#23
Ruhig ließ Luke den Blick zwischen seinen beiden Schülern wandern, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Während der eine das, was er ihnen sagte, mit einer geradezu demütiger Haltung annahm, lehnte der andere beinahe alles davon ab. Es waren beides keine optimale Reaktionsweisen auf das, was er ihnen versuchte beizubringen, sondern sie stellten beide Extreme dar. Extreme, die ihnen auf ihrem Weg eher ein Hindernis, denn hilfreich sein würden. Würden sich beide einander nähern und auf halbem Weg treffen, so würden sie wohl den optimalen Schüler ergeben. Etwas, von dem beide profitieren würden, aber Luke wusste nicht, ob dies jemals eintreten würde. Der Punkt, an dem die Beiden von einander lernten und etwas vom Verhalten des anderen zu ihrem eigenen Verhalten hinzufügten. Aber sie waren noch jung, standen noch am Anfang und vielleicht verlangte er auch einfach noch viel zu viel von ihnen. Andererseits durfte er ihnen nicht zu viel Zeit lassen, denn Zeit war genau das, was sie aktuell nicht wirklich im Überfluss besaßen. „Die Macht selbst ist weder gut, noch böse. Weder gnädig, noch strafend“, antwortete Luke mit ruhiger Stimme. „Sie ist das, was derjenige der ihr dient, daraus macht. Hat er Gutes im Sinn, so wird sie sanft und tröstend sein. Ein warmes Gefühl der Geborgenheit. Doch hat derjenige Böses im Sinn, so wird sie zerstören und vernichten. Wird Leid und Trauer zurücklassen.“ Es mochte sein, dass andere Machtnutzer diese Sache anders sahen als er. Dass sie der Macht eine gewisse Eigenschaft fest zuwiesen, doch so war es wohl einfach. Jeder sah in der Macht etwas anderes, selbst dann noch, wenn man den selben Weg beschritt. Aber es war nicht falsch die Macht aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Keiner konnte genau sagen was die Macht wirklich war und so traf wohl jede Sichtweise gleichermaßen zu und auch nicht. Natürlich konnte er den Beiden nur das sagen, was er dachte oder wie er empfand, deswegen waren seine Erklärungen stets aus seiner persönlichen Sicht beschrieben. Eine objektive Betrachtungsweise war in seiner Situation, mit seiner Wissensgrundlage einfach nicht möglich. Aber er hatte auch nie darauf bestanden, dass seine Sichtweise, seine Interpretation die einzig wahre war. „Du kannst von der Galaxis nur das verlangen, zu was du selbst in der Lage bist zu geben“, entgegnete Luke mit noch immer ruhiger Stimme, wenn auch sein Blick nun direkt und fest auf Mytria lag. „Eine Galaxis deren Bewohner nicht bereit sind Mitgefühl zu zeigen, wird auch nie in der Lage sein Mitgefühl zu vermitteln.“ Es war ein einfaches Prinzip und doch von so vielen missverstanden. Es war ein leichtes etwas zu fordern und viele Wesen in der Galaxis taten es ohne darüber nachzudenken. Doch das Geben fiel vielen von ihnen schwer, wenn gar es ihnen nicht unmöglich war. Weil sie einfach nicht bereit waren etwas von sich aus zu geben ohne dafür nicht eine Gegenleistung zu erwarten. Doch Mitgefühl war etwas, wofür man keine Gegenleistung erwarten durfte. Es war etwas selbstloses und in diesen Zeiten rar gesät. Dieses einseitige Geben und Nehmen war genau das, was auf so vielen Planeten zu großen Unmut und Leid führte. Es waren oft genug die selben, die immer nur nahmen, während andere dazu verdammt waren stets nur zu geben. Ein Gefühl, welches sie glauben ließ, keinen Ausweg aus dieser Situation zu haben. Doch Leid führte selten zu etwas Gutem. Aber es wäre vermessen zu glauben, dass sich dies irgendwann ändern ließe. Dass es möglich wäre ein gesundes Gleichgewicht zu erschaffen. Es mochte im kleinen umsetzbar sein, doch nicht in dem Maße, wie es die Galaxis nötig hätte.

