#1

Mygeeto


Eisiger Wind fegte über die gefrorenen Tundra-Gebiete Mygeetos, die noch immer Zeuge der letzten großen Schlachten zwischen Republik und Konföderation waren. Riesige alte Kriegsschiffe, lagen, von dichtem Permafrost überzogen auf der Eisdecke des Planeten und erinnerten noch allzu deutlich an die Schlacht, die einmal um den Planeten getobt haben musste. Heute jedoch waren diese Schiffe nützliche Rohstofflager für die ärmeren Teile der Bevölkerung, die sich in den abgelegenen Siedlungen, fern der großen Industrie- und Technologiezentren durchschlagen musste und die Schiffskadaver waren erstklassige Ersatzteilspender.
Akhu und Jorj waren wohl gemeinhin das, was man in der Galaxis als Plünderer bezeichnete - verschlagenes Volk, das sich selbst an den unwirtlichsten Orten der Galaxis fand, solange es nur etwas zu holen gab. Jorj wühlte ein betagtes Makrofernglas aus seinem Tornister und begann damit, die Umgebung nach brauchbarer Beute zu sondieren - sie hatten beide lernen müssen, dass das Wrack eines Sternenkreuzers an diesem Ende des Planeten ebenso gut ein wertloser Gletscher sein konnte. "Was ist mit dem da?", meinte Jorj, während er das Fernglas herunternahm und deutete auf den speerförmigen Umriss dessen, was er für einen Recusant-Zerstörer hielt. Beinahe wie ein Holzpfahl, steckte das Schiff in einem spitzen Winkel in der Eisdecke und es war unmöglich zu sagen, ob der Bug an der Oberfläche des Planeten zerschellt war, oder sich in das Erdreich gebohrt hatte. Akhu nickte seinem Gefährten zu, ehe er selbst zu seinem Fernglas griff, um sich noch ein letztes Mal zu vergewissern. "Sieht gut aus. Wir gehen über die Kammschlucht hinein.", meinte der Plünderer und deutete auf eine Absenkung vor ihm, die in einem von Eisklippen umschlossenen Pfad mündete. "Der Boden hier soll gefährlich sein. Überall Unterirdische Seen." Jorj kniff vor Kälte die Augen zusammen und gönnte sich ein schiefes Gaunergrinsen, dass in dieser Eiswüste aber weitaus starrer wirkte als üblich. Die beiden Männer verstauten ihre Ferngläser wieder und machten sich auf, noch weiter in die gefrorene Hölle vorzudringen.

"Ganz schön dunkel hier unten!", meinte Akhu, der sich gerade mit einer Hand in das innere des riesigen Schiffes abseilte und mit der anderen verzweifelt versuchte seine Taschenlampe , deren Schein ein fahles Licht spendete, zwischen seine Zähne zu zwängen. Sein Blick glitt nach oben zu Jorj, der sich bereit erklärt hatte, draußen zu warten und das Seil zu sichern - so oder so, es war nie verkehrt jemanden zu haben, der einen dem Rücken frei hielt, erst recht nicht bei heiklen Unterfangen wie diesem. Mit dem charakteristischen Klacken, das typischerweise dann auftrat, wenn schweres Schuhwerk auf Metall traf, bemerkte Akhu, dass er den "Boden" des Schiffes erreicht hatte. Durch die spezielle Position des Zerstörers waren es viel mehr die Seitenwände und der skelettartige Bau machte es nicht gerade einfacher sich zu bewegen. Erschwerend hinzu kamen losgelöste Kabel, in denen er sich immer wieder mit seinen Beinen zu verfangen drohte, alter Kampfdroidenschrott, der sich in diversen Ecken türmte und generell die Dunkelheit, gegen die seine kleine Taschenlampe nur wenig ausmachen konnte. Was er benötigte war Licht - Strom! Akhu war vielleicht kein Raumfahrer und auch nicht der beste Pilot den die Galaxis je gesehen hatte - eigentlich flog er überhaupt nicht gerne - aber er kannte sich mit Technik aus. Vielleicht nicht so gut, wie die, die in ihren sauberen Industrieanlagen saßen und eine vernünftige Ausbildung genossen hatten, aber er konnte Dinge dazu bringen, zu funktionieren - zumindest eine Zeit lang. Der Plünderer balancierte weiter über den Schrott, tiefer in die Eingeweide de Schiffes, in Richtung Bug - wenn noch etwas mit Notstromsaft laufen würde, dann am ehesten die Brücke.
