#10
[Bild: profil_zsinj.png]
Ah, wie herrlich waren die Zeiten doch. Man musste sie nur genießen können. Und einen besonderen Geschmack, einen tiefen amüsierten Sarkasmus über diese aktuelle politische Situation aufweisen und schon konnte man diesem ganzen Irrsinn eigentlich zwingend nur noch mit Humor begegnen. Wenn man ab einer gewissen Machtbasis als absoluter Herrscher in seinem Gebiet herrschen konnte wie es einem beliebte und niemand forderte einen ernsthaft heraus, sofern man nur in der Lage war, das diplomatische Spiel vernünftig zu spielen. Genau die richtigen Zeiten also, um Geschichte zu schreiben. Ein jämmerliches, schwaches Imperium, das bisher nicht einmal überprüft hatte, was auf Null und Vulta geschehen war, geschweige denn dass das Zentrum überhaupt einmal jemanden zu einem Gespräch zu Kriegsherr Zsinj gesandt hätte, um sich zu erkundigen, was in seinem Gebiet überhaupt vor sich ging. Und das, obwohl er – so jedenfalls offiziell – immer noch Teil des Imperiums war. Das Imperium war offenbar weitaus schwerer angeschlagen als in Anbetracht der zwar katastrophalen, jedoch keineswegs vernichtenden Niederlage nach Endor vielleicht zu erwarten gewesen wäre, wenn es nicht einmal in der Lage war, den Anschein zu erwecken, einen ehemaligen Großmoff zur Rede stellen zu wollen. Nun, es sollte nicht zu Zsinjs Schaden sein. Ganz bestimmt nicht. Je länger er dieses Spiel so in dieser Form spielen konnte, desto einfacher würde es am Ende werden. Mehr und mehr verdrängten seine neugegründeten Raptoren die weiße Pracht imperialer Sturmtruppen, das imperiale Speichenlogo wurde immer häufiger mit einem Konterfei von Zsinj selbst abgebildet. Das schmeichelte natürlich seinem Ego nicht unbeträchtlich. Ein langsamer, ein schleichender Übergang. Und je schwächer das Imperium wurde, desto mehr würden sich die Planeten auch an ihren Meister krallen, in der Hoffnung auf alte imperiale Blüte und auf Schutz vor einer Republik, die Jagd auf alles Imperiale machte. Das alles unter dem Deckmantel des loyalen Offiziers. Jedenfalls noch für den Moment. Manchmal fand Zsinj es erstaunlich, wie leicht ihm manche Dinge fielen. War er einfach geschickter als andere? Sicherlich, in bestimmten Dingen. Seine wohlfeile Stärke im technischen und sprachlichen Bereich war kein Geheimnis und er galt als überdurchschnittlich intelligent und spitzfindig – jedoch keineswegs als menschliches Wunderkind. Seltsam also, dass ihm derzeit so vieles gelang. Und in gewisser Weise immer zu gelingen schien.

Spürte er da etwas Arroganz? Ja, sicherlich. Aber er entschied, sie sich aktuell leisten zu können, solange er nichts Törichtes dadurch unternahm. Wenn seine nachrichtendienstlichen Informationen annähernd korrekt waren, so war Zsinjs Streitmacht die drittgrößte in der Galaxis – nur, wenn auch deutlich, in den Schatten gestellt von denen des Imperiums und der aufstrebenden Republik. Das war einerseits bequem, andererseits würde er in diesem Zustand dennoch vergleichsweise leichte Beute einer der beiden Großmächte werden, sofern eine diesen Krieg tatsächlich zeitnah gewann. Es war also sinnvoll, diesen so lange wie möglich auf dem Herd zu belassen. Das Imperium hatte bereits Auflösungserscheinungen gezeigt, doch sein Militär war noch immer äußerst gefährlich und der Republik an Material weit überlegen. Nur die Moral und Loyalität der einzelnen Militärs und Gouverneure war ein unkalkulierbares Problem. Das konnte das Imperium aber mit radikalen Maßnahmen möglicherweise zeitnah wieder in den Griff bekommen, so es zu diesen bereit wäre. Solange das qualitative Kräftegleichgewicht also nicht gekippt war, musste die Republik denklogisch weiter Zsinjs… nun… „Verbündeter“ sein. Auch wenn es das Wort nicht gut traf. Natürlich verabscheute der Kriegsherr diese dekadente Neue Republik, diese Sammlung an Revoluzzern und liberalen Spinnern weitaus mehr als das Imperium. Eine Rolle spielte das allerdings nicht, denn um ein Imperium ging es längst nicht mehr. Beide Systeme waren längst eine Farce, beim Imperium schon darin zu sehen, dass sich ein überaus kruder Unbekannter mit Gewalt an die Macht geputscht hatte, irgendwo aus dem Tiefkern aufgetaucht und niemand schien mit Gewissheit sagen zu können, wer