#29
Wie weit entfernt stehen wir vom Licht? Klare Augen sahen nur verschwommene Muster. Als ihr Blick Korribans Sonne traf hätte das, was sie dort erkannte alles sein können. Die Manifestation ihrer Fantasien, die sich in einem irren Farbspiel willkürlich verknüpften und ihr Kreationen vorgaukelten, die so fernab der Realität und Rationalität waren, wie sie nur sein konnten. Und je länger ein Mensch in das Licht starrte, desto unklarer und verschwommener wurde der Pfad, bis er sich darin am Ende selbst verlor. Der Orden der Jedi hatte das nie erkannt. Sie konnten kein Ziel erreichen, sie konnten auch nicht siegen denn in ihrer Welt gab es die Manifestation eines Sieges überhaupt nicht. Die Welt des Lichts stellte in Wahrheit nichts andere als eine größere Dunkelheit dar und sie wuchs an den Schatten, die sie umgab. Doch die grellen Strahlen hatten die Jedi vor langer Zeit schon geblendet, blind gemacht für die Gefahr, die sie immer schon umgab und ebenso blind gemacht für ihre einst so hoch gehaltenen Ideale. Im Glanz aber wurden auch sie Opfer der Überheblichkeit, der Eitelkeit und der Exklusivität. Makel die sie nicht abwaschen konnten. Selbst Skywalker war keinen Deut besser. In seinem Siegestaumel ist auch er erblindet. Geblendet vom Triumph über Vader und Palpatine. Aber war das ein Sieg für die Jedi? Für die Republik? Gewöhnliche Militärs wie Scarian würde es zähneknirschend zugeben, doch Reah selbst sah eine größere Dunkelheit geboren - manifestiert in Darth Vesperum. Aber... der Darth war kaum mehr als das Aushängeschild, das öffentliche Gesicht dieser neuen Dunkelheit - es war ihre Wirkung, ihr Echo, was zählte. Die Galaxis versank im Wirbel des Chaos, das immer schon unzählige Tode forderte und gleichzeitig verhärteten sich die Fronten - Skywalker hatte nichts gewonnen, er hatte den Krieg nur endgültig eskalieren lassen. Reah verschloss diese neue Wahrheit in ihrem Herzen: die Dunkelheit konnte nicht verlieren, denn wo immer Leute starben, sich Leid verbreitete, dort fand auch sie einen Nährboden um zu wachsen und das Leid in der Galaxis war unendlich, es hörte nie auf und kein Jedi, kein Soldat konnte daran irgendetwas ändern. Und Korriban schenkte ihr noch eine Erkenntnis: in Kriegen wurden nur Schrecken geschmiedet, Wesen, Kreaturen und Maschinen, die schon immer das Licht zerstören wollten, weil sie es nicht ertragen konnten, es sie blendete, ausbrannte und nur ihre leeren Hüllen zurückließ, die sich mit der Dunkelheit füllten.

Dann streichelte sie Korribans Atem - er war rau und aufgewühlt, so wie sie selbst: grob. Doch Korriban wusste auch um ihren Wert, der Planet wusste, es würde sich lohnen sie zu reinen Kristallen zu schleifen, die seine dunkle Energie speichern konnten. Dann öffnete die Welt ihr Maul, doch wer eine Bestie erwartete, wurde nun enttäuscht. Erst klang es wie ein säuseln, vielleicht hätte es ein Schlaflied sein können, ein Nachtlied für die Toten oder ihr Nachhall, ihr Ruf vom Grab hinaus in die Galaxis. Reah wusste es nicht und es spielte auch keine Rolle, nein, was zählte war, dass es sie lockte. Wie ein süßer Duft umschmeichelte sie der Gesang und lenkte ihre Schritte. Der rote Sand knirschte unter ihren Stiefeln, als die lieblichen Stimmen sie durch die Ruinen führte, die Gräber, die sie nun waren. Das innere wirkte vertraut, vielleicht eine Art Festsaal? Reah konnte sich an Theater auf Kuat erinnern, das ähnlich strukturiert war. Ihr Blick glitt über die leer gefegte Tribüne, deren Trümmer ihr nun den Weg versperrten, die Logen und schließlich die Bühne selbst - oder was noch davon übrig war. Begraben lag sie unter Ferrobeton und Durastahl und um sie herum lauerte nur der Tod. Zahlreiche Skelette kündeten von der gnadenlosen Auslöschung durch die alte Republik, die diese Welt mitsamt aller Zivilisten, aller Lebewesen verbrannte. Korriban war der Beweis, dass Kriege lediglich dem Zweck dienten, die Dunkelheit zu vergrößern. Sie eskalierten und resultierten in einer endlosen Spirale der Gewalt. Jede Partei wäre am Ende nur noch darum bestrebt, das Grauen des Feindes noch zu übertreffen und am Ende war der Sieger nur jener, der nicht am Schindluder der Moral zerbrach und trotzdem war auch er ein Opfer. Ja, die Sieger opferten einen Teil ihrer Selbst an die Finsternis und die Leere wurde von den zahlreichen getöteten Seelen gefüllt.

