Das geflügelte, schwarze Tier saß tot an der Kante der Fähre und krächzte der Sephi beim Einstieg kurz entgegen – der Abschiedsruf einer sterbenden Welt, die ihre letzte Energie in diesen sirenengleichen Lockruf legte. Wie der Fährmann, der den Weg seines Begleiters kannte, sah das Tier wissend auf die Sephi hinab, blinzelte und verfolgte interessiert, wie sie in das Boot trat, das sie auf die andere Seite zu bringen gedachte. Doch als Sedrael das Schiff bestiegen hatte, flatterte das Tier schließlich weiter und verschwand in einem blitzenden Wolkenmeer am Horizont, verlor im Flug verzupfte Federn, die chaotisch im Wind wehten. Es war fort, für den Moment. Und doch würde es wiederkehren, würde seinen Tribut einfordern, während es auf Sedraels Schulter saß, an ihrem Körper labend und sich am kostbaren, aber so schwachen Fleisch ergötzend. Gab es ein Entkommen? Nein, die Finsternis gehörte zum Leben, gestaltete dieses in der Abwesenheit des Lichts, wenn auch auf korrupte, trügerische Weise. Finsternis war nicht widernatürlich, nicht als solches. Widernatürlich war lediglich die Dominanz der Finsternis über das Licht, wenn es ihm den Willen aufzwang und die Sonnen im Universum verdunkeln ließ. Dies war der Status Quo. Früher oder später musste dieser sich ändern, würde sich ändern, wenn tausend neue Sonnen den Schatten in die Schranken verwies und ihm nur den ihm zustehenden Platz einräumten – den zugehörigen Platz als bloßes Negativum des Lichts, sich abgrenzend und fliehend, wo dieses schien. Dies war der Zustand, den Sedrael sich erneut wünschte. Ein Zustand, der überfällig war und der kurz aufgeblitzt hatte, vor vielleicht mehreren Monaten, als die Macht ein gewaltiges Leuchtfeuer durch die Galaxis getrieben hatte. Jeder Befähigte musste es gefühlt haben, obwohl die Sephi den Eindruck hatte, dass es gar nicht weit von ihr geschehen war. Vielleicht nicht auf dem gleichen Planeten, vielleicht nicht im gleichen Sektor. Aber nicht weit entfernt. Irgendetwas war gefallen, irgendeine Domäne der Finsternis. Es hätte ein Zeichen sein können und anfangs hatte Sedrael es auch so interpretiert. Doch der Moment des Glücks währte nicht lange. Bald schon war der segenreiche Hoffnungsschimmer von irgendetwas Neuem überschattet worden. Etwas Unbekanntem, das – auf seine Weise – ähnlich gefährlich interpretiert werden musste wie das, was gerade erst verschwunden war. Nein, nicht ganz verschwunden. Die Macht fühlte noch immer wütende Nachwehen dieses gewaltigen Nexus, der völlig ohne Kontrolle im spirituellen Wahnsinn aufgegangen war. Wahrscheinlich würde dieser Nexus noch jahrzehntelang als Echo in der Macht fortbestehen, ja vielleicht würde er nie ganz versiegen und irgendwo im Nichts seinen endlosen Schleier einem schwachen Geist entgegenrecken, der danach gierte. Möglicherweise war es einer der Orte, zu denen sie gehen mussten.
