#71
Der laue Wind in der Schlucht blies ihr kühl entgegen. Sie konnte nicht sagen, wie lange sie tatsächlich in die eine Richtung gegangen war. Zumindest so lang, bis alles außer Sichtweite war, bis sie nichts mehr von dem fühlte, was gerade geschehen war. Abseits davon, dass ihr Hals an den offenen Stellen brannte, gegen die sie noch immer ihre linke Hand presste, drückte mit der anderen die Sachen, die die trug, gegen ihre Brust. Als sich ihre Sicht verengte, schleppte sie sich voran, etwas seitwärts in Richtung der turmhohen Felswände. War sie denn zerstört? Ihrer Hoffnungen beraubt? Das hätte bedeutet, dass sie sich ihrer etwaigen Hoffnungen überhaupt bewusst hätte sein müssen, so sie überhaupt wirklich vorhanden waren. Das Zusammensein mit Reah war alles in allem keine Frage von Hoffnungen gewesen – denn Hoffnung hätte schlussendlich bedeutet, dass sie dem Monster die Erwartung eingeräumt hätte, sie würde es beseitigen können. Das war allerdings keine Hoffnung, keine Erwartung, die sie jemals besessen hatte. Unklar war ihr eigentlich nur, ob das, was jetzt geschehen war und was sie getan hatte, auch wirklich das war, was hatte geschehen sollen.

Allerdings hatte sie daran im Moment nur wenige Gedanken zu vergeben, während ihre glitschigen Finger immer wieder von ihrem Hals rutschten. Sie spürte, wie ihr Körper wankte und die Geräusche gedämpfter, hohler wurden als normal – ein schlechtes Zeichen, daher stolperte sie an den Rand der Schlucht, in der sie war, wo ein größerer, etwas glatter wirkender Fels vermutlich oben von den Canyons vor vielen Jahren herabgebrochen war und nun unten zwischen den beiden Felsvorsprüngen in der breiten Schlucht lag. Sie hielt sich an dem Fels fest, lehnte sich dann mit dem Rücken gegen ihn und glitt daran auf den Boden hinab. Nicht bequem, aber als sie dort schließlich auf dem staubigen Boden saß, mit dem Felsen als improvisierte Lehne für ihren Rücken, war es dennoch besser als weiter den Weg zu gehen und irgendwann in der Ödnis der Wüste zu landen, aus der sie gestern gekommen war. Dort saß sie eine Weile, sammelte ihren Atem und blickte auf die Felswand gegenüber, ziellos, ohne einen Punkt mehr als ein paar Sekunden vor Augen zu haben. Die Sachen waren ihr aus der freien Hand gefallen, lagen nun planlos neben und zum Teil auf ihr, doch erst nach Minuten begann sie es zu realisieren, blickte auf die Einzelteile hinab, die dort wie der Scherbenhaufen eines zertrümmerten Spiegels chaotisch verteilt lagen. Mühevoll, Stück für Stück war alles wieder zusammenzusetzen. Unmöglich vielleicht nicht, doch die Splitter im Spiegelglass mochten immer bleiben. Ungeschickt sammelte sie mit ihrer schwächeren Rechten die einzelnen Bestandteile des Medi-Kits ein, ein paar Verbände, Pflaster, Desinfektionsspray, legte sie in ihren Schoß. Zumindest alles, was sie noch brauchen konnte für den Moment. Erst dann atmete sie ein Mal durch, um sich zu sammeln, stellte den Versuch ein, gegen ihren Hals zu drücken und senkte die Hand, schob diese langsam in ihr Sichtfeld. Dort betrachtete sie ihre bluttropfende Hand einen Moment lang. Es war ein fast surrealer Anblick. Natürlich kannte sie es, das Blut anderer Personen an den Händen zu haben, das war als Heilerin manchmal gar nicht zu vermeiden. Es war auch nichts, mit dem sie nicht umgehen konnte. Weitaus Schlimmeres hatte man dabei schon gesehen. Doch mit dem Anblick der eigenen Wunde war schwieriger umzugehen – nicht dadurch, dass ihr dabei übel wurde, sondern sie erkannte, wie beschäftigt Geist und Körper schlichtweg damit waren, weiterhin zu funktionieren. Die Ruhe fehlte. Ihre Augen registrierten, wie ihre Fingerspitzen dezent zitterten. Doch sie musste sich zwingen, es half nichts. Der Kopf sagte ihr dagegen, sie müsse weiter fortlaufen, nur weg von dem Biest, das dort in der Höhle hauste. Aber der Körper wollte ungern weiter weg, ebenso wie abseitige Kräfte, die sie daran zu hindern schienen. Es war bequem, einfach. Und sie war wütend auf Reah – dass sie immer wieder in ihre zwingenden Fänge des Monsters verfiel, nicht einfach das war, was sie damals vereinbart hatten. Eben das zu sein, was sie waren. Die Hexe log durchaus – vielleicht nicht ihr gegenüber, aber beständig sich gegenüber, wenn sie sich einredete, dass die Kräfte, die über sie hereinbrachen, kein Zwang und keine Änderung waren. Nur war der Geist womöglich schon so daran gewöhnt, dass er davon nichts mehr realisierte.

Zähflüssig umspielte das Rinnsal rasch ihre Schulter, während sie einen Verband zweckentfremdete und versuchte, ihre Hand nutzbarer zu machen, indem sie diesen als Handtuch nutzte und daran herumwischte, bis nur noch der rötliche Kupferschimmer auf der Haut lag, der sich dann jedoch nur noch abwaschen lassen würde. Das verbesserte den Griff, den sie mit der Hand hatte, wieder etwas, allerdings wollte sie sich auch nicht mehr Zeit nehmen als nötig, begann dann, den Kopf etwas seitwärts zu neigen und die Klauenspuren an ihrem Hals beidhändig zu desinfizieren. Sie zuckte, presste die Lippen aufeinander, als der beißende Schmerz dabei ihr ins Gehirn drosch, dort loderte als plane sie gerade, die Wunde mithilfe eines feurigen Stockes auszubrennen. Irgendwann merkte sie, dass ihre Hände wieder unbeschäftigt in ihrem Schoß lagen und sie dort wieder zu zittern begannen, nachdem sie ihr Programm, ihre Routine beendet hatte. Dunkle, kreisrunde Flecken im Staub in ihrer Nähe, manche größer, manche kleiner, waren inzwischen eingetrocknet und zeichneten den Ort für die Ewigkeit, selbst wenn irgendwann die Ödnis alles verschlingen mochte. Sie fühlte, wie die Welt jetzt auch schon im Sitzen zu wanken begann und ihre Augenlider schwer wurden, daher lehnte sie ihren Hinterkopf wieder zurück, nach hinten gegen den schweren Fels, der ihren Rücken aufrecht hielt. Der Wind in ihrem Gesicht schien deutlicher zu werden, klarer. Es schien aber warm… und doch in der Tat nur wie ein Schein. Keine echte Hitze, eine gefühlte. Eine Hitze, die hier nicht brannte, sondern zu gefrieren schien. Ihr Kopf blickte in Richtung des Weges, aus dem sie gekommen war… und dann stand dort plötzlich jemand. Eine verschwommene, unklare Silhouette, doch eindeutig war es eine Person. Es gelang Sedrael nicht, ihren Blick zu schärfen, aber in dieser Richtung lag nur eines. Nur eine Person, die ihr gefolgt sein konnte.
„Kommst du also, um dein Werk zu vollenden?“, fragte sie Reah mit leiser Stimme, ihr Körper fühlte sich schwach und sie glaubte nicht, dass sie jetzt aufstehen konnte, um sich noch einmal gegen einen Angriff der Frau zu verteidigen. Doch so plötzlich, wie die Umrisse des Körpers aufgetaucht waren, verschwanden sie auch wieder. Sedraels Kopf wankte etwas, sie blinzelte schwer mehrfach hintereinander. Irgendetwas drang in ihre spitzen Ohren, Musik? Aber ihr Geist fühlte sich dämmrig an, und der rational denkende Teil in ihr begann darüber nachzudenken, dass sie halluzinierte – möglicherweise infolge des Blutverlustes. Vermutlich war Reah nicht hier, entschied sie. Ein Streich ihres Körpers. Allerdings drang auch irgendetwas um sie herum in sie vor, irgendein Gefühl, dass sie tatsächlich nicht allein war. Sie spürte zwar nicht Reah, aber etwas anderes… etwas sehr anderes. Der Wind schoss ihr noch mehr Wärme und Staubpartikel ins Gesicht, so dass sie ihre Augen verengte und ihre Kapuze enger an sich schob, um sich besser davor zu schützen. Doch vor dem, was war, schien der Schutz nicht möglich. Die Hitze entbrannte einen Stein in ihrer Nähe, ein Flammenmeer vor ihr, in dem sie etwas Bekanntes zu sehen vermochte. Es war das Wesen aus der Vision, die flammende Höllengeburt, die dort plötzlich an ihrer Seite gestanden und sie in Brand gesetzt hatte. Sie war hier, jetzt. Eine Wesenheit aus einer anderen Welt, war nun hier, hatte sie aufgespürt. Nur das Gesicht der Frau schien hier zu sein, losgelöst vom Feuerkörper, der nach ihr gegriffen hatte.
„Was bist du? Gib dich zu erkennen!“, forderte sie das Inferno mit langsamer, müder Stimme, aber durchaus trotzig auf. Denn sie konnte nicht mehr weglaufen, was auch immer mit ihr geschah, sie musste sich dem stellen. Ihr Körper war nicht in der Lage, etwas dagegen zu unternehmen. Und vielleicht lag es daran, dass ihr die berechtigte Angst genommen war, denn egal, was sodann passieren würde – am Ende war es, wie die Macht es wünschte. Denn letztlich… war das allein, was zählte. Vielleicht bedeutete das Scheitern an Reah genau das. Selbst wenn es am Ende das bedeutete, dass ihr Schicksal aus der Vision sich hier wiederholte.
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#72
Feuer war das Element, welches Syn liebte. Trotz ihrer eigenen Kälte konnte die erste Sith sich an der lebendigen Flamme ihres ewigen Zorns nähren und wärmen. Die Jahrtausende in ihrem Gefängnis hatten sie nicht nur einsam gemacht, sondern auch besessen von einer ihr selbst geschaffenen Prophezeihung. Sie hatte sich selbst mit einer Idee verbunden, damit ihr Geist die Jahrtausende überleben konnte, ohne zu zersplittern. Die eigentliche Strafe, die die Macht ihr auferlegt hatte, war noch nicht beendet. Feuer war ein Symbol ihrer Idee. Denn Feuer konnte zerstören, Dinge zu Asche verwandeln und andererseits einen Weg erleuchten sowie Unreines beseitigen. Dieses Feuer brannte nun für Sedrael. Die Flamme schwieg auf die Fragen.

