#7
Die Verwirrung war auf ihren Gesichtszügen deutlich zu erkennen, während Sosul die fremde Frau anstarrte. Als ob sie schwer von Begriff wäre, hatte die Twi'lek entgegnet, dass ausschlaggebend war, was Sosul war und dass sie sich von den anderen unterschied. Dass ihre Spezies einen großen Unterschied machte, nicht erwünscht war, hatte die Togruta vor wenigen Momenten festgestellt Diese Andersartigkeit teilte sie auch mit der Twi'lek, die sich ebenso von den Menschen auszunehmen schien. Sosul besann sich darauf, abzuwarten und nichts zu sagen. Zu beobachten und zu lauschen, wie es ihrer Natur entsprach. Die Auffassung, dass der Mann aus einer gewissen Sichtweise bekommen hatte, was er verdiente, teilte Sosul insgeheim. Jetzt, da er außer Gefahr zu sein schien, erinnerte sie sich ihrer Abneigung ihm gegenüber. Wenn andere Händler zu ihrem Volk gekommen waren, hatte sie niemals jemand auf diese Weise behandelt. Gatho beispielsweise war stets willkommen gewesen, auch wenn er wie alle anderen Menschen unterentwickelt wirkte, schließlich hatte er keine Montrals, nicht einmal Lekku. Vielleicht hatte die Fremde recht und Sosul war in größerer Gefahr gewesen, als sie angenommen hatte. Nun war es aber zu spät, um das herauszufinden.
Auf die Bemerkung, dass noch nicht die Zeit für Erklärungen gekommen sei, nickte Sosul. »Die Sicherheitskräfte werden bald da sein, ich habe sie -« Die Twi'lek unterbrach sie, kaum dass sie diese Worte ausgesprochen hatte. Sosul öffnete den Mund, um zu widersprechen: sie konnten kaum einfach verschwinden. Nicht nur sie, sondern auch andere würde es nach einer Erklärung verlangen. Und wegzulaufen käme fast einem Schuldeingeständnis gleich, was Sosul nicht auf sich zu nehmen bereit war. Sie würde die Situation erklären und es würde sich eine Lösung finden lassen - oder? Die Frau wendete ihre bernsteinfarbenen Augen von ihr ab und verließ den Platz unter dem leichten Wehen ihrer Robe gemessenen Schrittes. Sosul starrte ihr hinterher. Sie konnte nicht einfach -! Das Mädchen blickte zu den sich Sicherheitskräften, die sich langsam einen Weg bahnten und dann wieder der Frau hinterher. Die Situation wurde zunehmend heikel und Sosul musste eine Entscheidung treffen. 'Warum sollten die Imperialen mich für verantwortlich halten?' Und würde sie wirklich abwarten wollen, um die Antwort herauszufinden? Unwillkürlich trugen ihre Füße sie der Fremden hinterher. Würde man nach ihr suchen, konnte sie sie immer noch überzeugen, mit den verantwortlichen Bediensteten Commenors zu sprechen. Was sie selbst betraf, hatte Sosul nicht mehr getan, als die anderen Menschen vor Ort. Noch einmal würde sie sich nicht unterstellen lassen wollen, etwas getan zu haben, das nicht der Wahrheit entsprech. Vielleicht war es das, wovor die Twi'lek sie in Bezug auf das Imperium gewarnt hatte.
Vor ihrem inneren Auge sah Sosul den Händler erneut schweben. Sah die rötliche Hand der Frau, die sich hob und wieder senkte. Sie lief schneller, um die schwarze Gestalt nicht zu verlieren, die soeben in einer der Seitenstraßen verschwand.

In ihren Gedanken fügte sich das Netz aus Straßen und Gassen zu einem Labyrinth zusammen, dessen genauen Einzelteile irgendwann zu einer Einheit verschwammen. Die Umgebung änderte sich, je weiter sie sich vom Stadtzentrum entfernten. Es war das Unterholz einer Stadt, das zwar ebenso wie das der Wälder immer dichter wurde, im Unterschied aber auch dreckiger statt ursprünglicher. Als auf den Wink der Twi'lek ein Überwurf von einer durchhängenden Wäscheleine in ihre Richtung herabsegelte, blieb Sosul stehen und fing das Kleidungsstück reflexartig. Welcher Trick sollte sich dahinter verbergen können? Gebannt überhörte Sosul ihr Gewissen, dass sie hieß, das Kleidungsstück wenigstens dort zu lassen, wenn sie es schon nicht zurückhängen konnte. Während sie sich den Stoff über den Kopf streifte und die Kapuze über ihre Montrals schob, brachte sie die innere Stimme mit dem zweifelhaften Versprechen zum Schweigen, dass sie das Kleidungsstück später noch zurückgeben konnte, sobald sie ihre Antwort hatte. Mit einer Hand raffte sie den Stoff, der ihr fast bis zu den Knien reichte und folgte der Frau gerade rechtzeitig in eine als Abstellbereich genutzte Gasse um zu sehen, wie diese mit einem schier unmöglichen Sprung ein aus ramponierten Kisten bestehende Hindernis überwand. Sosul fühlte, wie ihre Mundwinkel sich zu einem Lächeln hoben, das sich ihres Einflusses entzog und sie machte sich daran, den Stapel mit einigen Sprüngen und unter Zuhilfenahme ihrer Hände zu überwinden.
