Wundersam war es, dass selbst in den dunkelsten Gassen der von Lebewesen errichteten Bauwerke immer noch das Licht durchschien. Splitterhaft, geteilt wie von einem Prisma, aber doch beständig und überall. Wie hier, zwischen den vermodernden Steinen, wo es sich aus kleinen Spalten hervor zwängte, um Dinge zu betrachten, die es eigentlich nicht sehen sollte. Doch überall dort, wo es war, musste sein Gegenspieler weichen. Überall dort, wo es sein wollte, war es. Licht war nicht wählerisch. Nur Blockaden konnten es aufhalten, solche, die nie ganz perfekt ausblenden konnten, dass es dennoch da war; dort, weit in der Ferne vielleicht, aber doch immer als fast greifbare Größe in annähernder Reichweite. Und Blockaden konnten eingerissen werden, mühevoll einzeln zwar in Handarbeit. Manchmal bedurfte es der puren Verzweiflung, damit anzufangen, eine Angst vor dem Ersticken, wenn man fühlte, wie hinter dem Gemäuer die Luft dünner wurde, abgestanden und der natürliche Drang, eine neue Prise davon zu erhalten, von Mal zu Mal größer wurde, bis es endlich hervorbrach.
Sedrael saß verdutzt einige Sekunden mit geöffnetem Mund da. Die zermarterte Hand der Inquisitorin entfernte sich wieder, langsam, beinah schüchtern. Aber die Sephi hatte diesen schattigen Griff nach ihr, der sich ihr genähert hatte, nicht einmal wirklich realisiert. Etwas anderes, weitaus Wichtigeres war gerade passiert – unerwartet, das sich als warmer Schleier an ihre Haut schmiegte. Die Worte, auf die sie so lange gehofft hatte, erwartet hatte, die unausgesprochen zwischen ihnen gestanden waren. Monatelang. Am wenigsten hätte sie die Worte, die Auflösung dieser Störung an einem solchen Ort vermutet, an dieser Bastion der Finsternis. Aber vielleicht war es ja auch genau das. Dieser Ort, dieser Kontrast, den er mit seiner bloßen Präsenz schärfte und somit auch das gegenteilige Spiegelbild klarer zu werden schien. Wo sonst nur Finsternis war, strahlte auch das kleinste Licht umso deutlicher heraus, vermochte als Orientierung und Wegweiser dienen, der ohne das beständige Dunkel unauffällig gewesen und womöglich gar nicht entdeckt worden wäre.
Es war ein… fast überwältigendes Gefühl. Nicht unbedingt voller Erleichterung, schwer bereits zu fassen in Worte, noch schwerer zu fassen in Emotionen, widerstreitend. Ein Teil von ihr wollte nur lachen, den dünnen Faden der Ernsthaftigkeit zerschneiden mit einer erheiterten Reaktion, die sie gerade überforderte und die Anspannung oberflächlich abschliff. Ein anderer Teil wollte die Hexe anbrüllen, die Vorwürfe als Kohlen in die glühende Feuersbrunst des Ofens schaufeln, um irgendeine Reaktion zu provozieren. Am Ende jedoch musste die Sephi vor allem damit kämpfen, überhaupt die Fassung zu wahren und es nicht zu verlieren. Die Spannung in ihrem Körper schien mit einmal wie zerstört, der Schutzschild, mit dem allein sie die zeitweise Gehässigkeit und die Brutalität der Frau überhaupt nur hatte ertragen können, lag in Scherben vor ihr; zerstört von ein paar Worten, die sie schon lange hören wollte, aber eigentlich nie realistisch erwartet hätte. Ihre Schultern senkten sich ein gutes Stück weit ab, auch ihr Kopf fiel nach unten und sie schloss ihre Augen. War soeben ein komplexes Ziel erreicht worden? In gewisser Weise, vielleicht. Irgendwo funkelte auch Dankbarkeit über die Worte. Sie blinzelte die Feuchtigkeit in ihren Augen fort, die ohne ihren Schild als emotionale Welle über sie einbrach und gegen ihre stoische Ruhe brandete. Die Sephi hob ihren Blick jedoch nicht an, ertrug es nicht, dass die Frau ihre Schwäche sehen konnte.
„Gut“, sagte sie dann nur, tonlos. Die Frau hatte es verstanden. Nach allem hatte sie es endlich verstanden. Verstand es, nicht Teil der Qualen werden zu müssen, sondern reuig und friedlich loszulassen. Vielleicht ein einmaliger Zustand, den sie nie wieder erreichte. Weitermachen. Weitermachen war dann ehrlich. Ja, am Ende war das nur konsequent. Die noch frischen Wunden an Sedraels Hals pulsierten, pochten als Herzschlag in ihrem Kopf. Ihre weiße Hand griff an die Kehle der Bestie und drückte zu. Fester. Es war Gnade. Nur jetzt, in diesem Moment, war Reah Nigidus bereit, der Macht entgegenzutreten und in ihr aufzugehen. Es war kaum Widerstand zu spüren. Ein kurzer Augenblick vor dem Ende vielleicht, ehe die gekrümmte Hand der Inquisitorin kraftlos zu Boden glitt und der Blick glasig wurde. Der Hals schien sofort eiskalt zu werden. Der Totenschädel blickte sie an aus seiner kalten Fratze. Doch zumindest fühlte es sich gut an. Richtig. Befriedigend. Es war keine Gerechtigkeit, nicht nach dem, was das Monster alles getan hatte. Nur ein kleiner Ansatz davon. Aber allein dieser kleine Ansatz ließ den Durst nach der Gerechtigkeit für all das Leid etwas verebben. Einerseits. Andererseits war da das Gefühl der Unvollkommenheit, jetzt, wo es vorüber war. Es war nicht genug. Mehr war nötig. Letztlich war es nicht nur die Inquisitorin gewesen. Auch die ganze Organisation, die Besatzung des Raumschiffes, das Imperium, der Imperator. Sie alle trugen ihren Teil bei. Aber auch dann, war es genug? Nein. Es war nie genug. Niemals. Selbst wenn alle schuldigen Totenfratzen sie anblickten, war es unvollkommen.