Sie lächelte nicht einmal. Stille war die kalte Antwort aus der immer heißer werdende Flamme, welche immer mehr in das Gesicht der Jedi züngelte und Funken um ihren Kopf kreisen ließ. Das Feuer beobachtete. bewertete und durchdachte etwas. Die dämonische Seele im Feuer wollte verstehen, was dort vor ihr kauerte. Es war Schwäche in ihr. Eine wahrnehmbare Schwäche, welche aus Enttäuschung und körperlichem Schmerz erwuchs und sie daran hinderte Aufzustehen. Der Geist der Flamme berauschte sich an diesem Anblick einer kümmerlichen Jedi, die es gewagt hatte, an einen Ort zu blicken, der ihr verboten war. "Ich bin die Vergangenheit," antwortete der brennende Stein mit fremdartiger Stimme, die keinerlei Höhe oder Tiefe besaß. Es war ein dröhnendes Rauschen aus dem Knistern des Feuers.

Die Forderung wurde beantwortet, da sie Forderungen kannte. Eine Forderung war etwas anderes als eine Bitte. Bitten konnten abgewiesen werden aber Forderungen waren verbunden mit der dunklen Seite. Man konnte sie abwehren aber dennoch waren sie mit einer gewissen Gewalt versehen. Einem Trotz und einer Missachtung des Gegenübers. Missgunst war der Beginn eines dunklen Seelenweges. Die Flamme schien erfreut, indem sie einen Funkenregen in den Himmel entließ. Die Funken brannten, wie fallende Sterne, ab. Das durch Syn beseelte Feuer hatte immer noch kein klares Gesicht, sondern nur ein Schema dessen, was ein Gesicht sein konnte. Korriban hatte der Jedi etwas genommen. Etwas fehlte ihr. Es war nicht diese Bestie, diese Gestalt, welche gerade in den dunklen Tempel hinabstieg, die sie verloren hatte. Der Dämon überlegte angestrengt, ließ das Feuer nach Luft keuchen. Der Stein glühte rot. Korruption lag nicht nur in dieser Welt, sondern in den Gästen. Sie brachten sie schlicht mit und diese Welt nahm sie gierig auf, da Korriban nur noch durch Leid lebte. Es war eine Welt, die so oft Hass gesehen hatte und so oft angegriffen wurde, dass sie gänzlich davon profitierte, wenn Seelen auf ihr zerbrachen. Die dunkle Seite war hier der einzige Grund zum Leben. Korriban konnte enthüllen, wer man wirklich war. War man der falsche Verteidiger des Lichts oder doch der Zerstörer der Dunkelheit? Gab es hier noch Führung oder führte man sich selbst in die Hölle? Syn kam nicht um den Gedanken, dass Korriban immer eine Bestimmung besaß. Es leitete angehende Diener der dunklen Seite an und machte sie größer, indem diese Welt ihnen etwas Entscheidendes nahm. Auch hatte sie Vesperum etwas genommen. Syn genoss es, Teil der Geschichte dieser Welt zu sein und sie wusste, dass sie auch für deren starke Präsenz in der Macht verantwortlich war. Sie hatte hier die dunkle Alchemie erfunden, die noch Jahrtausende später bewundert oder gefürchtet wurde. Vesperum hatte mit seinem Schwarz, der Essenz aus dunkler Macht, nur einen Grundstein gelegt, wo sie einst viel weiter gegangen war. Syn war nicht nur böse, sondern ein Parasit in der Zeit. Sie lebte von ihrem verbohrten Willen und ihrer irrsinnigen Idee, mehr sein zu können, als lebendig. Ihre Alchemie, trotz der morbiden Anmut ihrer Geschöpfe, hatte immer einen künstlerischen Anspruch, einen besonderen Wert für ihre Bemühungen zur absoluten Dominanz über das Universum. Als Schöpferin der Kriegsbestien, wie den Terantateks oder den Tukata-Hunden, war sie zwar nur noch wenigen dunklen Dienern bekannt aber der Ursprung der Sith-Wissenschaft lag bei ihr.

Wo Ajunta Pall die politischen Ideen diskutierte und etablierte, schaffte sie die magische Komponente im Wesen der Sith. Es war ihre Magie, die korrumpierte und verdammte. Nicht nur das natürliche Streben der Sith nach Macht. Jede ihrer Handlungen war ein Verbrechen gegen die Macht selbst und am Ende war ihre Strafe eine Ewigkeit, gebunden an ihre Wirkungsstätten, damit sie, sofern sie die Gnade der Macht akzeptierte, dort Erlösung finden konnte. Doch Syn hatte nie im Sinn gehabt, erlöst zu werden, denn sie verabscheute dieses Vergehen. Ihr Wille war so verbohrt, so knochig, dass sie selbst ihr Schicksal bestimmen wollte. Auch im Tode. Es war zwar eine Hölle aber es war ihre Hölle, die sie einsam erduldete. Bis schließlich Vesperum eine Tür öffnete, die er nicht hätte öffnen dürfen. Die Hölle brach heraus und mit ihr Sorzus Syn. Ihre Infektion war keine Krankheit, sondern nur eine einfache Idee.

Sie war hier um diese Idee zu schützen und auch ihren Schüler. Darth Vesperum, der Hölle entkommen, war ihr williges Monster. Niemals wieder würde sie an diesen Ort zurückkehren. Nun bestand eine wahre Möglichkeit, den alten Traum zu erneuern. Und so lange Vesperum mit ihr träumte, war alles möglich. Dies ließ sich die dunkle Dämonin nicht mehr nehmen. Nicht von einer Jedi.

