#17
Rifta war nach Commenor gekommen, um sich Abtrünniger ihres Ordens anzunehmen. Vielleicht waren es Verräter? Und vor was für eine Wahl wollte die Twi‘lek sie stellen? In Sosuls Ohren klang das interessanter, als Artefakte zu suchen. Sie mochte Geschichten, befasste sich aber ohne große Leidenschaft mit den Errungenschaften und Niedergängen der Vergangenheit. Offenbar hatten die Artefakte, nach denen der Orden suchte, einen gewissen Wert für ihn. Sie würde Rifta danach fragen, warum diese Gegenstände so besonders waren. Ihrerseits hatte sie nichts in ihrem Besitz, das ihr so wichtig war, dass sie es ständig mit sich herumtrug. Viele Reisende hatten Rücksäcke und Taschen vollgepackt mit Dingen, die sie benötigten. Sosul hatte versucht, bei ihrer Abreise von Shili ebenfalls eine solche Reisetasche zu packen, war aber bald daran gescheitert und hatte nur die Tasche ohne Inhalt eingepackt. Wo diese sich befand, wusste sie nun nicht einmal mehr. Jedenfalls hatte sie sich nie gefüllt.
»Dann los.« sagte sie zu sich selbst und ihre Stimme klang lauter als sonst. Sosul atmete tief ein. Dann ließ sie sich dann zurücksinken. Sie lag mit dem Blick zur Decke auf dem weichen Untergrund, den sie in den vergangenen Monaten als Bett genutzt hatte. Ihre Montrals stießen leicht gegen die Wand und sie ruckte mit dem Kopf zur Seite. Den chemischen Geruch des Raumschiffes nahm sie kaum mehr wahr. Vor zwei Wochen hatte die Crew einen Planeten besucht, dessen Graslandflächen den kleinen Himmelskörper umspannten wie ein Meer. Dort hatte sie bemerkt, dass Wiesen ein Duft zu eigen war, den sie beinahe vergessen hatte. Wie hatte es sich in den morschen Wäldern ihrer Heimat angefühlt? Aus der Wand zu ihrer Seite drang ein leises Surren. ‘Diese Schaltkreise. Oder der.. Ach Fidar, ich hab’s schon wieder vergessen.‘ Das Raumschiff stellte für sie noch immer ein Mysterium dar. Eines, das zudem niemals still war. Selbst jetzt, wo die Thune unbeweglich darauf wartete, dass die Crewmitglieder ihren großen Bauchraum leerten und wieder füllten, führte sie ein geräuschvolles Eigenleben.
Mit einem Stöhnen setzte sich Sosul wieder auf, sah zu beiden Seiten und stellte sich umständlich auf die Beine. Ihr Herz schien in ihrem Hals zu klopfen, sodass sie den Pulsschlag in den anliegenden Lekku spüren konnte.

*
Fidar versteifte sich und knallte den Sensor in ihrer Hand neben hydraulischen Schraubstock auf der Kiste neben ihr. Noch während sie sich umdrehte, wurde sie laut. »Hier gibt es nichts, was Sie sich anders überlegen können. Wenn es Ihnen hier im Rattenloch nicht passt, da hinten geht’s raus. Diese drittklassigen Schmuggler- « aus ihrem Augenwinkel sah sie, wie der Schraubstock von der Kiste zu Boden fiel und sie sprang hastig beiseite, bevor das schwere Metallteil auf ihren Fuß traf. Sie fluchte. Noch während sie versuchte, sich zu erklären, wie der Schraubstock heruntergefallen sein konnte, hörte sie, wie Ket gegen die Türkontrolle des Schiffs schlug, sodass das Laderampe den Eingang verschloss.
Die fleischige Augenbrauenpartie des Klatooinianers legte sich in Falten und verdeckte zur Hälfte die tiefliegenden Augen.
»Jedai.« Das Wort war ein feuchtes Knurren. Darauf folgte ein Strom verwaschenen Huttischs, das Fidar nicht vollständig verstehen konnte. ‘Sie haben schon genug in der Galaxis ..verbrochen? Es ist gut, dass es mit ihnen zuendegegangen ist?‘
Zum ersten Mal jagte Ket ihr einen Schauer über den Rücken. Er baute sich vor der Thune auf. Verschwunden war die äußerliche Trägheit, die ihm stets anhaftete. Die Mechanikerin richtete den Blick auf die fremde Twi’lek. »Was ist hier los? Wer sind Sie?« brachte sie hervor und anstelle ihrer üblichen Bissigkeit lag unterschwellige Nervosität in ihrer Stimme. Etwas an der Frau hatte sich verändert und es waren nicht nur die Lekku, die sie bereits bei ihrer Ankunft nicht länger versteckt gehalten hatte. Ihre Augen –
Ghato drehte sich herum und hob eine Hand. Erwartungsvoll verschränkte Fidar die Arme und wartete darauf, dass ihr Captain der Fremden die Grenzen aufzeigte. »Lass‘ sie gehen.« Er sprach langsam und schien seine Begleiterin anzustarren. Fidar blinzelte und verstand erst im nächsten Moment, dass er nicht von der Twi’lek, sondern von Sosul sprach. »Sie sollte nicht in diesem Rattenloch.. – sie sollte nicht hier sein.« Seine monotone Stimme klang fest und war zugleich voller Bedauern. Vor einer Ewigkeit waren sie in einer Kantina auf Abar gewesen. Der Abend war teuer gewesen, aber die Credits hatten sich gelohnt. Woran Fidar sich nicht gerne erinnerte, war, wie Ghato dort gesprochen hatte. Und ausgerechnet jetzt kam es wieder über ihn? Waren sie wieder einmal nichts wert in der Galaxis? Zu lausig, sogar für die kleine Togruta? »Was soll das, Ghato? Bist du taub? Lassen wir uns einfach so abfertigen?«