Die Pupillen kehrten in das Weiß von Sedraels Augen zurück, während die Realität wieder in grellen Lichtstreifen aus dem Tunnel zurückkehrte und die Macht in kleinste Partikel zerbarst. Etwas fiepte in Sedraels Ohren, sorgte für einen dumpfen Ton in ihrem Schädel und sie meinte, den Geschmack von Blut auf ihrer Zunge zu spüren, ohne den Grund dafür zu verstehen. Vielleicht war es auch nur Einbildung, aber das kupferne Gefühl blieb. Die Erscheinungen wurden häufiger, mehrten sich. Immer wieder zog sie etwas aus dem Diesseits an einen anderen Ort, sprunghaft, willkürlich? Sie spürte ihren Körper zittern, als wäre sie bereits seit Stunden bitterster Kälte ausgesetzt gewesen. Neben ihr lag Reah weiter am Boden, reglos. Das Gefühl von Panik breitete sich erneut in ihr aus, ihre Hände tasteten sich an Reah heran, umfassten das Handgelenk, stellten dabei aber fest, dass der Körper noch warm und ein Puls zu spüren war und bei der Berührung eine leichte, unwillkürliche Regung an Reahs Körper sichtbar wurde. Es war also wieder nur ein kurzer Aussetzer gewesen, vielleicht eine Abwesenheit von wenigen Sekunden. Dennoch machte es ihr Angst, von Mal zu Mal mehr. Sie konnte den Kontrollverlust nicht kanalisieren, nicht steuern, so war es wie ein Hammer, der sie traf und ihr immer wieder für einige Zeit das Bewusstsein nahm. Wo es früher vielleicht alle paar Monate geschehen war, auch in ihrer Zeit im Orden, war dieses grausige Momentum jetzt ebenso zu einem regelmäßigen Begleiter herangewachsen wie Reah selbst – und womöglich war der Kampf hiermit einer, der noch mehr Geduld und Weisheit benötigte, als sie aufbringen können würde. Seit ihren letzten Wochen auf Firrerre war es häufiger geworden, mittlerweile von Tag zu Tag mehr, wie es schien. Sie wusste nicht warum. Wusste nicht, was sie dagegen tun konnte. Sie wusste nur, dass es aufhören musste. Irgendwie. Es riss sie innerlich immerzu auseinander, sie konnte damit nicht umgehen. So wie es ihr bei Reah auch immer ergangen war. Vielleicht war es genau das. Reah zerstörte sie. Aber womöglich war das genau der Preis, der eben zu zahlen war. Wäre sie so selbstlos, das zu akzeptieren? Auf Dauer? Sie wollte nicht darüber nachdenken, nicht jetzt, konnte es auch gar nicht.
Aus dem geöffneten Mund keuchend streckten sich ihre zitternden Hände voran, umschlangen den Oberkörper Reahs, um sie aus ihrer liegenden Position endlich aufzurichten.
„Du kannst es schaffen, Reah“, flüsterte sie gegen den Strom der Dunkelheit Korribans an in Reahs Ohr. „Zu leben ohne all das. Ich weiß es. Wenn du es wirklich willst.“
Während sie den Rücken der Frau hinabblickte, wurde der Sephi trotz der Dunkelheit auch bewusster, in welchem körperlichen Zustand Reah überhaupt war. Erst dann konnte sie den Körper beinah widerwillig wieder loslassen, eingedenk der dramatischen Schmerzen, die jede Bewegung der Frau zwangsläufig machen musste. Sedrael versuchte, mit einer ihrer zittrigen Hände in ihre Tasche zu greifen, scheiterte ein Mal, zwei Mal, erst beim dritten Mal gelang es ihr, die Tasche so zu treffen, um in den Stoff zu fassen und dort einen der Autoinjektoren, den sie vorhin mitgenommen hatte, herauszufingern.
„Wir müssen hier weg, irgendwie“, nuschelte sie, während sie die Plastikverpackung an der vorgesehenen Stelle aufbiss und das Stück auf den Boden spuckte. „Es ist Vesperums Helferin. Ein schemenhaftes Geisterwesen. Sie ist hier.“
Es klang verrückt, war es vermutlich in irgendeiner Form auch. Aber die scharfkantigen Striemen in ihrer Haut und ihrer Robe durch den Steinsturm bewiesen ihr, dass es real gewesen war. Naheliegend ging sie davon aus, dass an Reahs Situation ebenfalls der Schemen schuld sein musste. Einen kurzen Moment lang sondierte ihr etwas hektischer Blick die zum Teil ebenfalls sehr zerschlissene Kleidung der Frau, bis sie an deren Oberschenkel ein größeres Kleidungsloch fand, das sich anbot. Sie hielt kurz den Atem an, vielleicht um das Zittern ihrer Hände etwas verbessern zu können, stauchte dann dort mit einer Hand die Haut am Oberschenkel und bohrte die Schmerzmittelnadel schließlich hinein. Wie bei ihr selbst, allenfalls ein Provisorium, aber für eine nachhaltige Behandlung blieb an diesem Ort keine Zeit. Ihre Körper mussten jetzt funktionieren, rasch. Ehe der nächste Alptraum über sie beide hineinbrach. Sedrael blickte von Reah auf in den Raum hinein. Abseits der maroden Steine ragten nur Schutt und einige alte Rohre von oben aus dem Loch hinab, auf einer Seite eine schwere Felsentüre. Ein Ausgang? Zumindest der einzige gangbare Weg für sie, wenn auch vermutlich noch kein endgültiger Ausgang aus dem Alptraum, sondern eher ein Weg weiter in die Untiefen des Tempels.
Wie lange war ein Individuum bereit für einen Mann, der sich für einen Gott hielt zu leiden? Wie lange konnte eine Gesellschaft ein Reich, dass himmlischen Sphären nacheiferte, tragen? Wie oft mussten Personen verzweifeln, bis sie begriffen, dass die liebe Mutter Nacht nicht kommen würde, sie wachzuküssen, zu befreien aus ihrem immerwährenden Albtraum? Es musste eine Zeit geben, in welcher der Pöbel sich erhob und die Köpfe de Könige rollten, doch wann brach sie an? Wie einem endlosen Strudel gleich, verdichtete sich das schwarze Loch des Krieges, um alles hinab in die Tiefe zu reißen. Um es neu zu formen? War das der Plan? Hatte überhaupt jemand einen Plan? Oder drifteten alle, ob ihrer Endzeitgedanken, in den Wahnsinn ab? Doch anstelle von Vernichtung herrschte Siechtum vor. Wie eine lange Krankheit, welche die Galaxis nur Stück für Stück in den Abgrund zog, ganz so, als ob jemand das Leid und Verderben genießen wollte, bevor der Tod über alles kam. Nichts ergab einen Sinn, nicht hier auf Korriban, nicht unter dem künstlichen Himmel Coruscant, nirgends und wenn es keine Antworten gab, warum dann weitermachen? Reahs Augen fokussierten die Decke über ihr, als ob sie jenem nutzlosen Gestein, das im Dunkeln lag wie schwarzer Onyx, Antworten entlocken könnte. Nichts. Es gab nichts und würde auch nichts geben. Sie waren gekommen etwas zu finden, vom dem nur Reahs eigenes Wunschdenken wirklich daran glaubte, dass sie es aufspüren könnten. Aber ohne Fährte taugte der beste Spürhund nichts. Die Spur fehlte. Ein Zeichen. Irgendetwas.
