Nun war Sedraels kümmerliche Machtanwendung wohl doch Anlass genug, dass ihre Gegenüber sich dazu bemüßigt sah, diesem Mangel einen Kommentar zu schenken – wenn auch nicht unbedingt auf eine Art und Weise, die Sedrael in diesem Fall erwartet hätte. Es schien kein Makel zu sein, kein Fehler, nicht der Hinweis darauf, dass sie das in irgendeiner Weise schlechter stellte. Keine Frage, keine Antwort, keine Wertung. Es war nur das, was es war – eine bloße Feststellung einer allverständlichen Tatsache, das Greifen nach der Wahrheit, die sich mehr an die Inquisitorin selbst als an die eigentliche Adressatin der Worte richtete, der diese Tatsache schließlich ohnehin bekannt war. Der Fakt von Sedraels unvollständiger Ausbildung stand einen Moment lang unwidersprochen, aber auch unbestätigt im Raum, während sie über die Worte der Inquisitorin nachdachte. Einerseits waren sie objektiv völlig richtig und dann doch wieder so weit entfernt von dem, was eine solche Aussage für sich allein genommen implizieren konnte. Sedraels Hautfarbe erhellte sich fließend um einige Farbtöne, während sich ihr rechter Mundwinkel leicht anhob, ein angedeutetes Lächeln gewisser Verlegenheit über sich selbst und ihr Unvermögen, das dazu führte, dass sie dem Blick übersprungshaft auswich und den Boden betrachtete.
„Ihr habt Recht“, gab die Sephi schließlich zu. Es hatte keinen Sinn, es abzustreiten oder zu lügen, und letztlich gab es ohnehin auch keinerlei Anlass dazu. „Ich war damals der Ansicht, dass mein… Mentor mir nichts mehr hätte lehren können, das für mich bedeutsam gewesen wäre.“
Das schien natürlich deutlich im Kontrast zu dem zu stehen, was ihre nahezu anfängerhafte Anwendung hier gerade demonstriert hatte. Doch wahrscheinlich war schon dieser Widerspruch in sich Aussage genug, ein Zeugnis darüber, dass genau das eben nicht bedeutsam war. Zumindest nicht für sie. Wenngleich in der Aussage durchaus auch eine unterschwellige Form der Wehmut zu fühlen war, die Unterstellung, dass sie sich damals vielleicht auch schlichtweg geirrt hatte, dass ihr Mentor ihr vielleicht doch noch Wertvolles hätte beibringen können. Gleichzeitig schien es so, als würde sie gezielt den Begriff Meister zu vermeiden versuchen. Vielleicht um etwas Distanz zwischen sich und den Orden zu bringen, vielleicht auch, weil es eher ihrer Wahrnehmung und ihrer Erinnerung an das Verhältnis entsprach, das sie miteinander gepflegt hatten. Ja, und dennoch würde Shenn Veltro immer auch ihr Meister sein. Auch wenn er höchstwahrscheinlich schon viele Jahre tot sein musste. Manchmal im Schlaf oder wenn sie sich intensiv genug der Macht hingab, bildete sie sich ein, seine markante Stimme hören zu können, doch konnte sie nicht mit Gewissheit sagen, ob er sie für alles tadelte oder ihr das vergab, das er sicherlich als eine Art Verrat empfunden haben musste. Oder ob die Stimme in ihrem Kopf in irgendeiner Form real war oder lediglich eine Form der Verarbeitung seitens Sedrael selbst, sich einbildend und wünschend, dass es doch so war und auch jetzt noch irgendeine Form von Kontakt mit ihrem alten Meister, Vater, Freund und Mentor existierte. Es hatte ihr damals beinahe das Herz gebrochen, ihn nach so vielen Jahren zurücklassen zu müssen, aber wenn einen die innere Stimme dazu zwang, gab es letztlich auch keine Wahl. Rückblickend betrachtet hatte ihr dieser Umstand das Leben gerettet, obwohl sie damit zum damaligen Zeitpunkt nie hatte rechnen können – was eine merkwürdige Parallele zum Treffen mit der Inquisitorin darstellte, denn anderenfalls wäre auch sie auf dem Planeten mit dem Rest der firrerrischen Spezies verbrannt. Dennoch machte das den Verlauf der Dinge in ihren Augen nicht glücklich, eher im Gegenteil. Aber was wäre es gewesen, das er ihr wirklich noch hätte beibringen können, was als wichtig empfunden hätte? Ja, vielleicht wäre sie heute etwas besser trainiert, was diese spielerischen Fähigkeiten anbelangt. Aber welche Relevanz hatten sie schon? Es machte keinen Unterschied in der Macht, ob sie selbst nun diese Telekinese besser oder schlechter beherrschte. Es war eben nur ein Spielzeug, ein bittersüßer Zauber, von dem sich manche einfachen Geister gerne ablenken ließen oder vielleicht auch abgelenkt werden wollten, um sich nicht die vielleicht viel kompliziertere Frage des Wie stellen zu müssen. Denn sobald jemand wusste, wie ein Zaubertrick funktionierte, verlor er unmittelbar seinen Reiz, schließlich ließ er dann jenen kindlichen Zauber vermissen, durch den man mithilfe eines spiegelnden Mosaiks wieder für einen Augenblick zum unbedarften Kind geworden war, das sich keine schwierigeren Fragen zu stellen brauchte. Doch änderte es nichts daran, dass es eben doch nur ein Trick, eine Illusion war. Somit war Sedrael also lediglich im Vergleich zu ihrer Gegenüber nur eine schlechtere Illusionistin, also weniger gut in der Lage, etwas vorzutäuschen, was in Wahrheit gar nicht so existierte.
Alles in allem war Sedrael aber ein Stück weit überrascht darüber, wie Nigidus ihre Aktion so regungslos verfolgt hatte und tatsächlich nicht einmal einen Hauch von Reaktion, weder körperlich noch auf spirituelle Weise in der Macht, gezeigt hatte. Offenbar hatte sie diesen Wunsch der Sephi toleriert, der in der Tat ein Stück weit egoistisch sein mochte. Doch Egoismus musste nicht per se ein Problem darstellen. Es war nur natürlich, auch an sich selbst zu denken. Egoismus wurde erst dann zu einem ernsthaften Problem, wenn er zum Selbstzweck und Dauerzustand wurde, wenn man sich damit über andere erhob, sie benachteiligte, oder ihnen den eigenen Willen aufzwang. Wenn aus Egoismus also Egozentrik erwuchs. Aber Sedrael war sich darüber im Klaren gewesen, dass es ihrer Gegenüber nicht einmal ein Wimpernzucken abverlangt hätte, ihr Handeln zu unterbinden, wäre es der Inquisitorin wirklich unangenehm gewesen. Letztlich hatte Sedrael also einerseits entschieden, umgekehrt hatte die Inquisitorin aber auch entschieden, es so über sich ergehen zu lassen. War es daher verwerflich? Manche mochten es so sehen, manche würden ihr Egoismus vorwerfen. So wie manche ihr auch Egoismus vorgeworfen hatten, als sie sich nicht an dem Krieg beteiligt hatte. Es war immer eine Frage des Standpunkts.
Wahrnehmung war subjektiv. So wie manche Gesichter lesen konnten, andere nicht. Einige benötigten Hilfsmittel. Denn auch die Miraluka lasen letztlich in den Gesichtern anderer. Nur nutzten sie in Ermangelung natürlicher Sicht dafür ausschließlich die Macht – oder gewissermaßen war die Macht mangels Alternative ihre natürliche Sicht. Die Macht waren ihre Augen, von Kindesbeinen an bis zu ihrem letzten Atemzug. Stets waren sie darauf angewiesen, um sich in der Welt zurechtfinden zu können, etwas, das Sedrael nie gewesen war. War es also ein gerechter Vergleich, sie als Hybrid aus Sephi und Firrerreo damit auf eine Stufe zu stellen? Wahrscheinlich nicht, aber das musste er auch gar nicht sein. Der Punkt der Inquisitorin war valide. Es gab nicht viel darauf zu erwidern.
„Ihr würdet mir schmeicheln, stelltet Ihr mich mit einer Miraluka auf eine Stufe“, entgegnete sie schließlich bescheiden, aber letztlich war es auch nur die Feststellung einer offenkundigen Tatsache. Sie konnte sich nicht damit vergleichen, selbst eine untrainierte Miraluka wäre ihr dahingehend schlichtweg weit voraus, wahrscheinlich sogar der Inquisitorin selbst. Sedrael hatte nie vergessen, wo sie herkam und auch ihre körperliche, natürliche Hülle nicht vernachlässigt. Denn die Macht zu nutzen war anstrengend für sie, physisch wie geistig, in letzter Zeit mangels Übung wahrscheinlich auch deutlich mehr als noch in einem früheren Leben. So war es für sie dann auch ein geringerer Aufwand, eine kurze Telekinese einzusetzen, als in einem Gespräch unbekannter Dauer die Macht zu Rate ziehen zu müssen. War es vielleicht doch das, was die Inquisitorin gemeint hatte? Dass sie enttäuscht wäre, wenn es der Sephi nicht gelänge, die Scharade auf andere Weise zu durchblicken? Nun, vielleicht war es doch näher an der Wahrheit als ursprünglich angenommen. Wenn auch nicht in Bezug auf die Möglichkeit, sondern eher in Bezug auf die Dauer und die Anstrengung, die diese einfordern würde. Alles in allem war die Symbiose mit der Macht auch eine Form der Fitness – wer es nicht übte und trainierte, für den wurde es immer schwerer, wieder an alter Stelle anzuknüpfen. Das hatte Sedrael schon lange realisiert, allerdings eigentlich darüber bisher eigentlich kein allzu großes Bedauern empfunden. Vielleicht hatte sie es sich damit aber auch etwas zu einfach gemacht.
Was war das Geheimnis? Der Schlüssel dieser eigenartigen Konversation, der in kein anderes Schloss zu passen schien, vielleicht aber auch für dieses Schloss eigentlich gar nicht vorgesehen war. Doch vielleicht war es genau das, was die Macht der Galaxis zeigen wollte. Festgefahrene Ideologien waren Vergangenheit. Wo keine Masse an Machtbegabten existierte, waren die Existierenden vielleicht dazu genötigt, sich daran zu erinnern, wo sie alle ursprünglich herstammten.
Danke? Einen Augenblick lang schien Sedrael tatsächlich irritiert und hob ihren Blick dann wieder zu der Inquisitorin an. Ihre dunklen Augenbrauen sträubten sich ein Stück weit und legten ihre Stirn in Falten. Diese Frau, ein Wesen aus der Finsternis, die Mörderin einer Welt, ihrer Welt, bedankte sich bei ihr? Sie blinzelte ein Mal verwirrt, vielleicht auch, weil in ihrer Wahrnehmung für einen Moment etwas Eigenartiges in der Macht um sie herum passiert zu sein schien, das sie sich nicht erklären konnte. Doch auch nach kurzem Zögern war sie nicht in der Lage zu verstehen, was die Frau meinte oder warum die Wellen der Macht gerade für einen Moment höher geschlagen waren als zuvor. Für Sedrael waren Machtbegabte letztlich alle nur Kinder der Macht, Personen mit einem bestimmten Talent. Manche nutzten ihr Talent, um im großen Orchester eine wichtige Rolle zu spielen, während andere nur damit zufrieden waren, wenn sie es unter sich ausübten. Es änderte nichts daran, dass sie alle das gleiche Talent besaßen, sie alle spielten auf ihre Art die Symphonie der Macht, auch wenn das Publikum vielleicht bei jedem ein ganz anderes sein mochte. Wenn die Macht es zuließ, wer war sie als kleines, fühlendes Wesen, dies aus ihrer beschränkten Sicht werten zu wollen? Selbst die Jedi hatten schließlich nie bestritten, die Jedi und all ihre Widersacher letztlich den gleichen Ursprung hatten – im Gegensatz zu manchen anderen Jedi schien Sedrael aber diesem Teil mehr Aufmerksamkeit und Beachtung zu schenken als vielleicht üblich war. Denn nicht zuletzt belegte auch das nur die Schwäche von Terminologie und Ideologie. Schubladen waren rasch geöffnet, auch wenn sie nicht immer angemessen waren – in die eine wie in die andere Richtung.
„Danke wofür?“, fragte die Sephi also schließlich mit weiterhin gerunzelter Stirn. Dankbarkeit implizierte immerhin, dass Sedrael etwas gesagt hatte, an dem die Frau in irgendeiner Form Gefallen gefunden hatte. Dass sie aber Gefallen daran fand, auf eine Stufe mit einer untrainierten Jedi gestellt zu werden, war nur schwer vorstellbar. Andere hätten eine solche Formulierung vielleicht eher als anmaßend empfunden, auch wenn es sicherlich nicht so gemeint gewesen war. Offenbar schien sie aber der Umstand, von Sedrael in eine Schicksalsgemeinschaft mit ihr geworfen zu werden nicht zu stören - eher im Gegenteil.
Den weiteren Worten ihrer Gegenüber hörte die Sephi schließlich kommentarlos zu. Es waren viele Informationen, doch aus ihrer Sicht hatte jede einzelne ihren eigenen Wert in dem lückenhaften Wissen, das sie derzeit über die Situation in der Galaxis, über die Situation auf diesem Schiff und über diese Situation hier in der Zelle hatte. Jedes Versatzstück leuchtete eine weitere Facette aus, brachte das Mosaik zum Glitzern und rückte verschiedene Punkte in den Vordergrund, die letztlich nur den Drang nach weiteren Informationen hervorbrachten. Dennoch mäßigte sich die Sephi und ließ Nigidus - Reah Nigidus, wie sie nun erfahren hatte - geduldig ausreden, bis diese von sich aus zu einem Ende kam. Es war letztlich immer interessanter, Informationen vorgebracht zu bekommen, als diese konkreter einzufordern, denn häufig genug war schon die Auswahl an dargebrachten Informationen sowie die Formulierung eines Umstands in sich aufschlussreich genug. Als was mochte Sedrael die Frau nun also sehen, nachdem sie all das erfahren hatte? Letztlich war es eine Biographie des kontinuierlichen Versinkens, weitgehend ertränkt im Strudel einer allgegenwärtigen Dunkelheit, die wieder an die Oberfläche gelangt war und nun nach Atem, nach dem Leben schnappte, das sich vor ihr auftat, ohne es aber selbst wirklich erreichen zu können. Aber irgendwo musste ein Funke sein, dieser eine Schimmer, der dafür sorgte, dass Reah Nigidus nicht ihr Schwert nahm und es gegen sie einsetzte. Es war Nigidus‘ Aufgabe, sollte es jedenfalls sein, nach ihrer eigenen Aussage. Und dennoch tat sie nichts davon. Sie saß hier, Sedrael gegenüber und beantwortete Fragen, zu deren Beantwortung sie niemand zwingen konnte. Sie tat es freiwillig, zwanglos, war willens zur Auskunft – und das obwohl sie nach eigener Vorgabe eine der engsten Häscherinnen des besagten Imperators zu sein schien. Der Sephi war aber nicht entgangen, dass ihre Gegenüber bei der Erwähnung ihres Sith-Seins anders agiert hatte als in ihrem übrigen Vortrag.
„Ihr dient also einem Imperium unter der Herrschaft eines Dunklen Lords der Sith, Eures Meisters. Ich bin zugegebenermaßen überrascht, dass der Orden trotz jüngster Ereignisse noch existiert“, nahm Sedrael darauf Bezug und resümierte knapp, indem sie die einzelnen Teile zusammensetzte. Das Erdbeben in der Macht vor einigen Monaten hatte nach ihrer Ansicht eigentlich den Hinweis gegeben, dass irgendetwas enorm Böses aus der Galaxis geschieden war, von dem Sedrael eigentlich vermutet hatte, dass es der korrumpierende Einfluss der Sith gewesen sein musste, auch wenn sie nicht genau wusste, was im Rest der Galaxis geschehen war. Aber schon kurz darauf hatte ein Nachbeben angekündigt, dass daraufhin etwas anderes erwacht war, auch wenn es nicht derart breite Schwingen trug wie das ursprüngliche Böse. Es gab aber keinen Zweifel daran, dass das eisspeiende Monster, zu dessen Hologramm Reah Nigidus gesprochen hatte, ihr Meister und somit offenbar ein neuer Dunkler Lord der Sith gewesen sein musste, auch wenn die Inquisitorin dies nicht ausdrücklich bestätigt hatte. Es schien Sedrael in diesem Augenblick merkwürdig ironisch zu sein, dass die eigentliche Grundessenz der Sith, die eigenen Fesseln zu sprengen, mit der eigenen Ankettung an ein Staatssystem und der Unterwerfung unter einen Meister eigentlich von vorneherein widersprüchlich klang.
