#31
Draußen zogen die Sterne vorüber, im endlosen Meer aus Schwarz und Weiß, blau dämmrig im Schein der künstlichen Sonne des Abschirmfelds, das die Schrecken von außen dort hielt und gleichsam die Schrecken von innen nicht nach außen dringen ließ. Vieles von dem, was hier geschah, würde wahrscheinlich in der Tat nie seinen komplizierten Weg nach außen finden – und vielleicht war das auch gut so. Das elektrisierende Gewitter in der Macht hatte weiter zugenommen und zog Sedrael wie ein Magnet in seinen Bann, der Konflikt, der um Reah Nigidus stob, war so greifbar und klar, knisterte in den spitzen Ohren der Sephi. Doch was war es am Ende, was hier vielleicht entfesselt wurde? Unvorhersehbares, womöglich Unkontrollierbares, das lange im Inneren dieser Frau verborgen, unterdrückt gewesen sein mochte und nun gewaltsam nach außen drang. Doch wie immer, wenn etwas über längere Zeit unterdrückt war, bahnte es sich dabei gefährlich, extreme Wege, den einfachsten, schnellsten Weg, den des geringsten Widerstands, aber nicht immer den, den man beabsichtigt hatte. Die Revolution, der Umsturz, er förderte manchmal auch Dinge zutage, die ansonsten vielleicht besser im Verborgenen geblieben wären.

Aber war es besser, nichts zu tun und es gar nicht erst darauf ankommen zu lassen? Die Hexe wieder sich selbst zu überlassen? Nur was dann? Jetzt nach Firrerre hatte Sedrael keinerlei Aufgabe, keine andere Perspektive mehr, etwas tun zu können, was vielleicht in irgendeiner Form von Wert, Bedeutung geschweige denn von Erkenntnis hätte sein können. Ja, es gab wohl eine neue Zusammenführung von Jedi, zumindest sofern man den Worten des Fremden auf Firrerre Glauben schenken konnte. Aber die Macht schien Sedrael das Gefühl vermitteln zu wollen, dass die Worte der Wahrheit entsprochen hatten. Vielleicht hätte sie also dorthin können. Vielleicht. Aber wozu? Warum sollte man sie aufnehmen? Und wollte sie das überhaupt? Es war wahrscheinlich nur wenig, was es dort eigentlich für sie geben konnte und ebenfalls nur wenig, was sie ihnen anbieten konnte. Auf der anderen Seite war hier Reah, eine Person, die… nun, natürlich brauchte sie die Sephi nicht, aber offensichtlich löste deren Anwesenheit bei ihr doch bestimmte Reaktionen aus, deren sie nicht abgeneigt war. Und insofern machte Sedraels Anwesenheit hier tatsächlich in der Macht anscheinend einen gewissen Unterschied, mehr als seinerzeit auf Firrerre vielleicht und zweifellos mehr als es derzeit bei möglicherweise anderen Jedi der Fall sein konnte. In gewisser Weise war das, was sie derzeit hier an Bord dieses Schiffes tat auch wieder eine Form von Heilung, zwar auf eine andere Art und nicht in Form einer medizinisch notwendigen Versorgung einer körperlichen Verletzung, sondern letztlich die Behandlung einer Geisteskrankheit, die sie selbst jedoch niemals beseitigen konnte – und auch gar nicht selbst beseitigen wollte. Die Krankheit, die ihre Gegenüber plagte, war rein von außen wahrscheinlich ähnlich unheilbar wie das Virus von Firrerre. Die Erkenntnis der Selbstzerstörung und des Verlustes von Person, Willenskraft und Entscheidungsfreiheit sowie des Abgleitens in die eigenen finstersten Abgründe, die besitzergreifend sich irgendwann komplett des eigenen Verstandes bemächtigten und verschlangen, bis der Abgrund schließlich nicht mehr ein Abgrund war, sondern die neue Ebene – bis die Person auch dort erneut zurückgedrängt und an einen weiteren Abgrund gedrängt wurde, um noch tiefer hinabzustürzen, bis sich das Spiel erneut wiederholte. Irgendwann selbst war die Person verschwunden, verschollen auf der Flucht vor der eigenen Finsternis. Diesen Kampf gegen den beständigen Sturz in die preisenden Hände der inneren Dämonen überhaupt wieder aufzunehmen und sich nicht immer weiter in Richtung des nächsten Abgrunds drängen zu lassen, mochte der wohl schwierigste und anstrengendste Part im Wettstreit um die geistige Gesundheit sein, insbesondere wenn die verlockende Finsternis einem den Teufelspakt über schier endlose Macht anbot und die einzige Gegenleistung, die sie verlangte, war, sich ihr nicht mühsam entgegenzuwerfen.