Vielleicht, so überlegte sie, war auch die Herangehensweise falsch. Sie liefen Vesperum nur nach, gingen nur dorthin, wo er bereits war, aber befanden sich nie dort, wo er sein wollte. Während er nach vorn Schritt, rannten sie zurück, wühlten wie Kinder mit einer Schaufeln im Sandkasten ohne eine Ahnung zu haben, wonach sie dort überhaupt suchten, ohne sich sicher zu sein, ob das, was sie suchten überhaupt das war, was sie finden mussten. Fehler. Zu viele Fehler und die einzige Errungenschaft, derer sie sich rühmen konnten war, dass sie in Isards Falle saßen. Es mochte also wirklich hier enden, zumindest für sie beide und andere, die weniger närrisch waren als sie, würden weitermachen müssen. Reah spürte, wie Sedrael nach ihrer Hand tastete, rührte sich jedoch nicht. Es machte keinen wirklichen Unterschied mehr, hier im Dunkeln, hatte sie ihren Frieden - mochte das Ende nun kommen, wie es kam, hier im dunklen Schatten war alles in den gleichen schwarzen Samt der Nacht gehüllt. Was gesagt werden musste wurde gesagt.
Doch es schien, manche Funken brannten heller als andere und wenn zwei nur schwach leuchtende Kerzen in der Dunkelheit saßen, mussten sie sich gegenseitig neu entzünden, um dem Schlund des Abgrunds zu entgehen und erst als Sedrael versuchte, sie aufzurichten, bemerkte Reah, dass es tatsächlich weniger daran lag, dass sie sich nicht bewegen wollte, sondern inzwischen viel mehr daran, dass sie es nicht mehr konnte. Wunden und Verletzungen forderten ihren Tribut und offenbar hatte nun selbst ihr Körper eine Grenze erreicht, die nur noch schwerlich überschritten werden konnte. Ihr Kopf sackte nach vorn ab und blieb einen Augenblick lang regungslos auf Sedraels Schulter liegen. Ein schweres Seufzen - keine Predigten, nicht jetzt. "In Ordnung.", nuschelte sie undeutlich und doch in einem Tonfall, der verriet, dass es nicht war, was sie wirklich sagen wollte. Es war ein wenig komplizierter. Man legte Gewohnheiten nicht einfach ab, man legte sein Wesen nicht ab und so würde es auch Reah nicht tun. Sie musste nur lernen... mit sich zu leben, aber sie würde es nicht können, wenn sie ihre Seele in noch kleinere Fetzen riss, noch mehr wegwarf, nur weil es jemanden nicht gefiel. Sie war ein Killer, das war ihr Daseinszweck über die letzten Jahre und dieses Dasein würde nicht einfach verschwinden, nur weil sie es wollte, es war ein beständiger Teil von ihr, so beständig, wie ihre wenigen Jahre als Jedi. Doch nun gehörte sie in die Schatten, Reah wusste es und wollte es so und es lag an Sedrael herauszufinden, dass nicht jeder Schatten nur von Angst, Hass und Wut beseelt war. War Skywalker ein widerwärtiges Monster, weil er den Todesstern zerstörte und Hunderttausende tötete? Schatten besaßen Geschichten und wichtiger noch: Schatten besaß jeder. Selbst der reinste Engel.
Sedrael ließ los und die Wunden, die dieser vermaledeite Albtraum ihr eingebracht hatte, begannen sich zu spannen. Ein heftiger Schmerzimpuls schnellte durch ihren Körper und drückte die Luft aus der Lunge. Umfallen. Irgendwie. Sie musste ihrer aufrechten Position entkommen und versuchte das Gewicht zu verlagern. Der Leib fiel auf die Seite und das verletzte Fleisch entspannte sich, obgleich noch immer Schmerzwellen zuckten und sie heftig Atmen ließen. "Irgendwie...", echote sie keuchend in die Dunkelheit. Und dann ein Machtgeist? War dies der Grund für all das? Nein, Machtgeister waren.. spürbar, besaßen eine greifbare Präsenz in der Macht, ihre Erfahrung hier aber war etwas andere. Beunruhigend war vielmehr die Tatsache, dass es Vesperum offenbar gelungen war eines oder mehrere dieser Machtwesen auf seine Seite zu ziehen. Dienten sie ihm freiwillig? Oder hat er eine Möglichkeit gefunden, sie zu binden? Nein, unmöglich, der Imperator war kein Gott und verglichen mit Palpatine mochte seine Macht nicht einmal annähernd so groß sein, wie er es sich wünschte. Aber wenn die Toten Korribans ihn unterstützten... Reah wollte nicht einmal darüber nachdenken, was der Preis für diesen Handel war. "Unser Problem...", meinte sie hustend als Sedrael die Nadel im Fleisch versenkte, "...sind eher die Lebenden. Schlachtschiff im Orbit. Wenn Isard will... dann tilgt sie dieses Ödland... aus der Galaxis. Uns gleich mit." Geister besaßen zweifellos Macht, leider nicht annähernd so viel Macht wie ein imperialer Sternenzerstörer und die Zeit lief - gegen sie.
Kraft aufzubringen in dieser Situation war schwer. Sedrael kam aus einem Moment, der sie jederzeit wieder in Panik versetzen konnte – der Alptraumwelt aus der Hand eines Geistes. Sie versuchte die Implikationen, die diese Erkenntnis oder Fasterkenntnis am Ende bedeuten mochte, so gut es geht aus den aktiven Teilen ihres Gehirns zu verdrängen. Eine Aufarbeitung dieser Situation musste passieren; Verständnis dafür, was eigentlich geschehen war. Doch so schwer es war, diese Gedanken nicht zuzulassen, verstand die Sephi dennoch, dass dies hier nicht der Zeitpunkt dafür war. Später irgendwann, vielleicht in einer erholten Phase der Meditation konnte dies etwas Aufschluss bieten, aber ein ruhiger Zugang zur Macht war derzeit ohnehin nicht möglich. Ob aber nun wirklich das imperiale Schiff ihr unmittelbareres Problem war oder nicht, schien die Hexe klar zu beantworten – Sedrael selbst hatte nach ihrer letzten Erfahrung eine ganz andere Meinung. Sie hatte nie ganz verstanden, warum sie eigentlich mit hier auf dem Planeten war und nicht in einer Zelle auf dem Schiff im Orbit Korribans. Alles in allem wäre das rückblickend betrachtet vielleicht sogar die bessere Alternative gewesen. Freiheit war schön, gerade nach dem Käfig Firrerre hatte sie diese Freiheit rasch wertzuschätzen gelernt, selbst wenn sie ihr auch seither nur beschränkt möglich gewesen war; aber einfach das Gefühl davon war bereits ein angenehmer Anfang gewesen. Sofern sie dieses Abenteuer irgendwie überstanden, war es an der Zeit, dies auszukosten. Sofern. Es mochte vielleicht auch gar nicht so weit kommen.