es überhaupt war. Das taugte nicht als Identifikationsfigur oder gar als großväterlicher Autokrat, als der sich Palpatine damals lange Zeit inszeniert hatte – indes hatte dieser den Vorteil besessen, dass die Leute ihn noch immer als den sympathischen alten Mann seiner Kanzlerschaft in Erinnerung hatten, wenn er auch nach seiner Entstellung verständlich weniger in der Öffentlichkeit aufgetreten war. Die Person namens Vesperum war dagegen das große Nichts. Und auch wenn die Bürger des Imperiums ihn unter öffentlichem Druck lobpreisen mochten, so zweifelte Zsinj nicht daran, dass sie im Privaten ebenso viele Fragen über diesen Mann hatten wie er selbst auch. Und dennoch mochte irgendwann der Punkt kommen, wo er sich wieder zu Lasten der Republik und zu Gunsten dieses Mannes entscheiden würde. Der lag noch in ferner Zukunft, aber vielleicht nicht mehr so fern wie vor einigen Monaten noch. Eriadu hatte die Dynamik des Krieges geändert. Die Republik würde irgendwann demnächst in die Kernwelten vordringen können, daran bestand nach Zsinjs Ansicht kein Zweifel mehr. Und das war eine gute Sache, denn nur dann würde sie sich auch mittelfristig industriell dem Imperium so weit annähern können, dass sie nicht über kurz oder lang im Rüstungswettstreit unterlag. Zsinjs kalkulierte, dass mindestens zwei der Großwerften des Kerns – Kuat, Corellia und Fondor – gewonnen werden mussten, ehe die Republik langfristig auch zum militärisch gleichwertigen Gegenspieler des Imperiums werden konnte, selbst wenn sie nur einen Teil des Kerns halten würde. Der ideale Zustand also, den Zsinj anstreben musste. Ihm war nicht daran gelegen, dass sie ihren endgültigen Sieg gegen das Imperium gelang. Ebenso wenig war ihm daran gelegen, dass das Imperium den seinen gegen die Republik erlang. Das Spiel mit der Balance war gefährlich und schwierig – aber ohne Zweifel machte genau das auch seine Situation so interessant, ja spannend. Der Dienst im Imperium hatte ihn mehr oder minder gelangweilt, es war keine Herausforderung. Hier und jetzt konnte jeder Fehler seinen Untergang herbeiführen und das war ein hervorragender Nervenkitzel.

Auf Dauer konnte er dadurch natürlich keine andere prestigereiche Person neben sich in seinem Reich dulden. Andere Personen machten Fehler, einflussreiche andere Personen machten einflussreiche Fehler. Sie waren also ein zusätzliches Risiko. Das mochte seine jüngste Trophäe früher oder später noch realisieren, doch wie im Falle einer guten Geschichte würde das erst auf den letzten Seiten geschehen, wenn das Ende bevorstand. Es war ohnehin amüsant, dass er sich mit Berechtigung auf imperiale Werte berufen konnte, indem er sich gegen das Mysterium Vesperum stellte, nachdem dieser nicht weniger ein Abspalter war als Zsinj selbst. Wer der „wahre Imperiale“ war, würde ohnehin erst die Geschichte schreiben. Darüber hinaus konnte der frühere Großmoff auch gut damit leben, als der größte Warlord der galaktischen Geschichte in Erinnerung zu bleiben, der den zermahlenden Bürgerkrieg zwischen den beiden Großparteien überlebt und es in dieser chaotischen Zeit erreicht hatte, sein eigenes blühendes Reich zu schaffen. Zumindest blühte es für manche. Und vielleicht würde irgendwann ein kluger Dechiffrierer herausfinden, dass er es war, der den Deal mit Eriadu initiiert hatte und die Kunstschätze somit davor bewahrt hatte, in düsteren Luxusvillen in bewachten VIP-Stadtteilen zu verwahrlosen, sondern als Kollektion wieder auf ihrer Heimat ausgestellt würden. Natürlich gegen einen Gegenwert, der… beträchtlich war. Aber dennoch. Vielleicht gelang es ihm sogar noch, den Dieb ausfindig zu machen und Eriadu zu überstellen, wenn seine eigenen Decodierer endlich Ergebnisse von den ausgeklügelten Fährten, die Delvardus hinterlassen hatte, vorzeigen konnten. Zsinjs rechte Hand umspielte seine Unterlippe, während er auf das Gemälde blickte, das er selbst auf irgendeinem belanglosen Planeten seines Reichs, dessen Namen er nicht einmal wusste, requiriert und nun in seinem Konferenzraum aufgehängt hatte. Dann rollte er mit den Augen. Nun ja. Er hatte nie behauptet, selbst einer der Guten zu sein. Und belanglose Planeten würden zudem nie die Geschichte der Galaxis zu Flimsi bringen.