Allmählich öffnete Sedrael ihre Augen zu engen Schlitzen. Ja. Sofort spürte sie in ihrem Kopf ein dumpfes, betäubendes Gefühl, als sie von ihrem Sitz im Passagierabteil aus ins Cockpit blickte und den wirr funkelnden Sternenregen sah, der sich hin und her bewegte, sich über die Transparistahlscheibe bis zu ihrem Sitz ausbreitete und sie zu verdecken drohte. Ruhig. Ganz ruhig. Sie spürte, wie ihr Atem sich leicht beschleunigte, während sie schluckte und ihre verengten Augen wieder schloss. Doch der funkelnde Glanz der Sterne war immer noch hier, ungebrochen, befleckte ihre verdunkelte Sicht mit kristallinen Akzenten, die wie scharfe Spitzen danach verlangten, dass sie sich erneut der Realität stellte. Natürlich verschwanden die Sterne nicht, nur weil sie die Augen schloss. Sie stießen stattdessen wie Brandmarken gegen ihre Augäpfel. Das Schiff wankte, dröhnte, jede kleine Bewegung am Steuer der Fähre ließ ihren Körper vibrieren und ihren Atem im Strom der Bewegung mitreißen. Unruhig verschob sie alle paar Sekunden ihre Position, etwas untypisch für eine Militärfähre in einem losen Schneidersitz und ihr Rücken drückte immer fester gegen das hart wirkende Sitzpolster hinter ihr. Krampfhaft versuchte sie, ihren Geist zu beschäftigen, abzulenken, um nicht direkt im Angesicht ihrer Nemesis eine persönliche Schwäche zu offenbaren, die schon generell ein Stück weit peinlich war, für ihre Gegenüber aber geradezu lachhaft sein mochte. Sedrael hatte nicht erkannt, wo die Inquisitorin nach ihrem Einstieg in die Fähre Platz genommen hatte, ihr Blick war bereits seit dem Abflug verschwommen und offenbarte keine klaren Konturen mehr. Sehnsucht und Haltlosigkeit vermischten sich in den beengenden, kalten Wänden, die mit jeder unbeobachteten Sekunde näher an sie heranzupirschen schienen. Sie musste es ertragen, sie musste es aushalten, nur dieses eine Mal. Die Angst war nur eine Art von Gefühl und Gefühle konnten zwar nicht beherrscht, aber dennoch kontrolliert werden – so weit, dass sie einen nicht verschlangen, sondern man sie als das akzeptierte, was sie waren: Als Teil von jedermann, nur in jedem Individuum anders ausgestaltet. Es gab keine furchtlosen Wesen, auch wenn die starre Jedi-Doktrin versucht hatte, die gefährlichen Konsequenzen der Furcht einzudämmen, indem sie Furcht als solche bereits ablehnte. Doch Furcht war natürlich, sie war jedem Wesen inhärent und das Verleugnen der Furcht konnte diese nur gefährlicher machen. Was mochte es sein, dass die Inquisitorin fürchtete? Vielleicht war es keine klassische, körperlich wirkende Furcht, die sich zeigen würde – andererseits war auch das nicht schlussendlich auszuschließen, auch bei einer Person wie dieser –, sondern eher eine Furcht im Geiste. Diese war jedoch nicht weniger natürlich, sie verbarg sich lediglich tiefer, unter der Oberfläche und wartete darauf, dass sie jemand hervorbrachte. Wie Hebel setzen sie einen Mechanismus in Kraft, der im Guten, nämlich der Überwältigung dieser Furcht, oder im Schlechten, der Nichtakzeptanz oder der Obsession, enden konnte. Doch der Weg in beide Richtungen war gleich steinig, wenngleich der zweite vielleicht zunächst einfacher wirkte, so war er letztendlich doch keine Lösung für die Furcht, sondern nur ein Fadenschein, der zunächst mühevoll gesponnen wurde, später aber in einem offenen Ende mündete. Dann war es vorbei.