„Es scheint allerdings so, als will sie es nicht“, entgegnete Sedrael Reah mit etwas, das beinahe trockener Sarkasmus sein mochte, während sie an Reahs Oberkörper zerrte, um diese auf die Beine zu bekommen und dabei zu stabilisieren. Hätte die rote Frau diesen Plan, hätte sie diesen bereits lange in die Tat umsetzen können – es schien daher aus Sedraels Sicht und Erfahrung mit Korriban nicht wahrscheinlich, dass das Schiff ihre größere Gefahr war. Die Sephi wusste allerdings noch nicht, ob Reah überhaupt in der Lage war zu gehen, aber es musste rasch herausgefunden werden. Die Frage war, was sie tun würde, sollte sich das als unmöglich herausstellen. Nagend fraß sich die Angst vor dem Geschehenen durch ihren Körper. Ja, der ganze Ort machte ihr Angst. Vielleicht der ganze Planet. An diesem Umstand änderte auch der Kodex nichts. Natürliche Gefühle wie Angst waren eben nicht kontrollierbar, sie bahnten sich ihren Weg von ganz allein. Es war sinnlos, dies abzustreiten. Was auch immer der Zweck von all dem war, Sedrael hatte nicht die Absicht, ihre restliche Lebenszeit hier zu verbringen. Alles war besser als hier. Fast alles.
„Komm.“
Sie betrachtete, ob Reah trotz ihrer Verletzungen in der Lage war, alleine zu stehen, blieb allerdings in ihrer Nähe, ehe es zu einem Sturz kam, um dabei notfalls eingreifen zu können, da ein solcher sie nur weiter aufhalten würde. Ihr Blick ruhte eine Zeit lang auf ihrer Gegenüber, die ihrerseits in ihrem Zustand kaum dazu fähig sein würde, sich gegen welche Bedrohungen auch immer zu verteidigen. Dann wechselte sich Sedraels Blick zu sich selbst hinab; auf die zerschnittene, verdreckte purpurne Robe und ihre in Mitleidenschaft gezogenen Hände. Es erging ihr selbst also nicht anders. Ihr Körper schmerzte, nicht im klassischen Sinne Schmerzen dank der Schmerzblocker, aber gegen das endlose Gefühl von schabenden Scharnieren ihrer Gelenke oder einer nicht enden wollenden Müdigkeit waren auch diese machtlos. Aber irgendwie musste sie vorangehen, wenn sie beide nicht hier im Dunkel einer eingestürzten Zelle zugrunde gehen wollten. Eine ihrer Hände landete an der grauen Steinwand, rauer, nur krude bearbeiteter Fels, gerade so in Form gehauen, um diesen Raum abzustecken. Wahrscheinlich Tausende Jahre alt. Sie strich die Wand entlang, bis sie bei dem verstaubten Bedienfeld ankam. Hoffentlich war die Beschaffenheit der Technik in besserem Zustand als die Treppen. Sie drückte vorsichtig den Knopf.
Die Tür knarzte leicht verzögert nach oben hin auf. Die Zelle entpuppte sich als kleine Kammer vor einer großen Halle, womöglich früher einmal ein Lager oder eine Abstellkammer. Sedrael machte ein paar Schritte in die Halle hinein, die Schritte hallend auf dem harten Boden. Große, stilisierte Statuen pflasterten den Weg, jeweils abwechselnd mit mehreren brennenden Fackeln. Es schien unklar, wer diese entzündet haben mochte, aber sie machten einen gleichermaßen irrealen Eindruck. An den Wänden waren alte Schriftzeichen, offenbar so etwas wie Runen erkennbar, allerdings nur fahl im Schein der Fackeln zu erahnen und daher kaum wahrnehmbar. Dennoch ein mächtiger Raum, der eine anmaßende Aura des Machtanspruchs besaß. Im Vergleich zu den übergroßen Statuen fühlte man sich klein und bedeutungslos, gleichzeitig schien es der Anspruch zu sein, selbst einmal zu denen zu gehören, deren Größe über das Fassbare hinausging.
„Das ist es“, sagte plötzlich eine männliche Stimme irgendwo neben ihr. Sedrael fuhr herum. Nichts. Vor ihren Augen flimmerte es. Die Dornen der Macht rankten sich erneut um ihre Sicht. Zwei dunkle Schemen bildeten sich; flackerten im Schein der seltsamen Fackeln. Die eine finstere Robe, nur schwer zu sehen, schob die andere Figur in die Halle hinein – eine junge Frau, weitaus weniger zielstrebig und nicht so gefestigt wie er selbst, der Meister, der von sich selbst Getriebene.
„Ilara, sichere die Umgebung. Warne mich, falls etwas Unerwartetes geschieht!“, sagte die erwartungsvolle Stimme zu der Frau, während beide weiter in die Halle traten. Er nahm die Kapuze ab. Und Sedrael blickte in das Gesicht des Mannes aus ihrem Traum. Aber nur teilweise, nicht ganz vollständig. Die Grundzüge waren gleich, und doch war dieses Gesicht weit weniger furchterregend; nicht eingefallen, ohne sich abschälende Leichenhaut. Ein menschliches Gesicht mittleren Alters, abwesend zwar, in Gedanken, beschäftigt und aufarbeitend im Hinblick auf die düsteren Eindrücke, die sich ihm boten. Aber beinahe… normal? Das Gesicht eines Mannes, nicht das eines Totenschädels. Kurz war die Person stehengeblieben, aber nicht lange. Er kam auf sie zu. Instinktiv machte sie sofort einen Schritt zurück.
„Ich werde stärker. Stärker als das Leben“, murmelte er dann, während er sie anzuschauen schien, und schritt weiter auf sie zu. Panik. Ihre Augen weiteten sich. In einem Anflug plötzlichen Zwangs zur Handlung fasste sich Sedrael reflexartig an ihren Gürtel, um ihr Schwert zu zünden und sich des Mannes zu erwehren. Aber ihre Hand griff dabei ins Leere. Sie blickte hinab, erinnerte sich dann daran, dass ihr das Schwert schon lange auf dem Schiff abgenommen worden war. Hastig blickte sie wieder auf.
Der Mann und seine Begleiterin waren fort. Sedrael blickte hektisch durch den Raum, blinzelte, atmete durch, und hatte dabei das Gefühl, ihr schwerer Atem hallte gleichermaßen durch die große Halle. Ihre Stirn war schweißgebadet. Die Teile setzten sich allmählich zusammen. Erst das Basislager in der Schlucht, dann die Ankunft hier in der großen Halle. Hier war etwas geschehen – etwas, das am Ende in dem Ritual mündete, dessen Vision den Geist auf sie aufmerksam gemacht hatte.
