#1

Dorlo

[Bild: 500px-Battle_of_Dorlo.png]

Im riesigen Weltraum waren Explosionen nicht zu hören. Nur der kleine Feuerball zeichnete sich durch das allumfassende Panoramafenster des gigantischen Keils ab, der von seinem Herrn als Vengeance bezeichnet wurde. Eine kleine Korvette, brennend, in endlosen Bahnen rotierend, wurde flankiert von ihrem um ein Vielfaches größeren Mörder. Mehr und mehr Vakuum breitete sich in dem kleinen Schiff aus, nach und nach wurde es vereinnahmt von der endlosen Kraft, die die Nichtexistenz des Lebens bedeutete. Es war das Schiff von Qu Rahn gewesen. Endlose Jahre war er auf der Flucht gewesen, doch nun, beinahe endlich, war es so weit. Der Jedi-Meister sah nun seinem Schicksal entgegen. Eine der Gestalten hinter ihm gab ihm einen Tritt gegen den Knöchel, ein anderer legte die Hand von hinten auf die Schulter und so zwangen sie Rahn in die Knie. Ja, er sollte knien, knien vor dem Schlächter, der für alles verantwortlich war. Nach und nach hatten sie die Besatzung des Schiffes vor seinen Augen getötet. Jahrelange Bekannte, Freunde. Zuletzt den noch so jungen Piloten. Rahn blickte auf die regungslose Leiche des gerade siebzehnjährigen Duno Dree. Das Leben trat aus ihm hinaus, mischte sich in den endlosen Fluss der Macht und hinterließ nur die tote Hülle des Körpers, eines Körpers, mit dem der Jedi Freundschaft geschlossen hatte. Und diese Freundschaft hatte nun dessen Tod bedeutet. Doch Rahn war standhaft geblieben. Er musste es sein. Sein Geheimnis war mehr wert als sein Leben, mehr wert als das Leben seiner Freunde. Er würde es mit ins Grab nehmen und die Finsternis, die sich dagegen stemmte, würde nichts dagegen tun können, wie sehr sie ihn auch folterte.