"Ich kann dir helfen," bot die Flamme an und log sogleich. Syn hatte nicht im Sinn, dieser Jedi zu helfen. Sie hatte das gesehen, was wohl das größte Geheimnis von Vesperum und Syn war. Es war die Vorbereitung des Aufstiegs. Eines alten Sith Rituals, welches sie einst an sich selbst durchgeführt hatte. Es hatte ihr einst die persönliche Hölle beschert und doch war es die Tür zu diesem neuen Leben gewesen, welches sie bald vollens bestimmen konnte. Das Grab war nicht ihr Kerker. "Du fliehst vor ihr, nicht wahr?" Syn hatte es gesehen, gespürt und wahrgenommen. Korriban war ein Teil von ihr, wie sie ein Teil von Korriban war. Hier geschah nichts, ohne ihre Teilhabe oder Beobachtung. Für die Feuerherrscherin mit der kalten Stimme war diese Frage der Einstieg in die Falle für die Jedi. Zudem war es auch immer eine angenehme Sache, wenn man selbst nicht mehr über Hände verfügte, fremde Hände zu entfremden. Beide Wesen waren eine Bedrohung für ihren Vesperum, den sie noch sehr brauchte und nicht aufgeben dürfte. Er war alles, was ihr blieb, nachdem sie ihren Geist aus ihrer Gruft gelöst hatte. Ohne ihn wäre nichts mehr. Die Jedi und die Bestie, welche sich wohl Reah nannte, waren eine Gefahr geworden, die diese Welt nicht lebendig verlassen dürften. Korriban sollte ihr Grab sein oder ein Gefängnis, welches sie brach. "Sie wird dir immer nachtrachten," sagte die kalte und rauschende Stimme ohne Tonfarbe. Das Hilfsangebot war keine Hilfe, sondern ein Versuch, die Jedi auf einen neuen Weg zu führen, der sie verdammen sollte. Selbst wenn sie überlebte, würde sie Korriban dann nicht mehr loslassen. Die dunkle Seite war einfach zu erschließen, auch für diese Jedi. "Willst du leben?" Das Inferno zog sich etwas zurück, reduzierte die Abstrahlung und schien besorgt zu weichen.
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#73
Die Vergangenheit? Nein, irgendetwas… war nicht richtig daran. Teile der Vergangenheit, vielleicht vielerlei. Diamantene Splitter, die im Schein der Sonne gierig funkelten, dort lagen, zum Griff bereit und spiegelnd in hässlichen Zerrbildern. Die Worte pulsierten in bizarren Lauten, schief, abstoßend, ohne den melodischen Klang einer Stimme, mehr schnarrend wie ein künstlich hergestellter Laut, der zufällig so etwas wie Worte imitierte. Die Manifestation schnarrte weitere Buchstaben, bis hin zu Worten und knappen Sätzen heraus. Doch was auch immer es war, es verstand nicht. Nein, sie floh nicht vor Reah. Nicht dauerhaft, zumindest noch nicht. Am Ende war es vielmehr so, dass Reah vor ihr floh – nur eben auf ihre eigene Art und Weise. Wenn die Hexe ihr nachtrachtete, war das an sich gar nichts Schlechtes. Im Gegenteil. Zumindest solange es auf der Basis war, dass sich beide nicht einander umbrachten. Diese Grenze schien Reah übertreten zu haben und darum saß sie nun hier. Sie hatte überhaupt nicht vor, endgültig vor der Frau zu flüchten. Ein Teil von ihr, sicherlich. Ein größer werdender Teil. Vielleiht auch der Teil, der ganz zu Beginn den Schwertknopf hatte betätigen wollen, der die Frau sterben und bezahlen lassen wollte. Ein Teil von ihr, der – wahrlich – existierte, irgendwo verborgen in ihr, mal mehr, mal weniger. Doch er war verborgen, versenkt in einer Gruft tief unter der Erde, an der ihre Hände hin und wieder graben wollten, um ihn hervorzuholen und zuzupacken. Aber vielleicht ruhte dieser Teil dort auch in aller Ewigkeit, fand seine zeitlose Stätte ohne jemals das Tageslicht zu sehen. Und dann war es auch gut so, wie es eben war.

Mit halb geschlossenen Augen betrachtete Sedrael das flammende Objekt vor ihr, schüttelte langsam den Kopf.
„Zu wenig Wasser“, murmelte sie unverständlich zu sich selbst und außerhalb jeden Zusammenhangs. Was auch immer hier war, sie halluzinierte offenkundig und sprach nur mit sich selbst – oder einer Facette ihrer Selbst, die irgendwo entfernt existierte, existieren musste. Doch immerhin war sie noch so weit bei Sinnen, es zu merken. Nicht mehr lang und selbst das mochte fort sein. Viel schien nicht zu fehlen. Um es zu kompensieren, musste sie infolge des Blutverlusts trinken, ihre dunklen Lippen waren trocken, rissen im staubigen Wind ein und ließ sie diese instinktiv aufeinanderpressen. Offenkundig war nichts hiervon real, so eingebildet wie die Umrisse der Person, die Silhouette, die sie eben noch geglaubt hatte zu sehen und die ebenso rasch wieder verschwunden wie sie auch getaucht war. Dieser Ort schimmerte zwielichtig und entließ Gedanken aus den hintersten Pfeilern ihrer Gedankenwelt, verborgen im Dunkelschatten des Lichts, dort wo sonst nichts mehr sein durfte. Was konnte es bedeuten, dass sie sich hier ausgerechnet das wirre Geschöpf aus ihrer Vision einbildete? Sie wusste es nicht, und doch schien es auch nicht die Zeit zu sein, darüber nachzudenken. Irgendwann später, doch nicht jetzt. Sie verlagerte das Gewicht ihres Körpers ein wenig seitwärts, so dass sie den Felsen hinter sich packen konnte und hievte sich mit Mühe daran hoch, zurück auf die Beine. Ihre Augen verzogen sich zu dünnen Schlitzen, als ein dröhnender Schmerz in ihrem Schädel sie beim Aufstehen dazu zwang. Die Kopfschmerzen wurden noch intensiver, als sie sich nach vorne beugte, um ihre Sachen wieder vom staubigen Boden zu klauben.

