07.01.2017, 23:54
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 09.01.2020, 01:28 von CA-5510.)
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Haus der Acchetias
Das Haus der Acchetia-Familie liegt etwas abgelegen auf einem kleinen Hügelabhang, dessen für Anaxes typische leicht lilafarbenen Klippen in ein großes Meer bis in den Horizont münden und der sich auf der entgegenliegenden Seite einen einzelnen Weg den Hügel hinab schlängelt. Jenseits des Hügels führt dieser Weg ohne jede Bezäunung zwischen einer steinigen mattgrünen Wiese mit großen orange- bis aprikotfarbenen Gewächsen nach ein paar hundert Metern in eine größere Straße, die in wenigen Kilometern schließlich zur nächsten Stadt mit Raumhafen führt. Im Abstand von etwa zweihundert Metern befinden sich ein paar ähnliche Häuser, verstreut entlang der Klippe. Im Gegensatz zu den fernen Sirpar-Hügeln der reichen Anaxes-Familien gilt die Lage nicht als prestigereich.
Das Gebäude selbst ist ein recht einfaches Bauwerk, mehr eine geräumige Hütte denn ein großes Anwesen. Es besteht von außen zu weiten Teilen aus lokalem Holz aus dem nahegelegenen Wald, das der Erbauer vor einigen hundert Jahren dort bereits geschlagen und anschließend das Haus in seinen Grundzügen angeblich selbst angefertigt haben soll, nachdem entlang der Klippe immer wieder vereinzelte Hütten auf ähnliche Art entstanden waren. Nach dem Kauf durch die Acchetias wurde das Haus nur leicht modernisiert, dann später um einen zweiten Stock und einen kleinen seitlichen Anbau erweitert, der seither als Speedergarage dient. Das Innere des Hauses lässt sich mehr als gemütlich denn als luxuriös bezeichnen. Insgesamt wirkt das Haus sowohl von innen als auch von außen bescheiden - so wie Cassio sich eben auch selbst ansehen würde.
Seit dem Umzug Cassios nach Coruscant ist das Haus mittlerweile meist leerstehend, da die einzige Tochter inzwischen in einem Appartement in der naheliegenden Stadt wohnt.
Eine kleine Brise Wind, oben auf der Klippe. Einzelne, winzige Wolken, die sich unten im Meerwasser spiegelten, schnitten sich weiter entfernt im Horizont. Hinter ihm das Haus, leicht dämmrig beleuchtet. Cassio stand dort und betrachtete tonlos das ruhige Treiben vor sich, wie das Wasser beständig gegen die weiter entfernten Abhänge schlug. Ein Blinzeln lang, zwei, drei. Diese Ruhe. Sie war seltsam, ungewohnt. Und vor allem... konnte irgendetwas in Cassio sie nicht ausstehen. Rastlos untätig zu sein – was andere entspannte, ließ ihn brüten. Angespannt pochten zwei Finger seiner Hand bereits minutenlang gegen seinen Oberschenkel, kompensierend, als müsse irgendwo Energie entladen werden. Eigentlich hatte er gedacht, dass zumindest ein Teil von ihm froh sein würde, nach so langer Zeit etwas Ruhe und Rückzug zu haben. Stattdessen fühlte er sich mehr zum Nichtstun verdammt, so dass er am Ende vor allem feststellte, dass er mit sich selbst nicht viel anzufangen wusste. Was sollte er auch machen? Bücher lesen? Holo-Dramen ansehen? Wie nutzlos. Von der Schaltzentrale der großen Entscheidungen in einen stupiden Alltag, in dem die aufregendste Frage war, was es mittags zu essen gab. Dieser scharfe Schnitt passte nicht, er fühlte sich einfach falsch an. Cassio kaute an seiner Unterlippe. Natürlich war ihm stets klar gewesen, wie wichtig ihm die Arbeit geworden war, welchen Raum sie für ihn eingenommen hatte. Aber er hatte dabei eigentlich auch nie Zufriedenheit oder gar Freude empfunden – doch jetzt kam er nicht umhin zuzugeben, dass er nun weitaus unzufriedener war. Es schien so... unbeendet. Als habe man dem Künstler sein Kunstwerk genommen, ehe er es