„Widerspreche ich mir wirklich oder widerspreche ich mir nur, weil du nicht in der Lage bist dir vorzustellen, dass beides zur gleichen Zeit nebeneinander existieren kann?“ Eine direkte Frage, die wohl auch nicht ganz ohne Vorwurf einher kam. „Weil es in deiner eigenen Welt, die du nicht bereit bist zu verlassen, unmöglich erscheint?“ Luke atmete tief ein und ließ kaum merklich seinen Kopf ein klein wenig sinken. Es war schwer jemanden etwas verständlich zu machen, wenn dieser sich jeder anderen Vorstellung komplett verweigerte. Mytria verstand nicht, weil sie nicht verstehen wollte. Weil sie sich selbst in ihrer Denkweise einschränkte und alles geradezu rigoros ablehnte, was für sie Mühe bedeuten würde, es verstehen zu wollen. Es war kein reines Unvermögen, es war einfach nur Sturheit. „Der Verstand auf der einen Seite“, sprach Luke und hob seine linke Hand mit der Handfläche nach oben in die Höhe. „Er sieht den langen, beschwerlichen Weg und den schnellen und bequemen Weg und besitzt die Wahl zu entscheiden.“ Ruhig hob Luke seine rechte Hand in die Höhe. „Auf der anderen Seite haben wir die Emotionen. Empfänglich für die Verlockungen des schnellen und bequemen Weg.“ Luke hatte seinen Blick noch immer auf Mytria gerichtet, während seine beiden Hände ruhig mit den Handflächen nach oben in der Luft ruhten. „Beides existiert zur selben Zeit. Die Entscheidung und die Verlockungen. Es gibt Situationen in der unser Verstand unseren weiteren Weg entscheidet und es gibt Situationen, in der unsere Gefühle schneller sind und dem Verstand keine Möglichkeit geben, die richtige Entscheidung zu treffen.“ Luke ließ seine Hände wieder sinken und legte sie in seinem Schoß übereinander. Er wusste, dass es nicht einfach war es zu verstehen, da es auf eine gewisse Art und Weise eine abstrakte Vorstellung war zugleich die Entscheidung zu haben und doch auch wieder nicht. „Lee hatte eine Wahl, so wie auch du die Wahl hattest“, sprach Luke mit ernster Stimme. „Beide seid ihr den Verlockungen der Dunklen Seite erlegen und doch urteilst du über sein Handeln. Du selbst weißt wie groß die Macht von Emotionen sein können und doch nimmst du dir das Recht heraus ihm dieselbe Schwäche abzusprechen.“ Es war stets leicht über das Verhalten anderer zu urteilen, als sein eigenes Fehlverhalten zu überdenken und genau das war etwas, das Mytria in diesem Moment tat. Noch vor wenigen Minuten hatte sie der Dunklen Seite die Kontrolle über sich überlassen und nun saß sie vor ihm und urteilte über jemanden, dem es nicht anders ergangen war. Warf ihm vor willentlich so gehandelt zu haben, als wäre es eine Entscheidung seines Verstandes gewesen. Etwas, das Luke sich einfach nicht vorstellen konnte. Lee hatte nie Tendenzen in diese Richtung gezeigt, so wie es bei Mytria der Fall war. Sie stand jetzt schon der Dunklen Seite näher, als es Lee in all der Zeit jemals getan hatte.