Verachtete Sedrael die Person Reah? Ja, vielleicht. Oder zumindest das, was aus ihr geworden war. Oder zumindest wiederum Teile davon. Aber das war auch nicht das Problem. Tief im Inneren mochte der Rest des Menschen neben ihr diese Einstellung vermutlich immer noch teilen, der Teil nämlich, der gerade spürbar in der Macht aufbegehrte und das Gewitter entfacht hatte. Dieser zurückgezogene Teil der Persönlichkeit hatte wahrscheinlich wenig gemein mit dem Monster, dessen Antlitz der Mörderin und später im brennenden Firrerre erstrahlt war. Aber ob sich diese beiden Facetten der Person überhaupt voneinander trennen ließen oder ob der parasitäre Teil davon nicht bereits so mit seinem Wirt verbunden war, dass dieser davon abhängig geworden und ohne ihn nicht mehr lebensfähig war, war unmöglich zu bestimmen. Doch wenn Sedrael dies nicht herausfand, wer sonst konnte der menschlichen Reah noch Zuflucht bieten? Die kalte Mechanik des Militärs war kein geeigneter Ort dafür, wenn auch immer noch mehr als die Aura oder sogar Anwesenheit des Leichenmenschen, dessen Frosthauch jeglichen Widerstandswillen im Keim ersticken würde. Reah war eingekerkert in ihrem eigens entworfenen Verlies – doch hatte nicht etwa Sedrael den Schlüssel zu ihrem Kerker. Sie konnte nur die Person sein, die Reah darauf aufmerksam machte, dass es nur Reah selbst war, die den Schlüssel bereits in der Hand hielt, um anhand dieses Wissens zu realisieren, was die Konsequenzen davon für sie selbst sein sollten. Ob es nun die waren, die Sedrael sich vielleicht wünschen würde oder nicht, war letztlich irrelevant. Wenn sie bereit war, ihre eigene Finsternis zu kontrollieren und sich nicht davon kontrollieren zu lassen, mochte das ein Vorzug sein, aber das war etwas, das die Sephi nicht mit Zwang oder Befehlen einfordern konnte. Wenn es so weit war, würde sich Reah diesem Kampf nun nicht allein stellen müssen – wenn nicht, nun, dann würde es womöglich Zeit dauern. Oder es würde niemals geschehen. Diese Ungewissheit wusste Sedrael jedoch nicht zu irritieren, nicht mehr. Das Leben als Kind der Macht war stets voller Ungewissheit und Unwägbarkeiten. Was klar schien, konnte mit einer leichten Brise des großen Windhauchs wieder fortgeblasen werden und neue Spuren im alten Staub freisetzen, die bislang unerforscht geblieben waren. Und auf den verstaubten Pfaden, die lange nicht von anderen betreten schienen, war es schwer, ehrliche Verachtung zu spüren, sondern vielmehr Mitleid mit dem Geschöpf, das sich irgendwo dort verbarg und eigentlich doch nur frei sein wollte.