Ein mechanisches Surren ließ Sedrael aufschrecken. Im ersten Moment wollte sie instinktiv normal atmen, bemerkte jedoch, das ihr Puls deutlich beschleunigt war und daher waren ihre nächsten Atemzüge weitaus länger und intensiver als ursprünglich geplant. Sie spürte, dass ihr Gesicht feucht war, angestrengt protestierten ihre Muskeln, als sie den Schneidersitz auflöste. Ja, es war vorbei. Die Fähre stand still und die Rampe öffnete sich allmählich. Innerlich wollte Sedrael sofort aufspringen und nach draußen sprinten, aber ihr Körper versagte diesen Dienst, als sie ihre Füße zurück zum Boden führte und aufzustehen versuchte. Sofort explodierte es in ihrem Kopf und Schwindel sowie stechende Schmerzen stachen in ihrem Gehirn. Ein dunkler Schemen trat vor ihr an die Rampe und ging den Weg mit in Sedraels Kopf hämmernden Schritten hinunter. Sie selbst wankte dem Schemen mit etwas Verzögerung hinterher, selbst als es in ihren Ohren zu fiepen begann. Ein paar Mal schüttelte sie instinktiv den Kopf, um den Fluch auszutreiben, der sich dort breitgemacht hatte, der lästig an ihren Gedanken hing und ihre Schwäche zu offenbaren versuchte. Kurz blieb sie am hinteren Ende der Rampe stehen, stützte sich an die Wand des Shuttles und atmete ein Mal unterdrückt durch. Unten standen merkwürdig vertraute und doch unvertraute weiß gepanzerte Soldaten, die Ähnlichkeit mit dem besaßen, was die Republik seinerzeit ins Feld geführt hatte. Überrascht stellte Sedrael jedoch fest, dass es sich hierbei nicht um Klone handelte, als sie kurz nach den Männern griff und ihre Aura in der Macht mit ihrer geistigen Hand umfasste, sie abwägte und dabei feststellte, dass es sich um verschiedene Bewusstseine handelte, die sich weitaus weniger ähnelten als es in der Republik der Fall gewesen war. Merkwürdigerweise schienen sie sich dennoch, trotz dieser theoretischen Individualität, in ihrem praktischen Ausfluss in der Macht kaum voneinander zu unterscheiden. Es waren Nichtklone, die einander aber merkwürdigerweise ähnlicher schienen als die früheren Klonkrieger. Verwirrt von ihren Eindrucken schob sich Sedrael langsam und unsicher die Rampe hinunter und schien dabei, wie maschinell programmiert, nahezu gleichzeitig die Anwesenheit der weißen Zinnsoldaten zu erlangen. Keine Reaktion. Keine sichtbare jedenfalls. Dennoch passierte irgendetwas in der Macht, irgendein großer Hammer wurde geschwungen und wollte am liebsten das Antlitz der Sephi zertrümmern, als die Soldaten sie anblickten. Was war bloß passiert? Es war keine Neugier, keine Aufregung… nein, es war bloße Abscheu. Abscheu, wie man ihn vor minderwertigem Dreck hatte, den man möglichst bald zu beseitigen suchte. Mit großen Augen ging Sedrael auf Abstand, musterte die einzelnen Nichtindividuen auf ihrem Weg, als sie die Reihe Mann für Mann passierte, um der Inquisitorin zu folgen. Die weißen Fratzen schienen ihr bei jedem Blick zu folgen, obwohl die Masken sich nicht bewegten. Nigidus, sagte irgendein grau uniformierter Mensch. Aha. Das war also der Name des Geschöpfes, an dessen Händen das Blut eines Planeten kleben würde. Imperator? Sie hatte gehört, dass Palpatine sich dieses Amt gegeben hatte – würde Nigidus ihm dienen? Sedrael rieb sich ihre Schläfe. Die vielen Fragen trieben wie Pfeilspitzen in ihren Körper, überforderten sie. Ding. Sie war kein Ding! Verärgert zog sie die Brauen zusammen und sah den Mann, vielleicht zwei, drei Meter vor ihr an, der sie nicht einmal eines Blickes würdigte, sondern sie lediglich wie ein Etikett behandelte, auf das er zeigte. Die Inquisitorin blieb stehen, drehte sich langsam um. Im ersten Moment dachte Sedrael, sie wollte den Mann für seine Unverschämtheit rügen – doch, nein. Hier war nur der Wunsch der Vater des Gedanken. Die Sephi seufzte unterdrückt. Taub stand sie im Regen und musste ertragen, wie jeder einzelne Tropfen sie in eine Form zu pressen versuchte. Der einzelne war kaum zu spüren, zerplatzte wirkungslos am Stoff ihrer Kleidung, doch irgendwann mochte sie aufweichen und dann mochte das kalte Nass ihren Körper zum Frieren bringen. Plötzlich spürte sie einen Schlag im Rücken und verlor das Gleichgewicht. Sie stolperte ein paar Schritte vorwärts, um das auszugleichen, dann fuhr sie herum und sah in eine der weißen Fratzen. Der blecherne Helm deutete in eine Richtung, pervertierte seine Stimme, um seiner Persönlichkeit gerecht zu werden. An anderer Stelle hätte sie ihm vielleicht entgegengezischt. Sie empfand sich nicht als Gefangene, die er willentlich herumschubsen konnte – zumindest nicht als seine Gefangene. Sie hatte gehen wollten. Auch wenn es im Ergebnis wohl wenig Unterschied machte. Doch Sedraels Körper war müde, ausgelaugt vom Flug, von den vielen Eindrücken, die auf sie niederprallten. Kraftlos musterte sie den Mann lediglich mit gesenktem Kopf und drehte sich nach ein paar Sekunden um, folgte brav dem Weg, den Nigidus einschlug.