„Eine Entscheidung darüber, wie man jemanden ansieht, mag sich im Ergebnis auch danach bemessen, als was sich derjenige selbst ansieht“, spielte sie auf die vorherigen Worte der Frau an, wobei sie damit nicht unterstellte, dass es ihre Gegenüber ernstlich kümmerte, was Sedrael ihr für eine Ansicht zumaß. Zumindest aber mochte es in Teilen erklären, warum sie überhaupt danach gefragt hatte. Am Interessantesten fand sie hieran in der Eigenwahrnehmung von Reah Nigidus, dass sie sich selbst als Mörderin bezeichnete – ein Umstand, der letztlich schon eine Wertung der eigenen Person darstellte, sollte es auch vielleicht nicht beabsichtigt gewesen sein. Denn im Gegensatz zu manch anderem Mörder rechtfertigte sie diese in Frage stehende Tat also nicht vor sich selbst und bestritt es nach außen wie nach innen hin, sondern stand kritiklos dazu. Dazu mochte es verschiedene Erklärungen geben, wobei Gleichgültigkeit oder Selbsteingeständnis in den meisten Fällen wohl die vorherrschenden Motive waren. Sedrael konnte derzeit nur spekulieren, warum die Hexe diesen Punkt gezielt dargebracht hatte, aber er sagte zweifellos mehr aus als die bloße Erwähnung dieses Umstands zunächst vermuten lassen konnte. Das Motiv des Mords nach den Jedi-Aufzeichnungen zufolge ein gängiges unter den Sith-Anhängern zu sein, häufig als erster Berührungspunkt mit der Vernichtung von Leben und am Ende stand er als Casus Belli für den eigenen Feldzug gegen alle anderen Wesen in der Galaxis, wenn das Töten irgendwann zur Routine wurde. So wie es das für die Inquisitorin offenbar geworden war. Denn die Inquisition selbst war nach Aussage der Frau offenbar nicht viel mehr als eine staatliche Hetzjagd auf alles Machtbegabte, die notfalls ihren Blutzoll an die Kampfhunde zu leisten hatten, wenn sie ihnen unpassend waren. Wirklich überraschend war eine solche Institution für Sedrael an sich nicht, es war wohl nur eine logische Konsequenz dessen, was während ihrer ungezielten Zeit im Äußeren Rand gemeinhin als Verrat des Jedi-Ordens bezeichnet worden war. Dass die Galaxis dafür nach Rache wegen eines blutigen Bürgerkriegs gedürstet hatte, war aus dieser Sicht heraus keine Überraschung – und alles in allem konnte auch ein Teil von Sedrael darüber nur wenig Bedauern empfinden, wenn sie darüber nachdachte, zu was der Orden in diesem Krieg geworden war. Ausschalten oder Brechen hieß demnach jetzt die Devise ihrer Gegenüber.
„Euer Auftrag lautet also Ausschalten oder Brechen. Welches dieser beiden Prinzipien gedenkt Ihr sodann an mir anzuwenden?“
Denn aufgespürt worden war sie nun bereits. Dieses Ziel der Inquisition hatte Reah Nigidus bereits verwirklicht. Oder besser gesagt, sie war nicht aufgespürt worden, sondern man hatte sie aufgespürt, offenbar nicht ungezielt und nicht aus purem Zufall, ansonsten wäre die Teilnahmslosigkeit und das Desinteresse der Inquisitorin an dem anderen Machtnutzer Quel-Tuus schwerlich zu erklären. Wie dieses Aufspüren nun genau gelungen war, würde sich als Frage noch zu anderer Zeit erklären lassen, war es doch jetzt im Moment nicht entscheidend. Die Tatsache, dass sich die Frau als neuerliche Sith bezeichnete, war aber ein Stück weit verstörend und eigentlich nicht unbedingt das, was Sedrael erwartet hätte. Aber letztlich war auch das nur eine terminologische Frage, deren Beantwortung im Grunde müßig war. Ähnlich wie seinerseits die Beantwortung der Frage, ob sie selbst nun definitionsgemäß als Jedi anzusehen war oder nicht. Offenkundig waren beide wenig genug fundamental in ihrer Ideologie gefangen – und das war weitaus entscheidender als jede Terminologie. Und die präzise Frage der Sephi, wie sich die Inquisitorin an den – wie sie eben dargestellt hatte – an sie gestellten Auftrag halten würde, ja ob sie es überhaupt daran halten würde, mochte vielleicht Aufschluss darüber geben, in welche Richtung dieses Treffen nun gehen würde. War ihre Gegenüber gefangen in einem System oder war sie frei genug, ihr gegebene Anordnungen zu überdenken?
Welch peinliches Selbsteingeständnis die Sephi doch abgab, so plötzlich sie Vergangenheit von der Gegenwart trennte, ganz allein durch die Macht der Erinnerung. Denn war es nicht das, was sie just in diesem Augenblick durchlebte? Es schien beinahe wie eine Uraufführung eines Lichtspiels, so deutlich und klar schienen Bilder zu sein, nicht für die Hexe, nein, keineswegs, sie musste sich damit begnügen hinter dem Projektor zu stehen und das Band einzulegen: durch ihre Worte, durch subtile Lenkung dafür Sorge tragen, was gesehen wurde. Die Mimik der kleinen Jedi diente der verborgenen Puppenspielerin dahingehend wiederum als Reflektor, als Anzeiger ob und vor allem wie sich diese heraufbeschworenen Erinnerungen niederschlugen. Direkte Kommunikation war keineswegs so wichtig wie allgemein angenommen. Oftmals ließ sich durch eingehende Beobachtung mehr lernen. Mimik war echter, nicht so sehr von Täuschung zersetzt wie das gesprochene Wort. Es mochte unterstützend wirken, durchaus, dem Kunstwerk den geeigneten Rahmen geben das es in der abschließenden Betrachtung erst vollkommen machte. Dieses kleine Eingeständnis zur Selbstüberschätzung, etwas, an dem alle fühlenden Wesen mehr oder weniger stark krankten, vermittelte also auch Eindrücke auf die Vergangenheit und so wie es die Hexe sah, wie sie es beurteilen konnte, schien sich in diesem Teil des Herzens eine kleine Sehnsucht zu manifestieren. Der Wunsch zurück zu dem was war, das Versagen mit der heutigen Erkenntnis rückgängig zu machen. Aber das war nicht möglich und diese Hoffnung war so Uralt, wie das Leben selbst. Der Fehler war notwendig, die Imperfektion, das Unvollkommene machte flexibel. Wer sich anpasste überlebte auch dort, wo es nur schwer möglich war. Wer sich der eigenen Unvollständigkeit bewusst wurde, für den barg jedes neue Wissen einen hohen Gewinn an Macht und Verständnis. Es benötigte weitaus weniger Zaubertricks und Superwaffen als diese verdrehte Galaxis ahnte. Mächtig war jener der verstand wie diese Galaxis zusammenhing, von welchen Faktoren Gedeih und Verderb abhingen und wie sich diese zu eigenen oder übergeordneten Zwecken manipulieren ließen. Und die Macht, jene Mystik die alles Verband, konnte einem verstehenden Geschöpf diese Einsicht vermitteln. Stück für Stück, so sehr, wie es sterbliche Augen verkraften konnten. "Und vielleicht hattet ihr damit Recht.", bestätigte sie die Sephi. Unerwartet? Vermutlich. Viele Schulmeister hätten an dieser Stelle getadelt doch letztlich konnte an diesem arrogant anmutenden Ausspruch tatsächlich die Wahrheit haften. "Denn die Macht wird ihre Fragen stets nur an Euch richten und es ist Eure Aufgabe sie zu beantworten, nicht die Eures Mentors." Ein Meister, ein Mentor, man mochte es nennen wie man wollte, lehrte lediglich die Macht einzusetzen, er lehrte was einem Jedi in direkten Konfrontationen gefährlich werden ließ, er lehrte wie ein Schwert zu führen war doch stets nur ungenügend das philosophische Wesen der Macht. Stets nur nebulöse Ausflüchte dahingehend, was die Macht alles sein konnte und wie sie sich niederschlug. Am Ende waren diese Mentoren nur Trainer, Sparringspartner, die ihre Schützlinge mit dem Mysterium allein ließen oder deren Geist mit Dogmen vergifteten. Doch wenn das Mysterium nie erforscht, nie begriffen wurde, wie kann ein Dogma dann richtig sein? Die simple Antwort darauf lautete: gar nicht. Denn es ging nicht darum zu erforschen und zu begreifen. Es ging darum jene gewonnenen Kräfte dazu einzusetzen, die weltlichen Geschehnisse zu kontrollieren und eine elitäre Spitze zu bilden die über Recht und Unrecht entschied. Ein Weg, den sowohl Jedi als auch Sith nur zu gern beschritten.
Und war es dann, unter Berücksichtigung dieser Gedanken tatsächlich ein Lob, ein Vorteil mit den Miraluka verglichen zu werden? Es entstand die Frage, ob es überhaupt besser war lediglich die Macht als Augen und Ohren zu besitzen, so von ihr abhängig zu sein. Prinzipiell verweilte die Hexe auf ihrem Standpunkt, für die Einschätzung eines anderen Wesens bedurfte ein Jedi seiner Augen nicht. Gewöhnliche Kreaturen besaßen die Macht der Trennung, selbst jene, deren Sinne geschärft waren konnten sich bis zu einem gewissen Grad von der Macht distanzieren und sich aus ihrem Wirbel lösen. Miraluka... nun, Miraluka waren auf ewig darin gefangen. Es hieße der stetige Strudel des Hyperraumes würde jedes Wesen in den Wahnsinn treiben, das zulange hineinblickte und war das Spektrum der Macht dem Hyperraum nicht irgendwo verblüffend ähnlich? Und wenn ja, was sagte es dann über die Miraluka aus? War die Spezies letzten Endes vielleicht sogar bewusst oder unbewusst von der Macht geblendet worden? Wie es auch sein mochte, das stete Wandeln in der Macht war eine Belastung für Körper und Geist und diese permanente Belastung ließ nur wenige Schlüsse zu: die Miraluka waren in den Jahren mehr und mehr abgestumpft um es zu ertragen oder sie hatten sich zu wahrhaftigen Meistern entwickelt, was die Inquisitorin bislang allerdings bezweifelte. Ob ein sensibilisierter Sinn also schlechter war als eine gewöhnliche naturgegebene Gabe blieb eine Streitfrage, die sich nicht klar beantworten ließ. Nur Schmeichelei war es ganz sicher nicht und dennoch bedurfte dieser Punkt keiner genaueren Erklärung. Die Jedi würde es eines Tages begreifen oder ihr das Gegenteil beweisen - sollte es nun kommen wie es wolle. An dieser Stelle aber war es bedeutungslos darüber zu debattieren und mehr noch, eine unnötige Ablenkung von dem, was eigentlich zählte.
"Dafür, dass Ihr alle Geschöpfe der Macht in Eure Auffassung mit einschließt.", beantwortete sie die Frage nach der Ursache des Dankes. "Viele Eurer Brüder und Schwestern im Orden hätten den Weg des Schwertes gewählt... eine fatale, dumme und kurzsichtige Wahl. Ihr habt ein wenig mehr Weitsicht bewiesen." Der Kopf der Hexe senkte sich vor, wo das Feuer der schwarzen Flamme in den Augen glomm und unbarmherzig jene der Sephi fixierte. "Ich frage mich nur...", fuhr sie fort, "...ob diese Weitsicht der Feigheit oder der Überzeugung entspringt." Vielleicht kannte die Inquisitorin die Antwort bereits, nein, Furcht oder Unterwürfigkeit hatte sie bei dieser nicht gespürt und wichtiger noch, ein solcher Makel hätte ihren Wert enorm geschmälert. Verängstigte Wesen bot die Galaxis zu Hauf. Diese Aussage war lediglich ein Köder, ein einzelnes Korn, dass ein verschrecktes Küken ein wenig hervorlocken sollte, damit es sich mehr zeigte, mehr öffnete. Als dies war auch mit Gewalt möglich, aber die Ergebnisse würden sich erheblich voneinander unterscheiden. Marmor wollte vorsichtig behandelt und bearbeitet werden, bevor ein Kunstwerk darauf entstand, es war keine Frage von Minuten, von übertriebener Hast. Geduld und gegenseitige Kooperation waren jene Tugenden, die an dieser Stelle gefragt waren.
Ein kleines Grinsen kroch in ihr Gesicht, als das Wort Meister sich den Weg in ihr Gehör bahnte. Vesperum als Meister? Ein... gewagter Gedanke. Denn zeichnete sich eine Meisterschaft nicht durch ein gewisses Maß Vollkommenheit aus? Eine gewisse Weisheit? Doch dies waren keine Eigenschaften, die man dem Sith-Lord zugestehen konnte, nein. Eher mochte er sein wie ein ungezogenes KInd, das in seinem Jähzorn gefangen mit Mächten spielt, die es nicht begreift. Ein Spiel mit dem Feuer, das am Ende jenen verbrannte, der mit dem Zündeln begann. Mitleid verdiente ein solches Geschöpf nicht, denn wenn das Feuer es erst verschlang, so fand es Erlösung vom Schrecken seiner Existenz. "Philosophien lassen sich nicht so einfach tilgen, kleine Jedi. Ein Meister... ist er gewiss nicht und ich brauche keinen Meister mehr. Ich bin der Ansicht, dass er mich nichts mehr lehren könnte, dass bedeutsam für mich wäre...", echote sie die einstigen Worte der Sephi und versuchte den Gesichtsausdruck ihrer kurzen Verlegenheit zu imitieren - ein Unterfangen, das mehr darin resultieren mochte wie eine entstellte Karikatur des Originals auszusehen. Surrealität war kein Zauber der Macht, es bedurfte dafür weitaus weniger: Mimik und Stimme, mehr war nicht vonnöten um eine bereits vergangene Szene in einen neuen, sonderbaren Licht zu wiederholen.
Und als was betrachtete sich die Hexe? Eine interessante Frage, selbst wenn die Aussage der Sephi mehr ein ungenügendes Ausweichmanöver darstellte, ein Resultat vielleicht, der eigenen Unsicherheit eine konkrete Antwort zu geben. Ob nun aus Scheu oder weil sie sich kein Urteil anmaßte - zumindest noch nicht. Auch sie selbst vermochte dies nicht klar zu beantworten. Zwar war sie philosophisch nicht an den Orden der Sith gebunden und betrachtete sich nicht als solche, nein, verspürte nicht einmal jenen Gottkomplex, der Vesperum heimsuchte, aber sie war auch nicht mehr ganz das, was gemeinhin als Mensch bezeichnet wurde. Eine Kreatur der Zwischenwelt, eine Reflexion aus den Sphären der Schatten, vielleicht ein flüchtiger Eindruck dessen, wie Dunkelheit noch sein konnte. Die Grausamkeiten waren bedeutungslos - jeder Pfad verlangte Opfer, ob Selbstlosigkeit oder Grausamkeit spielte nur in der Moral eine Rolle, in der Theorie aber, war ein Weg immer von Verlust gesäumt. Wichtig allein war der Umstand, dass sie noch Herrin ihrer Gedanken war und bewusst Entscheidungen fällte - im Gegensatz zu vielen anderen verwirrten Geistern im Dunkeln arbeitete ihr Geist einwandfrei.
