#11
Eine unscheinbare Person in einer schwarzen Robe folgte Scarian und dem Lieutenant. Die Person trug die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, so dass ein tiefschwarzer Schatten über dem Gesicht lag. Der Robenmantel wehte bei jedem Schritt dezent auf, so dass eine okkulte Eleganz entstand. Die Person trat nicht an Scarian vorbei, verweilte in einem gemäßigten Abstand unweit. Die Person hatte ein klares Ziel, ließ ihren Blick nicht Scarian und dem Lieutenant ab, welcher die Person in der schwarzen Kutte nicht einmal wahrnehmen konnte. Die Zeit schien um diese Person still zu stehen. Auch für Scarian entstand ein okkulter Moment, die sich alles auf diesen einen Punkt in der Zeit zu konzentrieren schien. Die Welt blieb stehen, fast als Warnung, für etwas, was da kommen wollte und geschehen musste. Sofern sich Scarian umwandte, seinen Blick herauswagte, in diese Stille, würde er etwas finden, was er verloren hatte. Die Person näherte sich, wie durch einen Tunnel, während das Licht um sie herum einbrach und nur noch Facetten einer Realität zurückblieben. Die Person war im Zwielicht gefangen, war maskiert nicht nur durch den Schatten, sondern auch durch eine merkwürdige Präsenz, die einem Schleier gleich war. Alles schien weit weg und doch war es hier, so nah, dass man es berühren konnte. In hektischen, fast sprunghaften, Bewegungen huschte die Person in der Kutte heran, während alles um sie herum weiter erfroren schien. Kein Gesicht war unter Kapuze, sondern nur ein Nichts, ein endloses und wahnsinniges Nichts. Und doch blieb die Person unmittelbar vor Scarian stehen, schien ihn zu betrachten, wie ein seltenes Wunder, was sich zur Schau gestellt hatte. Mit geisterhafter, fast weltfremder, Stimme, hallte eine sanfte und fürsorgliche Frauenstimme unter Robe hervor.

"Weit abgekommen, weit abgekommen," sagte Stimme geheimnisvoll und verweilte, wie eine Säule in einem schwarzen Kleid vor dem Elite-Offizier, welcher vieles verraten hatte, um einer Sache loyal zu sein. Die Gestalt schien barfuss zu sein, da ihre Füße zu erkennen waren, die aber auf dem polierten und blanken Boden keine Spuren hinterließen. Schwarzgraue Spuren auf den Füßen wiesen auf Asche hin, durch die diese Person gegangen sein musste; Unmengen an Asche, die selbst den Robenmantel durchzog und sich nun im faden Zwielicht löste, so dass ein mysteriöser Tanz aus Partikeln entstand, die auf Scarian zu fielen. Ein dunkles Feuer schien inzwischen am Horizont zu brennen, was nahezu unmöglich ein wankendes Licht auf Scarians Licht warf, etwas rief ihn zu sich aber konnte den Ruf noch nicht benennen. "So nah, so nah," sprach die wunderschöne Stimme, erneut geheimnisvoll und nicht in einem klaren Zusammenhang. "Durch Licht und Dunkelheit kämpfen wir darum, zu sein... " Die Person, welche inzwischen ihren leblosen Kopf, welcher keine Atmung von sich gab, hervorstreckte, um Cato ins Gesicht zu blicken. "... zu sein."

Das Nichts blickte Cato an, verwandelte sich aber sekundengleich in das Gesicht einer wunderschönen Frau, welche aschweiße Haut besaß. Dieser Frau lief eine schwarze Flüssigkeit aus den Mundwinkeln; ihre Augen waren weit aufgerissen und durchzogen von einem schwarzen Nebel, welcher über einem Feuer aus Energie zu brennen schien. "Hoch in den Hallen der Macht, hoch in den Hallen der Macht...," sang die Stimme fast flüsternd in das Ohr von Scarian. "Er wollte niemals gehen, niemals gehen und doch war dort ein Pfad, ein Pfad, den er gehen musste," sang sie weiter und ein frostiger Schauer legte sich auf Scarian, als es Asche regnete, immer mehr Asche und urplötzlich verwandelte sich jede einzelne Person um ihn herum in blau glühende Asche; jetzt konnte er es sehen, dass die Asche, durch die diese Frau gegangen war, zerfallene Personen waren. Sie war der Tod, welcher gekommen war, um mit ihm zu sprechen. "Jene, die er liebte, waren gegangen, waren gegangen und jene, die er hasste, die er hasste, waren noch hier. Doch das Herz schlug, schlug und schlug, hoch in den Hallen der Macht, den Hallen der Macht. Es schlug und schlug, bis alle gegangen waren, auch jene die er hasste." Die Frau trat zurück und lächelte Scarian an, wobei erneut die schwarze Flüssigkeit aus dem Mund quoll, welche sanft über die Wangen lief. "Von Winter zu Sommer und wieder zum Winter, doch für dich ein Immer-Winter, Cato," sprach sie Cato Scarian nun direkt an. "Sein Winter ist unser aller Winter, gebunden durch Willen an kalte Macht, war der Frost sein Schwert und das Eis seine Hoffnung. Ein Ewigkeit uns zu retten war nicht unser Segen," entfernte sich die Frau, indem sie sich umdrehte und einfach ging. Einen frostigen Atemzug konnte Cato Scarian tun und dann würde sich die Welt wieder verwandeln, in die Welt, die er kannte. Die Asche verschwand, die Personen waren noch dort und die Zeit verlief in ihrer normalen Geschwindigkeit und doch blieb dieses Gefühl von Kälte zurück. Etwas hatte sich ihm offenbart, gnädig oder vielleicht ungnädig. Etwas war geschehen oder etwa doch nicht? Ein Ende war es nicht aber auch kein Anfang; etwas bewegte sich in seinem Herzen, wollte schreien und doch blieb es still. Etwas war hier. Etwas war in ihm; etwas war mit ihm geschehen, denn mit dieser Kälte wuchs auch Gewissheit, dass er noch lebte, als die Asche gefallen war. Er würde durch die Asche gehen. Die Frau in der schwarzen Robe war verschwunden. Doch ihre Stimme hallte noch einmal in seinem Schädel wieder: "Wenn die Welten zerfallen, wirst du dort sein, und sein Bruder sein; sein Getreuer und letzter Diener." Eine Bestimmung oder ein Fluch offenbarte sich. Cato Scarian war wieder lebendig und doch sein Blut hatte seinen Preis, denn es gehörte nicht mehr ihm. Vesperum war die Macht hier; die dunkle Seite wollte sich zeigen und zeigte sich Cato Scarian als Manifestation, nicht nur als Angebot, sondern auch als Warnung, denn das Schicksal war gnadenlos. Alle Entscheidungen kosteten etwas und doch musste Cato Scarian nie wieder bezahlen, nie die Rechnung begleichen, da Vesperum jegliche Handlungen fortan kontrollieren würde, sofern Scarian sein Herz nicht vom Gift des Hasses befreite, nicht Vesperum aus seinem Geist verbannte und das Licht zuließ, welches dieser Hölle Einhalt gebieten konnte; nicht mehr nur Werkzeug eines erzdämonischen Herrschers, sondern Mensch mit Herz und Seele. Die Macht konnte gnädig sein, das Schicksal leider nicht und oft wählten Menschen ihr Schicksal eifrig und falsch.
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