Ket drängte sich an ihr vorbei und blieb vor der Twi’lek stehen. Er hatte beobachtet, dass sich nicht nur ihre Augen, sondern auch ihre Haltung verändert hatte. Es lag keine Freundlichkeit mehr in ihren Zügen. Das, was er jetzt sah, schien ihr Wesen zu sein. Die herablassende Boshaftigkeit stand ihr und sie trug ihre Arroganz wie ein extravagantes Abendgewand. Mit einem behäbigen Brummen blieb er vor ihr stehen. Er überragte die Twi’lek um eine Kopfgröße und sah zu ihr herab.
Auf Huttisch teilte er Fidar langsam mit, dass es die Fremde gewesen war, die den Schraubstock von der Kiste geschoben hatte. Und dass Ghato sich komisch verhielt, musste ebenfalls ihr Werk sein. Ob sie die Handbewegung nicht gesehen hätte? »Sosul caba boskat.« Hol‘ dir Sosul und geh‘. Rifta ließ er nicht aus den Augen, während er sprach und wandte sich dann direkt an sie. »Sty-uka, Cheeskar. Sosul mitgehen mit dir - nicht
Fidar spürte, wie ihr Körper sich sprungbereit zusammenzog, als sich Adrenalin in ihr ausbreitete und Kets Worte in ihren Gedanken nachhallten. Noch immer verstand sie nicht, was passierte. Aber ihr war nun klar, dass Ket die Frau für sehr gefährlich hielt. Doch wenn sie sich entscheiden musste, wen sie für ihre eigene und die Sicherheit anderer aufgeben müsste, würden es weder Ket, noch Ghato sein. Sie musste sich beeilen. Als sie ging, stand Ghato auf und legte Ket die Hand auf die Schulter.