"Keines?", antwortete die Inquisitorin prompt mit einer Gegenfrage. "Warum glaubt Ihr wohl seid Ihr hier? Auf diesem Schiff? An diesem Ort?" Die Lider senkten sich und ihr Geist sank in die Macht. Vor dem geschlossenen Auge bildeten sich kleine klebrige Fäden wie von einem Spinnennetz, die sich gierig zur Maske auf dem Boden streckten, bis sie zwischen den klebrigen Fäden hing. "Hätte ich Euch tot sehen wollen wärt Ihr mit Eurer Welt verbrannt." Ein kurzer Ruck durchzuckte die Macht, als alle Fäden am Objekt hingen, ganz so, als wurde eine am Boden liegende Gliederpuppe plötzlich in die Höhe gereckt. Nun hing das Elfenbein wieder zwischen ihnen und die Augen der Hexe stierten durch den Totenschädel. "Und hätte ich Euch Brechen wollen, wärt Ihr mit mir zum Imperator gekommen." Sanft und ruhig holte die Inquisitorin nun die Fäden ein, mit das starre Antlitz die kalte Schale wieder auf die Haut presste. "Ich habe Euch versteckt, damit Ihr überlebt, damit Ihr eine Chance habt - wie auch immer sie aussehen mag."
Möglicherweise hätte es Sedrael überraschen können, dass ihre Gegenüber sie in ihrer Entscheidung, ihren Meister zurückzulassen, bestätigte – tatsächlich schien es aber allmählich ins Bild zu passen. Es war ein Fehler, zu lange nur ein und derselben Ideologie ausgesetzt zu sein und kein erweitertes Bild über andere Facetten zu erlangen. Das bedeutete nicht, bestimmte Methoden selbst anzuwenden oder sie sich zu Eigen zu machen, sondern lediglich ihre Existenz zu verstehen und sie zur Kenntnis zu nehmen. Zu begreifen, dass es verschiedene Wege gab, von denen der eine oder andere vielleicht vorzugswürdiger sein mochte. Doch ohne die verschiedenen Wege überhaupt zu kennen, war es leicht möglich, am Ende in einer Sackgasse zu verbleiben, blind und unfähig, andere Abzweigungen zu erkennen. Die Angst vor dem Anderen war so verständlich wie sie gleichzeitig aber auch falsch war.
Die eigentliche Überraschung bestand mehr in dem Umstand, dass und vor allem wie die Frau ihren Dank erklärte. Für Sedrael war dieser Umstand letztlich keine Verpflichtung zum Dank, sondern eine Selbstverständlichkeit. Sie alle waren von der Macht gezeichnet worden, jeder auf seine Art. War es Sedrael besser ergangen, nur weil sie auf der einen Seite stand? Kaum. Eine Differenzierung erschien ihr schlichtweg überflüssig. Die Macht war die Macht. Die verschiedenen Ausflüsse waren lediglich blankettartige Bezeichnungen sterblicher Worte, die versuchten zu beschreiben, wie sie das Unsterbliche in ihrer körperlichen Hülle sahen und verstanden. Wie das Gemälde, das stets versuchte, die Realität in irgendeiner Form einzufangen, aber niemals in der Lage war, die gezeigte Realität zu werden, sondern lediglich für sich selbst stand. Doch mehr noch, die Inquisitorin fragte, forderte regelrecht, mit spürbarer Inbrunst. Die finsteren Schwaden umgarnten ihre Gegenüber einen Moment lang und schnappten in ihre Richtung. Aber der Ausfall war zu abrupt, zu direkt, zu durchschaubar, um Sedrael aus der Kontrolle fallen zu lassen. Sie betrachtete die Kreatur einige Sekunden lang wie ein präpariertes Tier, ihr Blick angereichert mit Ernst.
„Würdet Ihr wirklich Feigheit in mir sehen, so wäre keine von uns beiden hier“, entgegnete Sedrael dann ruhig, als setze sie bewusst ihre Gelassenheit als Waffe gegen den Drachenkopf ein, der sich als Schatten um die Inquisitorin aufgebaut hatte. Die Wahrheit konnte schärfer sein als jede Klinge. Denn Feigheit wäre beim Zusammentreffen der beiden auf Firrerre letztlich Sedraels Todesurteil gewesen. Schon der Umstand, dass sie hier saß und sich die Inquisitorin mit ihr traf, war Zeugnis genug darüber, dass die Frage nur ein weiterer Test sein mochte. Sie beschloss daher, darauf einzugehen.
„Eine Münze erlangt durch Prägung immer zwei verschiedene Seiten, nicht? Es ändert sich dadurch aber nichts daran, dass es doch die gleiche Münze ist. Und manchmal entscheidet vielleicht nur der Münzwurf darüber, auf welche Seite man selbst blickt.“
Sedrael ließ dabei offen, wer es in diesem Szenario war, der diesen Münzwurf durchführte, welcher entscheiden mochte, auf welcher Seite man stand. Manche mochten es Zufall nennen, andere mochten es freie Entscheidung nennen. Für sie war es schlichtweg die Macht, die die Münze warf. Auch wenn das vielleicht nicht ganz dem entsprach, was ihre Brüder und Schwestern im Orden vertreten hatten. Und waren es überhaupt ihre Brüder und Schwestern? Eigentlich nicht. Schließlich hatte sie diejenigen, welche seinerzeit den realen Weg des Schwertes gewählt hatten, genau aus diesem Ursprung heraus zurückgelassen. Aber letztlich kannte ihre Gegenüber diesen Teil von Sedraels Geschichte nicht, noch nicht, daher schien aus ihrer Sicht dieser – wenn auch falsche – Schluss nahe zu liegen.
„Ihr werdet möglicherweise feststellen, dass Besagte weniger meine Brüder und Schwestern sind als Ihr vielleicht derzeit annehmt“, fuhr sie direkt fort, ehe die Frau Gelegenheit zur Antwort hatte. Aus ihrer Äußerung auf Firrerre, dass sie möglicherweise gar keine Jedi sei, und der jetzigen Erwähnung, dass sie nach eigener Aussage offenbar freien Geistes ihre Ausbildung nicht vollendet habe, ergab sich möglicherweise allmählich ein an manchen Stellen schillerndes Bild aus einzelnen Versatzstücken, doch Sedrael schickte sich nicht an, die einzelnen Punkte von sich aus weiter zu erläutern.
Das Hologramm war also nicht der Meister der Inquisitorin? Unerwartet. Das konnte in Bezug auf die Sith einige Änderungen bedeuten, die sich Sedrael aber jetzt hier in diesem Moment noch nicht erschließen konnten. Es war jedenfalls im Moment schwer erklärbar, warum sich die Frau dann den Wünschen, oder eher den Befehlen dieser grotesken Erscheinung unterworfen hatte, wenn diese Gestalt nicht ihr Meister war. Doch letztlich basierte diese pure Annahme auf ihrem faden Wissen aus den Jedi-Aufzeichnungen und nicht auf eigener Erfahrung, Wissen also, dass vielleicht weniger Wissen als vielmehr Doktrin und Unterstellung eines Ordens war, ein Orden, der im Laufe der Zeit mehr und mehr zu einem Behemoth geworden war, bis die Macht ihn dafür gestraft hatte. So wie es jetzt mit der Dunklen Seite passiert war. Dass die Sith die Worte der Sephi kopierte, und nicht nur das, sondern tatsächlich gar Sedraels gesamte Reaktion darauf imitierte, bereitete dieser Unbehagen. Es wirkte mehr spöttisch, als machte sich die Frau mit dieser Referenz über diese vormalige Bemerkung lustig. War es so? Vielleicht. Doch selbst wenn, war es letztlich ohne Bedeutung. Sedrael hatte eine gewisse, wenn auch in ihrer eigenen Selbstwahrnehmung zweifellos als naiv anzusehende Vorstellung von der Person, die vor ihr saß – und es war kaum das Ziel dieser Person, dass sie Sedrael gefiel. Für den Fall, dass sie so etwas Menschliches wie Gefallen wirklich überhaupt empfinden konnte geschweige denn wollte.
Die Antwort von Reah Nigidus auf Sedraels Frage war direkt, wenn auch insgesamt nicht allzu aufschlussreich. Sie öffnete mit ihren Worten ein Schloss, in dessen Truhe zwei weitere, noch weitaus kompliziertere Schlösser lagen. Ja, die Frau hatte ihr Leben verschont, hatte sie nicht an das finstere Hologramm ausgeliefert. Es war die gleiche Frage, die Rupert Donovan ihr vor kurzem gestellt hatte, vor der ärztlichen Untersuchung. Warum hatte man sie leben lassen? Warum saß sie nun hier? Nun, sie unterschied vom durchschnittlichen Firrerreo im Prinzip nur zwei Sachen. Doch sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihre offenkundig erkennbare Sephi-Abstammung eine Rolle spielte, dafür waren die Gespräche mit Nigidus zu sehr vom Spirituellen geprägt. Auf der anderen Seite aber hatte die Inquisitorin an dem anderen Machtbegabten auf Firrerre, an Quel-Tuus, kein besonderes Interesse gezeigt. Zumindest aber bestätigte die Antwort Sedrael darin, dass diese Zusammenkunft in dieser Form durchaus noch Sinn ergab, den sie im Falle einer anderen Antwort vermutlich nicht mehr gesehen hätte.
„Ich bin hier, um zu verstehen“, beantwortete sie die ihr gestellte Frage zunächst, wenn auch auf eine andere Art als diese vielleicht gedacht gewesen war. Es war ihr Anlass, ihre Motivation gewesen, Firrerre mit der Frau zu verlassen.
„Die Macht befindet sich im Wandel. Der Einfluss der Dunklen Seite schwindet zusehends. Ihr spürt es, so wie ich. Und ich frage mich warum. Wo es hinführt.“
Ein paar Monate musste es her sein, seit es die große Erschütterung im Gefüge gegeben hatte und ein gewaltiger Nexus der Dunklen Seite ins Chaos gezogen worden war. Zumindest war das die Lesart der Jedi gewesen, wenn eine finstere Gestalt von der Macht korrumpiert und schließlich von dieser wieder beseitigt wurde, um fortan als gequälte Seele im Chaos ein nimmer endendes Dasein voller Hass und Pein fristen zu müssen. Gefangen in der eigenen Abart, die sich zu Lebzeiten angereichert hat und sich dann im lebenden Tod nur noch gegen einen selbst richtete. Doch trotz dieser Erschütterung war die Dunkle Seite nicht verschwunden – was auch nicht zu erwarten gewesen war. Und letztlich Sedraels Ansicht nach ohnehin nie passieren würde. Die neue Dunkelheit stemmte sich aber nur noch gegen den Wandel der Zeit, gegen das Unausweichliche, vielleicht um mit einem glorreichen Fiasko schließlich in den Untergang zu gehen. Wen würde dieser Strudel mitziehen und wer würde sich ihm aufrichtig entziehen können? Die Augen der Sephi sahen auf die kalte, tote Maske, blickten hinter die Maske, die die beiden nun wieder trennte.
„Eine Gestalt der Dunkelheit, die einer Gestalt des Lichts eine Chance zum Überleben bietet?“, stellte sie zur Untermauerung der These in den kleinen Raum und pointierte die Aussage mit der vermeintlichen Absurdität dieses Umstands, der vor nicht allzu langer Zeit noch undenkbar gewesen wäre. Bisher hatte die Dunkle Seite stets versucht, das Licht komplett zu verdrängen, um dauerhaft die Oberhand erlangen zu können. Viele waren dem zum Opfer gefallen, ein gnadenloses Massaker. Eine eigene Organisation, nur für diesen einen Zweck geschaffen. Doch nun war es anders. Die Organisation saß in einer Person verkörpert vor Sedrael und schenkte ihr nun das Leben. Und dieser besagte Umstand – so absurd er vielleicht schien – war aber Realität und fand hier, gerade hier in dieser Zelle, statt, was Sedraels Frage bewusst rhetorisch werden ließ und keiner Beantwortung bedurfte. Der Spiegel des Wandels reflektierte Vieles; Risse in der Fassade, die die Dunkelheit um die Galaxis ausgebreitet hatte. Sedrael hatte sich in den letzten Jahren nicht freiwillig versteckt. Sie hatte sich verstecken müssen, weil sie in keiner Form auf Gnade hätte hoffen können, wie auch sonst niemand aus ihrem früheren Orden welche erlangt hatte. Allesamt waren sie tot, geschlachtet von der Organisation, die ihr nun aber doch das Leben ließ.
„Der Wandel ist wahrlich überall. Denn an mir ist nichts, das euch beeindrucken könnte. Warum ich hier bin, wisst Ihr nun. Die wichtigere Frage wird daher sein, warum seid Ihr hier, hier mit mir?“
Es war noch nicht so weit, dass die Dunkle Seite ihren Einfluss gänzlich verloren hatte. Die Leichen auf Firrerre legten Zeugnis darüber ab. Und doch war es ein Fortschritt. Schritt für Schritt. Erst im Kleinen, dann im Großen. Es war der natürliche Lauf der Dinge. Der Umstand, dass die Hexe hier direkt vor ihr saß, ohne Anstalten zu machen, Sedrael bekehren oder nötigenfalls umbringen zu wollen, war ein kleiner Schritt. Ebenso wie Sedrael ihrerseits nicht versuchte, Reah Nigidus zu bekehren. Es war ein Zustand des Gleichgewichts, der der Galaxis seit vielen Jahren abhandengekommen war. Der Zustand, den sie so notwendig für diese Galaxis ansah. Für sich genommen sagte das in diesem kleinen Maßstab noch nichts aus – aber es war nur eine Frage der Zeit, bis die dominante Fratze der Dunklen Seite wieder hinabgerissen wurde und Licht und Dunkel wieder gleichsam berechtigt und verpflichtet in der Galaxis existierten.
"Richtig.", bestätigte der Schatten Sedraels Worte beinahe schnurrend und ruhig, wie ein Rebentiger, wie ein Sturm der willkürlich entschied wann er aufbrauste und wann er das Leben fürsorglich in seinem Zentrum verschloss. Wild und gleichzeitig bedacht. Tosend und doch auch sanft. Die Feigen hätten sich auf und davon gemacht, hätten sich nie ans Herz gefasst, den Mut zusammengerafft um ins Zentrum des Unwetters zu sehen. Für den gemeinen Jedi zählte immer lediglich das was nie das wie doch würde es umgekehrt nicht mehr Sinn ergeben? War das was nicht immer da? Konnte immer genommen werden? Erforderte immer Interaktion? Ein verblendeter Jedi hätte nur den Sturm gesehen und wäre nicht auf die Idee gekommen zu sehen wie er entstand. Jedi begriffen Ursachen nicht, sie verließen sich auf ihren Aktionismus, der sie nur so oft zu Fall gebracht hatte. So viele fielen weil sie nie den Weg kannten, nur das Ziel. Doch war es letztlich nicht von größerer Bedeutung wie Pfade beschritten wurden? Lag darin nicht die Tugend der Jedi, ihre Disziplin? Nie zu wanken, nie abzuweichen, sondern treu dem Licht zu folgen? Doch nie haben sie gewusst wie, weil sie nur das Licht kannten, nicht aber den Pfad, der zu ihm führte. Doch auch der kleine Engel hatte es noch nicht geschafft, nicht gefunden, nein, noch schrammte sie an der Oberfläche, kratzte die dunkle Kruste ab um zu sehen, was darunter lag. Und dennoch war es interessant ihr dabei zuzusehen. Sie war wie ein Kind, das gerade begonnen hatte neu laufen zu lernen, noch stolperte und tappste sie ziellos umher - eine Fremde in einer anderen Welt. Und dennoch gehörte sie her. Der Schatten konnte nicht sagen, dass sie von diesem kleinen Glanzlicht beeinträchtigt wurde, selbst der Fluss der Macht schien ruhig zu werden und sich zu stabilisieren. Kein Fremdkörper, sondern ein Teil der dazugehörte, ein Teil des Ganzen.