„Dann werde ich Euch dorthin begleiten, so Ihr es wünscht“, kamen die Worte etwas unvermittelt aus Sedraels Mund heraus, wenig bewusst, fast wie eine reflexartige Reaktion, die ihr in diesem Moment richtig erschien. Sie wusste nicht, was es war, sie wusste nicht, worum es ging – aber es fühlte sich einfach richtig an, Reah diesen Vorschlag zu unterbreiten. Möglicherweise war es gefährlich und weit über dem, was ihr zuzutrauen war. Aber das spielte alles in allem keine entscheidende Rolle in diesem Moment.
„Es gibt viele Arten des Kampfes, doch nur wenige Kämpfe müssen auch allein gefochten werden“, entgegnete sie Reah, während ihr Griff auf die Schulter der Frau wurde für einen kurzen Moment ein wenig fester wurde, das Ende des Augenblicks andeutend, ehe sich die weiße Hand wieder anhob und von ihr löste. Sedrael warf einen letzten stillen Blick hinaus in den Hangar, ehe sie sich abwandte, und ein paar Schritte machte, um sich zurückzuziehen und Reah mit ihren Gedanken für den Moment allein zu lassen. Nach nur wenigen Schritten blieb sie jedoch erneut stehen, warf Reah noch einen Blick aus dem Augenwinkel zu. Ja. Es gab Momente, in denen auch körperlich gekämpft werden musste. Sei es aus Eigenschutz oder zum Schutz anderer. Dies war letztlich… doch dann stockte Sedrael kurz. Wenn sie diesen Gedanken ehrlich und konsequent weiterdachte, so brachte er sie zurück nach Firrerre, zurück in den Moment, in dem ihr letztlich bewusst wurde, dass die Inquisitorin den Planeten auslöschen würde – so wie sie es angekündigt hatte. Hätte dies nicht ein solcher Moment sein müssen? Ja. Und nein. Sie hätte es versuchen können. Doch im Versuchen steckte immer das Eingeständnis, dass es einem nicht gelingen mochte. Der Kampf konnte aber nur dann Sinn haben, wenn er auch gewonnen werden konnte. Ein ewiger, aussichtsloser Kampf ins Nichts und nur um die Größe der Niederlage war keine Form von Heldenmut oder Moral, er war nur eine Form von Selbstbestrafung, von Suizid. Sedraels Kampf damals hätte rein gar nichts geändert. Was wäre anders gewesen, wenn sie damals gekämpft hätte? Die Inquisitorin war eine Expertin im Schwertkampf, das hatte die Art und Weise, wie sie ihre Klinge anmutig zu führen in der Lage gewesen war, gezeigt. Sie war Anfängerin, seit Jahrzehnten wohl ohne Training mit dem Schwert und selbst damals in ihrer Ausbildung war sie damit nicht geschickt gewesen – weil sie es auch gar nicht wollte. Die Frau hätte sie umgebracht, binnen kurzer Zeit, und den Planeten im Anschluss dennoch mit Tod überzogen, wäre als die Bestie, die sie zu dem Zeitpunkt war, weiter feuerspeiend durch die Galaxis gezogen. Jetzt dagegen standen sie hier, nebeneinander und Reah zweifelte. Woran genau, das konnte Sedrael derzeit nur erahnen, aber es war da. Es war anders, es war mehr als nur auf Firrerre, wo die Frau nur wie eine gierige Hexe danach greifen und etwas davon zu erhaschen versucht hatte. War es also so gesehen nicht klüger gewesen, nicht gekämpft zu haben, obwohl es eigentlich das Naheliegendere gewesen wäre? Und doch blieb da dieses Gefühl zurück, vielleicht doch etwas zu tun gemusst zu haben.

