#3
Offizierskasino "Olaphis", imperiale Raumstation im Orbit von Ord Mantell

Am Ende landeten sie doch immer hier, in irgendwelchen Spielunken - ob man diese nun als Offizierskasino betitelte sei dahingestellt, denn hochgestochene Bezeichnungen machten nur im Kopf einen Unterschied. Hier wurde ebenso gesoffen, gezockt und geflucht wie in den versifften Cantinas unten auf Ord Mantell. und es gehörte einfach dazu, es war die kleine Portion Entspannung des Alltags, wenn es so oder so nichts zu tun gab. Außer zu warten, immerzu zu warten, darauf, dass irgendetwas geschah nur um zu begreifen, dass sich die Geschehnisse dem eigenen Einflussbereich entzogen. Es spielte auch keine Rolle. Wer einen angenehmen Platz in der Galaxis suchte musste sich einen schaffen oder ihn jemand anderen wegnehmen, was, vor allen Dingen auf die Kriegsherren zutraf, aber auch auf die innere Struktur des Kernimperiums. Hier draußen gestaltete sich das schwieriger, sie waren ein wenig dazwischen gefangen und niemand wusste eindeutig wohin mit sich. Die andere Seite, die so anders gar nicht war, denn der ausgeprägten Herrschsucht waren schließlich alle mächtigen Personen des Imperiums erlegen, war an manchen Tagen sehr verlockend, vermutlich, weil sie irgendwo näher lag, als das ferne imperiale Zentrum Coruscant. Aber sie waren auch nicht sonderlich beständig, nicht von Dauer, nicht unbedingt. Zusammenbrüche konnten plötzlich auftreten, das hatte das Imperium eindrucksvoll bewiesen und ein solcher Weg war eine Einbahnstraße: einmal ein Verräter, immer ein Verräter. Wenn man auf moralische Aspekte Wert legte, was Daro Zen ganz gewiss nicht tat. Aber noch nicht. Irgendetwas, das sie noch nicht genau definieren konnte, hielt sie noch im Imperium, selbst wenn sie die Methodik des Staates, der sie mit Nichtbeachtung strafte, eigentlich verabscheute. Aber das würde sich früher oder später rächen, der Zusammenbruch kam so oder so, ja, vielleicht war es das, worauf sie wartete, mit dabei sein, wenn alles unterging, denjenigen ins Gesicht lachen die sich der Idiotie verschrieben, das Reich langfristig stabilisieren zu können. Denn daran hatte niemand in der Galaxis mehr Interesse, es war vergeudete Liebesmüh. Es ging nur noch um Krieg, morden oder ermordet werden und je mehr man ermordete, umso für gefährlicher hielt die Galaxis einen am Ende. Mächtig und einflussreich, was im Umkehrschluss das Risiko verringerte plötzlich zu sterben oder man sich einer mordlustigen Übermacht gegenüber, die einem den Erfolg nicht gönnte. Ehrgeiz und Ambition waren schwierige Themen, da gab es keine universellen Erfolgsstrategien. Man musste eben testen und probieren, durfte nur nie zu weit gehen. Daro Zen verstand dies sicherlich. Sie war provokant und testete Grenzen aus, war aber nicht so dumm, sich öffentlich gegen irgendwen zu stellen geschweige denn, sich über die katastrophale Situation zu brüskieren. Nein, derlei tat man in kleinem Rahmen, wie in solchen Kasinos, mit Leuten, denen man vertraute. Kurzerhand fischte sie sich eine neue Zigarette aus der Schachtel und entflammte den Glimmstängel.