Seiten? Starr blickten die Augen hinüber zur Sephi, doch kein Laut verließ den Mund. Nein, es gab keine Seiten. Perspektiven, das waren es. Hell und Dunkel. Zwei Sichtweisen die man aus unzähligen Blickwinkeln betrachten konnte und stets etwas Neues fand. Aber sie waren nicht abgetrennt, nicht in ihrer Natürlichkeit. Die Grenzen entstanden durch hohle Dogmen, die den natürlichen Fluss störten, ein Staudamm der zurückhielt, was nicht zurückgehalten werden durfte. Doch werfen taten die Münze ohnehin nur Narren, Spieler, die ein Spiel spielten, dass sie nicht kannten. Die klügeren Wesen würden eine Münze betrachten, wie einen kostbaren Schatz, von allen Seiten, bis sie auch die letzte Gravur begriffen und nicht etwa als Spielzeug entehren. "Das Herz entscheidet über das Gesehene.", widersprach die Inquisitorin. "Diesen Zufall den Ihr sucht, diese Ausflucht auf eine angebliche Seite ist... nichtexistent." Warnend hob sie eine Hand und ließ einen Finger unheilvoll wie einen giftigen Pfeil nach vorn preschen, bis er das Brustbein der Sephi wie ein Warnschuss traf. "Die meisten Jedi, Sith, dunkle Jedi, selbst die Hexen von Dathomir sind indoktriniert, vergiftet von ihren eigenen Dogmen. Sie würden die Münze so lange werfen bis das zu sehen ist, was das Herz sich wünscht zu sehen." Der physische Rest des Schattens beugte sich vor und erhöhte den Druck des Fingers. "Ein jeder entscheidet selbst, was er bereit ist zu sehen. Die Macht mag mannigfaltig sein, doch kann nicht jene blinden Narren heilen, die nicht geheilt werden wollen."
Die Dunkelheit entspannte sich wieder, die physische Gewalt löste sich und entschwand wieder im schwarzen Dunst, in den der Schatten begierig zurückkroch, als wäre er noch immer zu scheu. Noch immer zu ängstlich sich dem Licht zu lange auszusetzen. "Und wie, meine Liebe, soll ich Euch nun nennen wenn Ihr glaubt keine Jedi zu sein?" Eine weitere kleine Provokation, ganz zaghaft und als solche kaum zu erkennen. Sie unterstellte ihrem kleinen Engel sich aus dem Kollektiv gelöst zu haben, obgleich es sicherlich auch umgekehrt der Fall hätte sein können, ein Umstand, der ihr gänzlich bewusst war. Nur weil das Kollektiv die Mehrzahl stellte, hatte es nicht recht.
Verstehen, ja, der Schatten nickt langsam. Das Verständnis stellte den Anfang da, wer den anderen verstand musste keine Angst mehr voreinander haben, musste Wut und Zorn nicht in Feindseligkeiten entladen sondern war imstande das Mysterium ein Stück weit mehr zu entschlüsseln. Verständnis brachte Akzeptanz und selbst wenn dieses Verständnis einseitig ausfallen sollte, selbst wenn es nur einen von ihnen gelang die alten Marotten zur Gänze abzulegen, so wäre dies allein traurigerweise ein größerer Erfolg als es die Orden der Jedi und Sith in den letzten Jahrtausenden vollbracht hatten "Der Wandel... ja, der Wandel...", die Hexe gluckste verächtlich und senkte das Haupt herab zum Boden. "Wo es hinführt wollt Ihr wissen?" Eine Hand reckte sich empor, wie eine einzelne Speerspitze, die im Sturm noch standhielt - oder gar eine Blume? Langsam wie sich die auseinanderbogen um vielleicht, nur vielleicht eine traumhaft schöne Blüte preiszugeben. Aber hier gab es nur Schrecken. Wandel entstand aus Wahl. Aus Freiheit. Jemand entschied, dass etwas verändert werden musste. Doch was aber, wenn diesem jemand die Wahl plötzlich nicht mehr gefiel? Freiheit barg Risiken. Konsequenzen. Es konnte besser werden - oder schlimmer als je zuvor. Denn nur weil die Dunkelheit wich, vom Nimmersatten Chaos verschlungen wurde, war dies nicht gleichbedeutend mit einer besseren Zeit. Nein, die Hochöfen des Krieges brannten, Durastahl wurde für die Legionen des Todes gegossen. Erst würde Blut fließen, dann konnte der Frieden beginnen. So war es immer und so war es notwendig. Doch in manchem Herzen brachte Wandel Angst, Angst die nun hervorkroch, sich an den Fäden der Macht entlang hangelte, bis sie die Fingerspitzen erreichte und die Grenze des Körpers verließ und sich in einer kahlen Metallwand manifestierte. Ein Abbild von Furcht, eine Illusion, entsandt aus ihrem Herzen, zu zeigen was mit jenen zustieß, die dem Echo der Macht lauschten. Da war die Figur nun an die Wand gebrannt, die sie vor ihrem geistigen Auge so klar sah. Der Mann ganz in schwarz, mit diesem grotesken Helm der wie ein menschlicher Schädel anmutete, mit diesen klobigen Gliedmaßen die jede Eleganz im Keim erstickte, mit diesem blinkenden Computer auf der Brust, der jedem zeigte, dass dies kein lebend Wesen mehr war. Vader. Ihr Kopf hob sich ruckartig und starrte die Sephi gleichsam furchterfüllt und verzweifelt an. "Da seht Ihr wo es hinführt, was aus unsereins wird. Zinnsoldaten! Mit Drähten und Hebeln, statt Herzen und Köpfen!"
Darum schwand die Dunkelheit, weil sie von innen gefressen wurde, von ihrem eigenen Propheten, der sich auf seinem Thron setzte, der alles verkommen ließ und sie nunmehr alle als Sklaven zurückließ. Marionetten an seinen klebrigen Fingern und nicht jedem gelang es die Fesseln zu durchtrennen und sich zu lösen. "Damit Ihr lernt die Dinge zu sehen. Damit Ihr Euch nicht verkriecht. Ihr werdet Euren Teil beitragen, meine Liebe. So, wie es Euch möglich ist." Die Hand schloss sich und sog die albtraumhafte Gestalt in sich ein, ehe ein kurzes Nicken zur Tür deutete. "Wir werden dies andernorts fortsetzen. Der Admiral wird bald eintreffen und ich nehme an Euch würde es gelegen kommen für die Dauer Eures Aufenthaltes ein etwas... angenehmeres Quartier zu beziehen." Die Hand sank gleichsam herab, wie sich der Leib des Schattens erhob und zur Tür Schritt. "Kommt mit."
Zufall? Zufall war nur das Wort, das einen unbekannten Sachverhalt beschrieb. Zufall war der Gedanke, die Ursache von etwas begierig erfahren und es als Erklärung replizieren zu wollen, aber schlussendlich daran zu scheitern. Aus Sedraels Sicht war das Ganze daher kein Zufall, darum hatte sie das Wort auch nicht genutzt und hätte es auch nie getan. Die Inquisitorin irrte, wenn sie Sedraels Aussage so interpretiert hatte, dass es dem körperlichen Wesen oblag, diese Münze zu werfen. Das war allenfalls ein Pseudowurf, wenn sie das versuchten. Der Münzwurf der Macht selbst hatte rein gar nichts mit Zufall zu tun. Er war nur das Aufzeigen des Ergebnisses, um es dem körperlichen Wesen begreiflich zu machen. Dem Adressaten mochte das wie Zufall vorkommen, doch nicht der Macht als Werfer der Münze. „Zufall“ war nur das Wort, das manche in ihrer Unkenntnis der Ursache zu nutzen pflegten, die Erklärung der Nichterklärung für das körperliche Wesen. Der Wurf aber folgte klaren Gegebenheiten, zumindest mussten sie klar sein, wenn man nur dazu in der Lage, war, diese Kriterien vollständig geistig zu begreifen. Doch war ein körperliches Wesen, ein sterbliches Wesen dazu in der Lage? Konnte es überhaupt dazu in der Lage sein? Die Physis setzte Grenzen, naturgegebene Grenzen, die vielleicht variiert, aber dennoch nicht übersprungen werden konnten. Es gab so Vieles, das viele Spezies sehen und befühlen konnten, noch mehr aber, was allen verborgen blieb. Die Macht dagegen war alles und nichts. Sie war Licht und Schatten. Existenz und Nichtexistenz. Für Zufall war kein Raum. Dieser Begriff kam nur dann ins Spiel, wenn man – wie so viele – mit dem Wesen der Macht nicht kooperieren wollte, sich ihm entzog und es auf die körperliche Ebene hinabzog. Es war der Rückzug in die eigene Festung, eine Abschottung vor den brandenden Wellen des Meeres, die sich gegen das selbst errichtete Mauerwerk warfen. Eine Zeit lang mochte die Zufallsfeste standhalten, aber irgendwann, mit jeder neuen Erkenntnis, wurden die aus Unkenntnis errichteten Mauern modriger, und erste Wassertropfen glänzten auch im finstersten Bereich der stürmischen und eins so sicher wirkenden Burg. Zufall war nur das Wort, das spätestens dann zerbrach, wenn die Festung endlich dem Meer nachgeben musste.
Nichtsdestotrotz machten Sedrael die Worte der Inquisitorin nachdenklich und lange Zeit schweigsam. Das vielleicht Beunruhigendste an dieser Situation war, dass die dunkle Hexe Sedrael ihre eigene Ansicht offenbarte – die mehr mit der der Hexe übereinzustimmen schien, als vermutlich weder sie noch die Hexe selbst bislang ahnten. Für Sedrael war es ein Stück weit unangenehm, dass ein Wesen dieser Finsterkeit offenbar einiges so ähnlich verstand, aber dennoch so völlig anders damit umging als sie selbst. Die Führung der Feder mochte anders sein, aber am Ende waren die schraffierten Bilder gar nicht so verschieden. War es das, was geschehen würde, wenn sie ihre eigene Festung niederriss und sich der Macht so hingab, wie sie es vielleicht früher getan hatte, nur eben damals auf ihre jüngere, unschuldige Art als Padawan unter Aufsicht ihres Mentors, der darauf achtete, dass sie immer noch sie selbst blieb? War es das, was geschah, wenn man sich von seiner Ansicht völlig konsumieren ließ? Ein kurzer Schauder durchzog sie und jagte ihr eine Gänsehaut über den Körper. Die Fingerspitze führte ihre Feder an Sedraels Brustbein und begann daran zu zeichnen, eine verdorrte, krakelige Karikatur von sich selbst. Und doch basierten Karikaturen stets auf der Wahrheit, wenn auch nur auf der überzeichneten Art und Weise davon. Wie viel davon war hier nun Wahrheit und wie viel war überzeichnet? Sedrael dachte daran, nach der Federhand zu greifen, das Zeichnen zu beenden oder ihr bei der Linienführung zu helfen, doch vielleicht ließ sich das erst mit Sicherheit sagen, wenn das Bildnis vollendet war. Und vielleicht würden sie beide in Zukunft mehr ein Bildnis voneinander zeichnen als die Überzeugtheit der Hexe diese derzeit akzeptieren ließ. Oder es riss sie beide in den Abgrund, der in der Galaxis noch immer weithin offen stand und seine absonnigen Opfer willfährig empfing. Ein Abgrund, der alle Wesen gleichermaßen verschlang, unabhängig vom Loyalitäten und Ansichten. War es also überhaupt wichtig, was sie war? Wie die Frau sie bezeichnen sollte? Eine Kollektivbezeichnung führte immer zu Vorurteilen, zu Zwängen, die sich nicht ohne weiteres abstellen ließen. Ja, auch sie selbst war davor nicht gefeit. Auch sie hatte zunächst schlucken müssen, als Reah Nigidus ihr gegenüber eröffnet hatte, dass sie eine Sith war. Es war Sedrael nahezu in die Wiege gelegt worden, es war der Feind, ohne Zweifel, ja, der Erbfeind. Es gab kein Wenn und Aber, es war immer so gewesen. Doch nun war dieser Erbfeind hier und diese Erkenntnis hatte letztlich nichts geändert, wie sich die Sephi nun der Frau gegenüber verhielt. Zumindest nicht bewusst. Doch so klar ihre Gegenüber dies formuliert hatte, so wenig klar empfand es Sedrael in Bezug auf ihre eigene Person. Offenkundig war sie keiner Organisation verbunden und somit keinen Zwängen unterworfen, die ihre Meinung in der einen Form oder der anderen in diesem Moment ansonsten hätten beeinflussen können. Und das war, alles in allem, das einzig Relevante. Sie war eine Person, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ob sie wirklich glaubte, Jedi zu sein oder nicht, war daher unwichtig. Es änderte nichts.
„Ihr könnt mich lediglich Sedrael nennen, Reah Nigidus,“, entgegnete sie der Frage der Frau somit nach einem kurzen Augenblick. „Es allein ist, wer Euch gegenüber sitzt. Es allein sagt, wer ich bin, mit all meinen Lastern und all meinen Vorzügen. Nur ein Individuum.“
Letzten Endes war das aus Sedraels Sicht zwar korrekt, wenn auch verknappt. Sie war anfangs – vor ihrer Zeit als Jedi – noch unter den Firrerreo sozialisiert worden, was bedeutete, dass der Name, der ihr seit ihrer Kindheit gegeben war, nur der Rufname und nicht ihr wahrer Name war. Das Wissen um den wahren Namen bedeutete nach deren Vorstellung Macht und Einfluss gegenüber derjenigen Person und so wurde er nur an die engsten Vertrauten weitergegeben, von denen man wusste, dass sie ihn nicht missbrauchen würden. An diese Schwelle trat die Inquisitorin jedoch noch lange nicht heran. Somit spielte Sedrael auch gar nicht erst mit diesem Gedanken.
War der Ausblick in die Zukunft derart finster? Die Hexe erschuf ihre Traumwelt aus verstörenden Bildern, gab sie Sedrael preis. Eine dystopische Welt voller Tod und roboterhaften Lebewesen. Aber war das neu? Es war Realität, offenbar schon lange. Derartige Roboter waren auch hier, hier auf Reah Nigidus‘ Schiff. Aber es schien sie hierbei nicht zu kümmern. Erst der Schlächter der Jedi rang ihr eine Reaktion auf die Konditionierung von Lebewesen ab. Empfand die Inquisitorin normale Lebewesen schlichtweg als wertlos? Doch im Rahmen dessen änderte sich die Frau plötzlich merkbar. Es gelang es Sedrael vielleicht das erste Mal, hinter die Fassade zu blicken, hinter die Maske, die nicht nur körperlich hier war. Die Person, die bislang bemüht gewesen schien, stets die Souveränität zu wahren und als die, die trotz allen mehrfachen Austestens von Sedrael bisher am Ende doch auf irgendeine Art alle Fäden in der Hand gehalten hatte, war plötzlich eine andere. Verängstigt, fast panisch. Verzweiflung in den Augen. Und so war die Person vor ihr in diesem Moment gar nicht mehr die Hexe, gar nicht mehr die Inquisitorin und auch nicht mehr Mörderin von Sedraels Heimat. In diesem Moment war sie nur Individuum, nur Mensch, nur Reah Nigidus. Ein Mensch mit Ängsten, Angst vor der Zukunft, die bevorstand und die vielleicht jetzt andere benachteiligte, welche in den letzten Jahrzehnten davon begünstigt gewesen waren. Gewinner hatten infolge von Wandel immer die Angst, anschließend zu Verlierern zu gehören. Zu lebenden Maschinen, unfrei und eingesperrt. Für die Verlierer des letzten Wandels war es dagegen immer eine Verheißung und vielleicht die Aussicht auf Verbesserung. Sedrael betrachtete die so menschliche Frau nachdenklich. Diese Angst vor der Veränderung war einem jeden, der sich als Machtbegabter in der Zeit des Imperiums versteckt halten musste, nicht in der Lage, ein Leben nach seiner eigenen Wahl zu bestimmen, sondern nur anhand der finsteren Puppenspieler, die alle Bedingungen selbst setzten, nur zu bekannt – und möglicherweise war der Frau nicht bewusst, dass dies also weder etwas Neues noch etwas Unbekanntes war, schon gar nicht für die Person, mit der sie gerade sprach.
