#69
Eine verletzte Bestie war schnell und gierig in ihren Aktionen - musste die Beute schnell zerreißen, ehe das süße Adrenalin schwand und wieder nur eine nutzlose, gebrechliche Hülle zurückließ, kaum dazu in der Lage auf zwei Beinen zu stehen. Von Blutgier erfüllte Augen fixierten die Halsschlagader der Sephi, nun, wo sie kaum mehr tun konnte als hilflos zu zappeln, wie ein gefangener Fisch im Netz, der die Lage für sich aber nur noch verschlimmerte. Und doch... war es auch ein genüssliches Spiel: hier zu sein und zu betrachten wie es versuchte sich des Griffes zu erwehren aber nicht genügend Kraft, nicht genügend Entschlossenheit aufbringen konnte, um sich dem albtraumhaften Griffes der Monstrosität tiefster Finsternis zu entledigen. Sie würde diesem süßen zarten Ding das weiße Fleisch von den Knochen wetzen und ihr Blut saufen! Wer, wenn nicht Tiere, in ihrer ursprünglichsten Art, wussten, wie man überlebte? Es gab nur Beute und Jäger und jeder kleinste Akt von Gnade war pure Verschwendung. In diesen tiefsten Tiefen animalischer Abgründe formten sich Gedanken und Irrsinn, ein Wahn, den kein Wort zu beschreiben vermochte. In diesem urzeitlichen Konstrukt primitivster Gewalt, hallten stets die Worte des verhassten Wärters Traggis wieder: "Tier!" Ein wildes, ungezähmtes, grausames Tier, so blind im Dunkeln, dass es nur noch um sich schnappte, in allem den Versuch sah, es zurück in den Käfig zu sperren - auf die eine oder andere Weise. Das war ihr Fehler, ihr aller Fehler - niemand wollte damit leben, niemand wollte das akzeptieren, konnte es akzeptieren. Kein Imperium, keine Jedi - sie kuschten und wollten es an der Leine, dort, wo es in geschlossener Umgebung seine kleinen Kunststückchen üben sollte. Lehre, nannten sie es in ihrer höhnischen Art anderen mit dem Gift ihrer Moral zu füttern, ihres Ideals. Doch niemand kümmerte sich in der Art um dieses Ding, wie es angemessen wäre, niemand wollte sich mit dieser verdrehten Posse der Menschlichkeit tatsächlich befassen, auf eine Weise, die es verstand. Sie suchten den Weg der Rationalität, der Logik, weil sie dachten, es würde noch zu ihren gehören. Aber Reah Nigidus war weit weg, saß in den Schatten und betrachtete diese große Galaxis mit einer Mischung aus Angst, Panik und Abscheu, die ihr immer fremder wurde. Vielleicht wartete sie nur darauf, dass sich das Fenster am Ende zur Gänze schloss und sie nie wieder herausschauen musste. Dann mochte es ihr egal sein, dann waren sie alle weg und sie konnte das sein, was sie war. Dies war ihre Erlösung: ein Leben im Rausche der Wildheit, jenseits von Regeln, von gesellschaftlicher Ordnung, jenseits scheinheiliger Philosophien von Jedi und Sith.