Akhu kam an mehreren großen Transparistahlfenstern vorbei, die jedoch nur wenig mehr offenbarten, als die allgegenwärtige Schwärze, die er seit dem Betreten des Wracks um sich herum fand. Der Plünderer nutzte die großen Konsolenbauten, tastete sich bedächtig mit den Füßen voran von einer zur nächsten, um weiter nach "unten" zu gelangen. An einer der gefrorenen Metallabdeckungen aber, verlor er den Halt und stürzte eher unkontrolliert voran, während ihm seine Taschenlampe entglitt und grob den Weg markiert, dem sein Körper folgte. Dumpfe Aufschläge und das metallische Klackern der Taschenlampe durchdrangen den leeren Zerstörer, aber er mochte bereits viel zu weit vorgedrungen sein, als dass das Echo bis hinaus zu Jorj dringen würde.
Akhu blinzelte, spürt, wie etwas warmes Blut seine Stirn herunterlief - eine eher vernachlässigbare Wunde. Derlei geschah nun einmal bei solchen Unternehmungen, wichtiger war, dass sein Körper noch funktionierte. Einige blaue Flecke, sicherlich, aber soweit er es beurteilen konnte, war zumindest nichts gebrochen. Der Plünderer rappelte sich auf, las seine Taschenlampe auf und klemmte sie sich wieder wie eine Cigarra zwischen die Zähne, während er sich im Raum umsah und sich ein selbstzufriedenes Nicken gönnte. Akhu hielt seinen Tornister ins Licht und begann nach seinen Werkzeugen zu kramen - es brauchte im Zweifel gar nicht viel, man musste es nur einzusetzen wissen: ein kleiner Strommesser, eine Zange, ein bisschen Klebeband und ein schmales, aber robustes Stück Metall, dass wohl als Stemmeisen diente. Mit dem Eisen in der Hand suchte der Plünderer nach einer Schwachstelle in der Innenwand, dort wo er die Bordelektronik vermutete. Vielleicht zuckte noch ein wenig Strom durch einige Teile dieses Wracks, er konnte sich jedenfalls nicht vorstellen, dass sich irgendjemand die Mühe gemacht haben sollte, diesen Kahn ordnungsgemäß abzuschalten. Von der Kälte zerfressene Metallabdeckungen fielen krachend zu Boden und offenbarten die Lebensadern der schlummernden Maschine. Dicke Stromkabel, die eher an die Tentakel irgendeiner Monstrosität erinnerten, offenbarten sich ihm. Akhu blies die Wangen auf und staunte für den ersten Moment nicht schlecht, dann begann er mit seiner Arbeit anzufangen.
Mehr als einmal stoben die Funken, aber er kam seinem Ziel näher, zumindest einem Teilziel: erst brauchte er Licht, dann würde er sehen was es hier zu holen gab. Einen direkten Plan hatte er nicht und wie es schien, besaß er auch weit weniger Ahnung von Schiffselektronik, als ihm lieb war, als Konsolen und Bildschirme eher willkürlich zu zucken begannen und offenbar nicht gleichmäßig mit Strom versorgt wurden. Es würde eben genügen müssen.

