#8
Mytria fühlte sich etwas missverstanden. Eigentlich fühlte sie sich oft missverstanden, so dass ihre Stimmung in diesem Augenblick auch fragil, wie eine einfache Holzfigur war. Mytria leugnete es zwar aber sie hatte durchaus ein großes Bedürfnis, ihr eigenes Ego darzustellen, um nicht übersehen zu werden. Ihre eigene Vergangenheit war oft ihr größter Antrieb; wenn auch mitunter falscher Antrieb. Zwar fühlte sie, dass Saanza und Bexx es ehrlich mit ihr meinten und auch eine gewisse Ruhe einkehren konnte und doch bremste etwas ihre Vorfreude. Saanza war nicht bekannt dafür, besonders weltlich zu sein und sich jenem Konsum hinzugeben, der Mytria so manche Freude brachte und Bexx war ebenso wenig eine Frau, die ganz darin aufging, einem Schönheitsideal zu folgen, welches ohnehin nur Mode war. Doch war Mode für Mytria wichtig. Sie wollte nie wieder als hässlich bezeichnet werden. Nie wieder von anderen ausgeschlossen werden, nur weil sie anders aussah. Es war nicht zwingend Eitelkeit, sondern eine tiefsitzende Konditionierung einer seiner oberflächlichen Welt, wie Herdessa.

Dort war sie anders gewesen, nicht passend und sie wollte doch sehr passen und sich einfügen, um nicht wiederholt Opfer verbale oder körperlicher Angriffe zu werden. Umso mehr fühlte sie nun, dass Saanza und Bexx ihr helfen wollten, sie um ihrer selbst begleiten wollten. Es fühlte sich dadurch etwas weniger echt an. Es war nur Hilfe. Ein guter Wille aber nicht jene geteilte Leidenschaft, die Mytria gerade forcieren wollte. Die Jedi-Gedanken, jene Verknüpfung von verschiedenen Perspektiven und ein permanentes Hinterfragen, waren Mytria gerade so fremd, wie einem Fisch das Land.

Dies zwar nicht immer und mitunter gelangte auch Mytria zu tieferen Erkenntnissen, doch nicht jetzt. Insofern waren die Worte von Bexx und Saanza schnell verraucht, verschwunden hinten der Absicht, ganz einem selbstgewählten Konsum zu folgen. Mytria wollte dem Schönheitsideal dienen, nicht zwingend aus freiem Willen aber aus der Absicht heraus, dadurch wieder normaler zu sein. Es würde die furchtbaren Gedanken, die unsägliche Angst, fernhalten. Mytria spürte eine nie dahinschwindene Angst in sich, die mit jedem tragischen Ereignis nur größer wurde. Sie lebte mit verschiedenen Ambitionen, mit verschiedenen Ideen von sich selbst, die nie ganz passten aber stets Versuch waren.

Hier war sie wieder in jenem Gefühl, dass auch dieser Moment nicht echt war. Wieder hier, wo sie nur ein Anhängsel war, dass man mit Gefallen vesorgte, damit es nicht negativ auffiel. Mytria kniff die Augen zusammen, um die aufkeimende Frustration zu unterdrücken. Bexx sprach von Harmonie. Mytria suchte heute keine Harmonie, kein übergeordnetes Ziel, wollte keine große Aufgabe vor sich sehen, sondern wollte einfach nur Mytria sein, die sich eine neue Frisur (und vielleicht ein paar für sie schöne Nadeldesigns) auswählte. Bexx war zu sehr darauf bedacht, das große Ganze zu sehen und Saanza suchte stets irgendeine Aufgabe oder Mission. Dabei konnte Mytria nicht soweit denken, noch nicht. Etwas hinderte sie selbst daran, darin aufzugehen. Harmonie war jetzt kein Wert für sie, denn für sie galt gerade, dass sie um ihre eigene Existenz rang. Wer war sie gerade? Etwas schien zu fehlen. Ein wichtige Stück schien zu fehlen. Mytria wollte in erster Linie verstehen, wer sie selbst sein konnte. Immer nur war sie eine Fehlfarbe. Immer irgendwie unpassend. Dabei bemühte sie sich doch.

Doch die Frustation über den für sie falschen Fokus hielt nicht lange an. Es mochte auch an der Aura des Augenblicks liegen, dass jene dunkle Ambition keinen Platz finden konnte. Mytria war dankbar dafür, dass sie diesen Tag für sich hatte und zwei enge Bezugspersonen daran teilnahmen. Es war gut genug. Vorerst, sofern sie ein oder zwei Wünsche erfüllt finden konnten. Insofern ging sie nicht weiter auf die Ausführung zur Harmonie ein und zog nur gelangweilt die Schultern hoch, um sofort wieder in den eigentlichen Gedanken zurückzugehen. Dieser ließ ihr Gesicht strahlen, vertrieb jene unklare Absicht und ersetzte sie durch einen vorbereiteten Konsumrausch; der sicherlich geteilt werden würde.

"Du wirst sehen! Neue Haarfarben und neue Kleidung... machen alles neu.... und damit anders und man kann sich neu erfinden, immer wieder...," erklärte sie aus ihrer Sicht und jappste die Worte fast, denn ihre Gedanken flogen so schnell vorbei und mit ihnen Ideen von Mode, Stil und Komposition diverser Stoffe. Mytria lächelte immer wieder breit, strich sich dann wild durch die Haare, während sie Schnitte und Haarstile durchging.

