#59
Erwartungen, sie waren Schall, Nebel, Rauch - irgendwo vorhanden aber nie wirklich real oder bedeutsam genug sich intensiv mit ihnen zu befassen. Es war die Sicht eines Fremden auf eine Person, sie wollten etwas, bestrebt darin das andere Wesen zu kategorisieren, fassbar zu machen und in eine Schublade zu stecken. Eine plumpe Art augenscheinlicher Entmystifizierung von dem was jemand sein konnte oder auch sein wollte. Sedrael hatte in diesem Punkt natürlich recht, das musste sie, wenn auch stillschweigend, zugeben und dennoch beantwortete es ihre Frage nicht. Die exilierte hatte wenig, eigentlich gar keinen Grund ihr zu helfen denn letztendlich war die Inquisitorin das einschlagende Erlebnis, dass Sedrael, bis auf sich selbst, alles genommen hatte was je da war. Planet, Freiheit und gewissermaßen sogar die Entscheidungsgewalt, selbst wenn Reah das nie zugeben würde. Das Überleben der Sephi hing stets von der Laune der Inquisitorin ab - wäre sie dieser bizarren Beziehung überdrüssig geworden, hätte sie keinen Moment gezögert sich ihres Anhängsels zu entledigen. Ein bestimmter Teil mochte sogar sehnsüchtig darauf gewartet haben, dass dieses fragile kleine Wesen protestiert, sie irgendwie herausfordert nur, um dann mit in ihren Abgrund gerissen zu werden. Stattdessen schien Sedrael es einfach zu ertragen und zeigte sich nun selbstlos darin, ihr dennoch zu helfen auch wenn sie die verworrene Dunkelheit im Inneren der Hexe nicht einmal im Ansatz verstand. Alles was sie besaß waren wertlose Fragmente, die ein eher vages und unzureichendes Bild der Person projizierten, lose Eindrücke bestenfalls, wie diese Frau sich selbst sah.
Interessant an ihrer Aussage indes war, ob sie denn nicht ebenfalls Erwartungen hatte, ob sie nicht ebenso diese Inquisitorin lieber in einem anderen Licht sehen wollte, statt ihrer zersplitterten Teile, die sich in den Schatten verstreut hatten. Was von ihr zurückblieb war bestenfalls eine zerbrochene Klinge: scharfkantig, barbarisch und verzweifelt gefährlich aber gewiss nicht das, was Sedrael gerne sehen wollte. Oder zu sehen hoffte. Letzten Endes, so schloss die Frau, waren Erwartungen lediglich Wunschträume des eigenen Irrsinns, die sich in den Gedanken manifestierten ohne es je in die wache Welt zu schaffen. Reah selbst hangelte sich an Zielen entlang, nicht an Hoffnungen. Stets an dem was fassbar war und nicht nur ein Bildnis einer skurrilen Fantasie. Dies mochte der Unterschied zwischen den beiden Frauen sein: Reah sah die Galaxis wie sie war und antwortete mit ihren eigenen Methoden darauf während Sedrael vielleicht eher daran dachte wie sie werden könnte.

Sie wurden wohl das, was sie werden mussten weil die Galaxis oder zumindest die Individuen darin, es von ihnen verlangten. Und war es deshalb wichtig zu wissen was geschehen war? Warum jemand zu dem wurde was er ist? Kaum. Es war lediglich der Anfang eines kleinen gedanklichen was-wäre-wenn-Spiels, das bestenfalls Fantasie und Neugier befriedigte aber abseits davon keinen merklichen Nutzen erzielte. Worauf also zielte Sedrael an dieser Stelle mit der Frage ab? Wenn sie Reah besser begreifen wollte, war dies wohl die falsche Frage und wenn sie wissen wollte, was sie tun musste um einem solchen Schicksal zu entgehen, hatte sie nicht begriffen wie verschiedenartig die Dunkelheit sein konnte. Vielleicht war die Sephi sogar bereits korrumpiert und wusste es nur noch nicht - die Auswirkungen des Abgrunds waren mannigfaltig und nicht jeder wurde zu einer wilden Bestie. In einigen manifestierte sich die Finsternis auf schleichende Weise und ließ Grausamkeiten gar subtil wirken - es brauchte nicht viel, nur einen kleinen Stein, eine einfache Geste, um eine Lawine der Dunkelheit zu entfesseln. Kleine Gemeinheiten konnten zu großem Elend führen und ein Echo der Dunkelheit nach sich ziehen, mit dem der Verursacher selbst nicht gerechnet hatte.
