#22
Die Togruta kauerte sich neben dem ohnmächtigen Riesen zusammen und wirkte in ihrer Betrübnis fast wie ein Kind, wie ein kleines Mädchen. Der Anblick weckte in Ald’ana einem Moment lang den Wunsch, tröstliche Worte zu finden. Doch der Impuls war schnell vorüber. Die Sith ließ die beiden Frauen in ihren Gedanken, ihre eigenen Erinnerungen im Staub zurück und entfernte sich ein paar Schritte. So viel in den letzten Stunden auch geschehen war, so wenig hatte es mit ihrer eigentlichen Mission zu tun. Es wurde Zeit, sich wieder darauf zu besinnen. Rifta vergewisserte sich, dass die Aufmerksamkeit von Sosul und Fidar weiterhin nicht auf ihr lag und sie in dem kleinen Hangar auch keine weiteren Ohren belauschten. Dann holte sie ihren Comlink hervor und aktivierte eine Verbindung zu ihrem imperialen Begleiter.
„Lieutenant? Können Sie mich hören?“
Nach einer kurzen Stille erklang die leicht verzerrte Stimme von Yuan Faun aus dem kleinen Gerät.
„Klar und deutlich. Gibt es Neuigkeiten? Ich habe von einem Tumult auf dem Markt gehört.“
Die Twi’lek ignorierte den fragenden Unterton in seiner Stimme. Genauer gesagt überging sie seine Äußerung sogar vollkommen. „Wenn ich zum Schiff zurückkehre, werde ich einen Passagier mitbringen. Eine junge Frau. Sie wird mit uns nach Byss zurückkehren.“
„Oh“, erklang es überrascht aus dem Comlink. Die Twi‘lek konnte nicht heraushören, ob auch noch andere Emotionen in der knappen Erwiderung mitschwangen. „Ich habe nicht erwartet, dass Ihr… so schnell Erfolg haben und sogar einen der Dissidenten überzeugen würdet.“
Rifta spürte, wie roter Zorn in ihr aufwallte und zog die Stirn in Falten. „ Bedauerlicherweise habe ich die Häretiker noch nicht ausfindig machen können. Ich habe eine unausgebildete Machtbegabte gefunden und werde mit ihr zum Schiff zurückkehren. Sie wird ein Quartier benötigen.“
„Das gehört nicht zu meinen Aufgaben“, entgegnete der Imperiale kühl auf die implizierte Aufforderung.
„Nein, aber Sie sind für das Schiff verantwortlich – oder nicht?“
„Das bedeutet nicht--“
„Ich habe eine weitere Aufgabe für Sie, Lieutenant. Eine, an der Sie gewiss mehr Freude haben werden“, unterbrach sie Yuan. „Wenden Sie sich wegen einer Fahndung an das imperiale Militär. Es geht um einen Frachter – die Thune – und seine Crew. Zwei Menschen namens Ghato und Fidar und ein Klatooinianer namens Ket. Vielleicht befindet sich eines dieser Individuen sogar bereits in der Datenbank.“
Rifta ließ den Blick erst zu Sosul, dann zu Fidar schweifen. Die Togruta hatte sich erhoben und ging mit hängenden Schultern zu dem bewusstlosen Menschen herüber. Kurz begegneten sich ihre Blicke und fast unwillkürlich nickte die Sith, wie in einer stummen Erlaubnis, dass sich die jung Frau von ihrem Begleiter verabschieden durfte. Fidar schien in sich gekehrt zu sein und beachtete die Lethan nicht. Die Mechanikerin stand vor einem Scherbenhaufen, der noch vor Kurzem die Gemeinschaft ihrer Crew gewesen war. Ihr Verhalten und das des Klatooinianers hatte Sosul nur weiter in die Arme der Sith getrieben. Nun würde sie als einzige bezeugen können, wie die junge Togruta mit der rothäutigen Fremden fortgegangen war, und würde bis zum Erwachen ihrer gefährten allein zurückbleiben.