Es dauerte nicht lange, es dauerte nie lange, sie konnte die Sekunden praktisch abzählen, die Entfernung des Geräusches abschätzen, bis es neben ihr stand. Bis es sie anblickte, diese wichtigtuerische Moralistenmiene, es fehlte nur noch der altschulmeisterliche erhobene Zeigefinger, den man ihr unter die Nase hielt. Und das von einem Bürschchen, deren einzige Sorge war, dass er getrocknete Essensreste nicht vom Teller gekratzt bekam. "Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass sich einige Gäste durch das Rauchen gestört fühlen. Wir möchten Sie deswegen darum bitten dies zu unterlassen." Ja! Da kam sie! Die Selbstgerechtigkeit! Die kleine Illusion von Macht, von Einfluss, die sich in dem Knilch ausbreitete. Immerhin hatte sie es gewagt die gegenwärtigen Regularien seines Territoriums zu brechen, diese in stein gemeißelten heiligen Gebote und nun kam er, ganz der Köter der er war, und blaffte sie an um sein Gebiet zu verteidigen. Daros Reaktion ließ sich etwas Zeit, denn er musste die Wichtigkeit ihrer Lage begreifen, den Umstand verstehen, dass er gerade ihre wertvolle Freizeitbeschäftigung mit Belanglosigkeit zu torpedieren versuchte. Sie rieb sich die Stirn, als würde sie einem unermesslich wichtigen Gedanken folgen und ließ sich damit auch einige Augenblicke Zeit, ehe sie, noch einmal an der Zigarette zog und ihm den blauen Qualm genüsslich entgegenblies. Dann sah Daro ihn belustigt an, lächelte freundlich, als wäre die Unterbrechung nur ein Scherz. "Admiral.", ergänzte sie beiläufig und bemerkte, wie die Töle den Schwanz einzog und ihr ihr Gebiet widerstandslos überließ. Macht un Einfluss, wer höher in der Hierarchie stand, stand auch höher in der Nahrungskette. Und niemand warf einen Admiral heraus, weil er oder sie das Rauchverbot für überflüssig hielten. Zumindest nicht auf Ord Mantell. "Ich... äh.. oh. Ich... wusste nicht Ma'am. Verzeihen Sie.", stammelte der getretene Hund und verschwand schließlich. Gut so. Aber eigentlich nicht. Er wusste nicht. Natürlich, denn dies war der gängige Zustand im Obersektor Glanzjuwel. Unwissenheit. Sie waren in einem kleinen Reich des Vergessens gefangen und für das ferne Zentrum, für das Imperium, nicht mehr wirklich da. Die Elite, die Führungsriege wusste durchaus, dass sich jemand im Obersektor befand, dass das Problem, welches hier alles ins Chaos stürzte und letztendlich damit auch erfolgreich sein würde, bearbeitet wurde. Und damit hatte es sich. Niemand interessierte sich für die Männer die hier starben und niemand fragte sich nach dem Sinn dahinter. Es scherte das Imperium nicht was mit seinen Soldaten geschah oder wie lange sie überhaupt durchhalten konnten, bis sie den Glauben an das Imperium verloren, durch Enttäuschung, durch Nichtbeachtung, durch Gleichmacherei.

"Da sich die Sache dann wohl erledigt hat...", erklärte sie mit einem siegessicheren Grinsen, "...sonst noch irgendwas interessantes passiert?" Irgendetwas passierte immer, das war normal, gerade in solch chaotischen und unruhigen Sektoren wie "Glanzjuwel", aber irgendwann gewöhnte man sich daran - und das war das barbarische - war nicht mehr alles wichtig, nicht mehr jede Tote von Bedeutung, höchstens für die Statistik im Zentrum, die eigentlich auch niemanden interessierte außer den Stab, damit dieser wusste wie viele überschüssige Einheiten beim nächsten Einsatz verbraten werden konnten. Malon Terren eröffnete die neue Gesprächsrunde als erster indem er ein Datapad zupfte und es auf den Tisch knallte. "Sehen Sie mal.", meinte der Offizier mürrisch, als Daro nach dem Pad griff und es aktivierte. Die tatsächliche Überraschung schien auszubleiben. Stattdessen mischte sich ein Hauch der Enttäuschung in ihr Gesicht. "Noch einer?", fragte sie in die Runde, ohne eine großartige Antwort zu erhalten, Terren gab dennoch eine. "Ja, aber nicht irgendwer." Daro nickte, als sie das pad genauer studierte. "Ich seh's. Vizeadmiral Demetrius... tot." Sie schüttelte den Kopf, es war sinnlos, die ganze Unternehmung in diesem Sektor war sinnlos. Zahlenmäßige Überlegenheit konnte keinen Kampf gewinnen, wenn Kommandoschiffe samt Kommandant bei der Instandsetzung gesprengt wurden. Sabotage war ihr ärgster Feind und einer, gegen den sie nicht kämpfen konnte. Aber mehr als ein Kopfschütteln konnte sie sich auch nicht abringen. Sie hatte keine Zeit alle zu betrauern und am Ende wäre es ohnehin nur Heuchelei. "Warum haben Sie das eigentlich, Terren?", stellte Daro schließlich die viel gewichtigere Frage. "Ehrm...", machte der Kommodore. "Um Sie angemessen zu rezitieren:", fuhr Terren fort und verstellte seine Stimme, dass sie in etwa ein kleines unbeholfenes Mädchen nachäffte. "Ich hab Feierabend! ich will Duschen! Verschonen Sie mich mit dem belanglosen Scheiß, Mister Terren!" Gelächter am Tisch begleitete Daros zweifelnden Gesichtsausdruck.