"Was geschehen ist?", wiederholte Reah Sedraels Frage ungläubig als misstraute sie dem unschuldigen Interesse dahinter. "Nela Vali ist geschehen." Nela Vali... ein Name, den sie gewiss seit über zehn Jahren nicht mehr benutzt hatte und es gab auch keinen Grund, die nautolanische Jedi war seit einer gefühlten Ewigkeit tot als ihre Welt begann ihre Farben zu verlieren. "Sie hat mich am Ende der Klonkriege vor den Kämpfen bewahrt und mich mitgenommen. Ich denke unser Ziel war Coruscant, der Jedi Tempel doch wurde unser Schiff auf dem dorthin abgeschossen." Sie musste sich zusammenreißen, die feinen Kristallsplitter richtig zusammenzusetzen um ihre Vergangenheit zu rekonstruieren, während ihr Blick ins Feuer viel, erwartungsvoll, als würden sich Bilder der Vergangenheit darin finden. Doch nichts, ihre Augen starrten nur in die Finsternis dahinter. "Wir konnten nicht weg und so hat sie damit begonnen mich auszubilden - so gut sie es eben konnte. Irgendwann zu dieser Zeit muss Order 66 geschehen sein, der Anfang vom Ende, wenn du so willst. Und mit der Order, kam schließlich das Imperium. Es kam nicht sofort, es dauert und saß uns doch im Nacken... vielleicht... vielleicht war es letztlich sogar die Angst davor, die den Keim legte. Wie dem auch sei, man kann gegen das Imperium kämpfen, aber nicht vor ihm davonlaufen." Was folgte war eine längere Pause in er die Inquisitorin unsicher erschien, weitererzählen zu wollen oder nicht, vielleicht allein aus dem Grund, weil es Erinnerungen daran weckte, was Traggis ihr erst vor kurzem angedroht hatte. "Letztendlich wurde sie von jemanden wie mir, einem Inquisitor aufgespürt und getötet. Ich hatte mich nicht gewehrt, kam nach Byss dort, wo du auch gelandet wärst. Letztendlich legst du gefangen in dieser Dunkelheit den glauben an die Werte der Jedi ab... es.. geht nicht anders. Jeden Moment deines Daseins wird dir das Gegenteil vorgelebt und mit jedem Schritt den du dich weigerst auf die Dunkelheit zuzugehen, kommt sie auf dich zu. Du kannst kämpfen und wirst verlieren. Licht muss geschaffen werden, doch Finsternis war schon immer da und auf Byss, wirst du kein Licht finden und eine einzelne Kerze kann die nahende Dunkelheit nicht aufhalten. Sie wirft nur unsere dunkelsten Schatten an die Wand... dort finden wir uns selbst."
Und doch war es lediglich der Anfang, wie sie wusste. Byss war lediglich Korrumpierung, was folgte, war Indoktrination und das Resultat aus beidem war wohl eine Art Irrsinn, die sich kaum beschreiben ließ. "Später landete ich als... Spezialverwendung beim imperialen Geheimdienst um mich für den Inquisitorius zu Schulen als auch um mich... zu einem gefügigen Werkzeug zu machen. Und der IGD bricht dich vollends. Wieder und wieder. Sie lassen dich zurück, nur mit dir allein, deinem Schatten und dieser Finsternis die in deinem Herzen sitzt. Und wieder kämpfe ich. Einen sinnlosen Kampf gegen Durastahlwände. Was noch von dir übrig ist, wird auf Verzweiflung und Panik reduziert, bis du irgendwann um Gnade flehst, weil du dich selbst im Dunkeln nicht mehr erkennst und dankbar wirst, für jeden kleinen Funken Licht, den deine Augen erblicken, weil du es selbst nicht mehr hervorbringen kannst." Dabei beließ es Reah, sicher gab es noch andere Details, aber sie spielten keine Rolle für die Frage und waren für jemanden wie Sedrael wohl auch kaum von belang.

Sie schwieg, wenn auch erfüllt von innerer Unruhe, der Tatsache zum Trotze, dass die Sephi recht hatte. Sie mussten ruhen und doch war sie rastlos, musste weiter, als ob das Tal der Dunklen Lords sie heimlich rief. Möglicherweise wollte sie das auch nur glauben und es spielte auch gar keine Rolle. Dennoch überschlugen sich ihre Gedanken, wie lange mochte die Inquisitorin ihren eigenen Körper mit der Macht zusammenhalten können, bevor sie zusammenbrach? Wie weit würde sie allein kommen? Möglicherweise nicht weit genug. Doch der nächste morgen würde lediglich den Schmerz zurückbringen. Es machte ohnehin kaum einen Unterschied. Zu hoher Wahrscheinlichkeit würden sie hier sterben und Sedrael war naiv zu glauben, dass es noch weitere Lager geben würde, nein, dieses hier muss einst Vesperum genutzt haben und das wiederum mochte bedeuten, dass sie dem Tal bereits näher waren, als sie selbst dachte. "Finden wir nicht.", antworte sie mit absoluter Entschlossenheit. "Es gibt keine weiteren, dieses hier muss Vesperum vor kurzem während seiner Expedition genutzt haben."
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