#24
Umgehend. Umgehend bedeutete sofort. Jetzt und in diesem Moment, nicht erst, wenn sie den Mythos eingefangen haben, der sie in dieses Grab lockte. Feindseligkeit blitzte kurz in ihren Augen auf. Sie dachte an diesen überheblichen Nichtsnutz Stratis, an Byss, wie er dachte, er würde ihre Befehle befolgen. Wollte Scarian denselben Fehler machen? Wollte der Strumtruppenoberst erfahren was die Konsequenzen eigenständigen Denkens waren? Und wo die Grenze lag? Er war nichts mehr, ein Niemand, ein austauschbarer Apparat, wie die Massen an TIE-Jägern in den Bäuchen der Großkampfschiffe. Cato Scarian besaß für die weder Gesicht, noch Geschichte, noch Individualität. Er war ein Kriegskonstrukt, stand in seinem Wert nur gering über gewöhnlichen Militärdroiden. Als ein solches Produkt hatte er nicht zu fragen, nicht zu denken, nein, er hatte ihre Befehle zu befolgen, so, wie sie die von der Finsternis ausgedorrten Lippen verließen. Neuer Zorn erfüllte ihr Innerstes, brannte sich wie das läuternde Fegefeuer durch ihre Venen. Zorn darüber, dass ihre Autorität nicht angemessen respektiert wurde, darüber, dass vielleicht der Verdacht aufkam, sie wäre nicht mehr imstande rational zu urteilen, vernünftige Entscheidungen zu treffen bis hin zur Verkündung von absolutem Nonsens. Hätte sie Scarian zerschmettern sollen? Seinen stolzen Soldatenkörper zerdrückt und unförmig verkrüppelt in diesen Droidensarkophag stecken sollen? Vielleicht. Es war schwer vorherzusagen. Der Mann beeinflusste die Inquisitorin, lenkte sie ab und zerstreute ihren Fokus in der Ödnis Korribans. Und dennoch ließ sie ihn leben - aber nicht aus Gnade. Die Macht hatte entschieden. Die Macht verschonte den Soldaten, statt die Kräfte der Inquisitorin zu entfesseln und gewiss nicht aus Zufall. Das Opfer der Gewöhnlichen, der Geringeren, wurde an anderer Stelle benötigt.

Und erneut beanspruchte Scarian ihre Aufmerksamkeit und wofür? Für das klägliche Gefühl der Hoffnung. Beinahe konnte sie die ausgeschütteten Glückshormone der Soldaten riechen, sie wie widerliche Skarabäen unter ihren Stiefeln zermalmen. Aber die Soldaten hatten keine Ahnung. Keine Ahnung von der dunklen Seite und ihren fauligen Versprechungen. Selbst das Licht war eine Lüge und die Galaxis selbst war der Beweis dafür: von Grund auf existierte nur die Dunkelheit, sie erzeugte das Licht erst aus ihrem eigenem Zentrum heraus. Finsternis ist eine allgegenwärtige Erscheinung, sie beherrscht das Leben auf allen Planeten, denn entgegen dem Irrglauben ist es nicht etwa die Nacht der vergeht, sondern der Tag, der erst durch vereinzelte Sonnen geschaffen werden muss. Und so verhielt es sich mit den Jedi, deswegen konnten sie nicht siegen. Wo die Jünger der dunklen Seite schon immer präsent waren, an dieser Stelle musste ein Jedi das Licht erst schaffen, konnte es unmöglich aus dem Nichts heraus mehren. Die Armeen der Finsternis waren unendlich, manifestierten sich in immer neuen Schrecken. Die Jedi hingegen krallten sich an den Zipfel des Lichts, wie an den Rocksaum ihrer Mutter, Sie waren allein, hilflos in der Dunkelheit ausgesetzt.
Und dieses Wesen der dunklen Seite verkannte Scarian hier ebenso: hinter seinen geliebten Lichtstrahlen versteckte sich nur eine weitere Finsternis. Vielleicht hätten sie länger in den Katakomben verbleiben sollen. Korribans Innereien aus Schatten und Irrwegen hätten den Sturmtruppen früh genug vermittelt, dass sie im Wesen der Galaxis selbst wandelten. Doch statt ihre Stärke im Kampf mit der ewigen Bestie, den Kreaturen des Abgrunds, der Dunkelheit selbst zu messen, wählten die feigen Hunde den leichten Weg des Lichts, ein Pfad von dem Reah wusste, dass er sie am Ende nur Schwächen würde.