fertigstellen konnte, und nun blickte er darauf und stellte fest, dass es so einfach nicht genügte. Unfertige Werke waren unbefriedigend. Diese gewisse Zwanghaftigkeit zum Tun, zur Handlung hatte er schon kurz nach seiner Ankunft, vielleicht nach ein paar Tagen, erkannt, doch sie wurde mit jedem Tag merklicher. Und irgendwann kam auch die naheliegende Frage, ob da nicht sogar noch mehr dahintersteckte. Die Frage irgendwo tief in seinem Unterbewusstsein, die immer mal wieder kurz hervorkroch und sich nur einen Augenblick lang zeigte – anfangs jedenfalls, dann doch von Mal zu Mal länger. Nämlich die Frage, ob er womöglich doch mehr an Rang und Namen, ja an der Schmeichelei des Einflusses und der Bedeutung interessiert war, als er von sich eigentlich gedacht und erwartet hatte. Die Frage, ob ihm sogar der Krieg selbst... nicht vielleicht auf irgendeine seltsame Weise doch gefallen hatte. Konnte man daran tatsächlich Gefallen, einen Reiz finden? Vor kurzem noch hätte er es als Stabschef verneint – vehement, brüsk sogar. Als lächerlich bezeichnet. Aber jetzt, wo das alles fort und außerhalb jeder Reichweite war, schien doch ein Teil von ihm zu fehlen. Womöglich hatte er seine Arbeit im Endeffekt weitaus mehr genossen als er sich bisher hatte eingestehen wollen. Diesen Gedanken empfand Cassio allerdings als befremdlich. Er hatte sich immer als Arbeiter gesehen, der eben seinen Dienst verrichtete. Wie ein Uhrwerk. Nicht weil es ihn groß interessierte oder ihn befriedigte, sondern weil es getan werden musste. Im Unterschied dazu hatte er in seiner Zeit diverse Offiziere getroffen, einige davon mit äußerst ausgeprägtem Sadismus und schonungsloser Brutalität. Es gab Menschen, die hatten dagegen Spaß an der Gewalt, an ihrem eigenen Gottkomplex, dessen Ausleben der Krieg nur allzu leicht eröffnete. Andere dagegen führten ihren fanatischen ideologischen Feldzug gegen das Böse, oder jedenfalls das, was sie dafür hielten, und ihnen war jedes Mittel recht und billig, dieses Ziel zu erreichen. Doch eigentlich hatte Cassio diese Arten von Offizieren immer verabscheut, die Varpasis, die Drommels. Es war menschlicher Abschaum, der nur wegen seiner Eigenschaft als bequemer Bluthund aus dem Käfig gelassen wurde. Sie kannten keine Regeln und kein Gesetz - und selbst wenn, folgten sie ihnen nicht, zumal sie niemand daran hinderte. Dabei sollte das Imperium doch ursprünglich vor allem die Herrschaft des Gesetzes sein. Aber das war längst nicht mehr so. Die Fanatiker hatten sich schon lange tief in den imperialen Körper gegraben und würden es auch nie wieder freiwillig verlassen. Weil es ihnen gefiel. Cassio wollte diesen Leuten nicht ähnlich sein, doch eventuell war er gar nicht so viel anders wie er sich und anderen vormachte. Nur in einem nicht ganz so fortgeschrittenen Stadium. Oder war es am Ende doch ganz einfach und er haderte nur mit der Umgewöhnung? Mit der Aussicht auf das, was kam? Vielleicht. Im Ergebnis war es auch gleichgültig. Cassio hatte nicht vor, bei Pestage zu betteln. Und sollte es in einem ironischen Zufall aus irgendeinem Grund doch dazu kommen, dass er diesem Mann noch einmal gegenüberstand, so hoffte Cassio, dass er in diesem Augenblick einen Blaster bei sich trug. Zumindest etwas, das man als denkwürdige und vermutlich später sogar als „gute“ Tat ansehen würde, hätte er dann vollbracht. Er nickte, nur leicht über seine eigenen Gedanken amüsiert. Wenn es nur etwas nutzen würde, hätte es irgendjemand bereits getan. Aber ob Pestage oder nicht, das Ende des Imperiums war ohnehin besiegelt. Cassio zweifelte daran nicht mehr. Es hatte der Galaxis einfach nichts mehr anzubieten.