Gedankenlos fand sie den Weg auf die Brücke, ein toter, grauer Raum, in dem Menschendrohnen ihren programmierten Befehlen nachgingen. Doch nach einer quälenden Turboliftfahrt konnte das Sedrael auch nicht mehr weiter hinunterziehen. Vermeintlich. Bald schon sollte sich zeigen, wie falsch sie mit dieser Einschätzung lag. Der Soldat führte Sedrael an die Steuerbordausbuchtung des Brückenturms und deutete ihr an, dort Halt zu machen, während die Inquisitorin in Sichtweite vor einem großen Gerät stehen blieb. Und sich niederkniete. Im ersten Moment war Sedrael so überrascht, dass ihr Mund offen stand, während sich blaues Schneegestöber über dem Gerät ausbreitete. Im zweiten Moment verstand sie. Das Gestöber setzte sich zusammen, flimmerte kurz und nahm die Gestalt einer Person an. Kälte fror den Boden des Schiffes ein und zog eisige, knarzende Linien über das Metall. Vorbeigehende, geschäftige Soldaten schienen nichts davon zu bemerken, warfen allenfalls einen interessierten Blick in Richtung des Hologramms. Der Eiszauber verwandelte die Wände in glitzernde Kristalle, ausbreitend und gierig. Schatten tanzten wie fröhliche Kinder und im Inneren funkelten finstere Saphire. Sedrael konnte sich nicht mehr bewegen. Bald schon war die gesamte Brücke eine Eishöhle und sie begann bitterlich zu frieren, wagte aber nicht, sich bemerkbar zu machen. Ihr Atem schien zu kondensieren, während das Eis ihren Körper versteinerte. Kein Wort dessen, was gesprochen wurde, konnte sie hören, aber allein diese Aura des Leblosen, der Leidenschaft an Tod und emotionaler Leere war mehr Preisgabe an Information als sie erbeten hätte. Die dunkle Kutte war das Abbild des Sensenmannes, der seine Arbeit vollendet sehen wollte und Tod bekam, wann immer er ihn wünschte. Und er wünschte ihn. Sehr sogar. Apathisch betrachtete sie den lebenden Toten, den Avatar des Schlachtens, die Verneinung der Existenz. Hoffnungslosigkeit. Es war nicht Palpatine, es war irgendetwas anderes. Der Schlächter an Würde und Vernunft. Es war der Zerstörer der Welten, der Zivilisation.
Plötzlich ging ein Ruck durch das Schiff. Noch einer. Das Eis zerplatzte für einen Moment, als Sedrael davon abgelenkt wurde. Sie realisierte erst jetzt, wie ihr geschundener Körper instinktiv doch ein paar Schritte zurück gemacht hatte und bemerkte zu spät, dass sie in ihrer Apathie reflexartig nach einem Halt gesucht, nach irgendetwas gegriffen hatte. Ihre Finger hatten den schwarzen Schutzanzug des weiß gepanzerten Soldaten neben sich an der Armbeuge erforscht und sich darin gegraben. Im ersten Moment reagierte der Soldat nicht darauf, sondern sein Helm war auf das blaue Abbild des Sensenmannes gerichtet, ehe sein Kopf urplötzlich auf seinen Arm fiel, als er den Druck bemerkte. Bevor Sedraels Bewusstsein den Griff wieder lockern konnte, hatte der Soldat ihr ein Bein gestellt und ihre Arme in einer präzisen Bewegung auf Sedraels Rücken fixiert, noch bevor sie gegen seinen Brustpanzer prallte. Das ließ ihn jedoch nicht einmal straucheln. Sedrael keuchte, versuchte, sich loszureißen und diesem Wahnsinn zu entfliehen, aber der Soldat war gut ausgebildet, so dass es für ihn kein Problem war, sie an Ort und Stelle zu halten. Als sie aber immer noch panisch an seinem Griff ruckte, zog er den Karabiner, den er wegen der Nähe nicht mit beiden Händen in Position bringen konnte, quer über Sedraels Hals und drückte damit ihren Hinterkopf gegen seine Schulterplatte. Die Sephi würgte kurz – protestierend, überrascht und im verzweifelten Versuch, trotz des Drucks auf ihren Hals wieder Luft zu bekommen. Dann gab sie ihren sinnlosen Widerstand auf. Vermutlich hätte er ihr mit genug Kraft problemlos das Genick brechen können, wenn er es wollte. Es war aussichtslos.
