragte sie zischend, als die letzte Hürde in ihr brach. Die Vernunft sprengte ihren Käfig und sie kam schwer auf ihn zu, stand eng vor ihm. Die ganze Dunkelheit seinerseits umfasste sie, aber es war egal. Die Wut, Rage, die Lebensaggression war in ihr geweckt. Die Angst, die sie vor ihm gehabt hatte, vergessen, alles weg. "Diese ganze verdammte Reise hierher für irgendeine seltsame Geisteskrankheit oder Erscheinung? Was hab ich davon? NICHTS!", kam es gepresst aus ihr, als sie nach ihrem Laserschwert griff und es aktivierte. Violetter Schein durchdrang den Raum, als sie ihren Beschluss fasste: umbringen. Egal was. Umbringen... langsam, qualvoll, sie konnte das- hatte sie an sich selbst, ihrem Spiegel, ihrer Schwester bewiesen. Sie wollte gerade die letzten Schritte hinter sich bringen und ihm die Klinge mitten in die Magengegend rammen.
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