Hinter sich registrierte Cassio aus dem Augenwinkel eine schemenhafte Bewegung. Das nervöse Pochen seiner Finger stoppte, instinktiv nahm er etwas Haltung an, ohne es überhaupt zu bemerken. Er drehte seinen Kopf etwas zur Seite, die Brauen leicht angehoben. Seine Tochter war aus dem Hintereingang des Hauses gekommen und kam durch das kurze Gras in seine Richtung. Nur einen Moment sah er herüber, dann wandte er seinen Blick wieder zurück in die Leere vor ihm. Er versteckte seine Hände in den Taschen seiner dunkelbraunen Hose und atmete durch. Auch so ein Punkt. Er war überflüssig hier. Chalya war erwachsen geworden, aufgewachsen ohne ihn – schien weder dadurch etwas verpasst zu haben, noch ihn zu brauchen, auch wenn sie sich bemüßigt sah, den Eindruck zu erwecken, dass seine Anwesenheit sie freute oder das vielleicht sogar tatsächlich der Fall war. Falls ja, erschien Cassio das eher irrational. Über das Geschenk, das seine Adjutantin ihm für sie mitgegeben hatte, hatte sie sich jedenfalls gefreut – wenngleich Cassio dafür nun wahrlich wenig konnte, schließlich war es nicht seine Idee gewesen. Dass sie ihm das zuschrieb, war unerwartet optimistisch; andererseits hatte er seither auch nichts dagegen getan, diesen fehlerhaften Eindruck ihrerseits zu korrigieren. Spätestens seit er mit dem kleinen Ausflug zu den Messingsoldaten von Axum vor kurzem ein schier ewig währendes Versprechen eingelöst hatte, schien Chalya ihm gegenüber überhaupt keinen Missmut mehr zu empfinden. Oder sie zeigte ihn nicht. Nicht dass sie vorher groß einen geäußert hatte – letztendlich schien ihr die Abwesenheit ihres Vaters in den Jahren zuvor auch nicht geschadet zu haben und ab einem gewissen Alter mochte man eine elternlose Zeit sogar als Erleichterung empfinden. Wahrscheinlich war es sogar besser so gewesen, denn er zweifelte daran, dass er bei Anwesenheit besser für sie gewesen wäre. Und so hatte es den Ausflug nach Axum vor allem aus einem Grund gegeben - eine Geste letztendlich, viel mehr war es nicht gewesen. Sie sollte von ihm nicht den Eindruck behalten, dass er sie als unerwünscht oder störend empfand, denn das stimmte letztlich auch nicht. Auch wenn es vermutlich die meisten Leute so empfunden hätten.
„Du bist viel draußen“, sagte sie schließlich, während sie noch ein paar Meter entfernt war.
„Hm“, machte er, dann schüttelte er kurz den Kopf. „Die Luft ist ungewohnt gut. Kein Vergleich zum Zentrum.“
Sicherlich keine Lüge, wenn auch nur ein Teil der Wahrheit. Es war in der Tat so, dass die künstlich aufbereitete Luft des Zentrums im Vergleich geradezu abgestanden und steril war. Das fiel recht schnell nicht mehr auf – doch hier im vergleichbar dünn besiedelt und bebauten Anaxes war das Ganze weitaus natürlicher und angenehmer. Kleinigkeiten. Er entschied aber, es als positiv anzusehen, dass ihm so etwas zumindest noch auffiel.
„Hast du schon eine Zusage bekommen?“, fragte er, ohne ihr wirklich Zeit für eine andere Reaktion zu lassen. Ein etwas längerer Blick auf sie. Sie zögerte. Ihm war bereits klar, was das bedeutete.
„Ja“, entgegnete sie langsam. „Anaxes würde mich nehmen. Wenn ich will, kann ich in diesem Jahrgang einsteigen.“
Cassio spürte, wie sich sein Kiefer ein Stück weit verschob, aber er sagte zunächst nichts, sondern ließ sie weiterreden, nachdem sie beschwichtigend eine Hand hob.
„Ich weiß. Aber die Chancen, zur Flotte zu kommen, stehen momentan gut. Die suchen zur Zeit gute Leute.“
Amüsiert atmete Cassio laut aus, sein Mund verzog sich leicht, was ihm einen zynischen Gesichtsausdruck verlieh.
„Da bin ich mir sicher. Du weißt auch warum. Wir haben bereits darüber geredet - und ich sagte, die Akademie kommt nicht in Frage.“
„So viele gehen da hin. Man wäre nur für zwei Jahre dienstverpflichtet, sie bezahlen einem danach das Studium und garantieren einem sogar einen Platz ohne Wartezeit. Allein aus meiner Klasse wollen die Hälfte...“