„Nutzloser Abschaum“, höhnte ihr der Mann direkt ins Ohr, hielt den Druck ein paar Sekunden weiter aufrecht, um ihn dann widerwillig zu lockern. Er nahm sie in einen etwas loseren Schwitzkasten, so dass er seinen Waffenarm wieder frei hatte und deutete damit aus dem Fenster hinaus in Richtung des Planeten.
„Sieh genau hin.“
Hinter dem Fenster begann Firrerre zu kochen. Grüne Blitze stachen hinein. Die Galaxis war finsterer, als Sedrael je gewagt hätte zu glauben. Und vielleicht wäre es das gnädigere Schicksal gewesen, jetzt mit den anderen auf Firrerre zu brennen.
Allmählich öffnete Sedrael ihre Augen zu engen Schlitzen. Ja. Sofort spürte sie in ihrem Kopf ein dumpfes, betäubendes Gefühl, als sie von ihrem Sitz im Passagierabteil aus ins Cockpit blickte und den wirr funkelnden Sternenregen sah, der sich hin und her bewegte, sich über die Transparistahlscheibe bis zu ihrem Sitz ausbreitete und sie zu verdecken drohte. Ruhig. Ganz ruhig. Sie spürte, wie ihr Atem sich leicht beschleunigte, während sie schluckte und ihre verengten Augen wieder schloss. Doch der funkelnde Glanz der Sterne war immer noch hier, ungebrochen, befleckte ihre verdunkelte Sicht mit kristallinen Akzenten, die wie scharfe Spitzen danach verlangten, dass sie sich erneut der Realität stellte. Natürlich verschwanden die Sterne nicht, nur weil sie die Augen schloss. Sie stießen stattdessen wie Brandmarken gegen ihre Augäpfel. Das Schiff wankte, dröhnte, jede kleine Bewegung am Steuer der Fähre ließ ihren Körper vibrieren und ihren Atem im Strom der Bewegung mitreißen. Unruhig verschob sie alle paar Sekunden ihre Position, etwas untypisch für eine Militärfähre in einem losen Schneidersitz und ihr Rücken drückte immer fester gegen das hart wirkende Sitzpolster hinter ihr. Krampfhaft versuchte sie, ihren Geist zu beschäftigen, abzulenken, um nicht direkt im Angesicht ihrer Nemesis eine persönliche Schwäche zu offenbaren, die schon generell ein Stück weit peinlich war, für ihre Gegenüber aber geradezu lachhaft sein mochte. Sedrael hatte nicht erkannt, wo die Inquisitorin nach ihrem Einstieg in die Fähre Platz genommen hatte, ihr Blick war bereits seit dem Abflug verschwommen und offenbarte keine klaren Konturen mehr. Sehnsucht und Haltlosigkeit vermischten sich in den beengenden, kalten Wänden, die mit jeder unbeobachteten Sekunde näher an sie heranzupirschen schienen. Sie musste es ertragen, sie musste es aushalten, nur dieses eine Mal. Die Angst war nur eine Art von Gefühl und Gefühle konnten zwar nicht beherrscht, aber dennoch kontrolliert werden – so weit, dass sie einen nicht verschlangen, sondern man sie als das akzeptierte, was sie waren: Als Teil von jedermann, nur in jedem Individuum anders ausgestaltet. Es gab keine furchtlosen Wesen, auch wenn die starre Jedi-Doktrin versucht hatte, die gefährlichen Konsequenzen der Furcht einzudämmen, indem sie Furcht als solche bereits ablehnte. Doch Furcht war natürlich, sie war