*
Die Laderampe war verschlossen und nachdem sie ein halbes Dutzend Mal auf das Kontrollpanel geschlagen hatte, gab Sosul auf. Sie sah herab auf die Getränke und Becher in ihren Händen und beschloss, diese an Ort und Stelle stehen zu lassen. Sie würde nicht die Kellnerin für die Crew sein, wenn diese ihr die Tür vor der Nase verschlossen. Trotzdem beeilte sie sich mehr als nötig, um den Passagiereingang am anderen Ende des Schiffes zu nehmen. Das nervöse Gefühl in ihrem Bauch schob sie auf die schwierige Entscheidung, von der sie glaubte, sie getroffen zu haben. Sie sprang aus dem Raumschiff auf den staubigen Boden und sah, wie Fidar um die Ecke der alten Thune kam und ihr entgegentrat.
»Sosul. Wenn du sicher bist, dass du mit ihr mitgehen möchtest-«
»Darüber wollte ich mit euch reden! Kein Grund, mich einzusperren, oder was sollte das?«
»Das war Ket. Lass‘ einmal jemanden ausreden, klar? Ghato versteht, dass du gehen willst. Er gibt dir sogar seinen Segen. Wenn es nach mir geht – ich würd’s nicht tun, aber ich bin auch nicht du.« Sosul nickte. Es war nicht das erste Mal, dass sie unterschiedlicher Meinung waren. »Ket ist das Problem.«, fuhr Fidar fort. »Er ist kurz davor, sich mit.. mit deiner Freundin anzulegen.«
»Poodoo, er ist so ein Hitzkopf!« Sosul schritt an Fidar vorbei, die sie jedoch am Kragen festhielt.
»Ich meine das so, wie ich es sage.« zischte sie. »Ich weiß nicht, was mit ihm los ist, aber er meint es ernst. Wenn du einen Rat willst, geh' jetzt und triff dich woanders mit ihr wieder. So vermeidest du einen gewaltigen Streit.«
»Schön! Ich soll mich auch noch streiten, wenn ich von euch weggehe, ja?«
»Das habe ich nicht gemeint.«
»Wenn er wütend sein will, soll er das mit mir ausmachen.« Sosul konnte sehen, wie sich Fidar auf die Lippe biss. Schließlich schien sie sich zu überwinden.
»Das war Ghatos Idee.« Fidar war nicht entgangen, dass Sosul die Meinung des Freundes ihrer Mutter noch immer am höchsten schätzte. Wenn es half, würde sie sich auf seinen Namen stützen müssen. »Du weißt, dass er Ket am besten kennt. Was du nämlich nicht weißt, ist, dass Ket ein Problem mit Twi’lek hat. Und glaub mir, das ist nichts, dem du im Weg stehen willst.«
Sosul verfiel in Schweigen und sah die Frau an, die ihr nie ganz eine Freundin oder Mentorin gewesen war. Andererseits konnte sie auch nicht sagen, dass sie in Fidar nicht zumindest kurzzeitig das eine oder andere gesehen hatte. Als sie antwortete, klang ihre Stimme kühl und sie hob unwillkürlich das Kinn. »An dem Abend, als du und Ghato auf Abar in der Kantina verschwunden und erst am nächsten Morgen wieder aufgetaucht seid, war ich mit Ket unterwegs. Er wurde fast zum Rancor, weil er schon so lange nicht mehr das Schiff verlassen hatte. Am Ende hat er einen Twi’lek unter den Tisch getrunken und soweit ich das beurteilen kann, haben sie sich blendend verstanden. Ich weiß nicht, warum du mir nicht die Wahrheit sagen willst, aber Lügner frisst der Akul.«
Fidar bemühte sich nicht mehr, ruhig zu bleiben. »Ah, du meinst diesen Tick von dir, wegen dem wir dauernd in Schwierigkeiten geraten? Du weißt nicht, wie die Galaxie funktioniert, Sosul, das habe ich dir schon immer gesagt. Du glaubst, Ket und Ghato haben dich nie angelogen? Denke noch mal darüber nach.«
»Du meinst sie funktioniert so, dass Menschen nicht mit Togruta klarkommen? Oder Aliens insgesamt? Keine Sorge, ich hab‘ es mitbekommen und geholfen hat mir nicht Ghato und auch nicht du oder Ket – sondern Rifta.« Dass ihre Gefährten nicht anwesend gewesen waren, um sie zu unterstützen, war Sosul bereit, für den Augenblick auszublenden. Sie hatte begonnen, angestrengter zu atmen. Es war nicht ihr erster Streit mit Ket oder Fidar, aber selten hatte sie es so ernst gemeint. Wollte sie zu sehr, was Rifta ihr anbot? Aber warum machten ihre Gefährten es ihr so schwer?
»Sei nicht dumm! Diese Twi‘lek ist..« Dann schien sie sich eines Besseren zu besinnen. »Aber mach‘, was du willst.« Dieses Mal hielt die ältere Frau sie nicht auf, als sie zur Rückseite des Schiffes ging.
»Das habe ich vor. Du hast keine Ehre, Fidar. Wenn du jemanden anlügst, hört dir sowieso niemand mehr zu.«

Dann konnte sie um die Ecke blicken und sah, wie Ket Ghato niederschlug. »Ket! Hör auf!« Er fuhr herum und sie konnte für einen Augenblick die blanke Panik in seinen Augen sehen. Dann wurde er wütend. Kaum unterdrückter Ärger verzerrte sein Huttisch und sie hatte Mühe, die gebellten Worte zu verstehen.
»Was machst du hier? Fidar!« Sein Blick traf auf die Mechanikerin, die mit sturer, versteinerter Miene am Rand des Raumschiffes stehen geblieben war. Sie hielt ihm stand und rührte sich nicht.
Sobald sich Sosul überzeugt hatte, dass Ghato nicht blutete und auch noch lebte, nachdem er den Haken des Klatooinianers eingesteckt hatte, stand sie wieder auf. Ihr Blick streifte Rifta, dann ging sie auf Ket zu.
»Es reicht! Warum tust du das?« schrie sie ihn an und bemühte sich nicht, seine Sprache zu wählen. Doch Ket ließ sie nicht aussprechen. Er packte sie mit beiden Armen und hielt sie wie einen Sack Diebesgut eisern schräg vor seinem Körper, als er sich immer schneller in Richtung des Ausgangs der Landebucht bewegte.
Offline
Zitieren
 


Nachrichten in diesem Thema