#52
Wütende Blitze donnerten über dem Himmel Korribans. Lügen vielleicht, wie so Vieles, doch in den energetischen Kräften, fähig, jedes Wesen mit einem unausweichlichen Schlage zu Boden zu reißen, lag immer auch das eine Sandkorn an Wahrheit. Und darüber hinaus, Lüge? Wahrheit? Was war das schon? Wörter. Bedeutungslose Hülsen. Nur das Ziel war wichtig. Und dieser Zweck heiligte alle Mittel. Felsen drohten zu mächtigen Bergen zu werden, warfen tierische Schatten auf den Boden, die sich in der untergehenden Sonne schlängelten und immer größer wurden, je mehr sie vom Leuchtfeuer am Firmament zu verdrängen vermochten. Bald schon küssten die letzten Sonnenstrahlen den Horizont und ließen das Lied der Nacht erklingen, die betörende Unstille aus harmlosen, erwachenden Insekten und dem Rauschen des Entfernten. Dort in der Ferne, in einer Schlucht der Schutzsuchenden, wo sich der Wüstenstaub nicht mehr zeigte und durch karge, trockene Erde erlöst wurde, brannte aus der Dunkelheit ein kleines Feuer, das Schritt für Schritt näher kam. Quälende Schritte, die den kleinen Fleck in der Nacht nur langsam größer werden ließen. Mehrere Meter vor dem Ziel enttarnte sich das Feuer als kleines, hölzernes Lagerfeuer, aufgebaut zwischen zwei provisorischen Zelten, die der Witterung nach schon länger hier standen. Ein Basislager für eine Expedition, vielleicht eine vor wenigen Tagen, oder Monaten, oder auch Jahren. Verstaubte Kisten scheinbar wahllos auf dem Boden ausgebreitet, hilflos der harschen Umwelt ausgesetzt, manche geöffnet und womöglich von wilden Tieren im Laufe der Zeit geplündert, während andere anscheinend unangetastet geblieben oder zu kompliziert gewesen waren, um ihr inneres Geheimnis bislang ergründen zu können.

Dann regte sich etwas. Ein greller Blitz erleuchtete die Szenerie kurz, eine Gestalt an einem der Zelte abzeichnend. Doch erst der zweite Blitz ließ das farblose Gesicht in der purpurnen Robe erkennen. Ihr weißer Engel stand dort vor ihr, nah, aber nicht nahe genug.
„Reah…“, sagte ihre schluchzende Stimme gepresst, mit erhöhter Atemfrequenz und die Augen weit aufgerissen, Angst, nein, Panik. Kurze Stille.
„Welch freudiges Wiedersehen“, fuhr dann eine weitere bekannte Stimme fort. Neben Sedraels Kopf tauchte der Lauf eines Blasters auf, dann ein Arm, der sich der Sephi um den Hals lege. Die schwarze Uniform schälte sich langsam aus dem Schatten hinter dem Zelt. Aus der kantigen Schwärze trat das Gesicht des imperialen Agenten neben der Schülerin hervor. Doch eine Hand hinderte Reah daran weiterzugehen. Ein kräftiger Griff auf ihrer Schulter. Schwarzes Plastoid glänzte neben ihr, der finstere Helm blutbefleckt, doch ausdruckslos wie eh und je. Den zweiten Panzerhandschuh am Griff des nicht gezückten Vibroschwerts, jederzeit bereit, die noch verbliebene Hand oder noch mehr einzufordern.
„Du wolltest nicht, dass noch jemand sie berührt?“, fragte Traggis schließlich, während er der Sephi durch das weiße Haar strich. „Ganz wie du wünschst.“
„Reah, hilf mir!“, flehte Sedrael sie an, die wässrigen blauen Augen bereits gerötet. Dann aber löste sich bereits der Schuss. Der Laserstrahl bohrte sich von hinten aus Sedraels Stirn und verschwand in den dunklen Wolken. Leblos sackte sie auf die Knie, starrte aus leeren Augen in Reahs Richtung und fiel dann unkontrolliert zur Seite vor die Füße des Agenten. Die Mündung des imperialen Blasters rauchte sanft. Gestank versengten Fleisches lag in der Luft. Ohne Ausdruck im Gesicht stupste der Mann mit der Stiefelspitze den qualmenden Leichnam an.
„Erledigt“, kommentierte der Agent sein Werk geringschätzig, ehe er seine Waffe in Richtung seines Holsters senkte, in dem das Metall eines Lichtschwertgriffs funkelte. Seine Augen hoben sich zu Nigidus an, kopfschüttelnd. „Ein schwaches Wesen. Es wäre nie in der Lage gewesen, sich selbst zu beschützen vor dem, was kommt.“
Was mochte es sein, das kam? Feinde? Die Macht? Vesperum? Gleichgültig. Wahrheit. Lüge. Nur das Ziel war wichtig. Und das Mittel, mit dem es erreicht werden musste. Irgendetwas zog auf in der Galaxis, nicht hier, nicht auf Korriban. Es war der große sich öffnende Schlund, der alles und jeden erfassen würde, wenn es niemanden gab, der sich ihm in den Weg stellte. Früher oder später, jeden Einzelnen verschlingend. Sedraels regungslose Augen stierten in das Gesicht der Nigidus.
„Nur Macht kann das schützen, was wir begehren“, hauchte das gesichtslose Nichts, dieses Mal scheinbar aus den toten Lippen der Sephi hervor, dieses Nichts, das niemals ganz hier und doch niemals ganz fort gewesen zu sein schien.

„Reah…?“, fragte dann eine erstaunte Stimme. Der Rauch des Blasters verging sofort im brennenden Holzfeuer, wie auch der Leichnam und der Agent in Schlieren im Feuer untergingen, im dampfigen Holz an einem kleinen, von Steinen umfassten Lagerfeuer auf dem Boden. Jetzt nur noch ein altes Basislager, zwei Zelte. Die auf einer von vielen metallenen Kisten sitzenden Sedrael stand langsam auf, die Augen überrascht aufgerissen und die Atemfrequenz deutlich erhöht, während sie aus dem Schatten des Zeltes hervortrat, doch nicht weit genug davon, um vor den Schrecken sicher zu sein, die dort warten konnten. Verschwunden waren die Blitze, verschwunden der schier übermenschliche Griff des Panzerhandschuhes auf Reahs Schulter, der in wohlgefälliger Finsternis verschollen war. Doch nur für jetzt? Alles nur eine Illusion? Die kranke Phantasie einer sadistischen Macht, die sich mit Spielen die Jahrtausende vertrieb? Oder war es mehr als das gewesen, das Bildnis dessen, was gleich passierte? Die purpurfarbene Robe tanzte nur in einer leichten Windbrise, warf im Feuerschein wirre Schattenmuster auf die beiden Zelte, in deren dunkelsten Ecken vielleicht bald reale und vielleicht noch imaginäre Gefahren lauern mochten, nur bereit für den richtigen Moment.
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