„Ich glaube, hier hat er ihn gefunden“, sagte sie langsam zu Reah, während sie sich über das Gesicht strich und dann wieder durch den Raum blickte. „Seinen Schlüssel… der ihn wahnsinnig werden ließ.“
Es war eine gruselige Atmosphäre, hier in diesem Raum zu sein, in dem eine andere Person ihre eigene Vernunft verloren hatte. Ein Gefühl ließ Sedrael sich umdrehen, dorthin, in dessen Richtung auch der Mann gegangen war. Am Ende der Halle waren ein paar Stufen, die zur größten Statue des Raumes führten. Sedrael blieb unten an den Stufen stehen und blickte zu dem steinernen Abbild hinauf. Eine schlichte Statue eines Mannes in Robe. Es war fast eine Ironie, dass die Statue selbst auch nahezu aus dem Jedi-Tempel hätte stammen können, da sie sich nicht merklich von dem unterschied, was die Jedi als Kunst angesehen hatten. Und dennoch wirkte sie hier im Kontext der anderen Statuen völlig anders, beinahe als knechte dieses großes Bildnis einer ihr unbekannten Person alle anderen Statuen dieses Raums unter sich. Ihr fiel dabei auf, dass die Schriftzeichen an den Stufen vor ihr mittlerweile glühten, oder besser gesagt rege pulsierten – sie strahlten allerdings keinerlei merkliche Wärme ab, sondern wirkten noch immer so kalt wie vorher.
„Spürst du es?“, fragte sie nur, als sie sich mit ein paar Schritten erneut neben die Hexe stellte. Ihr Blick wanderte kurz zu der Wand an ihrer Linken, dann nach rechts und auch dort glommen die Runen inzwischen gespenstisch. Trockener, aber modriger Nebel schien sich auszubreiten, kaum merklich zunächst. Irgendetwas schien zu passieren.
Der Schein konnte trügen, wie er es so oft tat. Sie machte Sedrael keinen Vorwürf, denn natürlich kannte die Sephi Ysanne Isard nicht annähernd so gut, wie Reah es selbst tat und auch wenn die Direktorin angesichts der Umstände nicht die unmittelbare Bedrohung war, so stellte sie doch die weitaus größere dar. Letztendlich musste man wissen, dass Isard keine Frau war, die unnötige Risiken einging und sie hatte es auch nicht nötig. Wenn einige Werkzeuge Macken bekamen und nicht mehr einwandfrei funktionierten, gab es immer noch genügend Ersatz - vielleicht noch nicht so optimiert, aber doch gut genug, um die Arbeit in ihren Augen zufriedenstellend auszuführen. Reah und Sedrael hingegen standen ohnehin auf der Abschussliste - selbst wenn sie lieferten. Dies war nicht die Frage des ob, sondern des wann. Sie waren zu einer Bedrohung für Status und Einfluss der Direktorin geworden, denn sofern der Imperator davon erfuhr - und nach Sedraels Konfrontation mit der Machterscheinung, mit welcher er offenbar im Bunde stand würde er davon erfahren - bedeutete dies, dass sie handeln musste. Auf eine recht eindeutige Weise - zumindest als letztes Register, wenn alle anderen Mechanismen versagten. Insofern stimmte es durchaus, dass die Machterscheinungen ein Problem waren, allerdings keines, dass Reah derart aus der Bahn werfen konnte wie Sedrael, die mit derartigen Dingen denkbar unvorbereitet konfrontiert wurde und den erlebten Schrecken nun, natürlich, als sehr viel größere Bedrohung ansah und dem war nur Bedingt so. Gegen die Macht war es immerhin theoretisch möglich sich zu verteidgen - gegen Turbolaserfeuer nicht.
Die Schmerzunterdrücker begannen zu wirken, weitaus schneller als erwartet, wenn auch nicht auf eine angenehme Art. Mehr oder weniger fühlte sich Reah eher betäubt und nicht annähernd in einem Zustand, den sie als wehrhaft bezeichnen würde. Aber es würde reichen müssen, irgendwie und vielleicht, mit diesem dunklen Nexus finsterster Energie, mochte es am Ende genügen, sie lange genug zusammenzuhalten, um diesem Grab zu entkommen. Es blieb nur die Frage, ob sie bereit war, den Preis dafür zu zahlen. Die dunkle Jedi sträubte sich, nach dem zu greifen, was Korriban ihr ständig bereitwillig anbot, das vermeintlich gnädige Geschenk der Macht. Ihr Blick wandte sich empor zur Sephi, die ihr dabei half, sich aufzurichten und jener Blick genügte, dass er Reah zweifeln ließ. Was sie sah war Angst, Unsicherheit - aber nicht vor ihr. Es schoen vielmehr, als hätte Korriban mit subtilen Fäden nach der Jedi gegriffen, ihr kleine Nadelstiche versetzt und das dunkle Gift in ihre Adern injiziert. Angst bedeutete den Tod, hier weitaus mehr als anderswo, Angst ließ sie panisch davonlaufen, in dieses Labyrinth finstersten Irrsinns und es mochte genau das sein, was dieser unheilvolle Planet wollte: Zwietracht, Misstrauen. Wer würde allen? Wer würde dem Ruf nachgeben? Ob bewusst oder unbewusst?
Reah kam auf die Beine, wankte ein wenig vor und fand an einer Wand wieder sicheren stand. Konzentration. Mit Weisheiten dienen konnte die dunkle Jedi nicht, wollte es auch gar nicht, zumal Sedrael Ratschläge von ihrer Seite zur Thematik der dunklen Seite wohl ohnehin nicht für allzu glaubwürdig erachten würde und das wiederum bedeutete, dass die Sephi wohl über selbst einen Weg finden musste, mit dieser Angst umzugehen. Eine weitere Hürde und gewiss keine, die das, was noch vor ihnen lag auch nur irgendwie leichter machen würde. So blieb es bei einem tonlosen Schweigen, dass nur von dem uralten Öffnungsmechanismus einer nahen Tür unterbrochen wurde. Erstaunlich, offenbar fanden sich selbst in den dunkelsten Verliesen zarte Schimmer der Hoffnung, auch, wenn Reah eher Lug und Trug witterte und sich nur wenig gutes davon versprach, wenn sie diesem Pfad weiter folgen würden. Auf der anderen Seite, hatten sie jedoch ohnehin keine Wahl und es schien, als sollte es so sein. So tastete sie sich also an der Wand entlang, vor zur Tür, durch welche bereits surrealer Feuerschein zu erkennen war.
