#11
Wedge stand einfach nur mit unbewegter Miene vor dem jungen Mann. Er hatte im Moment nicht die Absicht etwas zu den Äußerungen des jungen Mannes zu sagen, denn auf eine gewisse Art und Weise befürchtete er, dass wenn er jetzt etwas sagte, er nie herausfinden würde was den jungen Mann zu einer derartigen Meinung gebracht hatte. Es musste einen Grund dafür geben und es gab nur eine Person die ihn benennen konnte und Wedge hoffte, dass er ihn auch irgendwann einmal nannte, bevor die Situation noch weiter eskalieren konnte.

„All seine Gefechte, all seine Erfolge, seine Errungenschaften“, kam es wieder abfällig von dem jungen Mann. „Alles erstunken und erlogen.“ Ein dumpfes Raunen ging durch die Menge, was den jungen Mann dazu bewegte seinen Blick von Wedge zu lösen und durch den Raum wandern zu lassen. „Ihr glaubt mir nicht oder? Aber denkt doch mal nach. Ein Mann, der an allen drei wichtigen Schlachten der Rebellion teilgenommen und überlebt hat. Der zwei Todessterne überlebt hat und bei der Vernichtung des Zweitens sogar einen wichtigen Anteil gehabt haben soll. Ein Mann, nach dem man sogar Trainingsmissionen benannt hat.“ Wieder lenkte der junge seinen Blick auf Wedge und musterte ihn erneut abschätzig, bevor er sich wieder an die Personen um ihn herum wandte. „So jemand sollte doch eigentlich General sein. Es wurden schon Leute für deutlich weniger zum General ernannt“, sprach der Mann weiter. „Er aber bekleidet noch immer den Rang eines Captains.“ Sein Blick kehrte zurück zu Wedge. „Und das tut er, weil er nichts anderes ist, als eine Propagandamarionette.“

Noch immer war Wedges Miene unverändert und all die Vorwürfe und Mutmaßungen des jungen Mannes prallten einfach so an ihm ab, auch wenn Wedge zugeben musste, dass es scharfe Schüsse waren die der junge Mann abgab. Ja, es stimmte, dass er noch immer den Rang eines Captains bekleidete und er hatte aufgehört zu zählen, wie oft man ihm seit der Schlacht über Endor den Rang eines Generals angeboten hatte. Angebote, die er stets ausgeschlagen hatte aus verschiedensten Gründen heraus. Manche davon waren taktischer Natur gewesen und manche persönlicher. Ehrlich gesagt hatte er nie darüber nachgedacht, dass sein Rang in keinster Weise das widerspiegelte, was er während der Rebellion erreicht hatte oder auch danach. Aber er hatte – zugegeben – den Rängen auch nie wirklich viel Wert beigemessen, denn in seinen Augen gab es andere Dinge die den Wert einer Person bemaßen. Jetzt aber stand vor ihm jemand, für den Ränge wichtig waren. Offenbar sogar so wichtig, dass ein fehlender Rang ihn in dessen Augen unglaubwürdig werden ließ. Wenn man diese Wertebemessung als Grundlage heranzog, dann war es für Wedge nicht weiter verwunderlich, dass der junge Mann eine solche Abneigung gegen ihn entwickelt hatte.

„Man brauchte jemand als Aushängeschild des Militärs. Jemand den man sich zum Vorbild nehmen konnte. Zu dem man aufsehen konnte. Skywalker jedoch konnte man dafür nicht nehmen. Man brauchte jemand normales“, führte der junge Mann seine Theorien weiter fort und ignorierte das etwas verstimmte Raunen der Menge, als er den Name Skywalker ausgesprochen hatte. „Also nimmt man den totalen Durschnittstypen, verpasst ihm ein paar tolle Geschichten und schon hat man der Galaxis jemand geliefert dem sie nacheifern kann. Jemand der sie glauben lässt, dass jeder es schaffen kann. Ein Auftritt hier, ein Lächeln dort und schon läuft die Maschinerie wie geschmiert. Aber einer Puppe, die nach der Pfeife von Anderen tanzt, kann man keinen hohen Rang geben. Also nimmt man irgendwas in der Mitte und wie man sieht funktioniert es. Die Masse glaubt daran.“ Der junge Mann hatte beide Arme leicht angehoben und deutete mit den Händen, die Handflächen flach nach oben deutend, auf die Personen um sich herum. Es hatten sich mittlerweile so einige Leute angesammelt, mehr als der Situation dienlich gewesen wäre, die einen unguten Unterton bekommen hatte. Ein Umstand dem sich Wedge deutlich gewahr war, aber er war nicht in der Lage daran etwas zu ändern. Jedenfalls im Moment nicht. Er musste sich genau überlegen was er tat oder was er vorhatte zu sagen, wenn er nicht wollte, dass die Stimmung vollends kippte. Er hatte eigentlich nicht vorgehabt heute noch zum Mittelpunkt einer Prügelei zu werden.