„Dann sind es Idioten“, unterbrach er kompromisslos. Sicherlich begann das Imperium damit zu locken und besserte seine Bedingungen auf, um das Militär attraktiver zu machen. Nicht aus Freundlichkeit, sondern allein aus dem Grund, dass es mehr entbehrliches Material brauchte. Viel mehr. Und wenn man erst im Apparat war, ließen sie einen ohnehin nicht mehr gehen. Erst kamen schöne Versprechen, dann die Daumenschrauben. Aber bald schon würden Akademie, Jugendgruppen, KOMENOR, dieser ganze Sumpf nichts mehr wert sein – sondern im Gegenteil, es würde irgendwann die Zeit beginnen, in der man versuchte, diese Verbindungen zu vertuschen und als nie gegeben darzustellen. Man war gezwungen worden. Eigentlich wollte man ja nie, aber man musste eben. Lachhaft. Je weniger Verbindungen man zu diesem komatösen Staat hatte, desto besser mochte es sein. Vielleicht nicht morgen, vielleicht nicht nächsten Monat. Aber bald. Und wenn Pestage erst am Galgen hing, spätestens dann würde auch er das begriffen haben. Und ganz gleich, wie lang dieser Krieg nun noch gehen würde, er war es nicht wert, dass seine Tochter dafür jetzt aus stupidem jugendlichem Eifer und einer verständlichen Abenteuersuche den Kopf dafür hinhielt. Sie konnte nicht einmal etwas dafür. Cassio wusste, wie das Imperium in der Schule bereits begann, Kinder zu formen und zu guten Pappkameraden zu erziehen. Aber nein, nicht für Pestage. Und für Terroristen ebenso wenig. Cassio würde nicht akzeptieren, dass sie eine Zahl im Statistikbericht von Kallice wurde. War das heuchlerisch? Ja, sicher. Es war ihm aber gleichgültig. Sollte man ihn doch für einen Heuchler halten, was kümmerte es ihn. Anderes kümmerte ihn. Cassio atmete ein Mal durch. Natürlich konnte er es nicht verhindern. Wenn sie wollte, würde sie gehen. Sie war erwachsen – noch nicht lang, aber sie war es. Wieder blickte er hinüber. Und in ihrem Blick erkannte er unschwer, dass sie sich noch immer wie ein Kind behandelt fühlte. Was, wie er feststellte, auch stimmte. Er schloss die Augen und seufzte laut, seine Schultern sackten ein kleines Stück ab, gaben einen Moment lang den Blick auf den Nichtsoldaten frei, auf Cassio und nicht auf Vizeadmiral Acchetia.
„Mach es einfach nicht“, sagte seine leise Stimme dann. Es war kein Befehl, keine Anordnung, keine Weisung. Eine Bitte? Unausgesprochen vielleicht, aber dennoch war es eine. Erstaunlich genug, dass er noch wusste, was das war. Es gab keine Bitten im Militär. Offenbar verlernte man sie aber nicht, wenn es nötig war.
„Vertrau mir, Kleines. Was auch immer du da suchen willst, du wirst es nicht finden.“
Die Stirn seiner Tochter legte sich in Falten. Ja, mit ein Mal sah sie auch weitaus älter aus – und natürlich wie immer genau wie ihre Mutter. Cassio blickte wieder weg, ebenfalls wie immer. Vertrauen war schwierig, wenn es wenig Grund dafür gab. Doch wenn es jemand einschätzen konnte, war es dann nicht er? Wusste er denn nicht weitaus besser als Propagandaplakate und geschönte Karrieretage, was das Ganze tatsächlich bedeutete und mit sich brachte? Er konnte nur hoffen, dass die Worte irgendwo durchdrangen. Mehr war nicht möglich. Kaum jemand, der rational dachte, wollte zum Militär – es war einfach keine Wahl, die man mit wirklicher Freude annahm, wenn man sie traf. Rationalität nützte also nichts, es ging nur um Gefühle. Und vielleicht half das wenigstens. Am Ende konnte nur sie es entscheiden. Mit einem Kind war es einfacher. Cassio nahm aus seiner Jackentasche eine seiner Cigarras hervor, die er sich unversehens anzündete. Er klemmte sie zwischen seinen linken Zeige- und Mittelfinger, betrachtete den Dampf einen Moment lang, dann blickte er wieder zu Chalya.
„Seit wann rauchst du denn?“, fragte sie und die nachdenklichen Falten auf ihrer Stirn verschwanden in purer Irritation. Er unterdrückte ein Schmunzeln, sah schulterzuckend auf die Cigarra in seiner Hand und streckte sie seiner Tochter mit einem Nicken hin.
„Zu lange schon.“
Chalya sah den dicken Glimmstängel überrascht an, nahm ihn dann mit einer gezackten Augenbraue skeptisch entgegen.
„Und seit wann lässt du mich rauchen?“
„Seit jetzt“, brummte Cassio und zündete sich eine weitere Cigarra für sich selbst an.
