#61
Vergangenheit war vergangen, die Minenschächte ihrer Erinnerungen waren versiegelt und den schwarzen Obsidian aufzubrechen, der die Tunnel wieder freilegte mochte mehr Schaden als Nutzen bringen. Die verschlungenen Höhlen die in den Abgrund führten waren gefährlich instabil und an ihren Stützpfeilern zu rütteln mochte das gesamte Konstrukt zum Einsturz bringen, mitsamt der Kreatur darin, die am Ufer des endlosen Meeres der Dunkelheit saß und versuchte ihr Spiegelbild in den verschlackten Wassern zu finden. Die Hexe besaß kein Interesse daran über ihre Vergangenheit, überhaupt über ihre Person, ihre Motive zu sprechen, noch über Menschen die sie kannte und die sie auf ihrem Weg in die Tiefe begleitet hatten. Sie waren nicht mehr und würden nie wieder sein, diese rettenden Ankerketten ferner Erinnerungen waren nur kümmerliche Phantombilder, die sie nicht retten konnten - so sie überhaupt gerettet werden wollte. Diese verzehrende Düsternis mochte ebenso gut genau jener Platz sein, an den sie gehörte, ziellos, von flüchtigen Wünschen geplagt, die nie in Erfüllung gehen würden und nach kurzer Zeit schon nicht mehr echt wirkten. Das Leben war ebenso sinnlos wie der Tod, der verquere Witz der Existenz: nach etwas größerem zu Streben aber es nie erreichen zu können. Charakteristika von Personen waren demnach bedeutungslos, es spielte keine Rolle wie Nela Vali war, der entscheidende Faktor lag im Ergebnis, in dem, was eine Person erreicht hatte und Valis Blatt war ebenso leer wie ihr eigenes oder Sedraels. Moral machte ein Wesen nicht besser, es war nur eine Strickleiter hin zu Dogmen anderer Personen, ihren Wünschen und Zielen, denen sich ein Großteil der Lebewesen unterwarf.

Hinter Sedraels Ansprache steckte daher nicht viel mehr, es war lediglich eine geschickt formulierte Erwartungshaltung, ein Appell an die dunkle Kreatur vor ihr, vielleicht sogar eine Art erneuter Dressurversuch. Nur dieses mal eben nicht über körperlichen Schmerz sondern über Erinnerung. Eine Ansprache an das kleine Fünkchen Licht, welches in ihr glomm, das jedoch nur dem einen Zweck diente, die Schatten an den Wänden finsterer zu zeichnen. Es war nur ein kleiner Hort der Wärme, den die Hexe mit ihren Händen emsig umklammerte, doch nie würde sie diesen Funken zu einer echten Flamme reifen lassen, so dies überhaupt noch möglich war. Der Glutherd war kaum mehr als fauliges Holz, dass mehr Asche und Rauch produzierte als alles andere. Oder aber, wie sie schon einst dachte: sie fühlte sich wohl in der Dunkelheit, es war ihr zu Hause, ein Ort, an dem sie hin gehörte, wenngleich auch nicht auf eine Art, wie die Sith es darstellten. Der leere, bemitleidenswerte Kodex diente nur der Unterwerfung Geringerer, versprach aber nur wenig echte Lehren und diente mehr dazu das Dunkel zu fürchten, nur kurz von diesem Nektar und seiner Kraft zu kosten, ohne es zu verstehen. Grausamkeit und Mord waren nur oberflächliche Facetten, die bestenfalls dazu dienen konnten, die Kruste aufzubrechen und das Innere freizulegen. Unter der Oberfläche vergingen belanglose Philosophien und nur das Antlitz der Tiefe blieb zurück. Denn die dunkle Seite war Älter, viel Älter als jene, die sich ihre Meister schimpften und doch kaum mehr waren als kleine Kinder, die mit Mächten hantierten, die sie nie durchschauen würden. Sie selbst war... zumindest stellenweise anders. Sie erkannte plumpe Verlockungen wie hier auf Korriban und konnte dem Widerstehen, ihr Wesen verstand den Unterschied zwischen Dunkel und Sith.

"Niemand muss etwas tun.", krächzte sie dann eine Erwiderung. "Der Wille entscheidet über den Weg. Kein Kodex, keine Moral, kein Meister, keine Ideologie. Wer sich dem unterwirft, legt sich selbst die Schlinge um den Hals." In Sedraels Antworte mochte der Unterschied zwischen ihnen liegen, auf der einen Seite der Glaube der Sephi an eine Sache, die sie nicht identifizieren konnte und der gegenüber Sedrael bereit war ihren eigenen Wunsch unterzuordnen und auf der anderen Seite Reah, die ihren Glauben längst begraben hatte und sich nunmehr nur noch treiben ließ von dem, was sie als richtig und wichtig erachtete. Ob diese Dinge einen rationalen Effekt erzielten war dabei gar nicht mehr von belang - es zählte nur die Sache als solches, nicht die Konsequenz, nicht die Wahl der Mittel. Vielleicht würde am Ende dieses Weges eine Konfrontation anstehen und vielleicht würde eine von ihnen sterben. Aber es war nicht wichtig wer oder warum, das "wie" war vernachlässigbar, interessant war am Ende allein der Aspekt welcher Wunsch, welche Hoffnung dahinterstecke und von wo sie kam. Doch wie Sedrael treffend formulierte: morgen würden sie weitersehen.

Schlafen würde die Hexe allerdings nicht, vermutlich konnte sie es nicht einmal, selbst wenn sie es versuchen würde. Dafür war die Präsenz des Planeten zu mächtig und überwältigend und die Toten Korribans mochten dabei noch ihre geringste Sorge sein, die einheimische Fauna konnte ein ebenso großes Problem darstellen... zumindest, wenn man sich der Gefahren dieser Welt bewusst war. Sedraels Unwissenheit über diesen Planeten mochte an dieser Stelle ihr Segen sein, konnte sich aber schon bald als Fluch entpuppen. Dennoch ließ sich die starke Präsenz der Dunkelheit hier nutzen und kanalisieren, um ihren zerbrochenen Körper zusammenzuhalten. Reah verstand nicht viel vom Konzept der Heilung, erst recht nicht mithilfe der Dunkelheit, aber dafür von Schmerz. Man konnte ihn nutzen um dunkle Mächte von ihm zu beziehen, oder aber ihn zu versiegeln, einzudämmen, ihn vor dem Körper zu verstecken. Gewiss keine Technik, die Reah je ernsthaft studiert hatte, doch bis der Morgen graute waren es noch einige Stunden hin und wenn sie die Leides ihrer Körpers nicht unter Kontrolle bringen konnte, würden sie wohl auch am nächsten Tag nirgendwo hingehen und wie vortreffliche Beute auf einem Teller sitzen. So schloss die Hexe also ihre Augen und ließ die dunklen Energien Korribans durch ihren Körper strömen, ließ zu, dass sie sich an ihrem Schmerz labten, sich daran nährten und entließ sie schließlich wieder in die finstere Einöde. Eine Art Reinigungsprozess, wie Blut zur Herzkammer zurückgepumpt wurde, um sich neu im Körper zu verteilen, obgleich diese Meditation an diesem Ort nicht gänzlich ohne Risiko sein mochte: sie ließ einen kleinen Teil von sich in Korriban zurück, der Teil, der litt, unter dem Einfluss des Schmerzes stand. Nur ein kleines Echo, doch dennoch eines, dass ihnen unerwünschte Aufmerksamkeit einbringen konnte.
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