Manchmal war es nötig. Manchmal nicht. Doch wer konnte schon darüber entscheiden, wer war fähig, diese Tragweite zu überblicken und zu bestimmen, welche Hebel ineinandergreifen sollten und langfristig den klügeren und nicht nur den naheliegenderen Mechanismus auslösten? Die Antwort war natürlich einfach: nur die Macht. Aber die Macht selbst handelte nicht manifestiert, sondern immer nur durch jemanden oder etwas. Also musste dieser auch wissen, ob es richtig war oder nicht. Aber er musste auch in der Lage sein, notfalls handeln zu können. Das wiederum war Sedrael letztlich nie gewesen, weil sie durch ihre – wenn auch nicht Ablehnung des Kampfes als solches – Abneigung, selbst im gebotenen Fall die Waffe ergreifen zu können, dazu letztlich gar nicht in der Lage wäre, auch wenn es einmal notwendig wäre. Die Inquisitorin brachte Sedrael zum Nachdenken. Denn wahrscheinlich hatte ihre Unfähigkeit kämpfen zu können auch einen Einfluss darauf, im Notfall gar nicht kämpfen zu wollen, weil sie ohnehin nicht gewinnen konnte. Das war eine Zwickmühle, die sich vermutlich so überhaupt nicht auflösen ließ.
„Vielleicht werde ich Euer Angebot annehmen müssen, auch wenn mich der Gedanke beunruhigt“, antwortete sie dem Trainingsangebot der Frau schließlich etwas gedankenverloren, halblaut, ja beinahe nuschelnd. Denn möglicherweise war dieser relativ klare Grundgedanke aber auch der Motor, der letzten Endes dazu führte, dass man immer stärker und mächtiger im Kampf werden wollte – und dann vielleicht auch dann kämpfte, wenn es eben nicht notwendig war. Oder für die Steigerung dieser Fähigkeiten sich Mächten bediente, wenn auch vielleicht sogar im Glauben, etwas Gutes tun zu wollen, derer man später aber nicht mehr Herr werden konnte. Der ewige Drahtseilakt, die so mächtigen Dämonen bekämpfen zu wollen, ohne selbst zu einem zu werden. Und so ding es dann dahin, davon, ab in den Teil des Drachennests, der ihr zugewiesen und somit ihr eigenes Versteck werden sollte, um ihre eigenartige Rolle in all dem spielen zu können.
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#32
Abschätzend blickte Sedrael in den Spiegel an der Wand. Eigenartig. Äußerst eigenartig. Eine Uniform zu tragen hatte einen merkwürdigen Charakter, fast als ginge von dem weißen Kleidungsstück eine Aura der Gleichförmigkeit aus, ein Ausstrahlen von Pflicht und Gehorsam, das das Individuum daran erinnerte, dass es mit seinem Anlegen nicht mehr nur und vor allem nicht mehr primär Privatperson, sondern nun zugleich vor allem auch Teil von etwas Bestimmtem war. Das war in Sedraels Fall zwar nur wenig der Fall – offen gestanden wusste sie nicht einmal, wessen Uniform sie hier nun trug und wofür diese überhaupt stand –, doch dieser Nimbus der Überlegenheit, der davon ausging, war hier, wo vermutlich keinerlei Individualität geschätzt oder bemerkt werden durfte, dennoch spürbar. Eigentlich hatte Sedrael den mystizistischen, ja beinahe religiösen Charakter, die manche dem Militär zumaßen, nie verstanden, aber vielleicht war es nicht so fernliegend, in einer Zeit, in der man sonst nicht viel vorweisen konnte, zumindest diese eine Besserstellung gegenüber anderen vorweisen zu können, um weiterhin Achtung vor sich selbst behalten zu können. Selbst wenn die Dinge nicht so liefen, wie sie sollten, man arbeitete schließlich nur daran, es wieder besser zu machen, richtig? Das war letztlich natürlich vor allem eine Verklärung der Institution und seiner eigenen Person, führte es doch dazu, dass sowohl man selbst als auch die Institution sakrosankt wurde, weil am Ende alles dem hehren Ziel untergeordnet werden konnte. Wen kümmerte schon das Mittel, wenn der Zweck doch von allen als erstrebenswert angesehen wurde? Man musste daran glauben. Kritik musste also zurückgewiesen werden. Wer aussprach, wollte nicht reformieren, nein, er verriet. Seine Loyalität, seine Kameraden. So schwiegen die meisten. Alles in allem