„Nun, es ist nur das Gefühl, das einige unseresgleichen bereits seit langer Zeit erdulden müssen“, erklärte Sedrael leise. „Und allmählich kehrt es sich nun jenen zu, die es vielleicht selbst einst gesät haben.“
Ja, das Pendel schlug zurück. Früher oder später. Manche, die sich dieser Realität verweigert hatten, hatte es bereits vor kurzem überrascht und sie lagen jetzt erschlagen in der Geschichte darnieder. Andere erkannten es zuvor und waren dazu vielleicht in der Lage, ihren Beitrag zur Lösung dessen zu leisten. Aber wie ihre Gegenüber trefflich formuliert hatte, würde die Macht nicht jene Blinden heilen, die nicht geheilt werden wollten. Sedrael hob langsam, unsicher ihre linke Hand an und schob sie in Richtung der Illusionistenhand, die weiterhin Unheil in die Zelle spie. Ein erster Schritt in Richtung des Drachens, der sonst immer auf sie zugegangen war. Doch die Sephi zögerte, hielt einige Zentimeter davon entfernt schließlich inne. Die Überwindung nach allem war groß, sehr groß, ja, zu groß. Die Angst davor, verschlungen zu werden von den Untiefen, die diese Frau gezeigt hatte und die auch jetzt immer noch vorhanden waren, auch wenn sie im Moment vielleicht nicht so wirkte. Auch das finsterste Gesicht konnte ein Mal lächeln. Berührungslos senkte sich Sedraels Hand wieder hinab in Richtung des Bodens. Es war zu frisch, sie konnte es nicht. Den Boden betrachtend atmete sie aus, um sich kurz zu sammeln.
„Aber eine jede Fessel ist stets auf vielerlei Arten lösbar. Und nicht immer ist der wirkungsvolle Weg derjenige, welcher kurzfristig raschen Erfolg verheißt.“
Die Sephi wusste nicht allzu viel über die Doktrin der Sith, als welche sich ihre Gegenüber bezeichnet hat, aber ihr war bekannt, dass Furcht vor der Unfreiheit eine der häufigen Motivationen für ihr Handeln sein sollte. Die Darstellung von Reah Nigidus schien hierzu ins Bild zu passen. Angst hatte vielerlei Gesichter. Sie konnte lähmend wirken, aber auch zu Handlungen zwingen, wenn anderenfalls Konsequenzen drohten. War das das Angebot, das der eigenbezogene Haltung eines Sith Nahrung verlieh? Das Lösen irdischer Fesseln durch eigene Stärke? Nun, es war kurzsichtig. Angst war kein guter Ratgeber. Sie führte zu hastigen Entscheidungen, Kurzschlussreaktionen. Die Korrumpierung legte einem nur andere, jedoch immer schwerer werdende Fesseln an, selbst wenn man sich von den alten dadurch befreien konnte. Der eigene Kontrollverlust war der Preis zur Zerschlagung irdischer Ketten – aber hatte ein Kontrollverlust nicht noch viel mehr den Charakter einer Marionette, den sie dadurch gerade zu vermeiden suchten? Es war ein Widerspruch, der sich wohl nur durch das eigene Heilsversprechen erklärbar machte. Doch ein Versprechen konnte auch gebrochen werden.
Sedrael stand auf. Ihr war zwar nicht bewusst, welche Relevanz der erwähnte Admiral auf ihren weiteren Gang haben würde, doch der Zuspruch einer angemesseneren Unterkunft war nach den Strapazen der letzten Tage eine empfängliche Aussicht. Wie lange war es her, dass sie in einem richtigen Bett hatte schlafen können? Schwer zu sagen. Die Erinnerung daran war verblasst, lange schon. Stumm nahm Sedrael ihre purpurfarbene Robe von dem weitaus weniger bequemen Bett der Zelle. Ihre Hand befühlte den grauen Stein Firrerres, den sie damals an sich genommen hatte. Ja, manche Erinnerungen waren dagegen noch deutlich frischer. Die Sephi seufzte unterdrückt und folgte der Hexe schließlich aus der Zelle.
Nur ein Individuum..., eine Zeit lang hallten diese Worte durch ihren Kopf und wirkten so unwirklich wie die eben noch projizierte Illusion. Nein, sie war nicht nur, sondern vielmehr das. Der Individualismus war das erste was der Abgrund verschlang, er Abgrund der - und gewissermaßen hatte die Sephi hier recht - schon immer da war, nun aber erkrankt an einer Schlingsucht, der niemand Einhalt gebieten konnte. Was ihre kleine Nicht-Jedi nicht wusste war nun allerdings, dass dies in etwa dem entsprach, was die Inquisitorin erwartet hatte oder anders ausgedrückt: was sie sich erhofft hatte und wieder und wieder hatte Sedrael es bewiesen und nun eben direkt ausgesprochen. Dieses Individuum konnte und würde eines Tages vielleicht die Antwort auf diesen überflüssigen Konflikt finden, nein, sie musste es sogar. Selbst wenn Vesperum fiel, würden sich andere an seiner statt erheben, Kreaturen wie er, oder wie sie selbst. Durchaus, der Schatten war sich bewusst, dass er eines Tages selbst zu einem Problem werden könnte, sie wartete nur darauf, lauerte vor ihrem eigenen Spiegel, bis dann der Tag anbrach wo sich zeigen mochte, wo sie stand und sich enthüllte, welchen Teil sie zur Galaxis beitragen mochten. Vielleicht war die Hexe längst nicht so sehr Sith wie die Sephi es glauben mochte oder aber sie stellte eine neue Form der Philosophie dar. Reah kannte die Antwort auf diese Frage nicht, zu viel hing davon ab was in den nächsten Wochen und Monaten geschehen würde, als das sie es auch nur ahnen könnte. Bewusst allein war ihr lediglich die Tatsache, dass sie sich von den anderen dunklen Geistern differenzierte, doch das Dunkel war schon immer unterschiedlich, schon immer uneins. Am Ende des Weges konnte sich diese Andersartigkeit als fataler entpuppen, als es Vesperum je war. Wenn eine Annahme korrekt war, so, dass Dunkelheit verpflichtete. Sie lagen an Ketten wie Bluthunde, darauf getrimmt auf Befehl zuzuschnappen. Und letztlich gab die die dunkle Seite der Galaxis nur jene Schrecken, die sie selbst heraufbeschwor. Anders ausgedrückt las Reah Nigidus ihre Zukunft weniger in ihren Taten, als vielmehr darin, wozu sie die Galaxis treiben würde.
"Nun gut, Sedrael...", echote der Schatten den Namen, der ihr genannt worden war, ebenso kühl und beherrscht, wie noch vor wenigen Momenten. Die Maske unter der Maske hatte feine Haarrisse bekommen, nicht genug um sie bersten zu lassen, noch nicht. Vielleicht war dieser... emotionale Ausfall sogar ein Stück weit kalkuliert, eine andere Facette um eine Reaktion zu erzwingen, das Ruder aus der Hand gebend, nur um zu sehen, was jemand anderes an ihrer statt damit tun würde. Doch ihr Engel war ein wenig scheu, musste sie sich resignierend eingestehen, während sich die Zellentür öffnete und sie auf den Gang hinaustrat. Verschreckt und zögerlich, durchzogen von Misstrauen. Unangebrachtes Misstrauen wie die Hexe zugeben musste. Sie hatte nie gelogen - zumindest noch nicht, nicht hier in Sedraels Gegenwart. Vielleicht würde sie es einmal tun, nur, um eine erneute Reaktion zu provozieren, nur um wieder zu beobachten, sie auszutesten wie ein Forschungssubjekt und gewissermaßen war sie das letztendlich auch.
Doch sie lag falsch, fatal falsch, wenn sie glaubte die Geister der dunklen Seite hätten ein besseres Los gezogen, solch einer Aussage würden nur jene zustimmen, die blind waren und sich der Welt verschlossen. Wo waren sie denn frei gewesen? Wo waren sie denn keine Sklaven? Unterdrückt und in einem System unterjocht, dass sie nicht duldete? Viele waren nur Kriegsmaschinen wie Vader und vielleicht, vielleicht war es ein schleichender Prozess, keine Entwicklung der letzten Jahre, nein, es lag schon länger zurück. Aber es wurde schlimmer, die Schlinge zog sich immer enger um ihre Hälse und ehe sie sich versahen, wären sie wie die gesichtslosen Sturmtruppen, die Flottenoffiziere, die Armeesoldaten. Mit Spulen im Kopf, statt Gehirnen. Willenlose Befehlsempfänger. Funktion. Letztlich lief alles auf Funktion hinaus. Doch so sehr sie danach suchte, fand sie die Antwort nicht. War es nun weltlicher Zwang, der die Macht unterdrückte? Der sie in willenlose Hüllen zwang? Oder war es die Macht selbst? Nicht alles ließ sich mit der Vorherrschaft der dunklen Seite erklären, nicht zweifelsfrei. "Jene welche die Saat auslegten sind bereits von uns gegangen. Nur ihre Ernte bleibt zurück.", lautete ihre ernüchternde Klarstellung an Sedrael. Es mochte wie eine Läuterung erscheinen, das Abschiebend er Schuld auf andere, die nun tot waren. Vielleicht war es so, vielleicht nicht. Für die Hexe waren die Dinge geschehen, was war, das war. Nun mussten sie mit den Folgen leben.
Sie ließen den Gefängnistrakt mit seinem erdrückenden Dämmerlicht hinter sich und traten hinaus auf die Hauptflure, die gesäumt wurden von Sichtfenstern, die Ausblick gaben, auf das Ungetüm dahinter. Nun wusste sie wohl in etwa, wie sich Donnovan gefühlt haben musste, als er in die zahlreichen Kanonen und Turbolaser gestarrt hatte. Und so wenig Bedeutung sie auch technologischen Schreckgespenstern beimaß, musste die Hexe doch zugeben, dass ihr beim Anblick der zahlreichen schweren Geschütze unbehaglich zumute wurde. Doch nur für den Moment, für den kurzen Augenblick, ehe sie hinter einer anderen Biegung verschwanden, die sie zur Schleuse führen sollte. Derweil hatte sie über die Worte der Sephi nachgedacht - natürlich waren Fesseln lösbar, doch absolute Freiheit war kein reell erreichbares Ziel. Stets gab es Dinge die zurückhielten, Verpflichtungen, Verantwortung, Bindung. Fleischliche Wesen wuchsen mit der Fessel auf, die Dunkle Seite und ihre Wirkungsweise, stellte nur eine weitere, unerhebliche da. Ebenso der Weg der Jedi, eine jede Philosophie, selbst eine eigens erdachte, geschmiedete, legte den Philosophen dahinter in Ketten. Einen Geist zu kreieren, der keine Fesseln kannte war eine schwierige, vielleicht sogar unlösbare Aufgabe. Langfristig und kurzfristig spielte dahingehend also gar keine Rolle, entweder der Erfolg setzte ein und war absolut oder eben nicht. Hier gab es keinen eleganten Mittelweg. Freiheit oder Unfreiheit, mehr gab es nicht.
Ihre Finger tippten den Schleusencode ein, ehe die Maschinen sich daran machten den Befehl umzusetzen und den Druckausgleich einleiteten. Der Schatten nutzte die kurze Wartezeit sich umzudrehen und zu ihrer Begleiterin zu sehen. "Was Ihr sagtet, über die Fesseln... ich brauche keine Belehrung von Euch, Sedrael. Ich kenne die Risiken und Konsequenzen - glaubt nicht ich wäre mir meiner Entscheidungen und Taten nicht bewusst." Mittlerweile wusste die Hexe was sie tat. Natürlich, anfangs waren die Schritte im Dunkeln schwierig, für jene, die nur das Licht kannten. Doch irgendwann durchschaute ein wacher Geist die gar simple Mechanik hinter der dunklen Seite und entscheidet selbst, wie viel er zu opfern bereit ist um seinen Preis zu erlangen. Für Sedrael opferte sie einen Planeten und die Loyalität einem weltlichen System gegenüber. Interessant wäre, was die Sephi bereit zu opfern wäre, sollte der Tag dafür anbrechen.
Als sie die Andockbucht der Abaddon betraten, stellte die Hexe verblüfft fest, dass sie nicht allein waren. Nein, in seiner prächtigsten Uniform und geschwollener Brust sowie hinter dem Rücken verschränkten erwartete sie Captain Stratis. "Milady.", grüßte er mit einem zackgigen Salut, um ihre Aufmerksamkeit einzufangen. Die Sephi hingegen schien der Mann nicht einmal als existierend wahrzunehmen. "Captain?", entgegnete sie, ohne merklich langsamer zu werden. Stratis indes reite sich flüssig in die Reihe ein, während er ein Datapad hinter seinem Rücken hervorzog. "Neuigkeiten von Neretim. Er setzte vor wenigen Stunden einen Notruf an uns ab." Ihre Hand glitt herüber und entzog dem Captain das Datapad, auf dem nun ruhig ihre Augen lagen. "Und das sollte uns aus welchen Gründen kümmern?" Stratis nickte in Richtung des Datapads. "Ihr tragt den Grund in der Hand." Zeile für Zeile sondierte sie die Buchstauben, nutzloses imperiales Protokoll, nett anzusehen für jene in ihren Büros, für die Blechmänner, die stoisch sortierten, markierten, funktionierten. Bis auf zwei Sachen. Eine Koordinatenangabe und zwei Wörter: Dunkle Macht. Sie blinzelte den Mythos ungläubig an- Ja, ein Mythos, selbst sie hatte nie daran geglaubt, weniger vielleicht noch, als an dieses ominöse extragalaktische Flugprojekt, das etwa in der gleichen Zeitspanne spurlos verschwand. "Und... diese Angaben sind durchaus korrekt?" Stratis nickte. "Wir konnten einen Rückfunkkkanal zu Neretim einrichten und mit ihm sprechen, allerdings nur kurz. Wir hatten wohl Glück, dass ihr Signal überhaupt bis hierhin durchkam." Die Hexe nickte verstehend und ein ungesehenes Grinsen bildete sich. Langsam nahmen die Dinge Gestalt an, offenbar war ihnen die Macht zu Teilen gewogen. "Vorzügliche Nachrichten, Captain.", bemerkte sie kühl, ehe das Pad in die andere Hand wanderte und es zu Sedrael herüber hielt, darauf wartend, dass sie es sich nahm und ansah.
"Allerdings...", begann der Captain etwas unsicherer, "...wurde mir auch ein Versetzungsbefehl zugetragen. Ein neuer Posten im Kuat-System." Den letzten Teil nahm sie kaum wahr, nur Missfallen blitzte auf, Ärger, Konstanten, die ihr nun genommen wurden. "Ich wusste nicht, dass das Flottenkommando zur Einmischung befugt ist.", bemerkte sie scharf und blickte Stratis an, der die Mimik jedoch nicht deuten konnten und sich darauf begann die Situation lieber zu umschiffen, statt während seiner letzten Momente auf diesem Schiff als Blitzableiter zu dienen. "Der Ersatz wird in Kürze eintreffen, ein gewisser Captain Horington.", Stratis runzelte die Stirn, "Von einigen der 'blutrote Viska' genannt." Sie nickte, doch wieder kam es Stratis so vor, als würde sie diese Information nicht im geringsten Interessieren, geschweige denn, dass diese Frau sie überhaupt wahr- oder aufnahm. "Ich werde ebenfalls so schnell wie irgend möglich aufbrechen." "Tun Sie das, Captain.", bemerkte die Hexe tonlos, ehe sie abrupt innehielt und dem Mann einen Moment hinterher sah, bis er sich entfernt hatte. Nun gut, das glich die Sache ein wenig aus. Eine offenbar große militärische Streitmacht gegen einen unterwürfigen Captain. Der Schatten entschied, dass dies wohl ein annehmbarer Kompromiss war - man konnte nicht alles haben.