"Das können Sie so nicht-"
"Ich tat es gerade."
"Das war aber-"
"Reden Sie's sich nur schön."
"Scheiße. Nächste Runde zahlen Sie."
"Das war's wert."

Vermutlich waren es solche Auflockerungen, die die Sache am Ende erträglich machten, das kleine Einmaleins des Miteinanders, auf einer persönlichen, freundschaftlichen Ebene. Etwas, dass ihr nicht mit vielen menschen im Imperium gelang, sondern zum Großteil nur mit jenen, die sie tatsächlich von Anfang an begleiteten. Immer Stützen waren, die ihr wieder aufhalfen, wenn sie stolperte. Und sie besaßen die Großzügigkeit der Gnade. Sie zu verschonen, nicht auf Dinge anzusprechen, auf die sie vielleicht weniger Stolz war, für die sie keine passende Erklärung außer "Krieg" parat hatte. "Um...", Daro kicherte noch ein paar male, "...um zum Ernst der Lage zurückzukommen: wenn es so weitergeht, versinkt die ganze Sektorgruppe bald ebenso im Chaos wie der ganze Obersektor. Die Struktur verkommt, da rücken schneller Leute nach, als das sie die nötige Erfahrung gewinnen können." Zustimmendes Nicken begleitete die Runde. Vanko mochte der Kopf der Sektorgruppe sein, aber Anschläge, ob beabsichtigt oder nicht, auf die Geschwaderführer stiftete nicht nur Angst und Verwirrung unter den anderen Admiralen, sondern schwächte in gewisser Weise auch die militärische Effizienz. So ersetzbar wie das Imperium glaubte waren Menschen nicht. "Und? Wie geht's weiter?", erkundigte sich Janus Plintor mit einer gewiss nicht ganz einfachen Frage. "Hm.", kommentierte Daro vorerst ausdruckslos. Im Prinzip gab es nicht viele Optionen, es wagte sich nur niemand die Wahrheit auszusprechen. Sie lehnte sich etwas zurück, hinüber zu einem Nachbartisch, an dem es sich einige Piloten gemütlich gemacht hatten und, ganz klassisch, ihr corellianisches Ale genossen. "Commander, ich brauche Ihren Bieruntersetzer. Es ist äußerst dringend.", säuselte sie hinüber und blinzelte den verdutzten Mann an, den sie wohl etwas auf dem kalten Fuß erwischt hatte. "Oh... äh... ja... natürlich. Hier, hier bitte, Frau Admiral.", stammelte es sich das Fliegerass schnell ab, ohne rot zu werden. "Meinen Verbindlichsten.", dankte sie und ließ noch eine lose Kusshand dahin flattern, ehe sie sich wieder nach vorn beugte und in verschwörerischem Tonfall fortfuhr: "Soooo...", begann sie und deutete auf den Untersetzer. "Nehmen wir einmal an, dieses hübsche schmucke Quadrat mit den abgerundeten Ecken sei Glanzjuwel vor vielleicht einem Jahr." Daro nahm das Blättchen in die Hand und setzte in der Mitte mit Daumen und Zeigefinger an und riss es entzwei. "Das geschah binnen eines Jahres, trotz voller militärischer Stärke. Meine Herren, Sie erinnern sich bestimmt daran, wie wir frisch vom Zentrum gestartet sind." Als nächstes Teilte sie das Blatt in Viertel, ein wenig ungleichmäßig waren sie, doch die Galaxis war eben nie ganz gerecht. "So könnte es in ein paar Wochen aussehen - je nach Intervention durch Abspalter oder neue Abspalter in unseren Reihen, die sich den Kriegsherren anschließen." Sie zerteilte die