war das System einfach, bequem und relativ selbsternährend, nicht zuletzt weil die Institution als solche in Anbetracht verbrecherischer Individuen aller Völker nun einmal tatsächlich notwendig war. In irgendeiner Form zumindest. Doch Sedrael musste zugeben, dass ihr diese plötzliche Militarisierung der Galaxis Angst machte. Fast eintausend Jahre hatte es in der Republik kein zentralisiertes Militär mehr gegeben; und nach nur wenigen Jahren schien die Galaxis sich nun in einem Maße militarisiert zu haben, das kaum vorstellbar war. Ihre Haltung zu den Klonkriegen wäre nach heutigen Maßstäben wahrscheinlich als noch lächerlicher angesehen worden als damals. In gewisser Weise hatte die Hexe somit Recht, wenn sie sagte, dass ein Fortlaufen am Ende nichts änderte, sondern von Zeit zu Zeit die Dinge verschlimmern mochte. Auf der anderen Seite hatte die direkte Konfrontation des Bösen im Kampf die Dinge auch nicht verbessert, sondern möglicherweise sogar überhaupt erst diese Situation verschuldet, in der man sich nun befand. Die Grenzen dessen, wo der erste Fehler endete und wo der nächste begann, waren fließend, liefen möglicherweise auch manchmal parallel zueinander. Aber war das, was sie nun hier tat, denn nun mehr Fehler oder mehr Lösung? Das hing am Ende wohl nur vom Ergebnis ab, und nicht nur die Uniform mochte dann andeuten, dass der Zweck hier die Mittel heiligte.

„Ja, die Größe ist in Ordnung“, sagte sie murmelnd, während sie den letzten Druckknopf zu ihrer Rechten an der Uniformjacke schloss und während sich die Türe aus dem Badezimmer öffnete, allerdings blieb sie noch im Bewegungssensor der aufschnellenden Tür stehen. Der junge Unteroffizier, der sie vom Hangar in das ihr zugewiesene Quartier geleitet und ihre Größe geschätzt hatte, hatte sich in der Zwischenzeit müde gegen den Tisch unter dem einzigen Aussichtsfenster im Raum gelehnt und dort sichtlich gelangweilt im noch leeren Raum gewartet, bis die neue Besitzerin des Quartiers die zurechtgelegte Uniform des ISB aus weißer Uniformjacke und schwarzen Hosen, Gürtel, Mütze und Stiefeln anprobiert hatte. Der Mann betrachtete die neu eingekleidete Frau ein Mal von oben bis unten mit scheinbar neutraler Miene, aber Sedrael spürte, dass das in Teilen aufgesetzt war. Ein unbewusstes Blinzeln mit den Augen war Ausfluss seiner kurzzeitigen, aber unterdrückten Missbilligung, sie in Uniform zu sehen, wobei Sedrael nicht klar sagen konnte, woher diese Ablenkung tatsächlich herrührte. Schließlich verlagerte er sein Gewicht ein Stück weit nach vorne, um seine lehnende Position aufzugeben und sich mit ein paar Schritten in der Mitte des Raums zu positionieren, wo er dann in vermutlich sauberer militärischer Haltung Stellung bezog und stur geradeaus die leere Wand ein paar Meter vor ihm anblickte.
„Ich lasse den Quartiermeister wissen, dass er die Schränke in Ihrer Abwesenheit entsprechend auffüllen lässt, Ma'am.“
„Danke.“
Der starre Blick zur Wand wurde einen Sekundenbruchteil unterbrochen, als der Unteroffizier offenbar etwas irritiert seine Pupillen seitwärts schob, um die uniformierte Frau anzublicken – ehe er sich daran erinnerte, dass sich das nicht schickte, und wieder sein Drill Überhand nahm, doch er antwortete nicht. Mehrere Sekunden lang herrschte schließlich peinliche Stille im Raum. Sedrael bemerkte an der etwas unruhigen Haltung, dass der Mann offensichtlich auf irgendetwas von ihrer Seite wartete. Nur was mochte das wohl sein? Übersprunghaft fasste sie an ihren Hinterkopf und schien ihre Haare zu richten, die sie hochgesteckt hatte und die vermeintlich durch das Umziehen in Unordnung geraten waren, allerdings in diesem Fall nur, um wenigstens den Anschein zu erwecken, dass sie gerade durch etwas abgelenkt war. Der junge Mann schien sich zunächst nichts anmerken zu lassen, ihm schien jedoch in ihrer Abwesenheit im Zimmer aufgefallen zu sein, dass ihr Quartier noch erstaunlich leer war.