Stille. Eine einzige große Blase aus Stille scheint die Gestalt die einsam auf ihrem Passagierplatz sitzt zu umgeben. Einzig das Surren der Triebwerke, der kleine Rest der durch die Durastahlhülle getragen wird, vermindert das Gefühl des toten Raums der das kleine Lambda-Shuttle bedrohlich umschließt. Die einsame Gestalt liest gehüllt in ihren Mantel in einem Pad vor seiner Hand. Das sperrliche Licht flackert vorsichtig vor sich her in der Fähre, die wohl bereits für die Ausmusterung bestimmt war. Der Hyperraum setzt aus und das Schiff zieht sich mit einem Ruck wieder in das leere All. Der Viska schreckt auf, sein Herz beginnt zu pochen. War er den sanften Austritt der Cthullu so gewöhnt oder war er einfach nur nervös ? Das einzige dass ihm eine Antwort schank waren die tiefen Luftzüge seiner Atemmaske. Leises Klicken verrät ihm dass er weit hektischer atmete als er es zuerst annahm. Seine geschwächten, gläsernen Augen schließen sich unter der Maske, sein Kopf trudelt sanft nach hinten gegen den Sitz. Ruhe kehrte wieder ein als die Fähre ihren Anflug auf die Schiffe aufnahm. Sein Schnabel zog sich samt Maske vorsichtig zu seiner linken Schulter herüber. Sein rechter Arm erfüllte den Punkt eines stechenden Schmerzes, als hätte man ihm ein Messer hereingeramt, als würde man ihm die Muskeln herausschneiden. Mit gesenktem Kopf hält er inne, erinnert sich: Er füllte diesen Schmerzen schon einmal, den realen Schmerz, vor sehr, sehr langer Zeit. Was er jetzt fühlte waren metallene Stäbe, Mechanik und Kabel. Gequält vom Phantomschmerz, der ihn niemals vergessen lässt, beißt er sich in die halb weggebrannte Unterlippe, tief unter der Panzerplast Maskerade. Es war nur die Erinnerung die ihn leiden ließ. Kaum spürte er noch etwas an seinem linken Arm, wozu auch ? Keine Schmerzen, Taubheit, Verspannungen, einzig diese Erinnerung lässt ihn leiden, ihn den Selbsthass wieder durchleben. Die Stille tat nicht wenig dazu bei dass seine Gedanken sich festsetzen, nichtmehr weichen wollten. Eine Möglichkeit sich abzulenken fehlte, zu lesen würde diesen Schmerz nicht aus seinem Kopf schwinden lassen. Zögerlich erhob sich die einsüchternde Gestalt von ihrem Sitz, zupft sich mit der von einem Handschuh umhüllten Hand den Mantel zurecht. Nur vereinzelt war das flackernde Licht stark genug seine ganze Pracht, die roten Blumenmusterungen, zu enthüllen. Seine verstärkten Sichtlinsen wiesen ihm, trotz manchmal sekunden andauerndem Lichtausfall den Weg zum Cockpit. Die Tür zischte auf und noch bevor der Viska einen Laut abgeben konnte offenbarte sich vor ihm ein Musterbeispiel imperialen Terrors: Die Abadon. Der mächtige Allegiance-Klasse Supersternenzerstörer war nichtmal doppelt so groß wie ein Imperial-II-Klasse Schiffe, doch strahlte es die pure Bedrohung aus. Der todbringende, gigantische, Keil aus Durastahl würde wohl jedem Admiral der Republik die Knie schlottern lassen. Obgleich die Abadon nicht mit einem Bellator oder gar einer Executor zu vergleichen war, war sie beeindruckend. Die Modularkreuzer die dem Schiff wohl als Eskorte dienten verdeutlichten dem Maskenmann nur die Imposans vor ihm. Ein Victory wäre gegenüber diesem Schiff wohl die reinste Lachnummer. Doch Macht hatte ihren Preis, stellt er nüchtern fest, ohne die Modularkreuzer wäre dass Schiff einem massiven Jägerangriff einfach ausgeliefert. Doch war dieses Schiff nicht einfach nur ein Kampfschiff dass vor sich hinfeuerte, es war psychologie. Es war Terror, blanker Terror.
Zurück in der Welt des Shuttle macht er einen Schritt ins Cockpit hinein. Noch bevor er zu einem Satz ansetzt schiebt sich der scharf endende Schnabel seiner Maske am Pilotensitz vorbei. Der junge Mann wollte eigentlich nur rüberschauen zu seinem Copiloten um ihn um die Kontaktaufnahme zu ersuchen, doch starrt er wie versteinert auf den Fortsatz unter dem sich die seperate Atemmaske das Überleben des Cyborgs sichert. Einige Augenblicke lässt er vor sich hin versteichen bevor der Mann zum Wort ansetzt. "Wie lange noch ?", fragt eine verstörende Stimme metallisch und mit winziger Verzerrung mit überlagerten Tonhöhen den Piloten. Nun hatte er endgültig Panik. Sein Herz pocht, sein Körper zittert. Wer war dieses Ding ? Sein Copilot schaut vorsichtig zu dem schwer atmenden Piloten herüber, weit distanzierter als sein Partner, womöglich weil er mitbekommen hatte wie jemand hereintrat, keinen Durastahlschnabel, der einem Raubvogel gleicht neben seinem Kopf hat auftauchen sehen oder auch einfach weil ihn dieser Cyborg nicht ganz so unheimlich erscheint. Zumindest zeigte er es nicht. Nur einmal kurz hatte er sich von dem Jüngen erzählen lassen was man über ihre Fracht so sagt: Den blutroten Viska nannte man ihn. Er solle blutrünstig seinen ersten Offizier auf der Brücke erschossen haben, grausam jemanden zur Strafe aufgeschlitzt haben und die Innerein ihm Hangar verteilen lassen. Sicher fand er letzteres ein wenig zu verstörend als dass es war sein könnte. Dennoch, ein leichtes Unbehagen erreicht auch ihn. Etwas später, wie eine Druckwelle aus Angst die sich erst im Raum verteilen muss. Je länger der Viska auf seine Antwort warten musste, desto mehr begann der Copilot sich zu fragen ob er es wagen würde seinem eigenen Shuttlepiloten etwas anzutun. Weitere Augenblicke des Schweigens verstrichen bis der junge Mann mit seinem jugendlichen Gesicht zu seinem Co herübersah und mit zitternder Stimme stammelte:" Nimm - Nimm kontakt zu den Schiffen auf und - und - und erbitte die - die Lande Erlaubnis." Sein Partner schrägt den Kopf leicht an, wollte gerade etwas sagen doch entschloss sich dann den Witz auf seinen Lippen einfach dort zu lassen. Mittlerweile bildete sich auch große Anspannung in ihm wegen dem Besucher im Cockpit. Der Mantelträger distanziert sich mit einem Schritt zurück, steht nun hinter beiden Sitzen und schaut ihnen bei der Arbeit zu. Keiner der Beiden schien sich zu trauen ihn darum zu ersuchen wieder in den beängstigend stillen Passagierraum zu gehen. "Wir .. warten nurnoch auf die Landeerlaubnis", erklärt ihm der Jungspunt dann nach einiger Ruhe die er nutzte um sich einzukriegen möglichst sicher. "Hier Transportfähre Alpha-1910. Kennung: Drei, sieben, acht, vier, dreizehn, zweiundvierzig..", weiter gab der Copilot den Identifikationscode durch, gab an weswegen sie hierseien und wen sie geladen hätten:"Wir haben Auftrag Captain Veron Horington zur Abadon zu transportieren, melden over." Stille beginnt nun auch das Cockpit gänzlich zu erfassen. Einzig ein kleiner Komrauschen ließ die Anwesenden nicht gänzlich durchdrehen. Der Plan von Veron hatte funktioniert, wie ihm in diesem Moment auffiel. Er hatte sich abgelenkt. Keine Schmerzen mehr, die Gedanken, die Erinnung war aus seinem Kopf verschwunden. Doch dachte er diesen Gedanken nicht weiter im Glauben dadurch würden sie nur zurückkehren. Die Fähre treibt im All langsam auf die Gruppe aus Großkampfschiffen zu, wartet darauf ihre Schubkraft wieder durch die Triebwerke ins All zu entlassen und endlich ihren Pfad in einen Nebenhangar des Supersternenzerstörer aufnehmen zu können. Weitere Augenblicke voller Anspannung, nun davor zerschossen zu werden noch bevor die Nachricht ankommt, vergehen. Die Anwesenden warten alle nervös auf eine Antwort der Allegiance oder ihrer Eskorte. Landen oder nicht landen, dass war hier die Frage die sich die Piloten wohl gerade stellen musste, in Erwartung auf eine Antwort die ihre Monologe beantworten würde.
Es war ein eigenartiges Gefühl, Sedraels eigenen Namen aus dem verborgenen, blechernen Mund der Hexe zu hören, vielleicht prophetisch, vielleicht bedeutungslos und vergänglich. War es wichtig gewesen, ihn zu nennen? Natürlich nicht, sie hätte der Frage auch anderweitig ausweichen und weiterhin namenlos bleiben können. Sedrael dachte nach. Sie selbst hatte Reah Nigidus bereits bei deren Namen genannt, etwas, das weniger eigenartig gewesen war als soeben ihren eigenen zu vernehmen. Nicht zuletzt, weil die Person vor ihr einerseits von einem der gesichtslosen Männer, aber auch von der Hexe selbst so genannt worden war. Doch erst jetzt wurde der Sephi eigentlich bewusst, dass daran durchaus etwas seltsam war. Reah Nigidus. Es war ein Name, ein richtiger, ein tatsächlicher Name. Sedrael konnte sich daran erinnern, dass ein Sith seine frühere Identität als bedeutungslos ansah und den eigenen Namen zu Gunsten der völligen Hingabe an seine Ideologie aufgab. So wie die Jedi schließlich noch zu Beginn der Klonkriege damals erfahren hatten, dass sich der Graf Dooku fortan Darth Tyrannus genannt hatte. Obwohl – paradoxerweise – auch dieser einzige Sith, von dem Sedrael bislang in persona gewusst hatte, dass es sich um einen solchen handelte, seinen alten Namen weiterhin nutzte. Aber das konnte sich immer noch dadurch erklären lassen, dass Dooku selbst nichts weiter als eine notwendige Rolle war, ja, eine Maske, die seinerzeit getragen werden musste, aber dennoch bedeutungslos war. Doch war nicht auch der umgekehrte Fall denkbar, dass Maske und wahre Identität die Rolle getauscht hatten? Die Hexe hatte sich als Sith bezeichnet, gleichzeitig Sedrael aber nicht ihren Sith-Namen, sondern augenscheinlich den ihrer wahren Identität offenbart. Es war gleichsam rätselhaft, ein Rätsel, von dem sie ausging, dass ihre Gegenüber wohl auch gar nicht wollte, dass es sinnvoll ihrerseits gelöst werden sollte. Mit erhobener Braue blickte Sedrael auf und ihre Augen folgten der maskierten Gestalt. Nun, was davon ist also Eure Maske? Was seid Ihr, rätselhafte Reah Nigidus, und was gebt Ihr lediglich vor?
Weder ihre Worte noch ihre Taten gaben ein eindeutiges Zeugnis darüber ab. Einerseits war hier Firrerre, das Mahnmal und der Wall zwischen den beiden, den die Hexe mit ihrer Handlung errichtet hatte und der sich auch nicht wegdiskutieren ließ. Dies würde die Hexe verstehen müssen, begreifen müssen, dass ihre Handlungen nicht im Nichts standen, sondern jede Aktion zu einer Reaktion führte. Sedrael hatte nicht verkannt, dass ihr eigenes Zögern vorhin eine Reaktion und einen Funken bei der Hexe ausgelöst hatte, doch noch war es der Frau offenbar entweder gleichgültig oder – noch schlimmer – möglicherweise gar nicht bewusst, was sie der Sephi angetan hatte. Die Hexe machte es sich leicht, vielleicht zu leicht. Auch ihre wenig erfreute Antwort schien anzudeuten, dass sie nur Produkt einer Aktion war, anstelle selbst die Aktion zu sein. Das mochte in manchen Dingen sicherlich zutreffen, in Umständen, die aufgezwungen worden waren und mit denen nun zu existieren war – es schloss aber beileibe nicht aus, dass man selbst auch eine Ursachen setzte. Denn Firrerre war nicht die Ernte, Firrerre war die Saat. Eine eigene, neue, unabhängige Saat, die jeder jederzeit wieder ausstreuen konnte. Das Heilmittel war nur noch eine Frage der Zeit gewesen, mit etwas mehr Geduld und etwas mehr Zeit hätten noch immer Tausende gerettet werden können. Stattdessen war ihre Existenz nun vorüber, nur aufgrund der Handlung einer Person. Das war die ureigene, originäre Saat der Reah Nigidus. Diese Saat war nicht universal, sie wurde nur dazu gemacht, durch die Synergie aller einzelner, persönlicher Saaten, die jeder Einzelne aus welchen Gründen auch immer in die Galaxis entsandte. Ihre Gegenüber würde zu allererst akzeptieren müssen, dass sie nicht nur erntete, sondern gleichsam auch säte. Dass sie gezielt Leid gebracht hatte, ohne Gegenwert, ohne Frucht, ein Leid des Leides wegen, das nun als Schmerz in Sedrael zehrte. Das war die Ernte, die Reah Nigidus erlangt hatte.
Und doch war es nicht so einfach. Denn andererseits war hier der Umstand, dass sie Sedrael am Leben und – in gewissen Maßen – Freiheiten ließ, die alles in allem als ungewöhnlich bezeichnet werden mussten. Vielleicht war die Sephi aber auch einfach nur Objekt in einem großen Panoptikum, das die Inquisitorin einfach gerne betrachtete. Um sich zu informieren? Um sich zu amüsieren? Niemand konnte es wissen. Doch es oblag nicht Sedrael selbst, dieses Misstrauen und die Ursache dafür zu beseitigen – denn sie konnte es gar nicht. Das Misstrauen war keine Erfindung aus dem Nichts, nichts, das Sedrael sich erdacht hatte, nein. Schließlich war es Reah Nigidus selbst gewesen, die mit der Zerstörung der Welt erst dafür gesorgt hatte, dass dieses Misstrauen überhaupt existieren musste. Ehrlichkeit allein war kein Garant für Vertrauen, auch Taten konnten Misstrauen schaffen, Misstrauen darüber, wie eine Person dachte, wie sie handelte. Misstrauen konnte niemals die Person beseitigen, die misstrauisch war, sondern immer nur die Person, die Anlass dazu gegeben hatte – sofern sie es wollte.
Und so schwieg Sedrael erneut, ließ ihre Gedanken frei zugänglich in der Macht schweben, vielleicht auch in der Suche nach einem Impuls, der Handlungsanweisung, die sie darin bestätigte, dass sie hier war – oder sie davor warnte. Nichts. Eine Leere bedeutete immerhin kein Alarmsignal, jedoch auch keine Bestätigung ihres Wegs. Ein Weg, der durch graue, tote, kalte Korridore führte, bis sie an einer Andockschleuse ankamen. Sedrael selbst schien weitgehend uninteressiert am leblosen, stupiden Metall um sie herum, doch sie kam nicht umhin zuzugeben, dass sich dieses in die Atmosphäre der Funktionalität, die – vielleicht mit Ausnahme von der Hexe – allgegenwärtig ausgestrahlt wurde, letztlich gut einpasste. Und solange sie eine Führerin hatte, die ihr den Weg durch die immer gleichen grauen Wände zeigte, mochte es so sein, dass sie sich mit diesem Labyrinth gar nicht wirklich befasste. Erst als Reah sich wieder zu ihr herumdrehte, schärfte sich ihr Blick und ihre Aufmerksamkeit wieder, glitt fort von den Verführungen der abseitigen, paradiesischen Welt, dessen Nektar man immer wieder für kurze Zeit kosten durfte, und wieder zurück in die messbare, physische Realität. Doch die Worte der Frau verdutzten sie vielleicht mehr als dieser trennscharfe Übergang zwischen den Welten, ließ ihre Augen sichtlich anschwellen.