Ihr wurde beständig wärmer, vermutlich nur ein Nebeneffekt der aufziehenden Sonne, die nun immer höher im wolkenverhangenen Nebelkerzenfirmament über ihr thronte. Feine Schweißperlen bildeten sich wieder auf ihrer Stirn, mehr der kostbaren Flüssigkeit, die aus ihrem Inneren gepumpt und der Welt als Opfer preisgegeben wurde. Die empfindlichen blauen Augen brannten bereits jetzt, nagend hinter den Augenhöhlen, wenn sie in die Flammen des Steingesichts blickte. Ihre Hand schob sich davor, um sie vor dem Schmerz zu schützen, der darin lauerte, gleichermaßen in Körper und Geist. Die Illusion wirkte erstaunlich real, war jedoch so wirr und durcheinander, dass sie sich als solche enttarnt haben musste. Wie sollte eine Facette ihrer Selbst ihr helfen? Es war immer noch sie selbst, nicht, das sie nicht von sich kannte oder wusste, dass es in ihr – wie in jedem anderen auch – existierte. Die Ödnis der Staubkugel lag offen vor ihr und nichts an Sedrael selbst vermochte dies in der einen oder anderen Richtung zu ändern. Wille. Ein Wort, das hier überhaupt keine Maßgabe besaß. Sie lachte trocken der Halluzination entgegen, leise, keuchend, aber doch ehrlich amüsiert, bis zu dem Punkt, als sie nicht anders konnte, als mit sich selbst zu sprechen, um der sengenden Stimme zu erwidern, die dort rabenhaft saß und ihre Schwingen ausgebreitet hatte, nur um imposanter zu erscheinen. Vielleicht wollte ein Teil von ihr all das nicht verstehen, doch sie musste ihn verstehen lassen. Ihn… bändigen, zähmen. Doch solange sie ihn nur belächelte, war es wohl nicht möglich – aber es war einfacher, weitaus einfacher als sich ihm zu stellen und ihm Existenz zuzugestehen, die sie ihm eigentlich gar nicht zugestehen wollte.
„Ob ich will?“, höhnte sie daher zu sich selbst in Form des irrealen Steingesichts, leicht krächzend, bis es in ein Husten überging. Ihr eigener Wille war letztlich bedeutungslos, änderte nichts, weder an dieser Situation noch an anderen. Es war nur ein Wille, einer von Endlosen. Jeder mit eigenen Wünschen angereichert, teilweise sich widersprechend. Der eigene Wille war am Ende kein Maßstab für die Macht. Die Macht dehnte und beugte ihn, schuf und zerstörte ihn. Ein kleines Wesen, physisch und psychisch in seiner Existenz und Wahrnehmung beschränkt, war zu belanglos als dass sein Wille in irgendeiner Form Relevanz hatte.
„Ich lebe. So es der Macht gefällt, werde ich das auch weiterhin. Andernfalls…“
Ihr Kopf glitt kurz zur Seite, in Richtung des erdigen Bodens. Sie nahm etwas davon in ihre Linke, einen Erdklumpen und zerdrückte ihn, so dass die trockene Erde zerbarst und in tausenden einzelnen Partikeln aus ihrer Hand von der Windbrise fortgetragen wurde. So war es nun einmal, Dinge kamen und verschwanden. Sie selbst ebenso wie alles andere auch. Warum erklärte sie sich selbst? Die Macht war ein wundersamer Begleiter, selbst jetzt noch, wo ihre Sinne wieder schwächelten und es ihr nicht gelang, die Kontrolle über sich selbst zu finden. Es war wie vorhin, gegenüber Reah. Wo sie verängstigt gewesen war, von dem was sie gesehen und ihr in der Vision widerfahren war, wo die Kontrolle einen Moment lang blockiert war und das Picken an den Diamanten durch den Schnabel bereits spürbar wurde. Es war der Zwiespalt gewesen, den die Frau immer wieder herausgefordert hatte, der Zwiespalt aus ändern und bleiben – aber warum? Warum verlangte Reah beides von ihr, einen Widerspruch, dem sie ohnehin niemals gerecht werden können? Am Ende stand nur das Steingesicht im Weg, das den Widerspruch überhaupt erst möglich machte – allein, indem es existierte. Kontrollieren war zwar machbar, aber nicht immer, nicht in jeder Situation. Ignorieren ließ es nur wachsen, ihre Gedanken unterschwellig vergiften, vielleicht ohne dass sie es wünschte oder gar realisierte. Ihr verengter Blick landete kurz auf dem Teil ihrer Wesenheit, der vor ihr flimmerte und ihre Weltsicht unscharf werden ließ. Der Sekundenblick vor das Höllentor. Aber akzeptieren… war steinig, fehleranfälliger als alles andere und rief einen beißenden Ekel in ihr hervor, dem sie sich nicht bereit war zu stellen. Noch nicht. Vielleicht niemals.
„Ich… muss zurück“, sagte sie langsam und zwang sich, davon wegzusehen. Sich Reah zu stellen, war nur eine Frage der Zeit, ein Erfordernis, das passieren musste, ganz gleich wie lange sie es aufschob. Die beiden Gefährtinnen waren noch nicht getrennt – und wenn es bedeutete, dass sie beide wieder aufeinander losgingen, dann war es am Ende vielleicht sogar das, was sein musste. Solange sie das Flammenmeer nur kontrollieren und nicht akzeptieren musste. Und so wandte sie sich wieder ab, ließ sich selbst in wütenden Flammen zurück und schlurfte wieder mit müden Schritten in die Richtung, aus der sie gekommen war. Aber ob das Inferno sie noch einmal ließ oder ihr nun wütend in den Rücken fiel, um sie aufzuhalten und ihrer habhaft werden zu wollen?
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#74
"Nein," sagte das Feuer. Syn konnte nicht zulassen, dass sich diese elendige Jedi entzog. Wütend darüber, dass ihre Illusion nicht den gewünschten Effekt gehabt hatte, ließ sie das Feuer ausbrennen, in einer großen Flamme. "Nein," rief eine nun klare Stimme aus dem Wind, der immer mehr peitschte und ihr den Rückweg versperrte. "Nein," wiederholte der Wind immer wieder. Es war nicht zu wenig Wasser, oder Korriban selbst, die an ihr Leben wollten, sondern Sorzus Syn, die ewig Verdammte. Der Stein verlor an Wärme, glimmte nach und doch schien das Feuer nun an einem anderen Ort zu sein. Enttäuschung über die Unfähigkeit der Jedi, in die Macht zu blicken und die Kräfte zu erkennen, wollte Sorzus ihr wirklich eine brennende Welt zeigen. Eine Welt, die sie selbst vernichtet hatte. Und doch war da etwas in dieser Jedi. Eine Kälte, eine Gleichgültigkeit über dem Leben selbst, welches die Macht verhöhnte. Die Jedi glaubte der Macht zu dienen aber handelte niemals. Sie sucht nur diese Bestie auf, gebunden an dieses Monster, aus falschem Schicksalsglauben. Sorzus Syn war amüsiert, dass diese kleine Blume nichts unternommen hatte, um überhaupt etwas zu retten. Sie war vor dem alten Jedi Orden davon gelaufen, vor ihrer Verantwortung und auch vor der Entscheidung, überhaupt etwas zu tun. Diese Jedi hatte in ihrer eigenen sturen Verbohrtheit ein eigenes Weltbild gezimmert und lebte bereits in Illusionen. Sie sah die Macht nicht, sie konnte sie nicht sehen, da sie sich folgsam an dieses Weltbild klammerte. Niemals eingreifen. Niemals handeln, sondern nur dem Fluss folgen. Dabei vergaß sie, dass die Macht auch Entscheidung war. Syn wollte lachen und so lachte der Wind für sie, der Sedrael immer mehr Sand ins Gesicht warf, welcher an der Haut kratzte. Diese Verbindung zu dieser tötungswürdigen Kreatur, genannt Reah, schien morbide und war eine seltsame Ironie, dass diese Jedi gerade glaubte, an ein Monster gebunden zu sein. Nie hatte sie klare Entscheidungen getroffen, nie wollte sie etwas mehr sein und doch glaubte sie an dieses Monster, das nichts mehr hatte als ein kümmerliches Dasein in der Dunkelheit. Abseits von hier litt es und Stück für Stück zerbrach der fragile Rest Verstand.

"Du glaubst an die Macht? Dann glaube auch an Entscheidung," sagte die nun melodische Stimme der Syn aus dem Wind hinaus. Sie amüsierte sich köstlich über diese dumme Jedi, die nicht verstehen wollte, welche Kräfte wirklich herrschten. Die Macht war weitaus mehr als bloße Existenz, mehr als Leben und Tod, sondern es war der Nexus des Absoluten. Sie wollte der Macht nicht missfallen und doch hatte sie es mehrfach getan, durch schlichte Feigheit. "Feigling," donnerte Syn. "Du warst immer feige," sagte sie abermals, im festen Glauben, dass diese Jedi feige war. "Nur in einer Sache nicht. Du willst zu diesem Monster zurück, dass nur töten kann. Es wird Leid bringen. Und du dienst ihm, willst ihm helfen." Der Wind wurde immer stärker, bis sich die Jedi kaum noch auf den Beinen halten konnte. "Jedi," wertete sie abfällig ab, als sie mit der Macht die junge Frau anhob, in den Sturm hinein. Der Sturm zog sie hinauf, wobei der elfischen Kreatur immer wieder kleine Steinchen in die Haut schlugen, um sich dort hinein zu bohren. Doch ihr Gesicht blieb aus merkwürdigen Gründen verschont. Scheinbar sollte sie etwas spüren aber auch sehen. Der Sturm zog sie immer weiter hinauf, bis unter die Wolkendecke. "Du glaubst an die Macht?" - fragte Syn und drohte unterschwellig mit einer Boshaftigkeit. "Es gibt kein zurück," erklärte sie. "Es gab nie ein Zurück." Der unheilige Machtgeist lachte leise, als weniger Steinchen gegen Sedrael prallten und sie still unter den Wolken schwebte, umschlossen vom Sturm selbst. Sie stand nun im Auge selbst, die Beine baumelnd, gehalten durch unsichtbare Hände, die sie nicht einmal spüren konnte.