Urlaub sollte Entspannung sein, sollte der seelischen Erholung dienen und doch fühlte sich Daro Zen unruhiger, nervöser als je zuvor. In der vergangenen Zeit war es so, als säße man in einem schicken und gemütlichen Glashaus, während um einen herab die Bomben fielen. Die Augen waren auf eine einzige Uhr fixiert begierig und doch furchtsam zugleich darauf lauernd, wann die Zeiger stillstehen würden und auch die letzte Bombe ihr Ziel traf, bereit, den Träumer wieder der Wirklichkeit zu übergeben. Je länger sie darüber nachdachte, desto sicherer wurde sie sich, dass es nicht etwa an ihrem jüngsten Einsatzbefehl lag. Natürlich kam Daro nicht umhin zuzugeben, dass ihr diese von Acchetia überbrachte Nachricht sie nicht schockiert hätte aber im größeren Blickwinkel betrachtet, schien es lediglich so, als ob ein neues Tor aufgestoßen wurde und sie sich nun fürchtete, was dahinter lauerte. Denn selbst wenn die Admiralin diese Operation überdauern mochte, folgten danach doch stets weitere, nun, wo der Krieg sich seinem unausweichlichen Höhepunkt näherte. Für manche Militärs mochte es einem Weckruf gleichkommen, ein letzter Motivationsschub noch einmal alles zu geben und die imperiale Propagandamaschinerie unter dem gnomenhaften Ishin-Il-Raz versuchte selbstverständlich ein Bild zu zeichnen, dass das Imperium vereinter und stärker denn je gegen den unaufhaltsamen Feind darstellte. Die zivile Bevölkerung mochte sich damit zufrieden geben, wenn kleine, strategisch unbedeutende Siege, zu Heldentaten stilisiert wurden aber die meisten Militärs wussten es besser - oder sollten es besser wissen. Dieses Theaterstück, eine Mischung aus Drama und Tragödie, war schon lange geschrieben und das Ende stand im Prinzip fest. Nicht erst seit dem Vormarsch der Republik, selbst unter Palpatine schon, auch wenn sie es damals anders gesehen haben mochte. Dieses Imperium stand auf einem schlammigen und unterspülten Fundament, drückte mit seinem Gewicht die Massen nach unten während die Elite das Possenspiel aus ihrem Elfenbeinturm heraus belustigt beobachtete, viel zu sehr damit beschäftigt sich gegenseitig durch Intrigen das Wasser abzugraben. Die imperiale Idee verkam schnell zu einem Mittel persönlicher Bereicherung auf Kosten anderer. Von einem sicheren und stabilen Staatswesen konnte schon lang keine Rede mehr sein und die meisten Moffs waren ebenso gierig, korrupt und machthungrig wie das Huttenkartell - und letztere gaben wenigstens zu, nichts anderes als Gangster zu sein. Der Zenit war also längst überschritten und nun blieb nur noch die Zeit abzuwarten, bis das Konstrukt Imperium in dem Schlamm versank, aus dem es einst entstand. Dieser Krieg diente nur noch der Vernichtung, ein Sieg, der eine neue glorreiche Ära einleiten würde, war gar nicht mehr möglich. Es war nicht einmal mehr wirklich wichtig, ob Grunger bis in den Kern vorstoßen konnte oder nicht und es würde mehr Leben retten ihn einfach gewähren zu lassen. Ändern würde sich überhaupt nichts, nicht einmal, wenn er es bis auf den Thron schaffen sollte. Natürlich, das Oberkommando, Pestage, Isard - sie würden darunter zu leiden haben aber das war nur eine schwindend geringe Zahl Leute im Vergleich zu denen, die würden sterben müssen um ihn aufzuhalten und das schloss nicht einmal die Kollateralschäden ein, die zahlreiche Welten davontragen würden.
"Miss? Ihr Gepäck und Ihr Fahrzeug warten in der Garage auf Sie. Turbolift D-21, Garagendeck B-7." Die vorsichtige, aber sanfte und höfliche Stimme des Raumhafenmitarbeiters riss sie kurzzeitig aus ihren Gedanken heraus "Verzeihung?", erwiderte sie mit perplexen Gesichtsausdruck, offenbar etwas verwundert darüber, nicht allein zu sein. "Ihr Fahrzeug und Ihr Gepäck, MIss. Turbolift D-21, Garagendeck B-7. Hier ist die Zugangskarte.", meinte der Mann weiterhin freundlich und überreichte ihr eine kleine Chipkarte. "Oh und ich fürchte ich muss Sie darauf hinweisen, dass das Rauchen in diesem Raumhafen nicht gestattet ist. Bitte nehmen Sie Rücksicht auf die anderen Reisenden." Daros Blick fiel verdattert auf ihre Hand in der Sich eine halb aufgerauchte Zigarette befand, auch wenn sie sich gerade nicht daran erinnern konnte, sie überhaupt angezündet zu haben. "Oh... uhm. Tut mir Leid, mein Fehler.", entgegnete die Admiralin noch immer überrumpelt und drückte den Glimmstängel an einem nahen Metallrahmen eines Mülleimers aus, bevor sie sich etwas sammelte und sich auf den Weg machte. Es war seltsam gewesen die letzte Zeit mehr eine Art Zivilistin zu sein und sich nicht auf Brücken irgendwelcher Kriegsschiffe oder in Besprechungsräumen zu befinden. Es war nicht das schlechteste Gefühl, aber dennoch sehr ungewohnt und trotzdem kam sie nicht umhin, dass man sich... sicherer fühlte. Vielleicht etwas, dass sie nicht überraschen sollte. Der Großteil der Bewohner dieser Galaxis war es schließlich nicht gewohnt von Turbolasern und Raketen beschossen zu werden, die genügend Feuerkraft besaßen um kleine Städte zu verdampfen und nun, nach und während dieser Auszeit fragte sie sich, wofür sie denn überhaupt ihren Hals riskierte. Sie hatte sich, vielleicht als eine der wenigen Imperialen die Zeit genommen und das besucht, was noch von Alderaan übrig war. Es war eine Sache davon zu hören, sich entsetzt zu geben, es am Ende aber mit imperialer Überzeugung zu bagatellisieren, eine ganz andere jedoch, tatsächlich dort zu sein und sich das Asteroidenfeld anzusehen und daran zu denken, wie viele Leben in einem einzigen Augenblick ausgelöscht wurden. Es gab im Grunde keine Rechtfertigung dafür - natürlich, die Rebellion war eine Bedrohung, aber auch längst nicht so eine Große, die einen solchen Schlag als legitimes Mittel ansehen ließen. Dieser Trümmerhaufen war im Grunde nur die Essenz dessen, wofür die kämpften: Macht und Unterdrückung um jeden Preis, doch mit Sicherheit und Ordnung, hatten solch barbarische Aktionen im Grunde nichts zu tun.