Der Gedanke entschwand, etwas flackerte vor ihren Augen und diese animalische Kraft, so schnell wie sie gekommen war, fiel von ihr ab. Der sterbliche Leib der Dunkelbestie sackte im Staubbett Korribans zusammen. Benommen blinzelten ihre Augen den Wüstensand an. Was war geschehen? Sie fühlte etwas warmes ihre Kopfhaut herunterrinnen, etwas, dass sich hier und da in ihren Haaren verfing, sich mit Staub und Dreck verklebte, ehe es die Stirn herab über ihr Auge lief und die Welt rot färbte. Süßes Blut. Gewalt zerstörte, erinnerte sie eine Stimme. Ja, Gewalt musste zerstören, sie war wichtig, war immer der Katalysator für drastische Veränderungen: etwas ging und etwas entstand. Sie war die Triebfeder der Entwicklung, aber vernichtete nie restlos. Sie setzte Geschichten nur anders fort, aber das machte sie nicht böse, nicht negativ, nicht so, wie es der Klang dieser Stimme versuchte ihr einzureden. Und selbst wenn alles zerstört war, wenn ein Nullpunkt erreicht wurde, war es wirklich so tragisch? Oder war er nur die Chance auf einen Neuanfang? Wo die Mauern der Wirklichkeit zu Staub zerfielen, entstand Platz für Träume, für andere Anfänge und andere Enden. Vielleicht also war die Gewalt richtig, um dieses Vertrauen zu zerstören - oder sogar mehr. Nur so konnte und würde sich etwas ändern. Warum sah es niemand, dass alles, was zerfiel, nur die Form änderte? Warum waren sie alle so verbissen, so versessen darauf, alles zu erhalten, alles zu schützen? Warum mussten sie sich alle in diese unmöglichen Formen pressen, um sinnlose Systeme ab Leben zu halten? Warum brauchte es Imperien und Republiken? Jedi und Sith? Nichts konnte sich ändern, wenn niemand das galaktische System zwang sich zu ändern, wenn niemand Jedi und Sith zwang, etwas anderes zu sein - warum sah diese Sephi nicht, dass Zweifel nichts anderes als der Wunsch nach etwas anderem war?
Mehr Blut kam in ihr Sichtfeld, doch diesmal nicht ihr eigenes, sondern jenes, dass an der hellhäutigen Hand Sedraels klebte. Ihre Finger krümmten sich im Wüstensand, wollten zupacken - doch der Körper reagierte nicht. Die Beute war also verletzt, entzog scheinheilig das Vertrauen, aufgrund von Gewalt - obwohl es vorher schon nicht da war! Was sollte dieser Irrsinn? Dieses Kitzeln an Reuegefühlen? Hatte sie überhaupt welche? Warum beendete sie es nicht einfach sonder ließ nur diese Worte fallen? War es so schwer der Sache ein Ende zu setzen? Dieses verdrehte Ding, dass wie tot im Staub lag einfach von allem zu erlösen? Oder war es nur der letzte Akt von Grausamkeit, diese Mär fortzusetzen, bis hin zu einem Ende, das weitaus mehr fordern mochte, als ein einfacher Dolchstoß zwischen die Rippen? Sie begriff es nicht, diese Worte, ihre Bedeutung... war leer. Wer von ihnen unterlag Zwängen und wer nicht? Wer definierte diese Zwänge? Wer machte sich etwas vor und wer wusste, was er war? Es klang wie eine Anklage, eine auferzwungene Schuld - aber es ging nicht um Schuldfragen. Schuld war irrelevant, spielte nur dann eine Rolle, wenn nach Sündenböcken gesucht wurde, nach Personen, die eine Enttäuschung waren, die gemaßregelt werden mussten, die sich dem Reglement zu unterwerfen hatten, dass andere für sie schrieben. Schuld aber, hatte hier keinen Platz, war nur eine weitere Leine, die sie in eine bestimmte Richtung zerren sollte. Warum also, taten sie alle ihr das an? Warum konnten sie nicht gehen, verschwinden und sie einfach als das lassen, was sie war? Maledictus Bestia. Die Stimme wurde leiser, schien von weiter weg zu kommen, als sich auch das trübe Dämmerlicht vor ihre Augen schob und ihren Körper wieder erschlaffen ließ.