Erneut kam die Plattform heruntergefahren und gab den Blick auf das Böse frei. Gekleidet in die Dunkelheit, verzehrt von aggressiven Rottönen betrachtete der ehemalige Hochinquisitor das Werk, die banale Kunst des Todes, an der er seine Freude hatte, wenn er sie auch nicht zeigte. Es war Jerec, der gefallene Jedi, ehemals Padawan der Archivarin der Jedi-Bibliothek Jocasta Nu. Viele Jahre waren seither vergangen, aber doch nicht genug Leben, um beschreiben zu können, wie lange es Rahn hier an diesem Ort vorkam. Rahn hatte sich vor Vader verstecken können, vor Palpatine. Aber irgendwann geschah dieser eine Fehler. Und der Nutznießer war nun offenbar Jerec, der Anführer der mysteriösen Gruppierung, von der manche als die „Sieben Dunklen Jedi“ sprachen. Jerec, der Anführer der nicht weniger mysteriösen InQuestoren der Pentastar-Koalition, die letztlich das Pentastar-Gegenstück zu den imperialen Inquisitoren waren, aber offenbar hier an dieser Stelle in der Tat erfolgreicher gewesen waren als das Imperium. Und so stand der Dunkle Jedi auf der Plattform, blickte auf Rahn hinab und erwartete dessen Reaktion. Beinahe regungslos, wortlos. Erwartete er, dass Rahn nun sprechen würde? Damit diese Farce zu Ende ging? Doch er sollte nicht erhalten, wonach er suchte.
„Wozu noch zögern?“, fragte Rahn in die sadistische Bosheit hinein, die von Jerec ausging. „Streckt mich nieder.“
Auf den Lippen der Finsternis zeichnete sich ein Lächeln ab, während die Person von der Plattform herunterstieg und sich dem Gesicht des Jedi von der Seite näherte.
„Schon bald, Rahn. Doch zunächst benötige ich etwas von Euch.“
Abfällig schnaubte der Jedi-Meister. Was sollte Jerec nun noch tun? Es war keiner mehr übrig. Wen wollte Jerec nun noch umbringen? Nur Rahn selbst war noch hier, das Echo der Todesschreie seiner Freunde wurde leiser. Es gab nichts, womit er Dunkle Jedi ihm hier noch drohen konnte, nichts, das ihn dazu bringen würde, das Geheimnis zu verraten.
Doch dann plötzlich zog es in Rahns Gehirn. Irgendetwas erfasste ihn, bohrte sich in seinen Geist. Ja. Vielleicht… vielleicht war es auch gar nicht nötig, dass er es aussprach. Vielleicht hatte Jerec… andere Methoden. Jerec, der blinde Miraluka, der seine fehlenden Augäpfel mit einer Binde bedeckte und lediglich mithilfe der Macht zu sehen vermochte. Aber vielleicht gereichte ihm gerade das nun zum Vorteil. Der Griff in die Gedankensphäre Rahns wurde aggressiver, fordernder. Die Hand der Macht fasste in die Synapsen seines Gehirn, forschte sie nach Informationen und tastete sich weiter voran. Irgendwo musste es sein. Aber der Jedi wehrte sich. Jerec durfte nicht in sein Innerstes gelangen. Ein Krieg um Gedanken. Rahn begann zu schwitzen, der Angriff setzte seinem Körper zu, vereinnahmte seine Körperfunktionen und brachte seine Physis an die Belastungsgrenze. Währenddessen sah er, wie Jerec amüsiert die Nase rümpfte und stets ein unterschwelliges Lächeln auf den Lippen trug. Hatte Jerec nur mit ihm gespielt? Hätte er von vorneherein seine Frage so beantworten können und dieses ganze Schauspiel diente nur der Befriedigung seiner niederen Gelüste, seinem sadistischen Spaß, den er so offensichtlich auch in diesem Moment empfand? Der Jedi keuchte, schüttelte den Kopf, um den Angriff auf sich abzuwehren, doch es war zu viel. Die fordernde Wucht durchbrach seine geistige Barriere und gab das wertvolle Innere preis.
„Morgan Katarn!“, rief Jerec schließlich triumphierend aus und leckte sich die Lippen als habe er feinsten Nektar gekostet. „Ein Toter versteckt also den Ort des Tals? Wie faszinierend.“
Rahn starrte den Dunklen Jedi an, verlor beinahe die Fassung. Nein. Er durfte nicht scheitern. Es war seine Bestimmung, dieses Geheimnis vor allen zu wahren und niemanden an dieser gefährlichen Macht laben zu lassen. Jerec würde zu einem Monstrum, zu einer verkörperten Gottheit werden, vor der auch die Macht selbst erzittern konnte. Und er wusste es. Erneut schob sich Jerecs Gesicht neben den Jedi-Meister und begann zu lachen. Das Böse liebte den Sieg, kostete ihn aus und liebkoste ihn, wenn er ihm zufiel. Demütigte den Verlierer in der Stunde dessen größter Niederlage. Charakterschwäche zweifelsohne, doch eine, die in Rahns Innerem stach und ihn herausforderte.
„Nun habe ich keine weitere Verwendung mehr für Euch, alter Mann“, presste Jerec hinaus und wandte sich von dem Jedi ab. Qu Rahn schloss die Augen. Es war nur logisch, dass der Dunkle Jedi ihn für geschlagen hielt - denn letztlich war er das auch. Doch er konnte noch eine Sache tun. Eine einzige. Eine letzte. Ein kleiner Moment, auch wenn die Chancen gering waren, so musste er diese dennoch nutzen. Es war dieser Moment, der Jerec noch immer verhindern konnte, der Rahn die Kraft gab, die er dafür benötigte. Die Macht explodierte in seinem Körper und plötzlich hatte der Jedi-Meister das Lichtschwert von Jerecs unerfahrenstem Anhänger in der Hand. Er schwang die gelbe Klinge in dessen Richtung, verfehlte ihn aber, anschließend prallte sein Schwert gegen weitere Klingen von Jerecs Schergen. Doch noch hatte Rahn das Überraschungsmoment auf seiner Seite, spürte, wie er ein paar Sekunden haben würde, ehe seine Gegner sich formiert hatten. Er schwang das Schwert in Bauchhöhe gegen Jerecs höchste Schülerin. Doch die exzellente Schwertkämpferin wich zurück und so schlug Rahn erneut ins Leere. Im Schwung durchschnitt er stattdessen eine weiche Masse und die Brücke wurde von einem tiefen Schrei eingenommen, als irgendetwas hinter Rahn zu Boden fiel. Das verschafft dem Jedi für eine Sekunde die Lücke, die er benötigte. Er lief einige Schritte vorwärts und hob das Schwert gegen Jerec, der in diesem Moment überrascht herumfuhr, den Angriff nur mit dem raschen Erheben seiner roten Klinge abwehren konnte und sich ein paar Schritte von seinem Angreifer absetzte. Doch Rahn war schnell. Sofort fuhr er erneut herum in Richtung Jerec und hob die Klinge zum finalen Schlag. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn er nur eine Sekunde mehr Zeit gehabt hätte. Doch so fror er plötzlich in der Bewegung ein. Rahn verlor den Zugriff zu seinem Körper, als ein blendender Schein ihn erfasste und seine Beine nachgaben. Erneut fiel er auf die Knie, gelähmt von dem paralytischen Schock, der aus Jerecs Richtung gekommen war. Es war vorüber.

Irgendwie gelang es dem Jedi-Meister, die Augen zu seinem Gegenspieler anzuheben. Ein groteskes, höhnisches Lachen schallte ihm entgegen, während Jerec mit seinem Schwert ausholte. Die Stimme eines alten Lehrers hallte in Rahns Kopf wider, dumpf und wie die Dämmerung einer längst vergessenen Zeit. Dann sah er nur noch die leuchtende Einöde der Sterne vor seinem inneren Auge, als die blutrote Klinge ihm den Kopf vom Hals trennte.
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