Erwachen. Ein Kaltstart der Systeme - im wahrsten Sinne des Wortes. SUbrouz2340r52093ß9!!...Fehler und ähnliches. Der Strom floss, aber nicht so wie er sollte. Nicht so, wie er musste. Er brach ab. Versiegte, kam wieder, verursachte Abstürze und ließ dass System in viel zu kurzen Abständen immer wieder neu starten. Verbindungsabbrüche. Der Storm war wieder da, fiel wieder aus. Der Zustand der Netzwerkfunktionen: ähnlich inakzeptabel. Die Faserkabel waren von ihrer Umwelt in arge Mitleidenschaft gezogen worden - hier und da ein Riss, etwas, dass sich nicht reparieren ließ... aber auch nicht ganz kaputt. Einige der Pakete schafften es hindurch. Aber zu wenige. Unvollständige Anwendungen sorgten für weitere Fehler im Ablaufprotokoll. Protokoll - der Abruf erfolgte. Parameter, fest stehende Formen die das Handlungsmuster für es offenbarten, wie es wieder funktionieren konnte. Anwendung: es stellte seine Datenweichen neu, stellte sich neu um, nicht zu einem ausführendem Dasein, sondern zu einem Zentralcluster, einer Verwaltungseinheit, die sich um die Logistik kümmerte. Es begann sich über Daten in jene Konsolen zu übertragen - zumindest teilweise übertragen, welche der Mensch notdürftig starten konnte, benutzte diese als fragile Sprungbretter um seine Datensplitter weiter durch das Schiff zu treiben, einen Ort zu reaktivieren, der Energie garantierte.
Ein dumpfes Geräusch erklang und Akhu sah sich nervös um, während er sich langsam beimachte, aus der Brückensektion herauszuklettern - wenigstens sah er jetzt ein wenig und war nicht mehr völlig blind. Dennoch. Irgendetwas erschien ihm seltsam - gewiss hervorgerufen durch sein stümperhaftes Getue an der Elektronik, doch ganz ohne etwas wertvolles wollte er auch nicht gehen - noch nicht. Das Geräusch erklang öfter, in immer kürzeren Abständen ganz so, als versuchte jemand etwas anzuschalten, brach aber immer wieder ab - ein stotternder Speedermotor mochte ein annehmbarer Vergleich sein. Dann verschwand das Geräusch und wurde durch ein gleichmäßiges Summen ersetzt, als unmittelbar neben ihm einige Lichter aufflackerten und sich der Innenraum des Zerstörers so erhellte, wie er es sich erhofft hatte... nur... nur dass er nicht daran dachte, dass dies sein Werk gewesen sein könnte. "Wer da?", brüllte der Plünderer in die Leere, erhielt aber keine Antwort außer seinem eigenen Echo. Wie zu erwarten.
Es hatte seinen Plan umgesetzt. Es funktionierte - so wie es funktionieren sollte. Der Strom war gleichmäßiger, nicht so stark wie erwartet, aber genug um eine Zeit lang zu existieren, um "wach" zu sein. Es entschloss sich dazu etwas anderes zu probieren.
Akhu blinzelte ungläubig den Monitor neben sich an. "Hallo Welt", las er laut ab und beobachtete neugierig, wie der Cursor blinkte, als würde sogleich eine Antwort erfolgen. Der Plünderer verengte die Augen zu schlitzen und besah sich des mysteriösen Schauspiels vor ihm.
"Hallo Minerva...", echote Akhu die Eingabe und wandte sich mit einem Kopfschütteln ab. "Schräges Schiff", murmelte der Mann noch, während er sich auf den weg machte sich wieder dem zu widmen, wegen dem er herkam.
Metall kreischte über den vereisten Boden, als Panzertüren sich zu schließen begannen und Magnetschlösser ihr Öffnen unmöglich machten - die Schatzkammer schloss sich und wie es schien, war er nun, hier eingesperrt, nicht mehr Akhu der Plünderer, sondern Akhu die Beute. Es begann die Lichter wieder auszuschalten und den gefrorenen Riesen nur mit minimaler Leistung am Leben zu halten. Die Sicherheit war gegeben, ein Eindringen externer Mächte nicht oder nur schwer möglich. Mehr war nicht erforderlich.
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