„Ich nehme an, das ISB lässt Ihnen Ihre Unterlagen noch zukommen?“
„Ja, natürlich“, sagte sie nickend, als wüsste sie, wovon der Mann redete, und hoffte, dass der Blick des Mannes wirklich so starr war, wie es den Anschein hatte, damit er nicht bemerkte, wie ihr gerade vor Nervosität das Blut in den Kopf schoss. Sie strich weiter ihre Haare glatt, drehte sich dann jedoch in der Türe um, um wieder einen Moment Zuflucht im Badezimmer suchen zu können. Der Mann verfolgte das aus dem Augenwinkel mit angehobener Braue und fing sie ab, indem er sich ein Mal räusperte und schließlich die Stimme erhob.
„Sofern Sie nichts weiter benötigen, möchte ich dann darum bitten, mich entfernen zu dürfen.“
Sedrael blieb dadurch in der Türe stehen, wenn auch nun mit dem Rücken zu dem Soldaten. Das war es also. Wie amüsant.
„Sie dürfen.“
Befreit atmete der Mann gepresst aus, schlug die Hacken leicht aneinander und ließ das Quartier mit beschleunigtem Schritt hinter sich. Sehr ungewohnt, jemandem erlauben zu müssen, dass er gehen durfte. Das Militär war ein eigenartiger Verbund aus mangelnder Individualität und kreativer Leere. Alles war dem System und der Funktion unterworfen, dem Dogma von Befehl und Gehorsam. Es musste dem Mann wohl geradezu wie eine Strafe vorgekommen sein, die vermeintliche Agentin zu integrieren, insbesondere weil er auch er wieder eine gewisse, unerklärbare Grundskepsis ausgestrahlt hatte. Vorurteile waren hier mehr Regelfall als Ausnahme, so viel war bereits erkennbar. Die Frage war nun nur noch, welcher Art von Vorurteilen sie hier ständig begegnete. Ob sie das allerdings mit ihrem ungeschickten Auftreten wirklich sinnvoll herausfinden konnte, war schwer abschätzbar. Vielleicht war ein Blick in die Macht, in die Gedanken der offenbar ausschließlichen Menschen ein unauffälligeres Mittel hierzu, doch Gedankenlesen war keine einfache Fähigkeit, die nur besonders empathische Jedi lernen konnten oder solche, die miteinander eine engere Bindung erreicht hatten. Das war hier nicht gegeben und vielleicht war es sogar hinderlich, dass sie dann mit unstrukturierten Machtfetzen aus nicht trainierten Menschen zu tun haben würde, deren Machtpräsenz aus ihrer Sicht zu unsortiert schien, um daraus logische Gedanken erschließen zu können. Vielleicht also irgendwann eine Frage, die sich eher an die Person Reah Nigidus richten würde. Für den Moment jedoch verspürte Sedrael ein weitaus primitiveres Gefühl, das sie schließlich dazu veranlasste, ihr vorübergehendes Quartier wieder zu verlassen.