"Du suchst eine Blaupause für dein Leben, nicht wahr? Ein Geheimnis hinter der Macht?" Syn immer noch amüsiert über diese Jedi, wandte sie herum, bis sie als Machtgeist neben ihr erschien. Ein blauer Schimmer umgab das Schemenbild ihrer einstigen Person in Kutte. In ihren Augen lag reine Verderbnis und ihr Lächeln war so fremd, dass es selbst dem Sturm Ungerechtigkeit antat. "Ich kann dich einfach fallen lassen," sagte Syn wohlwissend und fordernd. Sollte die Jedi entscheiden, was sie mit ihrem Leben anffing. Es lag an ihr. Doch was Sedrael nicht wissen konnte, dass Sorzus Syn nur begrenzte Zeit in dieser Pose hatte und auch auf die Jedi angewiesen war, um das Monster zu beseitigen, welches sie verachtete.
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#75
Die Winde Korribans begannen zu peitschen, aus der Ferne zuerst, nur schnappend zunächst zu hören, erst irgendwann war das Geräusch hinter den spitzen Ohren zu nehmen, lauter, immer lauter. Sedrael konnte die Luft in ihren Händen greifen, sie nahezu festhalten mit ihren vom Blut verkrusteten Fingern. Sie betrachtete den Wirbelsturm in ihrer Hand, spürte, wie er gleichermaßen real und surreal war. Irgendetwas kreuzte sich dort in der Realität, die Macht vielleicht. Der Wind akzeptierte die Zähmung aber nicht, er wollte frei bleiben, unbändig. Nein, wisperte er, donnerte es immer wieder aufs Neue. Er wurde stärker, blies ihr ins Gesicht und ließ ihre Kleidung wallen. Plötzlich und unnatürlich. Sie verengte ihre Augen, hob eine Hand vor ihr Gesicht, um es vor dem Staub und den Winden schützen zu können, ein beinah aussichtsloses Unterfangen. Irgendwann war der Donner mehr als nur Worte, der Sturm mehr als Hauch in ihrer Hand. Worte wurden zu Sätzen. Mehrere. Eine Stimme bildete sich heraus, wie Raufaser, die am Inneren ihrer Haut schabte. Was redete die Stimme da? Alles… ja, alles daran war die Unwahrheit, gelogen. Nichts stimmte. Sedrael verstand den Sinn, ja den Anlass der Worte nicht. Wer konnte nur behaupten, sie entschied nicht? Welch törichte Anmaßung. Alles, was sie je getan hatte, hatte sie entschieden: Sie hatte entschieden, zur Jedi zu werden. Sie hatte entschieden, keine mehr sein zu wollen. Sie hatte entschieden, nach Firrerre zu gehen. Entschieden, mit Reah zu gehen. Wer sprach ihr nun den Glauben ab, dass sie nicht an die Macht der Entscheidung glaubte? Es war… verrückt. Irrgeleitetes Geschwätz, das auf sie einprasselte, unklar aus wessen verzerrten Geist es stammte. Nur weil Grund oder Ergebnis der Entscheidung womöglich nicht gefielen, so war es dennoch immer eine Entscheidung gewesen. Mal eine Fehlentscheidung, mal nicht. Aber wer nur eine bestimmte Entscheidung erzwingen wollte, erbrachte das Gegenteil von Entscheidung: Er wollte Zwang. Und nun also auch noch Feigheit? Feige wäre es gewesen, seine Werte zu verraten und dem Blutdurst des großen Krieges nachzugeben. Viel leichter und einfacher wäre es gewesen, sich einfach zu fügen und alles seinen Gang gehen zu lassen. Die Stimme hatte keine Ahnung, was sie das gekostet hatte, welche Überwindung dahinter gesteckt war. Und jetzt glaubte die Stimme, ihr dies vorhalten zu können? Feige war es, schwache Wesen zu knechten, die sich ohnehin nicht wehren konnten. Ihnen Willen aufzuzwingen, weil man mit ihrem Willen nicht umgehen konnte. Das war Feigheit, es war Schwäche.
„Wer bist du, über mich zu richten!“, rief sie in den Wind hinaus, den Vorwürfen entgegen, sie konfrontierend.

Doch anstelle einer Antwort peitschte der Wind knallend um ihren Körper, schlang sich darum und riss sie mit. Wie von einer mächtigen Woge erfasst, wurde sie durch die Luft gewirbelt, verlor binnen weniger Augenblicke völlig die Orientierung. Sinnlose Versuche, irgendwo noch Halt zu erlangen, scheiterten. In ihrem Kopf pochte es, bis sie für ein paar Sekunden nur noch Sterne vor Augen sah, ehe sie realisierte, dass es tatsächlich der echte Himmel war, der über ihr wachte. Zerrissene Gedankenfetzen reihten sich aneinander. Oder… war doch etwas Wahres daran? Vielleicht nicht so oberflächlich, wie es die Stimme versuchte darzustellen. Aber tiefer, irgendwo in sich selbst war da ein Saatgut des Zweifels. Ein spitzer Stein zerschnitt ihr die Handfläche, riss sie aus dem Gedanken. Sie schrie auf. Ein Blitzen, gleißendes Licht voller Schmerz, der sie durchzuckte. Der nächste Gedankensplitter, fortgetragen im dauernden Zwiespalt zwischen den Worten und ihrer Reaktion darauf, für die ihr nie Zeit blieb, ehe der nächste Stein einschlug. Der nächste Fetzen. Auch Passivität war eine Entscheidung. Es war immer noch ein Widerspruch, Entscheidung einzufordern, sie aber nur zu billigen, wenn sie einem gefiel. Es war die kalte Hand des Egoismus, die sich einem dann auf die Schulter legte, einen voranstieß, um einen das tun zu lassen, was er tun wollte. Aber eben auch nur das, während er sich freute an den Folgen, vorteilhaft nur für ihn, aber nicht für einen selbst. Ein weiterer Stein schnitt ihre Haut entzwei. Keuchend blieb ihr der Schrei im Halse stecken, ein Ton, der irgendwo in ihrem Körper eingesperrt blieb. Festgesetzt wie ein Geschwür, das dort kratzte und versuchte zu entkommen, es aber niemals schaffte. Der Sturm heulte seine Wörter, sein vorwurfsvolles Lied mit der Stimme eines Fingernagels, der eine glatte Oberfläche langsam und genüsslich laut zerkratzte, Schauer verursachte. Ein mordendes Monster? Taten sie dann beide dann nicht das Gleiche? Sedrael wusste jetzt bereits, dass dieses Wesen… dieses Nebelgeschöpf dort gewesen war, in ihrer Vision. Die Stimme war es. Sie war es. Ein grausamer Gedanke, ein unwirklicher und unmöglicher. Eigentlich konnte es nicht sein. Selbst in der fließenden Trennung der Real- und der Nachwelt im Fluss des Willens der Macht war nie von jemandem erdacht worden, dass noch Einfluss auf die Jetztzeit genommen werden konnte – es war ein unnatürlicher Zustand, der die Macht pervertierte, ihr den gewollten Abschluss nahm, indem sich etwas weigerte, in ihr aufzugehen. Es war ein abstoßendes, fauliges Gefühl, das sie dabei spürte, sich ekelerregend in ihr ausweitete, aber doch diese Wahrheit verkündete: Nein, es war leider nicht unmöglich. Und diese Stimme, der Feuernebel war mit bei dem Ritual des Schädels gewesen, in dem knochenzermahlende Asche das Leben anderer ausgehaucht hatte. Wenn Reah nur Leid brachte, brachte er nur Asche. Er war nicht besser, sie beide wussten es. Man musste es wissen. Es schien eigenartig, dass das Wesen ihr dies vorwarf. Ein merkwürdiger Widerspruch. Und dann, ein weiterer Stein in ihrer Haut, riss den Gedanken aus ihrem Körper und trug ihn hinaus in den Sturm, wo er unterging, die harte Oberfläche des felsigen Brockens brachte neue Wörter, neue Fragen mit sich. Nein. Sie wollte keine Blaupause. Es gab ohnehin niemanden, der ihr eine geben konnte. Niemanden, der eine solche hätte anfertigen können. Daher nutzte es auch nicht, nach einer zu suchen. Die Blaupause für jeden und alles war letztlich die Macht und das, was ihr Wille gebot – aber ob man selbst diesem zuwider oder zuträglich handelte, oblag nur einem selbst. Das kratzende Nebelgeschöpf weigerte sich selbst jetzt noch, der Macht Anerkennung zu bieten, sondern hielt sich noch immer hier, irgendwie. Und diese Person, sie glaubte, sie zu kennen? Sie verstand gar nichts. Sonst hätte sie gewusst, dass Sedrael ihrer Gefährtin weder diente noch half. Wenn sie sich den Fortgang der Ereignisse seit Firrerre anblickte, so konnte sie sich nicht an einen Moment erinnern, in dem ihre Anwesenheit der Inquisitorin in irgendeiner Form geholfen hätte. Die Frau hatte nie verlangt, dass sie etwas Bemerkenswertes für sie tat. Weder in die eine noch in die andere Richtung. Stattdessen war sie nun verloren auf einem einsamen Planeten, in einer schäbigen Wüste ohne Zukunft, welche sich daran klammerte, was hier einst gewesen sein mochte. Kein Dienen, kein Helfen. Es war niemals eines dieser Dinge gewesen. Weder von ihrer Seite noch von der der Hexe. Es war… etwas völlig anderes. Etwas, das der immer weiter komprimierende Nebel vor ihr – langsam eine Gestalt annehmend – niemals verstehen würde.