„Du begehst erneut den Fehler die Macht als Person zu sehen“, entgegnete Luke und auch wenn er es nicht beabsichtigt hatte, so schwang eine Spur Ungeduld in seiner Stimme mit. „Ihr einen Willen zu zuschreiben und ihr eine Absicht zu unterstellen. Nicht die Macht hat es zugelassen, sondern die Person, die sich verschrieben hat ihr zu dienen. Wir sind keine Marionetten die von der Macht gelenkt werden, sondern wir sind für unser Handeln selbst verantwortlich.“ Etwas, das er erst vor kurzem gesagt hatte. Erklärt hatte und doch musste er sich immer und immer wieder wiederholen. Es war mühselig und es kostete Kraft. „Das Leben ist deswegen nicht bedeutungslos, sondern eine solche Tat zeigt, wie groß der Wert von Leben ist“, erklärte Luke mit einer Hingabe, die wohl nur jemand aufzubringen vermochte der an das glaubte, was er tat. Jemand der gefestigt in seinem Bestreben und seinem Weg war. „Weißt du wie viele Männer und Frauen dort draußen jeden Tag ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen, um das Leben von anderen zu retten, die sie nicht einmal kennen? Die bereit sind ihr eigenes Leben zu opfern, um das von tausenden fremden Lebensformen zu schützen? Die dafür kämpfen, dass Personen wie du in Frieden und Freiheit leben können. Ist ihr Leben bedeutungslos? Ist das Leben, das sie versuchen zu beschützen bedeutungslos? Wenn ja, dann ist auch Frieden bedeutungslos. Dann ist auch das Gute bedeutungslos. Dann ist alles woran wir glauben und wofür wir kämpfen bedeutungslos. Dann ist ein jeder von uns ohne Bedeutung. Dann hat die ewige Dunkelheit den Sieg erlangt.“ Er leugnete nicht, dass es nicht immer einfach war in dem was man tat, noch einen Sinn zu erkennen. Dass es manchmal schwer war noch zu erkennen, warum man kämpfte oder wofür man kämpfte. Ob man noch immer kämpfte, um die Galaxis zu einem besseren Ort für alle zu machen oder ob man nur noch kämpfte, weil man nichts anderes gewohnt war. Man Leben nahm ohne dass es einen auf irgendeine Art und Weise noch beeinflusste. Man abstumpfte für das Leid und den Schmerz, mit dem auch der Weg zum Frieden gepflastert war. Ja, natürlich konnte man sagen, dass man selbst Leid verursachte, indem man für die gute Sache kämpfte und es besser wäre, die Waffen ruhen zu lassen. Doch war dies leider eine Entscheidung die weder zum Frieden, noch zur Freiheit führte. Man würde vielleicht den eigenen Frieden finden, doch auch das war schwer vorstellbar, so war man doch weiterhin gezwungen zu erleben, wie der Rest der Galaxis immer mehr in Dunkelheit versank. Handeln führte zu Leid und Schmerz, gleichfalls wie nicht zu handeln. Doch wenn man handelte, hatte man die Möglichkeit die Galaxis zum besseren zu verändern. Das eigene Leben war nicht mehr als ein Sandkorn im Wind und man sollte ihm auch nie mehr Wert beimessen. Man sollte das eigene Leben nie wichtiger nehmen, als den Frieden für alle. Aber sich selbst nicht als Mittelpunkt zu sehen, sondern nur als Teil eines viel größeren Ganzen, war für viele unvorstellbar.

Langsam löste Luke seinen Blick von Mytria und lenkte ihn wieder zur Koryn, der bisher schweigsam neben Mytria gesessen war. „Ich weiß es nicht“, sprach Luke leise und seine Stimme klang müde. „Aber für ihn hoffe ich, dass er gefunden hat, nach was er gesucht hatte.“ Zumindest wäre dann für Lee diese Reise von Sinn gewesen und diese Grausamkeiten wären nicht vollkommen ohne Sinn gewesen. Er sprach seine weiteren Gedanken dazu bewusst nicht laut aus, so würde man sie wohl nicht nachvollziehen können und man würde Erklärungen erwarten auf etwas, das er nicht erklären konnte.
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