Endlich. Bexx entschied sich zu antworten. Auf die wirklich wichtige Fragen. Mytria war sofort im Moment. In diesem Augenblick. Es war eine echte Aufgabe. Gebunden durch Weltlichkeit und sehr stark geerdet. Es war ein lösbares Problem, indem sie siegen konnte. Das konnte sie. Hier konnte sie sein und wirken, ohne an die furchtbare Mächte zu denken, die überall lauerten. Die dunkle Seite war leider zu real geworden, so dass Mytria die Macht als solche zu fürchten begann. Eine tiefe Traurigkeit lag darin, dass sie erahnte, dass sie mit ihren Mächten nicht und niemals normal sein konnte. Sie war eine Außenseiterin und die Macht verstärkte nur diese Position. Mytria wollte nicht mehr außen stehen. In diesem Augenblick galt es: Bexx band sie ein. Der Auftrag stand und hier war sie jemand. Sie war eine echte Person; insbesondere, weil sie als Jedi bisher so erstaunlich gescheitert war.

"Dunkelgrün," wiederholte Mytria die Antwort und nickte dabei wiederholt. Ja, das passte. Aber konnte noch variiert werden. Erdtöne. Ja, mehr Erdtöne. Vielleicht noch ein sandiges Gelb. Ziele einer Transformation offenbarten sich der jungen Jedi. Bexx konnte ihre Stil verfeinern und deutlich mehr zeigen. Mytria dachte bereits weiter und ging bereits mögliche Kombinationen durch. "Lehm...Lehmfarben," sagte sie und deutete auf Rebecca, fast so als ob sie eine Wahrheit erkannt hatte. Wieder nickte sie, dies mal mit einem breiten Grinsen. "Es gibt einen tollen Laden nicht weit weg...," erklärte Mytria mit fester Absicht diesen heute aufsuchen zu wollen. Aber erst nach Friseur und Nagelstudio. Die Reihenfolge war hier nicht beliebig.

Bexx fragte sie unmittelbar nach ihrer Lieblingsfarbe. Davon hatte Mytria viele und musste kurz inne halten, so dass ihr Sprachfluss unterbrochen wurde. Man sah ihr an, dass sie ernstlich darüber nachdachte. Schließlich kam ihr eine Antwort in den Sinn, die alle Farben irgendwie zusammenfassen konnte, die sie mochte. "Sommerfarben, viele helle Töne aber auch starke Farben; aber von allen ist es ein sanftes Rosa in Kombination mit Weiß," sagte sie jedes Wort einzelnd aussprechend. Es war eine wichtige Aussage, da Farben für Mytria vieles aussprachen, was sie selbst nicht gut in Worte fassen konnte. "Farben müssen immer kombiniert werden," stellte sie fest und ging auf die Frage nach Saanzas Farben ein, die Bexx unvermittelt anschloss. Die Aufgabe wurde immer größer. Mytria vergaß sogar, dass sie kurz frustriert gewesen war. "Saanza liebt weiß, mit Sicherheit. Aber auch Erdtöne, wie ein dezentes Braun, stehen ihr hervorragend. Doch sie sollte ihren Stil überdenken. Ihre Roben sind oft zu schlicht und weniger betont," meinte Mytria mit einem frechen Lächeln, wobei ihre Augen die Jedi-Ausbilderin kurz fixierten, bevor diese wieder zu Rebecca wanderten. "Du musst wissen, dass man auch Roben entsprechend anpassen kann, dass sie nicht, wie ein Sack aussehen...," erklärte sie fast-wissend. Und nickte dann wieder. Mytria hatte ja ihre eigene Robe angepasst und sogar entsprechende Stiefel (von Papa finanziert) beschafft. Ein Autritt war wichtig. Gerade, wenn man Jedi sein wollte, wie Mytria. Darstellung durch Erscheinung waren Verknüpfungen, die Mytria nicht trennen konnte. Für sie war es schlicht wichtig, auch darzustellen, um nicht unlauter geprüft zu werden. Eine gewisse Blendung war hier auch inkludiert. "Aber auch du brauchst etwas mehr Stil, Bexx. Ihr beide habt kein gutes Auge für Details und Stil. Die Auswahl ist nicht immer gut für euch aber dafür bin ich jetzt ja da...," sagte sie fast selbstsicher und machte eine in die Hand-klatschende Geste. "Immerhin sind wir Jedi und keine Bauern," meinte sie und nickte ernstlich. In ihrem Kopf waren Bauern schmutzig, schlecht gekleidet und hatten einfach keine Notwendigkeit nach guter Erscheinung. Doch Jedi sollten ja positiv gesehen werden. Wer gesehen wird, muss gut angezogen sein. So einfach war es für Mytria. "Darf ich deine Hand sehen?" - fragte sie nun unverblümt, da sie im Augenwinkel etwas gesehen hatte, was ihr persönlich missfiel. Es bestand eine große Gefahr, dass Bexx ihre Nägel und insbesondere ihr Nagelbett nicht vernünftig pflegte. Rebecca gab Mytria genügend Sicherheit, dass dieser Augenblick so normal, wie möglich war.
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