Die Steine zermarterten den Körper der Sephi weiter, mal oberflächlich, mal ein Aufreißen. Ihr Kopf sackte kurz herab, sah den staubigen Boden unter sich in erstaunlicher Entfernung, als schwebe sie hunderte Meter frei in der Luft. Illusion? Oder vielleicht war es wirklich so. Der Übergang war fließend. Die Gestalt vor ihr flimmerte halb durch den Sturm, bläulich wie ein frischer Eiskristall. Es war das Wesen, das sich lange angekündigt hatte. Sedraels Pupillen verschwanden wieder, das Weiß in ihren Augen begann zu funkeln. Zukunft. Gegenwart. Vergangenheit. Prismen funkelten und spalteten die Realität in verschiedene Bilder. Bilder vor ihrem Auge, rötliche gehörnte Kreaturen, die vor Personen in schwarzen Kutten knieten. Eine riesige Blockade um den Planeten, rote Streifen, die aus der Oberfläche auf die Welt krochen und sie in Staub und Krater verwandelten. Ihre zitternden Finger verzerrten das Bild immer wieder, verengte sich, als sie zuzupacken versuchte, knüllte sich wie ein Blatt Papier vor ihr zusammen. Sie blätterte im fiktiven Bilderalbum vor ihr, schwere Seiten, tausende Jahre alt. Aber der Sog des Prismas war stark, fing die unbenannten Erinnerungen vielleicht der Macht wieder ein und so sehr sie diese noch anfassen konnte, verschwanden sie immer weiter in der Ferne. Am Ende brannte ein Bruchstück besonders stark. Irgendwo in all den Facetten des Prismas war sie im Auge des Sturms, verängstigt, keuchend, wimmernd. Was... was geschah hier? Die Macht pochte in ihrer Stirn, drosch dort als Pauke immer wieder. Gefühl war aus all ihren Gliedern gewichen, die nur noch puppenhaft in der Luft lagen.
„Asko…“, winselte sie verzweifelt, immer und immer wieder, stammelte den Namen immer mehr, aber ihr Freund war schon ein Mal nicht gekommen und kam vermutlich auch niemals wieder. Schon gar nicht hierher. Und es war auch besser so. Stattdessen fand sie sich im Prisma nahe einem finsteren Geist wieder, der wenige Meter vor ihr mitten in der Luft schwebte. Was davon real war oder auch nicht, war unmöglich zu sagen. Ein Teil von allem vielleicht. Sedrael spuckte Blut aufgeschlagener Lippen aus dem Mund, der kupferne Geschmack blieb aber dennoch. Womöglich eine Folge des Steineregens oder sie hatte ihre Lippen einfach aus Unachtsamkeit selbst zerbissen. In ihrem Gesicht der pure Horror vor dem, was vor ihr passierte.
„Was ist das hier? Was... was willst du von mir, Geist?“, stotterte sie mühevoll hervor, erst Momente später, als sie ihre Stimme wieder gefunden hatte.
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#76
Worin lag Weisheit? Was war eine Antwort wert? Gab es Hoffnung? Oder war auch diese Hoffnung längst verstorben. Der Punkt, dieses Zentrum der Macht, welches Sedrael fühlte, war fern und doch nahe. Gebunden und angekettet durch Syns Fesseln, schwebte sie weiterhin in Position gehalten. "Asko wird nicht kommen," hauchte der Dämon in seinem blauen Schimmer. "Wir sind allein," sagte Syn, die dann schwieg. Die gestotterten Fragen, hinaus gestammelt aus einer bemitleidswerten Kreatur, die mit Mächten umgeben war, die sie nicht verstand. Sie war einer dunklen Jedi gefolgt, hatte sich nie aktiv widersetzt, sondern war aus Syns Perspektive immer geflüchtet, um ihrer eigentlichen Aufgabe zu entkommen. Für eine Sith, wie Syn, lag nur im Kampf, im aktiven Widerstand gegen die wahrgenommenen Ungerechtigkeiten Mut und in der Flucht in Ideale und Selbstgerechtigkeit lag falsche Sicherheit. Es war feige, sich hinter der falschen Moral und Passivität zu verstecken. Die Jedi hatte nie aktiv für etwas eingestanden, sondern war schlicht gegangen, wenn es ihr passend erschien. Für Syn war diese Jedi-Kreatur lächerlich. Ihr Vesperum handelte, stellte sich gegen die Macht selbst und fand in seinem Kampf Stärke. Syn antwortete nicht mehr, ließ die Jedi weiter schweben, um sie zu betrachten, wie ein Forschungsobjekt. Die dunklen Mächte wirkten auf den Körper ein, frassen sich hinein, dass eine Kälte mitsamt Frost in ihre Glieder kroch. Der alte Geist fühlte, wie die Taubheit über die Jedi kam. Eine Antwort hatte Zeit. Sie hatte immer Zeit und wenn Syn eines war, war es geduldig. Zwar hatte sie einen bösen Spaß daran, diese Jedi zu verhöhnen aber hatte es nicht eilig damit, sie zu töten oder zu gebrauchen. In ihrer Position des Leides und in ihrem Gesicht der pure Horror vor dem, was vor ihr passierte. Syn erfreute sich daran. Jedi zu quälen war eine Genugtuung nach den Jahrtausenden. Die Jedi waren Schuld an all dem, sie waren die Ursünde dieser Galaxis, die alles verdorben hatten. Die Jedi waren das Geschwür, welches die ersten dunklen Jedi hervorgebracht hatte und Syn sah sie als ständiges Problem an, die immer wieder die Gerechten am Aufstieg hinderten. Sorzus Syn fühlte sich erneut daran erinnert, was einst gewesen war, als sie vom Orden verbannt wurde. Man hatte sie nicht einfach in einem Kampf getötet, sondern weggeworfen, ausgestoßen von dieser Galaxis und sie mussten mit ihrer ganzen Macht eine neue Zivilisation aufbauen. Das Wesen der Sith lag in diesem Hass.