„Es war nicht meine Absicht, Euch zu belehren. Das möchte ich mir gar nicht anmaßen“, entgegnete sie und blinzelte einige Male überrascht, ja beinahe als wäre sie ganz die unsichere Schülerin und soeben von einem alten Meister getadelt worden. Wäre sie aber der Ansicht, weiser als ihre Gegenüber und somit belehrungsbefähigt zu sein, wäre das ganze Arrangement zwischen den beiden aus ihrer Sicht schließlich vergleichsweise überflüssig geworden. Sedrael war hier, um zu lernen – nicht um selbst zu lehren. Hatte sie einen Punkt getroffen, der die Frau nun einmal ihrerseits zu einer Reaktion verleitet hatte? Zu einer Antwort, die zwischen Rechtfertigung und Selbstbekräftigung zu schwanken schien, eine Erklärung über eine Tatsache, die Sedrael selbst bisher überhaupt nicht – weder nach innen, noch nach außen – in Frage gestellt hatte. Das Bewusstsein über die Handlungen war ohne Zweifel vorhanden, fraglich mochte nur die gleiche Wertung verschiedener Faktoren sein.
„Ich war lediglich interessiert an Eurer Haltung, Reah.“
War es nicht auch das, worum es ging? Um Austausch? Welchen konkreten Wert die Hexe ihr auch beimaß – denn diesen konnte Sedrael auch nach ihrer Frage nicht fassbar einordnen –, es war vermutlich nicht der gleiche, den Sedrael der Hexe beimaß. Sie war nicht primär hier, um etwas zu tun, nicht um ihren Teil an irgendetwas beizutragen, insbesondere nachdem die Hexe ihrerseits nicht spezifiziert hatte, woran sie nach Auffassung von Reah Nigidus überhaupt beizutragen hatte. Ja, sie hatte sich verkrochen, seit Jahren schon. Aber jene, die sich nicht verkrochen hatten, waren nun tot, zerschlagen von den Häschern, denen die Inquisitorin diente. Wie konnte gerade sie der Sephi es vorwerfen, sich vor dem Angesicht der Galaxis verbergen zu wollen? Es war letztlich immer eine Sache der Perspektive und ohne Austausch würde Sedrael die der Hexe niemals begreifen können. So wenig wie Sedrael voraussetzen konnte, dass Reah Nigidus ihre Perspektive von vorneherein verstand, so wenige konnte diese es ihrerseits voraussetzen. Das Wissen der Sephi um die unter den Jedi geächteten Methoden, ja letztlich gar verbotenen Gedanken war äußerst beschränkt, schließlich war sie auch nur eine Schülerin gewesen, wie die Hexe bereits zutreffend selbst erkannt hatte. Letztlich hatte sie nicht einmal die gängige Jedi-Ideologie vollständig begriffen, vielleicht auch, weil sie es nicht unbedingt gewollt hatte. Zuhören, begreifen und austauschen war der Stoff der Schülerschaft – doch ohne Meinung, ohne eine in den Raum eingeführte These wäre ein Austausch schließlich gar nicht erst möglich. Und hatte sie mit ihren Worten einen Weg verdammt? Letztlich nicht, im Gegenteil, sie hatte sie der Frau gegenüber lediglich eingeräumt, dass es mehrere Wege zum Ziel gab – und einen, der vielleicht sogar schneller ans Ziel führte als ein anderer, dafür jedoch davon unabhängige Begleitfolgen mit sich brachte, die langfristig möglicherweise problematischer werden mochten als das kurzfristige Erreichen eines beabsichtigten Ziels.
Schließlich öffnete sich die Schleuse und die beiden sahen sich einem der Zinnsoldaten und Roboterwesen gegenüber, vor dessen Selbstwerdung die Hexe vorhin eindrücklich gewarnt hatte. Keine Reaktion, weder in die eine noch in die andere Richtung. Und vermutlich war es genau das, dieses völlige Ignorieren der Person und die Reduzierung auf eine reine Funktion als kleines Zahnrad der großen galaktischen Mordmaschine, was Angst bereitete. Sedrael verfolgte das Gespräch zwischen Mensch und Roboter zunächst nur mit einem Ohr, schließlich schien es sich aus ihrer Sicht zunächst nur um belanglose Bürokratie zu handeln. Erst als Reah ihr ein Datapad zur Kenntnisnahme hinreichte und die es beinahe automatisch entgegennahm, reagierte sie sichtbar darauf. Vielleicht auch, weil ihr die Anwesenheit des Robotermenschen, der eigentlich so viel mehr hätte sein können, auf eine unbeschreibliche Art unangenehm war. Die Sephi blickte über das Datapad, studierte die Aufzeichnung, lief jedoch bald Gefahr, das Interesse daran zu verlieren. Die Informationen darauf waren ebenso zahlreich wie uninteressant – wären da nicht zwei kleine Wörter versteckt gewesen, zwei Wörter, an die sie sich noch gut erinnerte. Dunkle Macht.
„Katana…“, hauchte Sedrael, als der Robotermensch schließlich verschwunden war, und blickte unwillkürlich vom Datapad auf zu Reah hinüber. „Es scheint, dass sich jedes noch so wundersame Rätsel irgendwann lösen lässt.“
Wo ein Rätsel - das von Reah selbst - bis jetzt noch vor der Lösung verborgen blieb, zeichnete sich die Lösung eines anderen also ab. Es war ein ganzes Leben, vielleicht länger her, dass sie von der mysteriösen Flotte gehört hatte, aber damals, in der Republik war es lange Zeit ein großes Thema gewesen. Tatsächlich war es eine Art Skandal geworden, bald darauf zu einer Legende. Das Verschwinden einer ganzen Flotte klang heutzutage zu abenteuerlich, um wahr zu sein, richtig? Für manche war es jedoch damals äußerst wahr gewesen, Witwen waren zurückgelassen, Verantwortliche hatten Posten zu räumen. Das Holonet hatte einige Zeit darüber berichtet. Doch die allgemeine Erinnerung war kurz und schließlich hatten andere Probleme und Konflikte das Thema überlagert – wie so häufig. Auch Sedrael hatte sicherlich jahrzehntelang gar nicht mehr daran gedacht. Und nun, war alles wieder da? Waren die Flotte und ihre Besatzung wieder zurückgekehrt? Es war schwer zu glauben. Aber die Inquisitorin schien an der Richtigkeit dieser vorzüglichen Nachricht ihrerseits nicht zu zweifeln.
„Und welchen Vorzug besitzt eine Information über eine Flotte solchen Ausmaßes für Euch?“
Einfluss? Macht? Ein Ding blieb nun einmal ein Ding, auch wenn es hunderte Meter lang sein mochte. Auch wenn es hunderte Dinge sein mochten. Die Weltlichkeit wurde durch Imposanz nicht eindrucksvoller. Was also gedachte Reah damit zu tun? Würde sie die Flotte ihrem einzigen Zweck widmen und damit Krieg befeuern - und so also lediglich das beschleunigen, wovor die Inquisitorin sich eigentlich fürchtete? Würde sie den gleichen Fehler machen wie Sedraels alter Orden? Der Fehler, der letzten Endes dafür gesorgt hatte, dass Sedrael sich von ihm abgewandt hatte. Geschichte wiederholte sich manchmal, möglicherweise waren sie jetzt wieder am Scheideweg der Frage, ob eine Person einen Zyklus weiterführen oder einen neuen einleiten würde.
24.01.2015, 19:13
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 25.07.2020, 19:15 von CA-5510.)
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Orbit von Atrisia, Modular-Kreuzer Celsius
Oft wirkten die Dinge surreal, weit weg für jemanden, der nicht direkt am Geschehen beteiligt gewesen war. Es klang wie eine Geschichte, die zwar schon oft erzählt wurde, mit der man selbst aber dennoch nur wenig zu tun hatte. So verhielt es sich für den Großteil des imperialen Militärs mit dem Problem Todesstern und daran würde sich auch künftig nur wenig ändern - sollte sich überhaupt etwas ändern. Die Wirkung, der Schrecken würde sich im Laufe der Zeit verlieren, offizielle Stellen mochten, nachdem das Wirrwarr um den Thron geklärt und eine ordentliche, gemäßigte Regierung installiert wurde, wohl auf jene Art und Weise argumentieren, dass diese Schreckensmaschinen dem kranken Geist eines wahnsinnigen Imperators entsprangen, eines Imperators, der ein ganzes Imperium vergiftet hatte. Und dann traf es vielleicht noch wenige vereinzelte der Führungsschicht und das Problem wäre für beinahe alle erledigt. Doch konnte eine solche Schuld je getilgt werden? War es tatsächlich so leicht? Iphris Haarams Gedanken kreisten etliche Stunden, vielleicht sogar Tage um dieses Problem,seit Firrerre. Es war eine Sache vom Todesstern und seiner Zerstörungskraft zu hören, eine andere war es, selbst Zeuge zu werden wie ein Planet starb. Nein, nicht nur Zeuge. Mitschuldige. Da hatte sie auf der Brücke gestanden und apathisch zugeschaut wie der Planet unter ihr starb und mit ihm alles Leben was sich darauf befand. Nicht nur die kranken Firrerreo, nein, vielleicht wäre das im Angesicht der Seuche sogar noch eine Gnade gewesen. Doch Tiere, Pflanzen, alles. Sie hatten eine Welt zum Sterben zurückgelassen und wer wusste, ob sie sich je davon erholen würde. Und die Schuld blieb haften, wie zäher schwarzer Teer der an ihnen klebte und sie langsam hinabzog in die finstere Grube. Schuld verging nicht. Das Schaudern blieb. Das Zittern blieb. Es war ein Zustand permanenter Angst, Angst vor sich selbst, vor den eigenen Taten und vor dem was noch kommen mochte und doch blieb ihnen nichts anderes als diese Angst zu ertragen.
Die Kuati stand auf der Brücke und vermied dabei den Blick hinüber zu dem großen Sternenzerstörer, um den sie ihre Bahnen zogen, stattdessen versuchte sie sich mit banaleren Gedanken abzulenken, da war diese Sache mit Stratis. Der Mann hatte Glück gehabt, unverhältnismäßig viel Glück, weitaus mehr, als er verdiente und konnte sich nun aus den Klauen dieser Inquisitorin dort drüben befreien. Freiheit im Imperium. Ihre Lippen verzogen sich zu einem kurzen Lächeln. Ein verrückter Gedanke und zeigte das nicht erst wie kaputt, wie entrückt und widernatürlich die Dinge unter dieser seltsamen Frau wurden? Aber ja, Stratis hatte Glück. Er konnte vor Firrerre davonlaufen wobei sie ohnehin nicht daran glaubte, dass dem Captain große Gewissensbisse plagten. Dazu war er, soweit sie es beurteilen konnte, ein Stück weit zu simpel. Einfach gestrickt, so wie es ein guter Mann im Imperium nun einmal war. Jemand der den Befehl ohne zögern ausführte. Und vielleicht hatte dieser Stratis nun sogar das bessere Leben. Er musste sich nicht mit Schuldgefühlen herumplagen, sich mit ihnen auseinandersetzen, mit sich selbst. Er ging einfach seines Weges, für diesen Menschen würde sich nichts ändern und darauf konnte sie in mancherlei Hinsicht neidisch sein. Aber so ging es ihnen allen, vom verschollenen Neretim bis Donnovan. Jeder hatte seine Methode mit der Last unter diesem Kommando umzugehen ihre eigene bestand darin, es einfach zu ertragen, nach außen so korrekt wie immer zu sein, höflich, adrett, kompetent und sei es nur in der Hoffnung, dass irgendwo jemand bemerkte, dass sie hierfür eine Verschwendung war, dass sie von hier fort konnte, irgendwo dahin, wo die Dinge normaler waren, wo keine Planeten zerstört wurden, vielleicht zurück nach Kuat.
Licht brach sich im Transparistahl, das typische Aufblitzen der Realraumverschiebung eines Schiffes. Nichts großes, wie sie mit einem Blick auf den Sensor bemerkte. Ein kleines Shuttle, vermutlich Stratis' Ablösung, ein Pechvogel, ein Narr, der sich gewiss auf sein zu groß geratenes Kriegsschiff freute und nicht wusste zu welchem Preis es kam. Denn mit Krieg hatte die Vorgehensweise der Inquisitorin nichts zu tun, nicht einmal im Ansatz. Am ehesten war es Terror, selbst, wenn dieses Wort es nur ungenügend beschrieb. Es war seltsam,. verstörend, sie wusste das etwas nicht stimmte, jeder spürte die Unwirklichkeit, die in der Luft lag, als ob die bloße Präsenz die Grenzen zwischen Zeit und Raum ein wenig verschob, subtil, nur so gerade eben um alle wissen zu lassen, dass die Dinge nicht waren wie sie zu sein schienen. Nur so weit, dass sich alles fürchtete hinter den Schleier zu sehen. Doch dieses Gefühl, dieses etwas, dass sie nicht benennen konnte, war über Onderon noch schlimmer gewesen, denn vielleicht ging es gar nicht von Nigidus aus, sondern vom Imperator und diese Frau war nicht mehr als ein Knotenpunkt, ein Pulsar, der sie stetig daran erinnerte, wem sie dienten. Iphris wusste es nicht und sie war klug genug um zu begreifen, dass dies keine Themen waren über die man sich im Imperium unterhielt oder nachforschte. Sie schüttelte den Gedanken ab und richtete ihren Blick wieder auf die Holos vor ihr. Offenbar handelte es sich wirklich um die Ablösung, das Shuttle war direkt zu einer der Andockbuchten unterwegs aber das Protokoll blieb bestehen. Der Modular-Kreuzer senkte parallel zum Sternenzerstörer ab und blockierte wenig elegant, aber praktisch, den direkten Kurs während sich eine Vielzahl kleiner Turbolaserbatterien mit einem kaum wahrnehmbaren Summen auf den unerwarteten Besuch richtete. "Captain, die Fähre möchte Kontakt aufnehmen.", sie nickte dem Kommunikationsoffizier ruhig und entschlossen zu. "Gut, stellen Sie durch." Ihr Blick wechselte ein paar Mal zwischen dem Holokom und einem weiteren Offizier, der die durchgegebene Kennung verifizierte und ihr kurzerhand bestätigte. "Captain Iphris Haraam.", stellte sich die Kuati kurz vor, "Bestätigen Landeerlaubnis, wiederhole: Landefreigabe erteilt. Ihnen wurde Fährenhangar A-38 zugewiesen, Haaram Ende." Mit einem klicken brach die Verbindung ab, ehe sich der Bug des Kreuzers schräg in die Höhe reckte und die Schubdüsen das Schiff aus dem Weg brachten. Nun, wer immer dieser Horington nun auch war, binnen weniger Wochen würde er sich wohl wünschen besser nicht hierher versetzt worden zu sein. Sofern er es nicht schon jetzt bereute.
Orbit von Atrisia, Supersternenzerstörer Abaddon
Ihre Haltung... Stratis war weg. Richtig. Haltung.Ein seltsames Wort, so fragil, klein, wertlos. Weltlich klang es in ihren Ohren. Haltung. Gewiss. Wie der gute Stratis, wie er hier eben stand mit Stolz geschwollener Brust, sich gefreut hat, innerlich jauchzte wie ein zartes Kleinkind. Doch nach außen musste alles straff und stramm sein. Da musste alles sitzen, für jene, die so gerne, so verliebt waren in ihre Formalitäten, dass sie der Haltung Beachtung schenkten. Es sollte nun aber nicht weiter verblüffend sein dieses Wort aus dem Munde der Sephi zu hören, nein es war auch nicht verblüffend, nicht einmal im Ansatz, nicht, wenn sie unterstellte, dass Sedrael, so wenig sie es auch sein mochte oder es sich eingestand, dennoch nach bestimmten Jedi-Mustern agierte. Für einen Jedi war Haltung wichtig, er maß ihr Bedeutung bei, denn er glaubte es würde ihm Würde verleihen, Erhabenheit, etwas, dass ihn über die niederen Wesen stellte. Manche mochten anführen, dass nun eine Reah Nigidus dem wohl kaum unähnlich sein mochte, sich selbst nur zu gerne über das gewöhnliche Volk erhob doch an dieser Wahrheit musste gezweifelt werden. Musste sie zweifeln. Denn verhielt es sich nicht so, dass die Macht ihr mehr zeigte als jenen gewöhnlichen Sterblichen? War es nun nicht so, dass sich ihr mehr Möglichkeiten boten? Ja, das waren Fakten, doch Fakten die nichts mit der Selbstinszenierung eines Jedi zu tun hatten. Fakten, die nicht in die überflüssige Kategorie der Haltung gehörten. Natürlich war der Hexe bewusst, absolut bewusst, dass Sedrael nicht den Körper meinte, nein, auch der Geist konnte halten - vor allen Dingen aushalten, mehr noch als der Körper und dennoch bildete es letztlich eine Einheit. Sie verstand das Begehr dahinter, sie brauchte diese Einordnung, diesen Schubser in eine Richtung, diese Sephi musste dieses Rätsel, dieses atmende Phänomen kategorisieren, einordnen, in eine Ablage stecken um es für später zu bewahren, um nicht zu vergessen sich damit zu befassen. Nicht, dass es aus der Hexe Sicht notwendig war, das sicherlich nicht. Sie würde die Galaxis regelmäßig daran erinnern, dass besser nicht vergessen werden sollte. Mahnmal und Erinnerung - die Galaxis bekam was sie brauchte. Und war dies nun ihre Haltung? Was das der Punkt wo ihr Geist stand? Letztlich würde sie diese Frage bejahen müssen, sah aber gleichzeitig auch keine Worte um es der Sephi zu beschreiben oder gar verständlich zu machen. Sie mochte reifen müssen, weg von hell und dunkel, die nur Ableger einfacher Farben waren.