jedem Wesen inhärent und das Verleugnen der Furcht konnte diese nur gefährlicher machen. Was mochte es sein, dass die Inquisitorin fürchtete? Vielleicht war es keine klassische, körperlich wirkende Furcht, die sich zeigen würde – andererseits war auch das nicht schlussendlich auszuschließen, auch bei einer Person wie dieser –, sondern eher eine Furcht im Geiste. Diese war jedoch nicht weniger natürlich, sie verbarg sich lediglich tiefer, unter der Oberfläche und wartete darauf, dass sie jemand hervorbrachte. Wie Hebel setzen sie einen Mechanismus in Kraft, der im Guten, nämlich der Überwältigung dieser Furcht, oder im Schlechten, der Nichtakzeptanz oder der Obsession, enden konnte. Doch der Weg in beide Richtungen war gleich steinig, wenngleich der zweite vielleicht zunächst einfacher wirkte, so war er letztendlich doch keine Lösung für die Furcht, sondern nur ein Fadenschein, der zunächst mühevoll gesponnen wurde, später aber in einem offenen Ende mündete. Dann war es vorbei.
Ein mechanisches Surren ließ Sedrael aufschrecken. Im ersten Moment wollte sie instinktiv normal atmen, bemerkte jedoch, das ihr Puls deutlich beschleunigt war und daher waren ihre nächsten Atemzüge weitaus länger und intensiver als ursprünglich geplant. Sie spürte, dass ihr Gesicht feucht war, angestrengt protestierten ihre Muskeln, als sie den Schneidersitz auflöste. Ja, es war vorbei. Die Fähre stand still und die Rampe öffnete sich allmählich. Innerlich wollte Sedrael sofort aufspringen und nach draußen sprinten, aber ihr Körper versagte diesen Dienst, als sie ihre Füße zurück zum Boden führte und aufzustehen versuchte. Sofort explodierte es in ihrem Kopf und Schwindel sowie stechende Schmerzen stachen in ihrem Gehirn. Ein dunkler Schemen trat vor ihr an die Rampe und ging den Weg mit in Sedraels Kopf hämmernden Schritten hinunter. Sie selbst wankte dem Schemen mit etwas Verzögerung hinterher, selbst als es in ihren Ohren zu fiepen begann. Ein paar Mal schüttelte sie instinktiv den Kopf, um den Fluch auszutreiben, der sich dort breitgemacht hatte, der lästig an ihren Gedanken hing und ihre Schwäche zu offenbaren versuchte. Kurz blieb sie am hinteren Ende der Rampe stehen, stützte sich an die Wand des Shuttles und atmete ein Mal unterdrückt durch. Unten standen merkwürdig vertraute und doch unvertraute weiß gepanzerte Soldaten, die Ähnlichkeit mit dem besaßen, was die Republik seinerzeit ins Feld geführt hatte. Überrascht stellte Sedrael jedoch fest, dass es sich hierbei nicht um Klone handelte, als sie kurz nach den Männern griff und ihre Aura in der Macht mit ihrer geistigen Hand umfasste, sie abwägte und dabei feststellte, dass es sich um verschiedene Bewusstseine handelte, die sich weitaus weniger ähnelten als es in der Republik der Fall gewesen war. Merkwürdigerweise schienen sie sich dennoch, trotz dieser theoretischen Individualität, in ihrem praktischen Ausfluss in der Macht kaum voneinander zu unterscheiden. Es