Aber sie wusste auch, dass sie keine echte Rebellin war oder zumindest keine, die man mit dem in Verbindung bringen würde, was sich nun "Neue Republik" nannte. Ihr vorrangiges Ziel sollte sein die Bevölkerung vor Bedrohungen zu schützen, nicht etwa einen Vernichtungskrieg gegen alles und jeden zu führen, der nicht im kompletten Einklang mit der Führungselite stand. Daro seufzte, als sie in ihren Gleiter stieg und die Triebwerke zündete. Politik war mörderisch und dreckig und dieser Krieg wurde mehr und mehr zu einem Spiegel davon. Aber was konnte eine Person ausrichten? Noch dazu eine Person, die sich auch in der Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert hatte? Am Ende würde sie dieses Spiel wohl weiter mitspielen, so lange, bis es eben vorbei war, selbst, wenn sie es in Gedanken zutiefst abstoßend fand. Wenn Daro floh, würde sich ebenso wenig ändern, als wenn sie blieb - ein anderer würde ihren Job machen, vielleicht einer der fantastischeren Bluthunde, die sich an dieser Barbarei ergötzen konnten und sich wie Schweine in ihrem Ruhm suhlten. Die Admiralin betätigte das Gaspedal und manövrierte ihr Vehikel heraus, ehe sie vollen Schub gab und in die malerische Landschaft Anaxes' davonraste.
Vielleicht würde sie Acchetia gleich von all dem ablenken, zumindest ein wenig. Dann mochte es wieder um Arbeit gehen. darum, wie man am besten vorginge um etwaige Feinde zu besiegen, die im Grunde so waren wie man selbst und ebenso nur von einem machthungrigen Despoten angetrieben wurden. Ein gutes Stichwort: sie war etwas neugierig darauf, was der ehemalige Stabschef wohl zur Rückkehr Vesperums sagen würde - ihr eigener Jubel hielt sich in Grenzen, insgeheim wäre ihr Pestage sogar lieber gewesen. Selbst wenn sie den Mann verabscheute, war er doch wenigstens kalkulierbar und bekannt, gänzlich anders als die nebulöse Schattengestalt, die sich nach Palpatines Tod auf den Thron gesetzt hatte. Für Acchetia mochte es aber eine Chance sein, möglicherweise könnte er Pestages Versetzungsbefehl rückgängig machen, so sich der Imperator eines solchen Beschlusses überhaupt annehmen würde - wahrscheinlich eher nicht, er war der Herrscher und sie im Grunde seine Bauern. Für einen Mann, der auf dem Thron saß, mochte es keinen Unterschied machen ob der Stabschef nun Acchetia oder Kallice hieß.
Daro checkte ihren Navcomputer und verringerte langsam die Geschwindigkeit ihres Speeders, als das Anwesen in Reichweite kam. Schlicht und ländlich soweit sie es beurteilen konnte - nicht zwingend ihr Geschmack, sie bevorzugte eher moderne und verspielte Bauten, aber es passte gut ins Landschaftsbild und lockerte wohl auch ein wenig das Bild eines stoischen Bürohengstes. Sie stieg aus und zupfte noch einmal die dunkelblaue Bluse und den knielangen Rock zurecht - vielleicht ein wenig Nervosität, auch wenn es dafür eigentlich keinen Grund gab... oder sehr viele Gründe. Immerhin besuchte ein Vorgesetzter seinen Untergebenen gemeinhin nicht zum privaten Plausch, aber hier schien es angemessen. Vielleicht ein letzter Akt von Menschlichkeit, ehe der Abgesang begann und so machte sich Daro und Schritt auf die Vorderseite des Anwesens zu, ein wenig langsam und zögerlich wohl, innerlich darauf lauernd, ob er sie wohl gehört hatte. Ein kurzer Blick über die Schulter offenbarte noch einmal die voluminösen Antriebe des Gleiters und beantworteten diese Frage gewissermaßen mit ja. Demnach wäre die richtigere Formulierung wohl eher, ob Acchetia sie auch hören wollte.
