#26
Es traf die Inquisitorin wie ein unerwarteter Stromschlag und dennoch konnte sie ihre Hand nicht mehr zurückziehen. Es war bereits geschehen, sie hatte sich den Kanälen der dunklen Seite bereits geöffnet, deren finstere Energie sich wie ein Wurm durch ihre Adern fraß. Wonach nur trachtete diese antike Macht? Wollte sie sich etwa in ihrem Herzen festkrallen, es mit ihren spitzen Zähnen herausreißen und sie verzehren? Nein... Nein, Reahs Wahrnehmung verschwamm im Wirbel der Zeiten, ein Sturm der Vergangenheit überkam sie und transferierte ihre Wahrnehmung zurück in die traurige Geschichte Korribans. Verwirrung machte sich in ihr breit, abermals gepaart mit Furcht. Was geschah an diesem Ort mit ihr? Was gedachte Korriban aus ihr zu machen? Reah war sich zu diesem Zeitpunkt nur bewusst, dass sie den Planeten nicht als die Person verlassen würde, als die sie hergekommen war. Der Planet veränderte sie -doch ob zum Guten oder zum Schlechten konnte sie unmöglich beurteilen.
Ihre Augen oder das, was sie für ihre Augen hielt begannen wieder klarer zu sehen. Verschwommene Schatten bekamen klare Konturen und Akzente, Farbpigmente mischten sich in das Bild, erst zögerlich, doch dann immer mehr und schließlich konnten ihre Ohren auch Geräusche wahrnehmen. Die Aura des Lebens manifestierte sich und ermöglichte die Reinkarnation der Vergangenheit - oder war es eine ferne Zukunft? Reah war sich alles andere als sicher.

Wo eben noch eine Wüste zerstörter Ruinen vor ihr lag, befand sich nun ein Pulsar des Lebens. Die vom Krieg zerfetzten Ruinen erhoben sich in neuer Pracht und vermittelten die alte Herrlichkeit der Sithwelt - ein blendender Kontrast zu dem Friedhof, auf dem sie in der Gegenwart wandelten.
Echos einer alten Zivilisation zogen an ihr vorbei -Männer, Frauen und Kinder, die Bewohner dieses Ortes. Eindrucksvolle Banner zierten die Fassaden der Häuser, geschmückt mit Symbolen, die Reah nicht zuordnen konnte, jedoch in Zusammenhang mit den Sith zu stehen schienen. Eine laute Stimme veranlasste ihren Geist sich herumzudrehen. Unweit von ihrer Präsenz befand sich ein junger Mann in einer fremdartigen Uniform, die dennoch entfernt an jene der Sturmtruppen erinnerte. Eine andere Gestalt kam hinzu - oberflächlich betrachtet einer jener fehlgeleiteten, die sie zu Hauf auf Byss gesehen hatte. Doch dieser wirkte disziplinierter, dieser war nicht in die Walze von Zwietracht und Ehrgeiz geraten, die schon so viele zermalmt hatte, nein. In seinem Herzen brannte Leidenschaft, ein unbändiger Wille und... tiefe Sorge. Relikte der Menschlichkeit, einer Menschlichkeit die sie verloren glaubte, die sie nicht mehr sehen konnte, seit nunmehr fast zwei Jahrzehnten nicht mehr. Weder bei den Jedi, noch bei den dunklen Akolythen. Diese Männer kämpften nicht aus ihren egoistischen und kleinlichen Beweggründen hinaus, wie es dieser Tage so oft geschah. Sie opferten sich für eine größere Vision, eine Idee, die es wert war gerettet zu werden. Sie kämpften mit dem reinen Gewissen ihre Heimat zu verteidigen und während die Inquisitorin ihren Worten lauschte erinnerte auch sie sich. An Thule, an das Thule vor Dooku, vor dem endgültigen Erwachen der Dark Reaper. Als der Separatistenanführer auf ihre Welt kam, kämpften sie ähnlich, kämpften ihre Eltern ähnlich: fast alle wollten ihre Liebsten beschützen bis... bis die Republik kam, bis das Gift der Zwietracht, kanalisiert von Konföderation und Republik, gespeist durch die Dark Reaper die Bevölkerung entzweite und der große Tod über sie kam. Aber Korriban hatte eine andere Geschichte. Anders als Thule hatte hier niemand eine Wahl, konnte sich keiner Partei anschließen sondern musste der Vernichtung ins Auge sehen.