Korriban zwang sie in die Knie. Zwang sie dazu sich herunterzubeugen, erneut die Toten zu durchwühlen. Einige hielten tatsächlich noch Gegenstände ihres Lebens in den kalten Händen. Die Inquisitorin betrachtete ein ausgebranntes Lichtschwert, verrottet und nutzlos, wie so vieles auf dem Planeten. Doch danach suchte sie nicht, nein, Reah benötigte eine andere Antwort, ein anderes Zeichen. Einige Meter vor ihr konnte sie es erkennen: eine Art Bauplan, fest umklammert von einer starren Hand. In ungewohnter Hast preschte sie voran, als ob sie eine fürchterliche Angst davor gepackt hatte, jemand könnte ihr diese Entdeckung wegnehmen. Doch was darauf zu erkennen war, ließ Reah noch weitaus mehr erschaudern. Die Schrift konnte sie nicht lesen, doch die Bilder, die verschiedenen Komponenten, die Maschine an sich, ließ keinen Zweifel zu. In dieser Zitadelle der Toten lag ein Bauplan der Dark Reaper, so zum greifen nahe! und gleichermaßen war die Inquisitorin auch irritiert. Sie hatte keineswegs mit einem Bauplan gerechnet, sie hatte nicht einmal erwartet, dass die Reaper überhaupt gebaut wurde. Sie hielt die Reaper für das kollektive Gedächtnis der Sith, den Pulsar der Dunkelheit. Doch wenn auch sie nur wie Massenware hergestellt wurde... nein. Reah schüttelte den Gedanken ab: die Reaper hatte eine Macht jenseits dessen, was in einer gewöhnlichen Fabrik hergestellt werden konnte und sie hatte Bewusstsein - da war sich die Inquisitorin sicher. Und dennoch erklärte dies nicht dieses Fundstück. Trotz allem... eine ungewöhnliche Gier überkam Reah, ein Verlangen nach Wissen. Wenn das Relikt in der Hand des Toten das Rätsel nicht lösen konnte, so wäre es vermutlich der Schlüssel - wenn es diese Pläne möglich machten die Dark Reaper zu reaktivieren, sie wieder Instand zu setzen... würden sich ihre Fragen möglicherweise von selbst klären. Und so sehr sie die alten Maschinen auch fürchtete, so sehr trieb sie das Verlangen dazu an, sie wieder zu erwecken. Ungestüm preschte ihre Hand nach vorn, wie von Fanatismus gepackt und griff nach dem begehrten Plan. Doch er zerbrach, das Jahrtausende alte Relikt zerbrach in ihren Händen. Eine große Leere überkam die Inquisitorin, als hätte sie sich selbst einen empfindlichen Stich mit einem Dolch versetzt. Ungläubig sackte sie auf die Knie und begutachtete ihr Werk. "So nah..." Aber es war nicht vorbei, noch nicht, nicht solange die Reste der Reaper auf ihrer Welt lagen. und wo es Baupläne gab, musste es Fabriken geben, mehr von ihnen und irgendwo in dieser trostlosen Einöde würden sich diese unheiligen Schmieden finden.
Ihr Blick richtete sich auf die Decke. Kiesel bröckelten heraus, erst kleine, dann größere, als wären sie zornig über ihr eintreten, als wollten sie ihr sagen, sie solle wieder verschwinden. Ein letztes Mal blickte sie auf die zerstörten Pläne, dann erhob sich Reah und machte sich daran, das Opernhaus hinter sich zu lassen. Ihr Blick musste der Zukunft gelten und Korriban hatte ihr soeben gezeigt, worin diese Zukunft bestand.
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