Die Aura der Finsternis wurde mit jedem Schritt, den sie nach vorn trat stärker, dichter und sie fragte, sich, ob Sedrael es überhaupt bemerkte, bemerken konnte oder ob sie bereits so tief im Schatten stand, dass sie die Nuancen darin gar nicht mehr bemerkte. Reah biss sich auf die Unterlippe. Sie ertrank. Durch die Macht betrachtet, schien es so, als würden die dünnen Fäden , welche die Sephi umspannten, von kristalliner Finsternis überzogen werden, bis diese drohten zu bersten. Brechen. Korriban hatte schon viele Jedi gebrochen, Jedi, die weitaus mächtiger waren, als Sedrael. Der kritissche Bruchpunkt kam näher und Reah wusste, dass sie, wenn es dazu kam, nichts tun konnte, als es mit anzusehen. Es war der Kampf mit sich selbst, ein Kampf, in dem nur der eigene Wille zählte.
Sie blieben stehen und der Blick der dunklen Jedi wanderte empor, zu den fackeltragenden Kolossen, die diese Halle zierten. Dies war es also: das Herz der Finsternis und jene überlebensgroßen Schrecken, die erhaben in Stein gemeißelt standen, die Riesen des Elends, mochten vielleicht die ersten gewesen sein. Wie unbewegliche Monolithen, die irgendwann einmal, in ihrem schlammigen Fundament aus Blut und Fäulnis versinken mochten. Runenverzierte Wände mochten die vermeintlich ruhmreiche Geschichte der toten Steinlords erzählen, deren ausdruckslose Fratzen auf sie herabblickten, hier, wo die Fackeln tiefe Schatten in die unerkennbaren Gesichter warfen. Hohn und Spott, in ihr entkeimte der Wunsch, diesen Ort für alle Zeiten zu begraben, wohl wissend, dass sie dazu derzeit nicht in der Lage war und ein Teil von ihr, jener Teil, in dem diese Statuen nur Abscheu hervorriefen, wünschte sich beinahe, dass Isard diesen Ort, diese Welt und alles was sich darauf befand, aus der Galaxis tilgen würde.
Reah wandte sich zu ihrer Begleiterin um, die scheinbar abwesend in die Halle blickte. Nein, nicht abwesend. Auf eine gewisse Art fokussiert, hinter den Schleier dessen blickend, was derzeit zu sehen war. Ein Echo dessen, was geschehen war? Gefährlich. Auf der einen Seite mochte Sedraels Gabe jenes Geschenk sein, welches die Chiffren entschlüsseln konnte, dass hinter die Illusionen zu blicken vermochte, was Korriban vor ihnen verbergen wollte. Doch ebenso war es eine offene Tür für die Mächte der Dunkelheit, die sie mit allmöglichen Eindrücken füttern konnte, sie mit dem, was sie sah, überforderte und dazwischen stand Reah, unentschlossen, wie viel von Sedrael sie bereit war zu opfern, wie viel sie die Jedi zahlen lassen würde, für die Entschlüsselung des Mysteriums Vesperum. Hatten sie eine andere Wahl? Andere Möglichkeiten? Kaum. Und wenn dies das Schicksal, der Wille der Macht war, dass die Sephi auf Firrerre verschont wurde, um hier ihren Zweck zu erfüllen?. Fragen ohne Antworten, es blieb ein Wagnis. Mehr Fokus. Selektierung. Wenn sie sich von allem Füttern ließ, was Korriban ihr zeigen wollte, wäre am Ende nichts mehr von ihr übrig.
Sie nickte langsam, als Sedrael sprach. Schlüssel. Nein, als Schlüssel hätte sie es nicht bezeichnet. Hier wurde der Pakt geschmiedet und besiegelt. "Der Geist in der Wüste... stammt von hier." Atmen. Ruhiges Atmen, während sie versuchte die Geschehnisse und das, was sie um Vesperum wusste, zusammenzusetzen. "Als Palpatine vernichtet wurde, konnte Vesperum sich an die Spitze der dunklen Jedi auf Byss setzen - sie nannten sich Sith, aber im Grunde waren es nicht mehr als ein Haufen Kultisten mit Lichtschwertern. Wie Jedi, folgen Sith einem Kodex, einer Tradition, der die Nachfolge regelt. Nur... gab es nach dem Tod von Vader und Palpatine niemanden mehr, der diese Tradition weitergeben konnte." Legitimation. Anerkennung. Macht. Die Geheimnisse der Sith lagen tiefer verborgen, waren weitaus vielschichtiger und komplexer als das, was dunkle Jedi zu bewerkstelligen konnten, überstiegen jenes Wissen, dass den Akolythen auf Byss vermittelt wurde. Er haate mehr gewollt, mehr, als jene kümmerlichen Gaben, die sich nur an der Oberfläche finden ließen. Er wollte Sith sein - nicht nur dem Namen nach. "Für Vesperums Vision mochte das nicht ausgereicht haben, er brauchte... das Wissen der Sith - und ohne einen lebenden Lehrer blieben ihm am Ende nur die Toten auf Korriban. Er mochte sich vorher Sith genannt haben, aber ich denke... hier wurde er zum Darth." Und in seiner grenzenlosen Gier hatte der Narrenkaiser all jenes erweckt, das besser vergessen geblieben wäre. Denn wer kontrollierte am Ende wem? Vesperum die dunkle Seite? Oder die finsteren Echos Korribans Vesperum? "Wir brauchen den Namen dieses Geistes." Meinte Reah halblaut und schritt neben Sedrael her, hin zu einer Statue, welche die übrigen noch überragte. Namen konnten Macht besitzen - zumindest hier und es schien beinahe wichtiger zu werden, zu wissen, wer oder was die Erscheinung war, als weniger, was Vesperum zu erreichen gedachte.
Runenverzierte Stufen säumten das riesige Abbild eines Mannes in schlichter Robe, Runen, die zu pulsieren begannen, je näher sie ihnen kamen. Die Dunkelheit sammelte sich, ja, Reah konnte es spüren, denn auch sie wühlten in Geheimnissen herum, von denen sie nicht viel verstanden, unsicher und ungewiss, ob daraus ein nicht noch größerer Schaden entstehen mochte. Reah beugte sich vor und betrachtete die Worte. Es wirkte auf seltsame Art vertraut, tatsächlich glichen diese Runen dem, was in manchen Gegenden auf Thule als Schriftbild galt, in vielerlei Hinsicht. Sie ging in die Knie und betrachtete das Muster noch einige Momente, flüsterte einige Worte in einem fremdartigen Dialekt ihrer Heimatwelt, von der sie glaubte, es könne die Aussprache dieser Runen treffen. Wir..., begann sie leise und sah zu Sedrael hoch, "...sind das Leben."