Die Jedi hatten sie verstoßen. Nicht einmal ihre Standpunkte wollten die Jedi anhören. Nicht einmal zuhören, warum sie der dunklen Seite verfallen waren. Man warf sie einfach weg. Ihr ganzes Leid war bedeutungslos für die Jedi. Sorzus Syn erinnerte sich gut. Aber erst durch diesen Schmerz hatten sie zur wahrer Größe gefunden, als Gründer des Sith Imperiums. Sie waren die Grundidee der Sith, die Verkörperung einer antiken Kultur der ultimativen Freiheit. Kein Schicksal sollte sie mehr in Ketten legen. Der Absturz auf Korriban, genau hier, war ein Wunder gewesen. Erst Korriban hattes ihnen erlaubt, mehr zu sein, als nur Verstoßene. Sie wurden Götter unter den Lebenden. Die Jedi waren Feinde, nicht weil sie es sein wollten aber sein mussten. Die Jedi waren scheinheilige Heuchler. Sie logen, betrogen und benutzten eine Ideologie, um ihren eigenen Machtanspruch zu rechtfertigen und die Sith hatten im Gegensatz einen ehrlichen Zugang zur Macht, über ihre Gefühle und eine Ideologie der Herrschaft. Syn schmunzelte bei dem Gedanken, dass gerade ihr eine passive Jedi in die Falle geraten war. Eine Jedi, die dieser selbstgerechten Ideologie alles opferte und doch nicht den letzten Schritt gehen wollte. Die Macht würde ihr nie antworten, denn sie antwortete immer nur durch Personen. Der dämonische Geist tänzelte lautlos um Sedrael. Die toten Augen lagen auf ihrem Gesicht. Die Zeit schien nicht mehr zu vergehen. Nichts verging mehr. "Ich will nichts mehr," erklärte sie dann.

"Nichts mehr," wiederholte sie. Diese Jedi war nutzlos. Sie war nicht brauchbar aber dennoch eine Gefahr, weil sie etwas gesehen, was der dunklen Hexe von besonderer Bedeutung war. Diese Rituale sollten ihr größtes Meisterwerk erschaffen. Einen neuen Gott, mit dem sie die Ewigkeit teilen konnte und der ihr neues Leben gab. Nicht unbedingt ein Leben im Sinne des Begriffes aber eine Existenz mit Handlungsmacht. Diese Jedi bedrohte dies nun mitsamt der Bestie, die unweit eingesperrt war. Ihr verfluchtes Kind, dieser von Trauer und Selbsthass zerfressene Kadaver eines einstigen Menschen, war noch nicht bereit, noch nicht soweit, dass er alleine bestehen konnte. Die Jedi bedrohte mit ihrer Erkenntnis, was Vesperum tun wollte, nicht nur seine reststerbliche Hülle, sondern auch ihren Plan ihn zu erheben. Noch war er nur der Samen, schon fast eine dunkle Dornenranke, die bald die ganze Galaxis durchwachsen würde aber noch musste der Samen mut Blut und Zorn begossen werden, damit er wuchs. Die Bestie mit ihrem Wunsch den Samen zu zerschmettern, war eine Gefahr aber die Jedi, welche wusste, was Vesperum mächtig machte, konnte alles vernichten. Vesperum konnte Reah Nigidus mit seiner baldigen Macht, die sie ihm geben würde, niederwerfen aber diese kleine mitleidige Kreatur wusste um das Ritual. Sofern sie weise genug war, würde sie bald herausfinden, wie Vesperum aufzuhalten war. Das musste verhindert werden. Sedrael war der größere Feind geworden. Syn wurde es gerade klar, dass diese Jedi eigentlich sterben musste.

Doch etwas hielt sie zurück, sie einfach abstürzen zu lassen. Nicht nur, dass sie befürchtete, dass die Jedi mit der Macht ihren Sturz abfederte, sondern auch, dass sie Reah bereits etwas berichtet hatte. Zwar hatte sie die Gespräche der beiden gesehen aber durch die dunklen Ströme dieser Welt nicht vernehmen können. Es war kompliziert geworden und die Zeit knapp. Nicht mehr lange und sie musste zurückkehren. "Ich biete dir Erlösung," sagte der Geist und begann einen neuen Plan für die Jedi zu entwickeln. Sorzus Syn senkte Sedrael sanft und behutsam ab. Der Sturm schadete ihr nicht mehr und sie landete sanft auf dem Boden. Syn legte sie sanft im Staub ab. Nur die Wunden blieben. Korriban sollte das Gefängnis der beiden sein. "Die Macht hat ein anderes Schicksal für dich," erklärte der Dämon mit totem Gesicht. Ihr Plan umfasste eine Kreatur, die sie damals erschaffen hatte und die immer noch schlummerte. Sie hatte sicherlich Hunger, wenn sie die alte Kreatur wieder erweckte, um die beiden Feinde zu jagen. Ihr alter Freund wartete nur darauf. Es gefiel ihr, dass sie mit den beiden einen Happen für ihren alten Sohn von Krespuckle, dem Immerhungrigen. Sie hatte ihn einst, bevor auch sie verstarb, außer einer DNA-Spore ihres Lieblings erschaffen. Sein Name war Rahl'Krespuckle, kurz Rahl. Zudem wollte sie ihrem Vesperum dieses Wundwerk ihrer Künste präsentieren, damit er endlich verstand, was ihre Alchemie bedeuten konnte. Es war eine gute Gelegenheit den Leviathan zu wecken, da sie nun zwei Opfer hatte, die ihn wieder mit Lebenskraft versehen konnten. Syn lächelte immer noch nicht und löste sich dann auf. Doch dann schlug ein Blitz weitab von Sedraels Position in ein verfallenes Gebäude ein, welches nur noch mit dem Dach aus dem Staub Korribans ragte. Das Dach zerbrach und eine große Klaue erhob sich müde und sehr langsam aus dem Gestein.
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#77
Alpträume. Nur mühsam und mit Aufwand verschwanden die Schlieren im eigenen Blick, setzten die Bildnisse der Realität wieder stückweise zusammen. Ein Sortierspiel. Sedrael landete sanft auf den Beinen, doch ihre Knie knickten ein und sie kippte vornüber, bis sie mit dem Gesicht keuchend im Staub lag. Die alte, trockene Erde Korribans wirbelte im Atem vor ihrem Gesicht auf, tänzelte dort in feinen Staubkörnern umher. Immer wieder aufs Neue, wenn die Luft aus ihrem Körper peitschte und neue Körner in die Luft blies. Sie blinzelte die Körner regungslos aus ihren Augen fort, die sich dorthin verirrt hatten. Atemzug um Atemzug. Der Geist Korribans war fort. Jedenfalls für jetzt. Ihre Pupillen verschoben sich um wenige Millimeter aufwärts, dorthin, wo der Sand an ihren Lidern klebte. Dann irgendwann schloss sie die Augen, wartete. Worauf wusste sie nicht. Vielleicht, dass sie wieder Kraft fand, etwas zumindest, genug um sich noch einmal aufzuraffen und nicht hier im Dreck liegenzubleiben und aus zahlreichen Schnittwunden auszubluten. Fetzen und einzelne Nähte ihrer purpurnen Robe flatterten im weiter abflauenden Wind auf ihrem sandigen Oberarm. Müde begann sie, ihre Atemzüge zu zählen. Zehn. Fünfzig. Die einzelnen Winde strichen über ihren Rücken, dort wo sie in den Schnitten in der Robe nach der Haut greifen konnten. Hin und wieder ein Brennen und Zucken, wenn die Körner in die Schnittwunden stachen. Erlösung, wie der Geist sagte? Vielleicht war es das ja. Hier einfach liegen zu bleiben und die Dinge eben ihren Lauf nehmen lassen. Es war leicht, so einfach und bequem und verführerisch. Der Duft von Kupfer und Wüste. Sie leckte das Blut von ihrer zerbissenen Lippe, spürte wie der Sand daraufhin zwischen ihren Zähnen knarzte. Am Ende… gab es schließlich keinen Tod, nur die Macht, nicht? Doch es waren nur Worte in diesem Moment. Erstaunlich leere Worte. Der Versuch, dem Ende noch etwas abzugewinnen, es süßer und angenehmer zu machen als es eigentlich war. Denn ein Ende war es – auf welche Art auch immer. Sie wollte aber nicht, dass es endete. Nicht nach allem. War es falsch für eine Jedi, am Leben zu hängen? Vielleicht. Und doch schien es so normal. Natürlich.