Stumm paffte Cassio mit seiner Tochter in die wenigen Wolken hinaus, ein paar Minuten lang. Erschreckend friedlich. Mochte das das Leben des Zivilisten innerhalb des Krieges sein? Abgeschottet und behütet, einfach sein Leben leben, zumindest so lange, bis der Krieg möglicherweise irgendwann auch auf dieser Welt eintraf? Schien schwer vorstellbar, an allem unbeteiligt und passiv zu sein, ganz normal morgens arbeiten und abends wieder nach Hause zu gehen, völlig unbeeindruckt von dem Konflikt, der seit Jahren tobte und Menschen und Material verschlang wie noch nie zuvor. In gewisser Weise war es amüsant, dass selbst ein Staat wie das Imperium im Krieg bislang vergleichsweise wenige Auswirkungen auf den gemeinen Bürger hatte – keine Rationierungen, keine Wehrpflicht, kein Arbeitsdienst. Vermutlich auch deshalb herrschte noch relative Ruhe auf den imperialen Welten. Eine Panik im Kern konnte das Imperium nicht verkraften. Und wenn die Kriegslage bekannt war, dann mochte es durchaus zu einer kommen können. Aktuell fiel eben nur der eine oder andere Planet irgendwo weit entfernt, ein abstrakter Name, nach einer geschönten, heldenhaften, für den Feind geradezu lächerlich verlustreichen Abwehrschlacht. Der Tenor der Propaganda war klar: Mit jedem Kampf stumpfte die Spitze der Republik immer weiter ab. Zerschellen würden sie an der Einigkeit des Imperiums im Kern. Cassios Meinung nach war der Kern aber eher ein Rancorkäfig. Wenn dort erste Schwierigkeiten auftauchten, stand jeder für sich allein und sein eigenes Wohlgefallen, man wies sich gegenseitig Schuld zu. Der Kern war nicht homogen, nie gewesen. Das war nun einmal das Problem von Planeten mit großen Egos, auch wenn das Imperium versucht hatte, Loyalitäten von der planetaren auf die galaktische Ebene zu verlagern und Anhänger zu Bürgern des Imperiums und nicht mehr zu Bürgern eines Planeten zu erziehen. So eine Umerziehung gelang aber nicht binnen kurzer Zeit, war aufwendig. Er zweifelte nicht daran, dass der Kern auseinanderfiel und einige Planeten sofort aus dem Verband des Imperiums austreten würden, sobald zwei oder drei Welten in die Hand der Republik fiel. Der Kern war ein Kartenhaus, zusammengehalten vom oberflächlichen Anschein einer Einheit, sofern die Rahmenbedingungen gut und günstig waren. In stürmischen Zeiten hatte es keinen Halt und zerbarst in alle Richtungen. Kuat, die Waffenschmiede des Imperiums, würde nie zulassen, dass ihr Planet für diesen Krieg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Corellia wäre froh, wieder selbst sein Schicksal schaffen zu können und von der Fremdherrschaft abzufallen. Und Fondor wurde ohnehin primär von imperialen Besatzungstruppen im Reich gehalten. Tatsache war, keine der drei großen Werften war verlässlich, wenn es zum Äußersten kam. So betrachtet… was war überhaupt noch verlässlich? Eigentlich nur, dass der Krieg näher kam. Zumindest wenn man auf imperialen Welten war.