Reah erhob sich wieder, während die Finsternis die Schlinge weiter zuzog. Modriger Grabnebel. Sie atmete ruhig aus - keine Furcht, nicht hier. "Ja.", antwortete sie schlicht auf Sedraels Frage. "Aber Schatten brauchen Licht um uns fürchten zu lassen. Lass sie in ihrer Dunkelheit ertrinken."
Der gruftige Nebel verdichtete sich dezent. Er sammelte sich an, mehrte sich im diesigen Licht der runenbeschimmerten Lichtquellen, die magisch und unnahbar ein artfremdes Licht von sich gaben. Ein kalter Wind schien vorsichtig über die Gesichter der noch Lebenden zu streichen, begierig darauf ihnen jenes Leben zu stehlen. Dieser Ort war tot, leblos in die Zeit geworfen aber nicht ohne Schicksal. Seine kalten Mauern boten mit ihrer brachialen Architektur etwas Schicksalhaftes. Der untote Stolz einer vergangene Epoche, einer alten Zeit, in der die Dunkelheit real war und die Nacht nicht mit Leblosigkeit gestraft war. Einst war hier Leben, begieriges und hungriges Leben, welches durch die dunkle Seite gespeist, ganze albtraumhafte Wunder wirken konnte. Einst herrschten hier die Sith, ein Imperium der Begierigen, der Leidenschaftlichen und der Träumenden, die sich eine Ewigkeit mit Blut erkaufen wollten. Doch ihr Hass und ihre Zwietracht brachten ihnen einen mordlustigen Krieg aber auch ihren eigenen Untergang. Dennoch prahlte die dunkle Seite noch immer mit ihrer Macht. Die Sith waren nicht tot, sondern untot und gingen in den leisen Stimmen ihrer höllischen Verdammnis nach. Gebunden an diesen Ort waren die Erinnerungen vieler Seelen, die durch grausame Rituale, Krieg oder Gewalt dahingerafft waren oder schlicht durch eigenen Machthunger und Unwillen nicht in die Macht eingehen konnten. Die Geister der Sith hausten in diesen Gruftgängen, in dieser Grabwelt, um auf die Lebendigen zu lauern, die sie mit ihrem Wahn heimsuchen konnten. Ihr Horror lag nicht im diesigen Dunst, dem morastigen Duft der faulenden Gänge oder dem Geheul der Bestien, die in den Korridoren umher irrten, sondern in der schlichten Erkenntnis, dass sie verloren waren. Alles hier war verloren in der Zeit aber sie ließen nicht los. Niemand ließ hier los und verdammte sich zu einer Ewigkeit in dieser finsteren Nacht, die nur durch den eigenen Willen erhellt werden konnte. Es war diese Grenze, die verschwamm. Lüge war hier Wahrheit, wie Wahrheit schnell eine Lüge war. Bedeutung lag hier allein im Überleben, im Fortbestehen, bis die Ewigkeit eine echte Antwort schenken konnte. Doch niemals würde ein Sith eine wahre Antwort in der Ewigkeit finden, sofern er nicht jene Reue fand, die einst Ajunta Pall befreit hatte. Solange sich ihre unruhigen und begierigen Willen an die Vergangenheit ketteten, an jenen Wahn, dass ihn auch die Ewigkeit gehören konnte, würden diese unholden Geister niemals frei sein. Ihnen blieb nur der beißende Spott für alles Lebendige, der grausame Spaß diese noch nicht Toten zu bewundern oder zu beeinflussen, damit sie ihr Leid teilten oder schmälerten.
Nichts hier gab Sedrael und Reah Nigidus etwas, was sie nicht schon besaßen, sondern dieser Ort schenkte ihnen nur neue Fragen. Antworten lagen in der Macht, nicht in den vergangenen Träumen von verirrten Seelen, die närrisch und dumm ihre Macht in großen Wundern suchten. Doch diese neuen Fragen konnten zu Antworten führen, wenn sie gewillt waren, weiter zu gehen als bis ins Dunkle. Das Licht war hier fern und doch war es das Licht, welches die Wahrheut ausleuchten konnte. Ohne Licht würden die Mächte und die Magie der Sith unzerrüttbar wirken. Doch das Licht strafte die Nacht mit Vertreibung, mit einer Angst, dass alles im Lichte verloren war, von ihren Künsten und Illusionen. Denn am Ende waren die Sith nur ein Albtraum aus alten Zeiten, der stets das heimsuchte, was er nicht haben konnte. Denn der Verrat der Sith war uralt, sogar älter als dieser Ort. Der Nebel erhob sich auf Kniehöhe, schien gar zu erforschen, was sich dort befand, während ein Echo durch die Hallen fegte, wie ein böser Windgeist. Es war kein Ton aber auch keine Stimme, sondern nur ein Hallen. Ein Dröhnen aus ferner Zeit, welches plötzlich und abrupt endete. Scheinbar hatte Reah Nigidus mit ihren unachtsamen Gedanken und Worten, die sie der alten Runenschrift entnommen hatte, etwas geweckt. Der Boden rumorte, während sich die Bodenplatten ein wenig verschoben und gleichsam Staub zum Nebel hinzu mischten.
"Wir sind der Tod," sagte aus dem Nichts eine Stimme, die okkult und fremd mit einem alten Akzent sprach. Es war die Antwort auf Reahs Aussage, auf ihre Worte, die sie gefunden hatte. Kein Gesicht, kein Etwas zeigte sich, sondern nur eine Stimme wogte mit dem kalten Wind durch die Halle, an jenen Statuen vorbei und ließ sich selbst keinen Raum. Sie war hier überall und doch nicht greifbar. Die atmosphärischen Fackeln wankten mit ihren Feuern bei jedem Wort, so dass man gar vermuten konnte, dass diese Stimme in den Flammen steckte. Torfiger Geschmack lag auf den Lippen, als die Dämpfe und Nebel die Sicht vernebelten und soweit aufstiegen, dass ein Flimmern in den modrigen Grabessegnungen lag und man gar etwas in den Nebeln erkennen konnte, welches keine Gestalt hatte. Es bewegte sich im Staub, ließ diesen tanzen und gleiten, während es um die Jedi und die dunkle Jedi kreiste. Wie lange war es bereits dort? Hatte es sie belauscht, wusste es etwas oder war es nur eine Illusion, wie vieles an diesem Ort? Eine Wahnbildung und Einbildung aus Gedanken, geschaffen um sich selbst an der Angst zu nähren. Doch Reah fürchtete nicht. Dennoch hatte die Jedi Panik gezeigt. Sie war unvorbereitet aber hatte hier etwas gefunden, etwas gesehen, was ihr eine ängstliche Emotion entlockte. Ihre Furcht konnte Nährboden sein aber schien nicht den Hunger dieser Stimme erweckt zu haben. Der okkulte Grusel mehrte sich am unmerklichen Angesicht eines Unsichtbaren. Alte Mächte zeigten sich nicht, sondern brachten nur Kälte und unverständliche Energien, die sich einem sterblichen Auge entzogen. Die alten Sith waren angekommen. Gerufen durch unvorsichtige Gedanken und Worte.