Eine Hand grub sich hinein in die Einöde vor ihr, erforschte den rauen Sand und kratzte mit den Fingernägeln an der tönernen Erde darunter, bis es knackte, ein Widerhaken, um sich festzukrallen und ihn als Anker zu benutzen. Langsam öffneten sich die Augen wieder, sahen zusammengekniffen in die Schlucht vor ihr. In verschiedene Realitäten. Ihr Zuhause, vor vielen Jahren. Wieder griff sie danach, in den blühenden Frühling Firrerres hinein, konnte diese vor sich spüren, fühlen, riechen. Als wäre sie da, hier und jetzt. Echt. Und in gewisser Weise war es das auch. Die Grashalme bückten sich um ihre gekrümmte Hand, genauso wie sie es sollten. Sie rupfte ein paar aus der Erde, einfach um sich zu vergewissern. Ächzend rollte sie sich vom Bauch auf den Rücken, spürte das Kitzeln des Grases in ihrem Nacken, während sie in den wolkenbehangenen Himmel ihrer Heimat starrte. Irgendwo in der Ferne Geschnatter von Kindern. Sie dachte an die Großen Fälle, die Mishalopen in den Bäumen, wie sie oben in den Ästen nach Nahrung suchten, die seltsamen Formen der firrerrischen Häuser. Alles war hier, wenn sie es hier haben wollte. Aber das Wissen, dass es nur hier war, weil sie es haben wollte, ließ das Spiegelbild irgendwann brechen. So echt sie sich anfühlten, so sehr waren Illusionen eben doch nur das. Das Gras verschwand wieder, zerbrochen, wurde verweht von der staubigen Brise, von der sie wusste, dass es die Realität war, die noch immer zählte. Das andere war da, in ihrem Kopf, in der Macht. Und vielleicht auch wirklich hier, zeitweise. Mühsam winkelte sie ein Bein an, verlagerte ihr Gewicht dann etwas darauf, bis es auf dem Oberschenkel war, dann stützte sie sich mit einer freien Hand auf den Boden ab, wuchtete sich so langsam auf das andere Bein. In der anderen Hand betrachtete sie die Grashalme, ihre Illusion, schloss die Hand schließlich um sie. Und dann waren auch sie fort. Dinge zu sehen, die es nicht gab, entweder nicht mehr oder noch nicht, war ihr nicht neu. Es war immer dieser Teil von ihr gewesen, sowie der Grund, warum am Ende ihr Meister ein Seher gewesen war. Doch etwas selbst zu schaffen? Das war neu - und es war beängstigend. Und zugleich… befriedigend? Unklar. Nichts, woran sie jetzt einen Gedanken verschwenden konnte oder wollte. Sie raffte sich auf, gegen das unbändige Verlangen, sich fallen zu lassen, Schritt für Schritt voran.

Vielleicht waren es Minuten, ehe sie wieder am Rastplatz des Vesperum ankam, vielleicht waren es auch Stunden. Sie hatte keinerlei Zeitgefühl mehr, funktionierte bloß noch, war nur dem Tunnel stoisch gefolgt, der immer enger zu werden schien, selbst als sich das Lager wieder aufzeigte. Stöhnend fiel sie neben der Versorgungskiste auf die Knie, eine zitternde Hand griff nach einer Flasche, verfehlte sie zunächst und erst nach mehreren Versuchen konnten krakelige Finger sie zu fassen bekommen. Bedenklich wackelte das Gefäß in ihrer Hand, ehe es klirrend zu Boden ging. Erneut die hilflosen Versuche, bis es wieder gelang, während sie es aufschraubte, anhob und sich das kalte Wasser ins Gesicht schüttete. Erst ab der Hälfte der Flasche kippte sie diese wieder in die andere Richtung und ließ die Erfrischung kurz auf sich einwirken, wischte sich Blut, Schmutz aus dem Gesicht. Erst dann trank sie mit großen Schlücken den Rest leer, ließ das leere Gefäß achtlos in den Staub fallen. Durchnässt saß sie eine Weile da, mit dem Rücken gegen die Kiste gelehnt und atmete einfach nur ein und aus. Irgendwann, ohne es wirklich bemerkt zu haben, hatte sie plötzlich einen Streifen Trockenfleisch aus der Ration in der Hand, an dem sie abwesend herumkaute, während sie die Schlucht entlangstarrte, versuchend, derweil nicht nachzudenken, was geschehen war. Es dauerte, ehe Sedrael aktiv etwas realisierte. Etwas Offensichtliches. Ihr starrer Blick wich mit einem Mal einem schnellen, verdutzten Blinzeln der Erkenntnis und streifte über das gesamte Lager.
„Reah?“, murmelte sie schmatzend und sah sich irritiert um. Doch nein, wieder war niemand da. Wie so oft. Ächzend hievte sie sich anhand der Versorgungskiste wieder langsam auf die Beine und schleppte sich vorwärts, erkundete Zelte und Winkel, die vorher nicht einzusehen waren. Aber selbst im Schatten, den die Frau immer so bereitwillig für sich einnahm, war dieses Mal nur Leere. Der große Schatten, das Ungezähmte, es war fort.
„Reah!“, rief sie wiederholt durch das Lager, eine Formel gleich einer Beschwörung, als könnten ihre Worte im Zauber Kreaturen herbeirufen, so sie es nur wünschte. Als die den Platz mehrfach umrundet hatte, blieb sie außer Atem wieder stehen. Ihre Wunden schmerzten noch immer, doch sie musste den Gedanken daran verwerfen, er sollte nicht mehr präsent, nicht relevant sein. Wo…. wo nur war die Frau hin? Sie konnte doch nicht einfach verschwinden, nach allem? Natürlich war die Sephi es selbst gewesen, die zuerst gegangen war – aber doch nur für einen Moment, um Abstand zu gewinnen von dem Monster, das in Reah entfacht worden war, von der Wildnis, die immer wieder nach außen drang und dennoch dann wieder sorgsam verpackt war. Oder war sie ebenfalls nur kurz fort? Sedrael wartete. Brütete minutenlang, zermarterte nervös ihren Fingernagel am linken Zeigefinger. Nein, Reah kam nicht wieder. Offensichtlich suchte sie bereits alleine das, wofür sie hier waren. Gefährlich, selbstmörderisch. Insbesondere mit dieser Heimsuchung, die hier war und jederzeit wieder auftauchen mochte. Die Sephi hatte keine Wahl. Sie machte ihre letzte Runde, blieb dann am noch geöffneten Medi-Kit vom letzten Mal stehen und blickte müde von oben herab hinein. Ein kurzer Überblick. Dann rammte sie sich einen Autoinjektor mit mittelstarkem Schmerzmittel durch die Haut im Oberschenkel, verdrehte dabei seufzend die Augen und klebte die Stelle rasch mit einem Pflaster ab. Kurz schüttelte sie den Kopf, bis das Aufputschmittel anschlug, packte noch zwei weitere Injektoren in ihre zerfledderte, aber noch funktionsfähige Tasche. Dann leerte sie rasch eine neue Flasche, stopfte sie sich einen weiteren Trockenstreifen in den Mund und ging den Weg weiter, jenen, der sie nicht dahin führte, aus dem sie gekommen war, sondern der sie weiter in Richtung der Finsternis, der Ruinen irgendwo in der Ferne bringen würde. Was mochte dort warten? Neuer Horror, vermutlich. Der Weg in den Schlund. Es schien Gewissheit zu sein, denn am Ende war nur das der logische Ort, an dem Reah sich aufhalten würde, an dem sie sie finden konnte. Sedrael blieb noch einmal stehen, sah etwas im Erdreich neben ihr liegen. Sie beugte sich hinab, biss sich auf die Zähne, als durch die Bewegung ihre zerschnittene Haut aneinanderrieb und für ein seltsames Gefühl sorgte. Aus dem trockenen, staubigen Boden griff sie nach dem spitzen Metallstecken, das Werk, das Reah letzte Nacht mitgeführt hatte. Nicht viel. Und dennoch mehr Begleiter als nichts. Die stumpfe Seite des provisorischen Stabs klopfte gegen den Boden, immer wieder, mit jedem behutsamen Schritt, der das noch unsichtbare, aber in der Ferne existierende dunkle Bauwerk schleichend näherkommen ließ.


→ nach: Tempel der Dunklen Seite (S. 5)
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