Viertel noch einmal, so, dass nur noch Fetzen übrig blieben, ein hübscher bunter Konfettiregen, wenn man so wollte. Nur, dass bunt eben auch nicht immer lustig war. "Mit diesem Szenario können Sie rechnen, sollte der Krieg noch einmal in einer entsprechenden Größenordnung aufflammen. Die Interventionen werden zunehmen, der Gedanke an einen Sieg versiegt, die Bevölkerung erkennt die Stärke unseres Feindes und jeder wird versuchen sich selbst zu retten. Ob Sie es nun wollen oder nicht, Sie wissen, dass es so kommt." Natürlich, jeder sollte es begreifen, selbst die Narren auf Coruscant, die es nicht interessierte, dass ihre Nordgrenze nur noch ein Scherbenhaufen war, Glanzjuwel war eine Miniaturausgabe der galaktischen Karte, zumindest in absehbarer Zukunft.

Für einige Momente herrschte Schweigen am Tisch, das erst durch das erneute klicken und aufflammen von Daros Feuerzeug unterbrochen wurde. "Was aus dem Zentrum?", fragte sie, obgleich sie wusste, dass die Antwort kaum zufriedenstellend wäre. "Nur das übliche.", brummte Delvin Haelstroem. "Pestage versucht Imperator zu sein und das war's. Sense." - "Nichts wegen der Sache mit Eriadu?", hakte Terren nach, doch Delvin schüttelte nur mit dem Kopf. "Nö, nur was im Netz steht." - "Aber die müssen doch irgendwas machen!", schaltete sich Plintor ein. Spekulationen. Raterei, sicherlich, irgendetwas musste getan werden, irgendetwas musste immer getan werden - besonders von Pestages Seite aus. Daro war keine Politikerin, aber sie verstand zumindest einen Teil des Prinzips dahinter. Nach Eriadu ist Pestage als de facto Herrscher dazu gezwungen Konsequenzen einzuleiten, er will auf den Thron, er muss der Bevölkerung den starken Mann vorspielen, selbst wenn er nur ein klappriges Fossil war. Er musste beweisen, dass er sich durchsetzen konnte und man ihm gehorchte, er brauchte so etwas wie ein wenig Respekt, obgleich es fraglich blieb, oder er wirklich je welchen bekommen würde. Ehrlichen Respekt. Und nicht nur weil er ein verschrumpelter Mann in einem lila Kostüm war. "Es wird Konsequenzen geben.", brachte sie es auf den Punkt. "Für die Versager im Stab und möglicherweise auch die in der Flotte." Versager. Die Offiziere spürten eine gewisse Kälte durch ihre Adern pulsieren, einen Anflug von Eis. Aber Zen konnte hart sein, wenn auch nicht immer gerecht. Aber konnten sie es ihr übermäßig übel nehmen? Auch sie war mehr als einmal Opfer des Unrechts und letztlich, so glaubten sie, fußte diese Aussage mehr darauf, dass männliche Offiziere eben nicht prinzipiell besser waren. Aber wer wusste es schon? Selbst ihre Freunde mochten sich manches Mal in der Frau täuschen. "Aber was genau geschieht - wir wissen es nicht und Rätselraten bringt uns ohnehin nichts. Warten wir noch ein paar Jahre, dann wird das Zentrum sicherlich so großzügig sein, es uns mitzuteilen. Bis dahin - eine neue Runde!" Die Offiziere nickten zustimmend, bis Terren den jungen Mann heran pfiff, den sie erst unlängst vertrieben hatte.
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