Finstere Puppenspieler zogen ihre seidenen Schnüre, hievten das modernde Grab ins Leben hinauf, während die Sephi die Worte ihrer Gefährtin abwartete. Wie es also aus den Worten Reahs erschien, so hatte die neue Dunkelheit ihre Dienerschaft nun von ihrer ewigen Dualität der Regel der Zwei erlöst – ein Umstand, der sich wohl für diese selbst wie aber auch für alle anderen in der Galaxis gleichermaßen gefährlich erweisen konnte. Doch für den Augenblick war das eine Frage für die Zukunft, nicht für die Gegenwart, welche bereits ihr Ungemach über ihr Beisein ankündigte. Wenn tote Orte zum Leben erwachten, war es, als zerrten die Schnüre an dem Boden – nicht so weit, dass es die Standfestigkeit zu beeinträchtigen wusste, aber doch so merklich, dass es beinahe so wirkte, als seien sie dauerhaft in Bewegung. Staub und Sand aus der endlosen Wüste hinter ihnen peitschten vereinzelt durch die Halle. Sedrael hob ihre Hand, um ihre zusammengekniffenen Augen vor den Körnern zu schützen. Die Gezeiten erhoben sich wieder, so wie vor kurzem schon. Vielleicht war es auch das gewesen, was dereinst die kümmerliche Skelettgestalt am Scheiterhaufen gesehen hatte. Die Vorstellung, nun auch Teil und Zeugin dessen zu werden, erfüllte die Sephi einerseits mit Grauen, schien sie aber auch zu erregen. Die Vorstellung, ein großes Chiffre dieser Generation entschlüsseln zu können, jagte ihr Adrenalin durch den geschundenen Körper.
„Wir scheinen den Namen bald zu erfahren“, sprach sie zu Reah in den körnigen, leichten Windschub hinein, während sie mit etwas Verzögerung ihrer Begleiterin hinterher ging. Sie selbst blieb einige Schritte von den Stufen entfernt stehen, zu denen hinab sich die Aufmerksamkeit Reahs richtete. Das Glimmen der Runen schien stärker zu werden mit jedem Moment der Aufmerksamkeit, die man ihnen widmete, als erhielte es sich alleine daraus, dass irgendetwas auf der Welt sich ihnen zuwandte. Aber es schien auch kaum möglich, sich ihnen gänzlich zu entziehen, ihr pulsierendes Finsterlicht forderte jeden Augenblick für sich ein. Offenbar schien Reah die alten Worte entziffern und lesen zu können – eine Jahrtausende alte Sprache, die nun ebenfalls wieder zum Leben erweckt wurde. Wie so vieles hier in diesem Raum, ja in diesem gesamten Gemäuer wiedererweckt wurde. Ob es weise war, die Lettern dieser verwunschenen Welt erneut in den Hallen ertönen zu lassen, vermochte schlussendlich niemand mit Gewissheit zu beurteilen. Schwerlich war jedoch der Gedanke abzuschütteln, dass das, was hier seinerzeit sorgfältig unter Asche und Staub der Urzeiten verborgen worden war, nicht ohne guten Grund vor den Blicken und Gedanken Wagemutiger geheim gehalten wurde. Manche Dinge mochten besser ruhen bleiben und niemals wieder gestört werden.
Im Wind sprach sodann die Wahrheit dieses Ortes, heulte um ihre Ohren. Eine alte Stimme, unvertraut. Letztlich war es diese Unvertrautheit, die sie falsch erschienen ließ. Sedraels Brust hob und senkte sich einige Male im Anschluss. Die Überraschung ob der Stimme hatte ihren Körper ansonsten eingefroren und hetzte ihr einen eisigen Schauer über den Nacken. Die Antwort an Reahs vorgelesene Worte wirkte wie ein Chorus, beinah einstudiert. Worte, die nie unvollendet vorgetragen werden durften. Etwas, das ihre Begleiterin womöglich wusste, eine Formel, ein Ritual? Ganz gleich, es war jedenfalls nicht das, was sie befürchtet hatte.
„Das ist sie nicht“, hauchte sie zu Reahs Seite und schüttelte leicht den Kopf, überrascht einerseits und doch erwartungsvoll. Es war nicht die Stimme dessen, was sie vormals gesehen, gefühlt hatte. Nicht die Stimme der Hexenkönigin, die ihrem Günstling die Scheiterhaufen zur Opfergabe bereitet hatte. Nicht die Stimme des Wirbelsturmes draußen in der felsenumwobenen Einöde, die sie in die Luft gerissen und ihr die Kleider und die Haut zerkratzt hatte. Dies hier war etwas anderes, andere Kräfte. Im Gespür nicht weniger besitzergreifend und invasiv, und dennoch verschieden. Klar davon zu unterscheiden. Dieser Ort hielt viel mehr bereit als selbst die geflüsterten Sagen der Jedi sich jemals hätten ausdenken können. Doch wer Rat suchte und mit derlei Kräften koalierte, der musste bezahlen – auf die eine oder andere Art. Alles würde seinen Preis haben. Manchmal konnte dieser Preis am Ende gar zum Guten führen, doch irgendetwas musste stets geopfert werden, irgendein Teil seiner Selbst. Die Frage würde sein, was von allem sie beide hier nun zurücklassen würden.
Was mochte es bedeuten, dass hier also etwas anderes auf sie lauerte? War dies nun Fortschritt oder Rückschritt? Es war schwer zu sagen. Sedrael erwartete indes von einem Ort wie diesem keine positive Überraschung. Zweifel begannen trotz ihrer gierigen Gedanken an ihr zu nagen, als der beheimatete Irrsinn näher kam, spürbar wurde und mit gierigen Klauen nach ihnen griff. Konnte es das überhaupt wert sein? Die teuflische Höhle des Drachen mochte zwar einerseits dessen wertvollen Hort beinhalten, andererseits war es nicht ratsam, die volle Macht des Tieres auf sich zu ziehen und am Ende sich selbst oder das lose Band zu riskieren, an dem immer wieder gezerrt und getestet wurde, wie stabil es überhaupt war. Eine ihrer Hände landete locker auf Reahs unverletzter Schulter – weder bereit noch willens, diese mit Gewalt aufzuhalten, aber dennoch andeutend, dass es auch jetzt noch immer möglich war, Kehrt zu machen und all dem den Rücken zuzuwenden, ehe es zu spät war.
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