„Und was die ganzen anderen Piloten angeht, die in den heldenhaften Geschichten um Wedge Antilles ihr Leben für die Sache gegeben haben“, sprach der junge Mann weiter und lachte für einen kurzen Moment schadenfroh auf. „Sofern es sie überhaupt gegeben hat, dann waren auch sie nur Mittel zum Zweck. Eine Staffel braucht ja Piloten die man vorzeigen kann. Wobei Pilot schon zu hoch gegriffen ist. Die konnten vermutlich nicht mehr als geradeaus fliegen. Wenn sie überhaupt fliegen konnten.“ Auf den Lippen des jungen Mannes zeigte sich ein süffisantes Grinsen und er war so in Redelaune, dass ihm vollkommen entging, wie sich Wedges Haltung deutlich veränderte. Eine Veränderung, die Cara dazu veranlasste sich von ihrem Platz zu erheben und sich an Wedges Seite zu begeben. Sie warf Wedge einen prüfenden Blick zu und sah, dass sich nicht nur dessen Augen leicht verschmälert hatten, sondern dass er auch die Zähne aufeinander biss. Offenbar war dem jungen Mann ein Treffer gelungen.

Während der junge Mann gesprochen hatte, waren vor Wedges geistigem Auge jedes Gesicht und jeder Name all derer vorbei gezogen, die im Kampf gegen das Imperium ihr Leben gelassen hatten. Kameraden, Freunde. Viele waren unter seinem Kommando in die Schlacht geflogen und viel zu wenige waren lebend wieder zurück gekommen. Er hatte nicht ein Gesicht. Nicht einen Namen vergessen. Die Finger seiner rechten Hand krümmten sich zu einer Faust und die Fingernägel gruben sich tief in seine Handfläche. Er atmete tief ein und wollte gerade langsam wieder ausatmen, als er die abschließenden Worte des jungen Mannes vernahm: „Aber selbst schuld. Wer sich für so etwas einspannen lässt, der hat es nicht besser verdient, als vom Himmel gepflückt zu werden.“

Wedge hatte das Gefühl die Zeit würde still stehen, während die Worte ‚Nicht besser verdient‘ in seinem Kopf widerhallten. Kräftig atmete Wedge nicht nur aus, sondern ließ auch seine rechte Faust Bekanntschaft mit dem Unterkiefer des jungen Mannes schließen.
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#12
Plötzlich drangen laut gerufene Worte und Befehle an Wedges Ohr und es war, als würde sich in seinem Kopf erneut ein Schalter umlegen. Sein Blick glitt umher und somit über umgefallene Tische und Stühle. Glasscherben bedeckten den Boden und dazwischen schimmerte kleine dunkelrote Flecken. Blut, aber ob es sein eigenes war konnte Wedge nicht sagen. Manche Stellen seines Körpers fühlten sich durchaus so an, aber das hatte nichts zu heißen. Sein Blick blieb an einem jungen Mann hängen, der vor ihm auf dem Boden lag. Er streckte seine Hand hilfsbereit aus, um dem jungen Mann aufzuhelfen, doch der stieß die Hand mit wütendem Blick beiseite. Für ihn war ganz eindeutig der Disput noch lange nicht beigelegt. Mit einem leichten Achselzucken nahm Wedge diesen Umstand zur Kenntnis und wischte sich stattdessen mit dem Handrücken über die aufgeplatzte Unterlippe.
„Ich hätte nicht erwartet, dass ihr Fliegerasse euch auch am Boden ganz passabel zur Wehr setzen könnt“, erklang eine vertraute Stimme neben ihm und mit einem gequälten Grinsen sah Wedge zu Cara.
„Mit so einer Unterstützung wäre es auch blamabel gewesen zu verlieren“, antwortete Wedge, auch wenn es in dieser Sache irgendwie nur Verlierer gab.
„Ach komm“, lachte Cara und klopfte Wedge kräftig auf die Schulter, der daraufhin schmerzhaft das Gesicht verzog.
„Wes ist bestimmt stolz auf dich.“
„Der wird nie davon erfahren“, entgegnete Wedge und seufzte leise auf. Wenn Wes davon erfuhr, dann würde er sich die nächsten Tage, wenn nicht sogar Wochen, etwas anhören dürfen. Wes würde mit Sicherheit etwas einfallen, womit er es ihn so schnell nicht vergessen lassen würde. Ja, es wäre für alle Beteiligten das Beste, wenn kein Wort über diesen Vorfall an sein Ohr dringen würde.