waren Nichtklone, die einander aber merkwürdigerweise ähnlicher schienen als die früheren Klonkrieger. Verwirrt von ihren Eindrucken schob sich Sedrael langsam und unsicher die Rampe hinunter und schien dabei, wie maschinell programmiert, nahezu gleichzeitig die Anwesenheit der weißen Zinnsoldaten zu erlangen. Keine Reaktion. Keine sichtbare jedenfalls. Dennoch passierte irgendetwas in der Macht, irgendein großer Hammer wurde geschwungen und wollte am liebsten das Antlitz der Sephi zertrümmern, als die Soldaten sie anblickten. Was war bloß passiert? Es war keine Neugier, keine Aufregung… nein, es war bloße Abscheu. Abscheu, wie man ihn vor minderwertigem Dreck hatte, den man möglichst bald zu beseitigen suchte. Mit großen Augen ging Sedrael auf Abstand, musterte die einzelnen Nichtindividuen auf ihrem Weg, als sie die Reihe Mann für Mann passierte, um der Inquisitorin zu folgen. Die weißen Fratzen schienen ihr bei jedem Blick zu folgen, obwohl die Masken sich nicht bewegten. Nigidus, sagte irgendein grau uniformierter Mensch. Aha. Das war also der Name des Geschöpfes, an dessen Händen das Blut eines Planeten kleben würde. Imperator? Sie hatte gehört, dass Palpatine sich dieses Amt gegeben hatte – würde Nigidus ihm dienen? Sedrael rieb sich ihre Schläfe. Die vielen Fragen trieben wie Pfeilspitzen in ihren Körper, überforderten sie. Ding. Sie war kein Ding! Verärgert zog sie die Brauen zusammen und sah den Mann, vielleicht zwei, drei Meter vor ihr an, der sie nicht einmal eines Blickes würdigte, sondern sie lediglich wie ein Etikett behandelte, auf das er zeigte. Die Inquisitorin blieb stehen, drehte sich langsam um. Im ersten Moment dachte Sedrael, sie wollte den Mann für seine Unverschämtheit rügen – doch, nein. Hier war nur der Wunsch der Vater des Gedanken. Die Sephi seufzte unterdrückt. Taub stand sie im Regen und musste ertragen, wie jeder einzelne Tropfen sie in eine Form zu pressen versuchte. Der einzelne war kaum zu spüren, zerplatzte wirkungslos am Stoff ihrer Kleidung, doch irgendwann mochte sie aufweichen und dann mochte das kalte Nass ihren Körper zum Frieren bringen. Plötzlich spürte sie einen Schlag im Rücken und verlor das Gleichgewicht. Sie stolperte ein paar Schritte vorwärts, um das auszugleichen, dann fuhr sie herum und sah in eine der weißen Fratzen. Der blecherne Helm deutete in eine Richtung, pervertierte seine Stimme, um seiner Persönlichkeit gerecht zu werden. An anderer Stelle hätte sie ihm vielleicht entgegengezischt. Sie empfand sich nicht als Gefangene, die er willentlich herumschubsen konnte – zumindest nicht als seine Gefangene. Sie hatte gehen wollten. Auch wenn es im Ergebnis wohl wenig Unterschied machte. Doch Sedraels Körper war müde, ausgelaugt vom Flug, von den vielen Eindrücken, die auf sie niederprallten. Kraftlos musterte sie den Mann lediglich mit gesenktem Kopf und drehte sich nach ein paar Sekunden um, folgte brav dem Weg, den Nigidus einschlug.