Eine Zeit lang saß der dickbäuchige Mann zurückgelehnt in seinem übermächtigen Sessel (ein einfacher Stuhl in seinem Konferenzraum hätte zweifellos nicht den Eindruck nach außen erweckt, den er von seinem Ego erwecken wollte, wenngleich er auch zugab, dass es der Bequemlichkeit tatsächlich nicht abträglich war). Seine Hände umfassten seinen Hinterkopf bequem und er sinnierte darüber, mit welcher absurden Präsentation seiner selbst er erneut die Augenbrauen der anderen Global Player zum Anheben bringen konnte. Irgendwann aber piepte sein Holotransmitter, knackte einige Zeit lang, bis der komplexe Code entschlüsselt wurde. Zsinj wusste sofort, um wen es sich handeln musste, denn kein anderer Code war ähnlich kompliziert programmiert worden wie dieser zur Republik hin. Der Kriegsherr blieb in seiner legeren Haltung, schmierte seine etwas chaotischen Haare gezielt mit viel zu viel Pomade seitwärts und räusperte sich kurz, ehe er den Knopf mit einem schmierigen Finger betätigte. Er wartete nicht einmal, bis sich das Bild der jungen Frau völlig aufgebaut hatte, um auch gezielt das erste Wort in der Konversation haben zu können. Den Spaß konnte er sich nicht entgehen lassen.
„Oh, wen haben wir denn da“, begann Zsinj zuckersüß und seine geröteten Wangen verzogen sich zu einem weiten Lächeln. Er gab ihr überhaupt keine Zeit zu antworten, sondern begann direkt zu plaudern, ignorierte ihre etwaigen Versuche, ihn zu unterbrechen.
„Wissen Sie, das trifft sich gerade sehr gut. Ich sehe mir nämlich zufällig im Moment eine Aufzeichnung an. Etwas, das mich… erstaunt hat. Und immer noch etwas irritiert. Sehen Sie mal. Vielleicht haben Sie es ja schon bemerkt.“
Der Kriegsherr drehte mit seiner wuchtigen Hand einen Bildschirm mit einer Aufnahme, die er schon vor Tagen dort und an dieser Stelle vorbereitet hatte, so dass sie diesen in der Holoübertragung sehen konnte. Zsinj war klar gewesen, irgendwann musste die Kontaktaufnahme kommen und hier war sie nun eben. Natürlich war er darauf vorbereitet. Und natürlich stritt er das ab. Auf dem Bildschirm lief die Aufzeichnung der Rückkehr von Imperator Vesperum auf die große galaktische Bühne im Senat. Die lauten Rufe der Senatoren, der Beginn der Rede, die erstaunten Moderatoren des Imperial HoloVision. Nach ein paar Sekunden pausierte Zsinj die Aufnahme wieder, fasste sich nachdenklich ans Kinn und blickte überlegend in Richtung der Decke.
„Hm, äußerst seltsam!“, künstelte er mehr als offensichtlich. „Und ich dachte, meine Freunde würden sich dieses gemeinsamen Problems entledigen. Doch was muss ich da sehen, offenbar zogen es Ihre Kollegen vor, meine Hilfe auszuschlagen.“
Der Blick wanderte zurück in Richtung des Bildschirms zur Rätin, aus seinem Augenwinkel heraus – ein unterdrücktes, fettes Grinsen im Gesicht, Amber das Versagen der Republik auf stichelnd-amüsierte Weise vorhaltend.
„Sie bringen mich da in eine unangenehme Situation, Amber.“
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