Ein Mitglied der Militärpolizei kam auf Cara und ihn zu und es war nicht schwer zu erkennen, dass es sich hier um jemanden handelte, der das noch nicht so lange machte. Allerdings bedeutete das aber nicht, dass man weniger Respekt an den Tag legen sollte. Aber abgesehen davon war Wedges Bedarf an Ärger für diesen Tag auch gedeckt.
„Ma'am ihre ID-Karte bitte“, wandte sich der Mann auch sofort an Cara, die ihn beinahe um einen halben Kopf überragte und hinter der er sich locker hätte verstecken können. Man sah ihm fast schon an wie unwohl er sich fühlte.
Cara reichte dem Mann ihre Karte und dieser schob sie in sein Datapad. Sein Blick huschte über die angezeigten Daten und gab dann die Karte mit einem: „Alles in Ordnung Gunnery Sergeant Dune“, an Cara zurück.
„Gunny?“, kam es von Wedge mit einem anerkennenden Kopfnicken. „Glückwunsch.“
„Sir ihre ID-Karte bitte“, wandte sich der Mann nun an Wedge und sah ihn mit aufforderndem Blick an.
„Die würde ich ihnen gerne aushändigen, aber ich habe sie nicht bei mir. Sie liegt in meinem Quartier“, antwortete Wedge wahrheitsgemäß.
„In diesem Fall werden sie jetzt zwei meiner Leute zu ihrem Quartier begleiten“, meinte der Mann und wollte gerade zwei Militärpolizisten herbei winken.
„Ihre Männer können sich den Aufwand sparen“, sprach Wedge mit ruhiger Stimme. „Mein Quartier befindet sich auf der Home One und diese befindet sich zur Zeit nicht im Orbit von Naboo.“ Wo sie sich genau befand war für diese Angelegenheit nicht von Relevanz.
Der Mann musterte Wedge und neigte seinen Kopf erst leicht auf die eine Seite, dann auf die andere. Ganz so als müsste er seine nächste Entscheidung erst abwägen.
„Sie verstehen sicherlich, dass wir sie Zwecks Identitätsfeststellung in Gewahrsam nehmen müssen“, sprach der Mann und versuchte sich seine Unsicherheit nicht anmerken zu lassen.
„Sie machen Witze oder?“, kam es daraufhin ungläubig von Cara. „Sie wissen doch genau, dass vor ihnen Wedge Antilles steht und hier sind genug Leute die das bestätigen können.“
„Wir haben unsere Befehle wie wir in so einer Situation vorzugehen haben und-“
„Und deswegen geben sie sich jetzt die Blöße und verhaften einen Kriegshelden wegen einer vergessenen ID-Karte.“
„Cara, er hat seine Befehle“, sprach Wedge mit gesenkter Stimme, für den dieser Vorgang absolut kein Problem darstellte. Er konnte sich nicht ausweisen und hatte die Konsequenzen dafür zu tragen. Man konnte und noch weniger sollte man ihn anders behandeln, nur weil er einen bekannten Namen trug. In so einem Falle sollte für alle dasselbe Recht gelten.
„Erzähle DU, kam es mit finsterem Blick von Cara an Wedge gewandt, die ihm zusätzlich den Zeigefinger gegen die Brust drückte. „Mir nichts von Befehle befolgen.“ Das Erste was sie auf Raithal gelernt hatte war Befehle zu folgen. Auf Carida hatte sie gelernt Befehle nicht in Frage zu stellen. Sie nicht anzuzweifeln, sondern sie auszuführen. Präzise und effektiv. Viele Jahre hatte sie ohne nachzudenken erhaltene Befehle befolgt, ehe sie ihre Selbstbestimmung zurück erhalten hatte. Die Freiheit selbst zu entscheiden ob es wert war einem Befehl Folge zu leisten oder nicht. Dann war auch Wedge, zumindest wenn sie Tychos Erzählungen richtig gedeutet hatte, durchaus jemand der sich hin und wieder die Freiheit heraus nahm Befehle nach eigenem Ermessen zu deuten und in seltenen Fällen auch mal anders zu interpretieren. Er war demnach wirklich der Letzte der ihr etwas zum Thema Befehle befolgen sagen sollte. Dann richtete Cara ihren Blick wieder auf den Mann vor ihnen, der nicht so genau wusste, wie er sich jetzt am Besten verhalten sollte.