Hell - Dunkel. Schwarz - Weiß. Kopf - Zahl. Diese Kette spielte sich einige Male durch ihren Kopf, ohne dass sie nennenswerte Besonderheiten oder Vorteile darin erkennen konnte. Selbst für jene, für die es nur die Macht gab, für jene die wussten das alles zusammengehörte, gab es dennoch hell und dunkel. Immer zwei Seiten, mindestens zwei Seiten. Natürlich. Das musste so sein. Was würde aus Haltung werden, wenn die Philosophen bemerkten, dass ihre philosophischen Auslegungen keine Grundlegenden Wahrheiten darstellten? Seiten gab es zur Positionierung, für nichts anderes waren sie da. Zum festhalten mochte man sagen, für jene die noch Arme und Hände hatten oder nur Angst davor sich nicht zu halten und herabzustürzen. Wo auch immer herab hinführte. Das war der interessante Punkt. Denn was war mit diesen unpositionierten dazwischen? Die waren nicht etwa grau, gar nicht erst einfach grau, zumindest würde die Hexe sich nicht so ansehen und auch nicht ansehen wollen. Gewissermaßen war ihnen die Lästigkeit der Haltung bewusst und sie entschieden sich nicht zu halten, sondern zu fallen. Und hierin mochte dann auch jene Antwort liegen, was diese Reah Nigidus denn nun war: Gefallen. "Es gibt keine Haltung. Ich habe keine Haltung.", offenbarte die Hexe beinahe unbekümmert. "Was Ihr seht sind lediglich Möglichkeiten. Wege des wie. Wie sich Dinge erreichen lassen. Lassen sie Rückschlüsse auf meinen Charakter zu? Vielleicht. Lassen sie Rückschlüsse auf meine Position zu, auf meine Haltung? Nein." Reah streckte ihren Arm, einer einladenden Geste gleich nach vorn, ein Zeichen, dass sie sich wieder in Bewegung setzen würden. "Ihr könnt spekulieren. Ihr könnt Euch ein Bild zusammensetzen, wie ihr mich seht. Aber denkt daran, dass ich es nicht bin, sondern nur das, was Euer Herz projiziert. Das ist Eure eigene Wahrheit, Sedrael und sie wird es auch immer bleiben."
Katana. Ja. Sedraels flüstern hallte einige Male durch die Hallen ihres Geistes, stieß hin und her, wie ein wehrloses Echo zwischen den Wänden, bis es wieder verschwand. Doch ein Rätsel? Wohl kaum, es gab nur wenig zu Rätseln, ein Mythos war es, wahr für jene die daran glaubten. Und doch ein interessantes Projekt, diese Dunkle Macht. Sie kannte keine genauen Fakten, nein bedauerlicherweise war sie dafür nicht alt genug, aber sie wusste, sie Begriff um was es sich handelte und noch viel besser, was sich mit dieser dunklen Macht alles bewerkstelligen ließe. Doch was tropfte da wie dicker zuckersüßer Sirup durch die Wogen der Macht? Zweifel? Furcht? Die Eindrücke waren vage, zu vage um hinter die Kulissen zu schauen, den Schleier herunterzureißen, so sie es gewollt hätte und schonen einen Moment später war das zarte band durchtrennt, geschnitten durch ein Holokom, durch eine Frau, einer dieser Captains. "Inquisitorin.", grüßte Haraam kühl. "Captain Horingtons Fähre ist eingetroffen, er wartet in Hangar A-38." Starr lag der Blick auf dem Holo. Horington, richtig, noch ein Plagegeist, noch eine Ablenkung von den wichtigen Dingen, von Dingen die zählten, Dingen, die die Galaxis bewegten. Sie in ihre Bahnen rückte. Dieser Horington war nur ein Rädchen im Schiff, ein Teil, dass die Maschine am Laufen hielt, das Transportmittel. Er war entbehrlich und er brauchte sie nicht. Der Mann war vom Militär, musste wissen was er tat, er benötigte niemanden, der ihm die Hand reichte, der ihm seinen Platz zeigte. "Zur Kenntnis genommen.", lautete ihre knappe Entgegnung, ehe die Verbindung abstarb und sie Sedrael mit eine Handwink den Kurswechsel in den immer gleichen Gängen deutete.
"Sind diese Vorzüge nicht offensichtlich?", konterte die Hexe spitzfindig mit einer Gegenfrage. Kriegsschiffe waren für den Krieg. Hier gab es keine Diskussion, oder gar einen anderen logischen Schluss, auch wenn diese Flotte gleichzeitig andere Vorteile mit sich brachte, als wertvolle Abfallprodukte mochte man sagen. "Doch von ihrem eigentlich Zweck abgesehen sind diese Schiffe ein Argument um wankende Geister zu überzeugen... und noch mehr ein idealer Köder." Ungesehen zog sich ein großes Grinsen über ihre Gesicht, ehe ihre Augen auf die Sephi herabfielen. "Wisst Ihr wie eine gute Piraterie funktioniert?", fragte sie amüsiert, bevor sie vor einem der großen schweren Hangartore Halt machten, die im Begriff waren sich zu öffnen. "Ein Pirat kapert wehrlose Schiffe, er schafft sich damit ein gewisses Startkapital für seine Unternehmung und irgendwann werden diese Schiffe von besseren, wehrhaften Schiffen begleitet - die eigentlich begehrte Beute des Piraten. Letztlich wird er sie in einen Hinterhalt locken und bekommen was er will." Und Katana würde in einer ganz ähnlichen Weise dienen, Kurzsichtige Machthaber, Narren allesamt, würden sich die Finger danach lecken und doch würden sie am Ende nichts bekommen, nein, nur ein stilles anonymes Grab, irgendwo in den Weiten des Raumes. Und doch.. stimmte etwas nicht. Der Blick blieb auf Sedrael liegen. "Ich spüre Euren Konflikt, Sedrael, Eure Sorge." Ihr Blick wandte sich ab, nunmehr geradeaus gerichtet, als sie in den Hangar schritt. "Nur zu. Sprecht Euch aus, darum seid Ihr hier."
Wäre noch etwas anderes hier? Wäre noch etwas mehr Leben in dieser Maschine? Verlassen war der Alte, ein Mann, der viel gesehen und durchgemacht hatte. Sein Vertrauen war zerbrochen, vorallem in sich selbst. Staub legte sich um seine Aura, wie um die eines alten Buches. Das Glas auf dem kleinen Klapptisch vor sich, geleert bis auf den Boden, sprach für eine verlorene Hoffnung. Begab sich Vaash in eine vergessene Stadt der Verzweifelung? Politik nannte sie sich. Wo Realitäten und Fakten, persönliche Moral verdrängten. Tiberius Vaash hatte Politik gemacht. Er hatte am Zustand dieser Galaxis maßgeblich mitgewirkt, mit einem Eifer, der ebenso kalt war, wie der inzwischen zerflossene Eiswürfel im Kristallglas. Der Alte wartete gierig auf den Moment der Erlösung, einer findigen Absolution für seine Sünden. Eriadu. Ein Name, der mit ihm verbunden war, für alle Zeit. Diese Schlacht war bereits Zeitgeschehen und er eigentlich bereits Teil eines Historienatlas. Der Admiral war bereits Geschichte, und was hier im Shuttle war, blieb nur die kümmerliche Restrolle, eine Nebenrolle neben der Figur Tiberius Vaash. Eine Figur, die sich durch Warten, geduldigen Gehorsam auszeichnete, welcher wie im Fiebertraum Alkohol getränkt war. War etwas anderes hier in ihm? War nicht mehr hier als dieses Raumschiff? Das Gefährt verließ den flimmernden Hyperraum, tauchte in der Nähe eines kleinen Flottenverbandes bei Fondor auf. Vaash beugte sich kränkelnd vor, um aus dem kleinen Sichtfenster zu blicken. Eine Stimme aus der Kom sprach fern zu ihm. "Die Zwölfte ist jetzt zu sehen, Admiral." Mehr nicht aber es reichte, um den Alten mit ein wenig Leben zu füllen, als auch einem miesen Gefühl von nicht verarbeiteter Trauer. Dort lagen die Schiffe in einem Dock, sogar einige neue Schiffe, gerade frisch mit Kennung versehen. Und dort - ja, das waren sie. Teile seiner alten Flotte waren repariert worden, wieder in Stand, und bereit. Doch wollte er wirklich? Konnte man sich entziehen? Jetzt umkehren?
Das Shuttle bog in den Anflugvektor zum Dock ein. Das Flottenarsenal Fondor tat seinen Dienst und ein Hangartor öffnete sich am Dock. Dunkelgraues Licht fiel heraus, wieß das kleine Lambda-Shuttle ein. Dann packte der Leitstrahl zu und das Shuttle setzte, in gewohnter Form auf, indem seine Tragflächen hochklappte.
Tiberius Vaash spürte, wie die Landestützen den Boden berührten, als auch die leicht ledierten Federn, die kurz ächzten. Er war die ganze Zeit am Fenster gewesen, um noch weitere Blicke auf seine Flotte zu erhalten. Es zischte hinter ihm. Die Luke fiel herab und der Abgasdampf der Turbinen umwirbelte das Raumschiff. Die beiden Piloten traten aus dem Cockpit, um Vaash persönlich die Landung zu melden. Militärisch nahmen sie Haltung vor ihm ein und sagten: "Landung im Flottenarsenal vollzogen. Dock 19 erwartet euch, Admiral." Dann salutierten sie als Abschied. Vaash griff unter seinen Sitz, nach dem kleinen Seesack, zog diesen hervor und erhob sich. Den Gurt hatte er bereits kurz vorher gelöst. "Danke Captain," antwortete der Alte in alter Flottentradition. Man sprach den Kommandanten eines Raumschiffes immer mit Captain an, unabhängig vom Dienstgrad. Man zog den Hoverstuhl hervor, um diesen für den Alten in Position zu bringen, doch Vaash hob die Hand abwertend. "Ich brauche ihn nicht mehr," donnerte eine ernste Stimme. In Folge dessen, mit dem Seesack in der Linken, reichte er beiden Piloten die Hand. Die knappe militärische Form des persönlichen Dankes. Nun ging es hinaus, die Rampe hinab. Dort warteten bereits einige Flottenoffiziere, wie alte Bekannte, die Eriadu überlebt hatten. Der Gang des Admirals war noch unsicher, wie auch instabil aber mit Willenskraft gelang es ihm, die Rampe hinab zu steigen. Captain Reffra trat vor und salutierte. "Führungsmannschaft der Zwölften angetreten zum Gruß, Admiral." Vaash lächelte fürsorglich, um sich selbst ein wenig Mut zu geben. "Reffra, Sie hier? Ich dachte..." Reffra lachte auf, und nahm den Salut ab, um seinem Admiral nun die Hand zu reichen. "Ich habe mein Entlassungsgesuch für sie zurückgezogen. Als ich hörte, dass die Zwölfte wieder auslaufen wird, meldete ich mich erneut, direkt vom Krankenbett. Einen Collin Reffra brauchen sie doch." Tiberius schüttelte die Hand und klopfte seinem Veteranen dann auf die Schulter. "Das weiß ich sehr zu schätzen. Ich brauche sie, sie alle." Der Alte ging zur Formation aus Offizieren, welche an die 120 Personen umfasste. Mit seinen Augen suchte der Flottenmann nach bekannten Gesichtern, fand sie sogar. Leider auch viele neue Männer unter seinem Kommando. Reffra trat heran. "Viele neue Leute, aber auch viele Veteranen, Admiral. Viele meldeten sich nur, weil sie die Flotte führen werden. Sie folgen Ihnen bis ans Ende der Galaxis," erklärte der Offizier in lockerer aber immer noch distanzierter Haltung.
"Ich begrüße SIE alle, und möchte auch meine Dankbarkeit für ihren Mut ausdrücken. Die Zwölfte hat viel erlebt, viel durchgestanden aber wurde nie aufgelöst. Diese Flotte ist Kampfgeist. Ferner haben die Besatzungen einen Zusammenhalt untereinander gefunden, der seines Gleichen sucht. Im Tod, wie im Leben, stehen wir zusammen. Ich erwarte, dass dieser Geist weiter lebt, auch im Andenken an die, die für ihn starben. Für die Neuen gilt, ich bin für sie da, wie ich erwarte, dass sie für mich da sind. Die Altgedienten werden sie aufklären, wie ich es mit Hierachie und Dienst halte," war die knappe Ansprache des Offiziers mit Seesack, der noch einmal die Reihen abschritt, um dann zur Gangway zu gehen, um die Veneratio II zu betreten. Das neue, gerade fertig gestellte Schiff der Sternzerstorer Klasse, Typ Zwei.
Nach einem kurzen Gang in sein Quartier, wo er sich seines Gepäcks entledigte, kurz duschte und eine frische Uniform anzog, war er schließlich auf dem Weg zur Brücke.
Auf der Brücke hatten sich die Führungskader versammelt, um das Ablegemanöver zu beobachten, welches Vaash als Kommandierender einleiten musste. Die Geschwaderkommandeure, wie auch die Captains der Sternzerstörer waren anwesend, als der Alte auf der Brücke zum Panoramafenster hinauf ging. "Systeme bereit, Antrieb bereit," meldete die Navigation aus dem Mannschaftsgraben; Vaash nickte dem jungen Lieutenant zu. "Auf ihren Befehl," sprach Commodore Andarra, welcher sich im Dock zurückgehalten hatte, um Reffra den Vortritt zu lassen. Der Alte klopfte Andarra im Vorbeigehen auf die Schulter, wie es seine Sitte war und legte seine Hand auf das kalte Glas der Scheibe. Er spürte die Vibration des Schiffes, wie die Maschinen arbeiteten. "Sei für uns da," sprach er leise zum Schiff. "Möge die Macht mit uns sein," wandte er sich dann zurück zur Mannschaft. Ein Brauch, welcher so alt war, wie alle Militärs vor den imperialen Streitkräften selbst. Auch wenn man nicht viel vom Glauben hielt, so fehlte die Tradition, das Glück, welches man sich dadurch erhoffte. Man reichte Vaash eine kleine Flasche Alkohol, die er dann mit einem Schlag auf den Boden vor sich warf. Sie zersprang und die Flüssigkeit zerlief weitläufig auf dem Boden. "Die Veneratio lebt," murmelte der Flottenadmiral und sagte dann die erlösenden Worte, auf die man wartete: "Zwölfte Flotte, Sprung frei." Man lief aus zum Sprungpunkt.
Und trat nach einigen Stunden Flug bei Atrisia aus dem Hyperraum. Vaash war angekommen, in seiner leidlichen neuen Rolle.
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