Rifta erlaubte sich ein feines herablassendes Lächeln, während Yuans angespannte Stimme abermals aus dem Comlink zu hören war. „Ich nehme an, Ihr habt einen guten Grund, weshalb das Schiff und seine Mannschaft festgesetzt werden sollen?“
Sie hörte seine Missbilligung. Auch ohne, dass sie ihm gegenüberstand, konnte Rifta geradezu seine Gedanken lesen. Yuan war ein Mann des Protokolls. Ein loyaler Imperialer, der Regeln und Gesetzen folgte und ihre momentanen Handlungen als Willkür abtat. Doch er konnte nicht verstehen, warum es so wichtig war, dass sie Sosul in ihre Fänge bekam und die Bande zu ihrem früheren Leben durchtrennte. Rifta hätte jedoch auch nicht darauf antworten können, wenn jemand sie gefragt hätte, warum es ihr so wichtig war…
„Es handelt sich um Schmuggler. Sie werden die imperialen Gesetze sicher nicht zum ersten Mal gebrochen haben. Verstehen Sie mich richtig, Lieutenant: Ich will, dass diese Personen den Planeten nicht in Freiheit verlassen“, raunte sie mit drohender Stimme. Sie wollten mir etwas vorenthalten, das mir zusteht. „Ich bin mir sicher, das Imperium wird die richtige Entscheidung treffen, wie es mit diesem Gesindel umgeht.“ Die Twi’lek übermittelte Faun den Standort des Raumschiffs und wies ihn an, sich erst in einer Stunde um diese Angeegenheit zu kümmern. Sie wollte sicherstellen, dass Sosul sich nicht mehr in der Nähe des Hangars befand, wenn ein paar Sicherheitskräfte nach dem Rechten sahen.
„Ich werde mich darum kümmern“, entgegnete Yuan widerstrebend. „Was gedenkt Ihr, wegen Eurer Mission zu unternehmen?“
„Ich werde mit meiner Begleitung zur Ravener zurückkehren und anschließend die Kultisten ausfindig machen. Ich bin sicher, sie haben meine Präsenz in dieser Stadt bereits bemerkt…“
Es würde sich noch herausstellen, ob dies ein Vorteil war oder Riftas Aufgabe nur noch weiter erschweren würde. Doch zunächst einmal musste sie sich um ihre Schülerin kümmern.

Sosul hatte ihren Abschied beendet und kehrte mit gemischten Gefühlen zu der Lethan zurück. Sie hatte die Hände in die Taschen ihrer Hose gestemmt, doch in ihren Augen lag die Unsicherheit eines jungen Mädchens, das seine Familie für eine ungewisse Zukunft zurückließ. Aus freien Stücken. Und doch hatte Rifta ihr nicht wirklich eine Wahl gelassen, selbst wenn es der Togruta nicht bewusst war. „Ich habe es befürchtet. Aber ich bin froh, dass dir nichts geschehen ist.“ Sie legte der jungen Frau kurz eine Hand auf die Schulter und lächelte sie mit gespielter Milde an. „Bald wirst du in der Lage sein, dich ohne meine Hilfe zu verteidigen. Aber du musst vorsichtiger werden!“

Sie hockte sich vor dem jungen Mädchen hin und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Wenn jemand es herausfindet, kannst du ernste Schwierigkeiten bekommen!“ Ihre Stimme zitterte, auch wenn Ald’ana sich bemühte, die Fassung zu bewahren. Sie wollte ihrer Schwester nicht noch mehr Angst machen. „Ich kann nicht immer da sein, um auf dich aufzupassen. Du darfst niemandem vertrauen. Du musst es geheim halten. Sonst…“ Sie wusste genau, was mit Leuten geschah, die sich nicht an die Regeln hielten oder unangenehm auffielen. Sie hatte es selbst oft genug am eigenen Leib erlebt. Aber solange sie konnte, würde sie Tal’ana dies ersparen und alle Schuld auf sich nehmen. „Versprich mir einfach, dass du in Zukunft vorsichtiger sein wirst und es nur noch benutzt, wenn dich niemand sieht!“

„Ich werde nicht immer da sein, um auf dich achtzugeben. Außerhalb unseres Ordens musst du deine Fähigkeiten geheim halten. Dein Begleiter… Er nannte mich Jedai…“ Rifta schüttelte den Kopf. „Ich gehöre nicht zu ihnen, sondern stamme aus einer anderen Gruppe von Machtbegabten. Wir schöpfen unsere Kraft aus unseren Gefühlen, statt sie wie die Jedi zu verleugnen. Aber die Galaxis hat die Grausamkeit der Jedi nicht vergessen, auch wenn einige sie noch immer in Mythen verklären. Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt“, sagte sie und meinte ihre Worte unerwartet ehrlich. „Aber zunächst werde ich dich zu meinem Schiff bringen. Dort bist du sicher, bis ich meine Mission abgeschlossen habe, und kannst dich bereits mit meinem eigenen Begleiter vertraut machen. Er ist ebenfalls ein Mensch. Ein imperialer Pilot. Ich habe ihn bereits über deine Ankunft informiert“, erzählte die Sith, während sich das Duo langsam durch den Raumhafen bewegte.
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