„Wenn sie ihn mitnehmen“, meinte sie zu ihm. „Dann müssen sie auch mich mitnehmen.“ Cara trat einen halben Schritt vor und stand nun direkt vor dem Militärpolizisten. „Außer...“, sprach sie weiter, machte eine kleine Pause und beugte sich ein klein wenig nach vorne. „Sie müssen dafür einen Grund haben. Dann kann ich ihnen den gerne liefern.“
Wedge fühlte sich in diesem Moment irgendwie verpflichtet dazu etwas zu sagen, aber er befürchtete zugleich, dass wenn er etwas sagte, er alles nur noch schlimmer machte. Ja, vermutlich war es wirklich das Beste einfach zu schweigen und zum reinen Beobachter zu werden.
„Wenn das so ist“, entgegnete der Mann und rief vier seiner Kollegen herbei. „Meine Kollegen werden sie jetzt zurückbegleiten und dafür sorgen, dass sie ohne Zwischenfälle ihren Zielort erreichen.“ Ganz offensichtlich hatte ihm Caras Reaktion einiges an Sicherheit zurückgegeben. Vermutlich hatte es ihn daran erinnert, dass er gerade am längeren Hebel saß.

Cara und Wedge verließen nebeneinander die Cantina und wurden von jeweils zwei der Männer rechts und links flankiert. Oh ja, Wes würde es ihn garantiert nicht vergessen lassen, wenn er davon erfuhr.
„Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?“, fragte er Cara, die neben ihm her ging. Es mochte zwar jetzt glimpflich für sie ausgegangen sein, aber das bedeutete nicht, dass da nicht noch etwas nachkommen konnte.
„Hast du wirklich gedacht ich lasse dich da alleine bis morgen früh in einer Zelle versauern?“, entgegnete Cara mit einem breiten Grinsen. „Du weißt genau, dass es hier nur eine Person gibt, welche befugt ist deine Identität zu bestätigen und du glaubst ja wohl nicht, dass sie ihn wegen dir wecken.“
Wedge sah Cara an und zog langsam eine Augenbraue nach oben.
„Außerdem“, meinte sie und lachte auf. „Du hast zwar gesagt, dass Wes von der Prügelei nichts erfahren soll, aber das beinhaltet nicht, dass ich ihm nicht erzählen kann, dass ich die Nacht mit dir verbracht habe.“
„Moment … Du willst was?!“ Mit absolut entgeisterten Blick sah Wedge Cara an und war sich absolut sicher sich gerade verhört zu haben.
„Als ob du nicht auch noch eine Rechnung mit ihm offen hättest und das Gesicht, was er da machen wird, ist diese Aktion ja alle mal wert“, meinte Cara und schenkte Wedge ein entwaffnendes Lächeln. „Aber wenn du der Meinung bist, dass er es nicht verdient hat …“ Cara zuckte leicht mit den Achseln und richtete den Blick von Wedge weg und nach oben.
Wedge sah Cara noch immer mit entgeisterten Blick an, denn was sie da vorhatte war einfach so vollkommen absurd. Andererseits hatte sie auch recht, dass er noch eine Rechnung mit Wes offen hatte und das schon eine ganze Weile. Aber es hatte sich einfach keine gute Gelegenheit geboten, von einer passenden Idee ganz zu schweigen. Auf einmal erinnerte er sich an den Tag, an welchem sich Wes und Cara zum ersten Mal begegnet waren und was für Sprüche er später in vertrauter Runde vom Stapel gelassen hatte. Es war zugegeben schon mehr als eine ganze Weile her und es konnte gut sein, dass Wes sich daran nicht einmal mehr erinnerte, aber einen Versuch war es wert. Wedge konnte Wes Gesicht bildlich vor sich sehen und konnte daher gar nicht anders, außer anfangen zu lachen. Das Lachen tat zwar weh, war aber auch irgendwie befreiend.
„Klingt als ob wir eine Abmachung haben“, meinte Cara und sah Wedge von der Seite her an.
„Ja, die haben wir wohl“, antwortete Wedge. Irgendwie hatte der Abend doch noch etwas Gutes hervorgebracht.
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