Gedankenlos fand sie den Weg auf die Brücke, ein toter, grauer Raum, in dem Menschendrohnen ihren programmierten Befehlen nachgingen. Doch nach einer quälenden Turboliftfahrt konnte das Sedrael auch nicht mehr weiter hinunterziehen. Vermeintlich. Bald schon sollte sich zeigen, wie falsch sie mit dieser Einschätzung lag. Der Soldat führte Sedrael an die Steuerbordausbuchtung des Brückenturms und deutete ihr an, dort Halt zu machen, während die Inquisitorin in Sichtweite vor einem großen Gerät stehen blieb. Und sich niederkniete. Im ersten Moment war Sedrael so überrascht, dass ihr Mund offen stand, während sich blaues Schneegestöber über dem Gerät ausbreitete. Im zweiten Moment verstand sie. Das Gestöber setzte sich zusammen, flimmerte kurz und nahm die Gestalt einer Person an. Kälte fror den Boden des Schiffes ein und zog eisige, knarzende Linien über das Metall. Vorbeigehende, geschäftige Soldaten schienen nichts davon zu bemerken, warfen allenfalls einen interessierten Blick in Richtung des Hologramms. Der Eiszauber verwandelte die Wände in glitzernde Kristalle, ausbreitend und gierig. Schatten tanzten wie fröhliche Kinder und im Inneren funkelten finstere Saphire. Sedrael konnte sich nicht mehr bewegen. Bald schon war die gesamte Brücke eine Eishöhle und sie begann bitterlich zu frieren, wagte aber nicht, sich bemerkbar zu machen. Ihr Atem schien zu kondensieren, während das Eis ihren Körper versteinerte. Kein Wort dessen, was gesprochen wurde, konnte sie hören, aber allein diese Aura des Leblosen, der Leidenschaft an Tod und emotionaler Leere war mehr Preisgabe an Information als sie erbeten hätte. Die dunkle Kutte war das Abbild des Sensenmannes, der seine Arbeit vollendet sehen wollte und Tod bekam, wann immer er ihn wünschte. Und er wünschte ihn. Sehr sogar. Apathisch betrachtete sie den lebenden Toten, den Avatar des Schlachtens, die Verneinung der Existenz. Hoffnungslosigkeit. Es war nicht Palpatine, es war irgendetwas anderes. Der Schlächter an Würde und Vernunft. Es war der Zerstörer der Welten, der Zivilisation.
Plötzlich ging ein Ruck durch das Schiff. Noch einer. Das Eis zerplatzte für einen Moment, als Sedrael davon abgelenkt wurde. Sie realisierte erst jetzt, wie ihr geschundener Körper instinktiv doch ein paar Schritte zurück gemacht hatte und bemerkte zu spät, dass sie in ihrer Apathie reflexartig nach einem Halt gesucht, nach irgendetwas gegriffen hatte. Ihre Finger hatten den schwarzen Schutzanzug des weiß gepanzerten Soldaten neben sich an der Armbeuge erforscht und sich darin gegraben. Im ersten Moment reagierte der Soldat nicht darauf, sondern sein Helm war auf das blaue Abbild des Sensenmannes gerichtet, ehe sein Kopf urplötzlich auf seinen Arm fiel, als er den Druck bemerkte. Bevor Sedraels Bewusstsein den Griff wieder lockern konnte, hatte der Soldat ihr ein Bein gestellt und ihre Arme in einer präzisen Bewegung auf Sedraels Rücken fixiert, noch bevor sie gegen seinen Brustpanzer prallte. Das ließ ihn jedoch nicht einmal straucheln. Sedrael keuchte, versuchte, sich loszureißen und diesem Wahnsinn zu entfliehen, aber der Soldat war gut ausgebildet, so dass es für ihn kein Problem war, sie an Ort und Stelle zu halten. Als sie aber immer noch panisch an seinem Griff ruckte, zog er den Karabiner, den er wegen der Nähe nicht mit beiden Händen in Position bringen konnte, quer über Sedraels Hals und drückte damit ihren Hinterkopf gegen seine Schulterplatte. Die Sephi würgte kurz – protestierend, überrascht und im verzweifelten Versuch, trotz des Drucks auf ihren Hals wieder Luft zu bekommen. Dann gab sie ihren sinnlosen Widerstand auf. Vermutlich hätte er ihr mit genug Kraft problemlos das Genick brechen können, wenn er es wollte. Es war aussichtslos.
„Nutzloser Abschaum“, höhnte ihr der Mann direkt ins Ohr, hielt den Druck ein paar Sekunden weiter aufrecht, um ihn dann widerwillig zu lockern. Er nahm sie in einen etwas loseren Schwitzkasten, so dass er seinen Waffenarm wieder frei hatte und deutete damit aus dem Fenster hinaus in Richtung des Planeten.
„Sieh genau hin.“
Hinter dem Fenster begann Firrerre zu kochen. Grüne Blitze stachen hinein. Die Galaxis war finsterer, als Sedrael je gewagt hätte zu glauben. Und vielleicht wäre es das gnädigere Schicksal gewesen, jetzt mit den anderen auf Firrerre zu brennen.