Und dennoch gab auch die Inquisitorin der falschen Hoffnung nach und starrte durch den schwelenden Rauch der alten Maschine. Sie holte den altertümlichen, roten Kristall aus ihrer Tasche und hielt ihn sich vor das Auge. Wie ein prächtiges Kaleidoskop verwandelte er die einzelnen Strahlen in ein blutdurchtränktes Farbspiel, ehe er wieder in den Untiefen ihres Mantels verschwand. Reah nickte, so abwegig sie es auch fand, schien ihr weiterer Pfad in dieser Richtung zu lliegen und so machte sie sich daran, voranzuschreiten.
Das Licht brannte in ihren Augen. Die wenigen Strahlen, die es schafften unter ihren Hut zu gelangen fühlten sich an wie Plasmaprojektoren, die ihr das Fleisch verbrannten. Ein letzter Schritt brachte sie wieder unter Korribans Himmel. Als sie sich noch einmal umdrehte, noch einmal in die lockende und schützende Dunkelheit blickte, bemerkte Reah auch die Pforte durch die sie geschritten war. Tatsächlich schien diese ein regulärer Ausgang zu sein und keiner der, wie von ihr vermutet, durch Eruptionen entstanden war. Doch Zeichen und Hinweise auf dem Tor, so es je welche gab, hatte der Wind schon vor langer Zeit abgerieben. Vielleicht war es einmal ein Versorgungstunnel zum Funkturm, zumindest erschien diese Vermutung naheliegend.
Vor ihr baute sich der Kadaver einer riesigen Stadt auf, ein Ort, der allein vom Tod beherrscht wurde. Wieder wurden ihre Schritte auf dem Sand unsicherer. Ihr Geist floss durch die Macht, suchte in den porösen Gestein nach den Echos der Gefallenen und hatte doch zeitgleich schreckliche Angst davor, die Geister der Toten wahrhaft zu finden. Seltsame, fremdartige Bauten säumten ihren Weg, architektonische Werke, die sie keiner ihr bekannten Kultur zuordnen konnte. Vereinzelt waren auch hier Zeichen zu erkennen, die jenen auf der Maschine nicht unähnlich waren.
"Beeindruckend nicht wahr?", sprach die Inquisitorin, obgleich sie keine Antwort erwartete. "Und doch ganz und gar nicht das, was ich erwartet hatte." Eine derart große Siedlung für humanoide Wesen entsprach ganz gewiss nicht ihren Vorstellungen von einer Sith-Welt. Wo waren die riesigen Fabriken? Die Manufakturen der Sith?

"Entgegen dem, was sich über die Sith erzählt wird, hat, wurde diese Kultur nicht von ihnen ausgelöscht oder assimiliert, wie es die Dark Reaper auf anderen Planeten getan hat.", fuhr sie fort und deutete auf tiefschwarze Brandspuren an vereinzelten Gebäuden. "Sie als Soldaten wissen solche Zeichen zu deuten. Dieser Planet wurde von einer Sternenflotte bombardiert. Vielleicht sogar dieselbe Flotte jener unbekannten Macht, die vor Jahrtausenden auch Welten wie Telos, Dantooine und Taris zerstörte."
Reah machte an einer stark verbrannten Leiche vor ihr halt. Ein verkrüppeltes, deformiertes Skelett um deren dürren Hals sie ein Tuch erkennen konnte, dass abermals die hier scheinbar allgegenwärtige Symbolik aufwies. Ohne lange darüber nachzudenken beugte sich die Inquisitorin herunter, um das Stück an sich zu nehmen. Sie konnten das Verlangen, es besitzen zu wollen nicht begründen, ja nicht einmal beschreiben. Korriban schien ihren Willen aufzubrechen und sie zu einem leeren Kanal für den Willen der Macht zu machen, die ihre Handlungen bestimmte.
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