Als die Frau schließlich auf einen sichtlich verlassenes Geschäft zuhielt und den heruntergekommenen Vorhang beiseiteschob, der den Eingang verdeckte, wurde Sosul langsamer. Was war das für eine Gegend, in die sie gekommen war? Sie sah sich zu beiden Enden der einst vermutlich belebteren Straße um. Der Raumhafen lag in etwa zu ihrer Rechten und sie hatte sich weit davon entfernt. Zaghaft betrat sie schließlich den Raum und blieb direkt hinter dem Eingang stehen. Durch die Überreste des Vorhangs, der die fensterlose Auslage abschirmte, drang graues Tageslicht und beleuchtete den staubigen Boden. Die Vielzahl unterschiedlicher Gerüche war zu schwach, um Sosuls Aufmerksamkeit zu erregen. Sie konzentrierte sich ganz auf die Frau, die ihr entgegenblickte.

'Rifta.' wiederholte sie in Gedanken den Namen der Twi'lek, die mit beiden Händen den schweren Stoff ihrer Robe zurückgeschlagen hatte. Darunter war ein lederner Kopfschmuck zum Vorschrein gekommen, der seiner Art nach dem der Togruta nicht unähnlich war. Unwillkürlich griff Sosul an ihr Handgelenk und befühlte eines ihrer mit Zähnen oder Klauen versehenen Armbänder. 'Wir schmücken sie nur unterschiedlich.' Dass Rifta glaubte, Zorn oder sogar Angst wahrgenommen zu haben, erschien der jungen Togruta unwahrscheinlich, was sie sogleich begründete: »Ich hatte keine Angst vor ihnen.« Heiße Scham kam in ihr auf. »Auch wenn es verrückt ist, was sie gesagt haben. Meine Familie - meine Freunde« und plötzlich erschienen ihr Ghato und seine Gefährten wie ihre Freunde, auch wenn der Gedanke einen bitteren Beigeschmack hatte »sind auch Händler. Sie wissen zwar, bei wem man ein bisschen aufpassen muss.. bei den Geschäften. Aber sie würden niemals jemanden so behandeln, wenn er ihnen nichts getan hat.«
Auf einen zweiten Gedanken hin nahm sie die Kapuze ab, die kurzzeitig an ihren Montrals festhing und befreite anschließend ihre schulterlangen Lekku von dem Überwurf. Auch verstecken wollte sie sich nicht, wäre es nicht so, als hätte sie den Menschen auf Commenor nachgegeben? Der Ärger verflog mit Riftas nächsten Worten.
»Die.. Macht?« probierte sie den Geschmack des Wortes. Riftas Stimme war leiser geworden und Sosul trat einen Schritt näher in den Raum, um sie besser verstehen zu können. Was sie sagte, klang nach den Zutaten, aus denen eine wunderbare Geschichte gemacht wurde. Zu exotisch, zu fantasievoll, um wahr zu sein. 'Ich soll diese Kraft benutzen können?' »Woher wollt Ihr das wissen? Ich habe noch nie von sowas gehört. Oder gemerkt, dass ich's kann.« Trotz der Skepsis ihrer Worte flüsterte Sosul beinahe selbst, ganz als beredete sie mit Rifta eine geheime Verschwörung, die nur sie beide teilten. Die Begeisterung und Überraschung, die Sosul in der Mimik der Twi'lek sah, spiegelten ihre eigene. Sie wandte ihren Blick einen Moment von Rifta ab, richtete ihn an ihr vorbei auf leer stehende Regale, ohne diese wirklich anzusehen. »Mein Name ist Sosul, übrigens. Sosul Ka'akul.« stellte sie sich ihrerseits vor und sprach nun mit weniger forschem Ton. »Ich habe gesehen, was Ihr gemacht habt.« Ihre blassblauen Augen richteten sich wieder auf ihr Gegenüber und sie zupfte an ihrem Überwurf.
»Dann kann ich auch.. dieses Stoffteil bewegen, ohne es anzufassen?« formulierte sie ungelenk und technisch, was ein einfacheres Wort zu übernatürlich hätte klingen lassen. »Und einfach so.. über diesen Kistenberg kommen, ohne zu klettern?« 'Jemanden aus der Luft heraus würgen, bis er das Bewusstsein verliert?' formte sich ein Gedanke am Rande ihres Bewusstseins, den auszusprechen ihr seltsam unhöflich erschien, als würde sie Rifta auf etwas ansprechen, das dieser sicher selbst unangenehm gewesen sein musste. Sosul war erwachsen genug um zu wissen, dass man manchmal aus dem Affekt heraus Dinge tat, die man später bereute.
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