Wie lange sie weggetreten war, konnte sie nicht sagen, doch als ihre Augen wieder hektisch aufschlugen, konnten sie das finstere Licht am Horizont, dass Korribans karge Oberfläche versengte, noch erkennen. Schwerfällig drehte sich der Körper der Frau auf den Rücken und ließ ihre Pupillen leer und ziellos in den Himmel starren. Gefühl kroch durch die Nervenbahnen zurück in ihre geschundenen Glieder und doch dauerte es noch einige Augenblicke, ehe sie damit begann, sich aufzurichten. Ungeplant stolperte der Schatten die ersten Schritte voran, ehe sich der Leib von der Sonne abwandte und wieder finsteres Leben in die Augen zurückkehrte. "Wo ist sie?", zischte sie hervor, begann wie ein Raubtier auf Pirsch, dass Lager zu umkreisen, die umgestoßenen Vorratskisten zu betrachten. Aber nichts, weder eine Antwort, noch ein Schemen, die sie erhaschen konnte. Was blieb war Einsamkeit, perfide Stille, die sich mit der Rastlosigkeit des Schattens duellierte, der damit begann wüst und planlos das wenige zu durchsuchen, dass im Lager herumstand, nicht akzeptierend, dass sie gegangen war. Ihre Hand fand eine Flasche Wasser und leerte diese mit schnellen, unbeherrschten Zügen, ehe sie weiter durch den Staub trabte, nach irgendwelchen Anzeichen Ausschau haltend, die sie selbst wohl schon längst verwischt hatte. Reah packte einen Energieriegel, jene geschmacklosen Rationen, mit denen sich Feldsoldaten zufrieden geben mussten, in de Hoffnung, es würde ihren Körper eine Zeit lang am laufen halten. "Nutzlos!", keifte sie dann, trat gegen eine der Kisten, die klappernd zu Boden fiel.
"Du kannst nicht wegrennen! Komm zurück uns bring es zu Ende!" Reahs Hand ballte sich zur Faust und drosch gegen die Kiste, ehe sie sich verzweifelt in ihr Haar grub, dann den Körper weiter runter wanderte und schließlich am Schlüsselbein stoppte, wo Sedrael sie gepackt hatte und sich in Fleisch grub. "Warum leben wir noch?", fragte de Schatten flehend, brüchig in die weite Leere hinaus, während die Fingernägel sich tiefer gruben, ehe ihre Hand ruckartig nach unten abriss und den warmen Lebenssaft heraussickern ließ. "Warum...", schluchzte sie und fiel auf die Knie, während leere, geistlose Augen erneut den Boden anblickten "...ist es nie zu Ende?"

Leid. Wenn sonst niemand litt, konnte sich dieses abscheuliche Wesen nicht an seinem eigenen laben? War es nicht nahrhaft genug? Nicht geschmackvoll genug? Sie wusste es nicht, wusste nicht einmal, was sie hier überhaupt tat, wohin das ganze führen sollte, welchen Zweck es hatte. Sie tappte blind herum in der naiven Hoffnung, irgendetwas damit ändern zu können. Aber.. das mochte nicht mehr reichen. Ihre Lippen bewegten sich, sprachen stille Worte, während ihre weit geöffneten Augen noch immer nach unten blickten, ihre Hand, die sich fest in ihre Taille krallte und der Körper, der schwach nach hinten und nach vorn wippte. Sie suchte etwas. Aber wo? Sie fand kein Echo Vesperums, nichts, dem sie hätte folgen können. Reah blickte sich um, verließ sich auf urtümliche Instinkte, suchte nach einer Richtung, die in ihr Angst und Abscheu hervorrief. Sie kam zitternd auf die Beine. Nach mehreren Momenten war sie sich sicher, den Pfad in den größtmöglichen Pfuhl der Verderbtheit gefunden zu haben. Wahnsinn lachte ihr entgegen, versuchte sie bei der Hand zu packen und herabzuziehen in jene Katakomben, die seit Jahrtausenden in tiefster Dunkelheit lagen. Das dunkle Herz war nicht mehr fern, fast, bald schon nah genug um sich an all der Verderbtheit zu laben, all dieses Gift zu trinken, bis ihr Körper vielleicht endgültig kollabierte. Zerrissen vom Dunkeln.

Nach Tempel der Dunklen Seite S.4
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