Aber wer war der dunkle Verheerer? Innerlich hoffte sie, die finstere Gestalt würde mehr Auskunft darüber geben. War es etwa jenes Gerät, das später als Reaper bekannt wurde? Konnte diese Maschine, die ihr ganzes Leben lang die Sith repräsentierte tatsächlich nur das gewesen sein? Ein Stück Metall? Geschmiedet in den Wüsten Korribans? Nein, dazu... war ihre Macht zu groß, ihr Einfluss auf die Lebenden. Kein lebend Wesen konnte so etwas erschaffen, Thules Schreckgespenst musste eine andere Geschichte haben, einen anderen Ursprung. Aber welchen?
Die Szene änderte sich, eine vertraute Hoffnungslosigkeit machte sich breit, überspielt mit Disziplin dem Verhalten der Sturmsoldaten nicht unähnlich. Hektisch eilten sie über den Platz, errichteten behelfsmäßige Barrikaden, doch in ihrem Fokus stand der junge Seargeant. Als würde eine unbekannte Macht sie dazu zwingen, verfolgten ihre Augen jede seiner Bewegungen. Erst die Schreie der Zivilisten befreite sie für einige Sekunden, lange genug, damit sie die republikanische Flotte am Himmel erkennen konnte. Wieder musste sie sich fragen, in welcher Zeit sie sich befand. Die Modelle wirkten in keinster Weise vertraut. Sie wusste nur eines: Korriban würde sich nicht behaupten können, nicht gegen diese Übermacht. Doch wenn die Republik Korriban vernichtet hatte... war sie dann auch für Taris verantwortlich? Für Dantooine? Oder waren es andere Schrecken, die diese Welten heimsuchten? Es war kurios. Korriban ließ sich dazu herab ihr einen intimen Eindruck zu verschaffen, doch statt in ihrem Geist Klarheit zu säen, stiftete er nunmehr Verwirrung.

Erst als ihr Blick wieder auf Keldarn fiel, wurde ihr bewusst, wo sie sich befand. Es war tatsächlich die Vergangenheit, der Soldat berührte das Tuch, das sie aufgelesen hatte. Doch anders als es dieser von Hass und Wahnsinn verseuchte Planet es sie anfangs denken ließ waren es nicht diese Emotionen, die in Keldarn dominierten. Nein, er kämpfte mit der Kraft der Liebe und der Leidenschaft, schöpfte aus ihnen seine Stärke um seine Liebste zu verteidigen. Für einen kurzen Moment bewunderte sie diesen Mann, diese Zivilisation, ehe die Republik alles um sie herum in ein Meer der Flammen verwandelte, die Vernichtung über Soldaten und einfache Bürger brachte, wie ein wahnsinniger Schlächter. Vor ihren Augen verbrannte ein letzter Banner, und mit dem Feuer, begab auch sie sich wieder zurück in ihre Wirklichkeit.

Ein ungläubiges Blinzeln erfasste die Inquisitorin. Zögerlich wanderte ihr Blick herunter auf das Tuch in ihrer Hand, das teure Liebespfand des tapferen jungen Soldaten. Vorsichtig breitete sie das Tuch aus und führte es an ihre Nase und während dem Stoffstück tatsächlich nur noch der Duft des Todes anheftete, spürte Reah noch die Reste des süßlichen Geruchs der Liebe, Hingabe und Leidenschaft - gepaart mit dem schwelenden Hass, den sie auf die Republik projizierte. Langsam schloss sie ihre Lider, drückte das Tuch an ihr Gesicht und konnte beinahe spüren, wie die Zeichen der Finsternis aus ihren Gesicht wichen - nichts weiter als eine Vorstellung und doch milderte es die Last der dunklen Seite. Korriban hatte ihr neue Aspekte aufgezeigt, einen Weg, für den es sich zu kämpfen lohnt, einen Weg, der nicht ausschließlich aus Grausamkeit besteht. Sie nahm das Tuch herunter, reckte ihren Hals ein wenig in die Höhe, ehe sie das Schmuckstück sorgfältig herumwickelte. Es sollte sie begleiten, stets an Seargeant Keldarn erinnern, daran, für wen er gekämpft hatte, daran, was die Republik dieser Welt angetan hatte. "Die Republik...", flüsterte Reah lediglich und schritt weiter voran. Sie erkannte den Gleiter vor ihr, die Kisten, die Leichen, die eben noch lebendige Männer gewesen waren. Feinfühlig glitten ihre Finger herüber, während ihr Herz das Leid und die Trauer der Toten aufnahm, sie zu einem Katalysator für ihre Wut machte. Hier gab es keine Entspannung, nicht für sie. Scarian mochte sich nach einer Schießerei ausgeglichen fühlen, doch für Reah manifestierte sich hier nur der verabscheuungswürdige Feind Republik, mitsamt ihren Jedi-Lakaien.
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