Irgendwo von vorne am Haus näherte sich ein Speeder. Das mechanische Surren der Triebwerke wurde unhörbar lauter und da der einzige Weg hierher führte, wusste Cassio bereits, was es bedeutete. Er wusste, dass heute der Tag war, an dem man ihn wieder abholen würde. So war es eben. Sein Kampfgeschwader war bereits zusammengezogen worden, wartete an einem Dock in der Nähe von Nessem, vermutlich nur noch ein paar Stunden, ehe es zu den Horchposten an der Grunger-Front aufbrach, um die dortigen Schiffe abzulösen. Eine ruhige Position – eigentlich. Es war bislang zu keinen größeren Kampfhandlungen zwischen ihnen und Großadmiral Grunger gegeben. Doch das war letztlich keine Frage des Ob, sondern des Wann. Grunger war einer der Abspalter, die sich am lautesten zu Wort gemeldet hatten und nicht einfach lautlos verschwunden waren. In gewisser Weise schien ihn das sogar zum einzigen zu machen, der überhaupt noch Interesse am Imperium hatte – wenn auch nicht an dem, was es aktuell war. Das überraschte Cassio alles in allem nicht. Grunger war stets ein Mann des direkten Ansatzes gewesen, eine Welt der klaren Feindbilder. Militär eben. Tatsächlich hatte Cassio ihn auch für gleichsam unpolitisch wie sich selbst gehalten, jedenfalls war das der Eindruck gewesen, den der Mann von sich vermittelt hatte. Offenbar war hinter der Fassade doch mehr gesteckt als es schien, ansonsten wäre der Mann sicherlich trotz der Widrigkeiten weiterhin im Reich verblieben. Gelegenheit schaffte Verräter, wie es aussah. Etwas, das Cassio nachdenklich stimmte. Ungerne zwar, aber nun, so war es eben.
Das Heulen des Speeders ebbte ab, wie erwartet. Irgendwo vorne am Haus. Der Vizeadmiral seufzte, zog an seiner Cigarra und blies den Rauch langsam aus. Neben ihm versuchte Chalya, das Gefährt zu erspähen, doch das Haus versperrte die Sicht.
„Es ist so weit, oder?“, fragte sie, während sie den Stummel über die Klippe ins Wasser fortschnippte.
„Schätze ja.“
Anderer Besuch war nicht zu erwarten. Am Ende konnte nur das Imperium kommen und einfordern, was Seines war. Überraschend fand Cassio indes, dass hier ein Speeder auftauchte. Nicht etwa ein Shuttle, das abseits des Weges in einiger Entfernung landete und mit dem schließlich direkt auch wieder abgeflogen wurde. Nein, es war ein Speeder, der erst wieder umständlich den Weg zurück in die Stadt machen musste, um von dort abzufliegen. Das schien erstaunlich… ineffizient aus der normalerweise so technokratischen Perspektive des Imperiums. Beinah amüsant. Aber er rührte sich nicht. Ein Teil, offenbar ein relevanter Teil schien sich nicht bewegen zu wollen.
„Ich geh schon“, sagte Chalya dann gepresst und wandte sich um. Er nickte bloß knapp, während er ins Nichts blickte. Seine Tochter ging durch das halbhohe, hellblaue Gras um das Haus herum, vorbei an der angebauten Garage in Richtung des Wegs, der zur Eingangstür führte, vor der der Speeder gerade ein paar Meter entfernt zum Stehen kam.
„Wow“, machte sie überrascht, während sie das Gefährt betrachtete. Kein gepanzertes Militärgerät, sondern nur ein ziviler Gleiter – wenn auch ein durchaus bemerkenswertes Modell mit offensichtlich einer Menge Dampf. Nichts, was sie hier in der Nähe wirklich erwartet hätte, sondern eher auf einer Rennstrecke. Mit etwas geweiteten Augen trat sie neben der Garage hervor, während sich gerade die Fahrertür öffnete. Die Person war zwar auch vorher schon im Cockpit zu sehen gewesen, aber auch jetzt schien erst klarer zu sein, dass es sich hier scheinbar um keine Soldatin handelte, sondern um eine Zivilistin – Bluse und Rock sprachen hier eine eindeutige Sprache. Es wäre im Imperium äußerst undenkbar, eine Zivilistin einen Offizier abholen zu lassen, daher blinzelte Chalya nur kurz und ging dann auf die Frau zu. Offensichtlich war es also nicht der erwartete Besuch, sondern jemand anderes.
„Gibt's Probleme?“, fragte Chalya daher zwar höflich, aber etwas leger. Widerwillig löste sich ihr Blick von dem Fahrzeug, hin zur Fahrerin. Eine blonde Frau mittleren Alters, gut gekleidet, allerdings offenkundig keine Anaxsi, soweit man hiervon ausgehen konnte. Auch die zögernden Bewegungen der Frau in Richtung des Hauses ließen von einer gewissen Unsicherheit zeugen - beinahe wie typisch für einen Fremden, der nicht wusste, wohin er musste und sich nicht orientieren konnte.
„Haben Sie sich verfahren?“, fuhr sie schließlich sogleich fort. Selten dieser Tage, aber durchaus nicht ungewöhnlich, wenn der Navi-Computer gerade wieder einmal nicht mehr funktionierte oder falsche Daten anzeigte. Ihre Hand deutete mit zwei Fingern in Richtung des Horizonts. „In die Stadt geht es dort lang, hier links einfach dem Weg nach, dann kommen Sie auf die Schnellstraße.“
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