Es war kaum zu begreifen, wie groß ein Raumschiff tatsächlich sein konnte. Der einzige Vorteil für Unbekannte war, dass die durchaus komplexen Deckpläne an den Wänden ähnlich korrekt und sauber waren wie auch der Rest davon. Vermutlich wäre es einfacher gewesen, wenn Sedrael sich nur in Begleitung der Inquisitorin auf dem Schiff bewegte, aber es war letztlich immer denkbar, dass diese sich erneut dem Diktat der mysteriösen Frostgestalt aus dem Hologramm beugen und Sedrael somit für eine Zeit lang verlassen musste. Je früher die Sephi also ihre Hilflosigkeit ablegte, desto besser waren die Aussichten, in einem etwaigen Notfall zumindest nicht völlig verloren zu sein. Die Schiffszeit war auf die übliche Coruscant-Standardzeit geeicht und auch wenn eine Tageszeit im Weltraum willkürlich schien, so setzten sich dadurch doch die Abläufe auf dem Raumschiff fest, wie etwa die Aufteilung in Tages- und Nachtschichten, obwohl auch diese sich optisch nicht voneinander unterschieden, denn es gab nun einmal keinen natürlichen Tagesablauf in den Sternen. Es war daher sinnlos anzunehmen, dass in Nachtschichten auf dem Raumschiff tatsächlich weniger Personen im Dienst waren, denen sie begegnen konnte. Dennoch schien es wahrscheinlich, dass die Abläufe gerade so ausgelegt waren, dass sie dem als natürlich empfundenen menschlichen Biorhythmus entsprechen und die meisten Menschen dem bewusst oder unbewusst folgten. Daher entschied Sedrael, dass die beste Zeit, um ihren aufkeimenden Hunger möglichst unauffällig zu stillen, in der genormten Nachtzeit auf dem Schiff war, ein paar Stunden vor der Zeit, die für die Tagesschicht als Frühstückszeit empfunden werden würde.

Obwohl die Kantine im Vergleich zum Rest des Schiffes nicht allzu weit von den Quartieren im Brückenturm, der allein bereits gewaltige Ausmaße hatte und den sie ohnehin bislang nur mit der Inquisitorin in Richtung des Hangars verlassen hatte, entfernt lag, dauerte es trotzdem länger als sie erwartet hatte, um den richtigen Korridoren zu folgen und schließlich vor einer größeren, offenstehenden Doppeltür zum Stehen zu kommen. Sie beugte sich leicht nach vorne, um durch die Tür in den gesamten Raum spähen zu können, doch auch wenn sie später dran war als sie ursprünglich geplant hatte, schien ihre Idee dennoch aufzugehen. In der Kantine selbst, die sicherlich hundert Meter oder mehr an Länge messen musste, konnte sie tatsächlich niemanden erkennen. Das war durchaus erleichternd. Grundsätzlich hätte sie kein Problem damit gehabt, auch das Gespräch mit der Besatzung an Bord zu suchen, aber jetzt, wo sie eine Rolle spielen musste, die ihr völlig fremd war, hatte sich das zwangsläufig geändert. Nun barg genau das die Gefahr oder eher die beinahe Sicherheit, dass sie ihrer Rolle im Fall einer Konfrontation nun einmal nicht gerecht werden würde. Nur wenige Personen waren in der Lage, aus dem Stegreif eine erfolgreiche Lüge zu erdenken, wenn ihnen die Situation, in der sie sich gerade befanden, völlig fremd war. Sedrael war keine davon. Tatsächlich fielen ihr derzeit nur wenige Situationen ein, die ihr überhaupt fremder hätten sein können, als zu versuchen, sich wie ein Militär zu verhalten. Was wusste sie schon von deren Gepflogenheiten, von Umfangsformen, von Habitus? Bestenfalls eine oberflächliche und antiquierte Darstellung verschiedener Medien aus den Archiven der Republik, die mit der Realität aber auch wenig gemein haben konnte und natürlich auch nie ein Schwerpunkt ihrer Studien gewesen war, sondern allenfalls am Rande erwähnt wurde. Zum Militär der Republik während des ersten Kriegsjahres hatte sie wiederum nahezu keinen Kontakt gehabt, nachdem sie sich in dieser Zeit fast nur noch im Tempel aufgehalten hatte. Rückblickend betrachtet hätte ihr die eine oder andere Erfahrung mehr hier nun vielleicht nützlich sein können.

Vorsichtig trat Sedrael durch die Doppeltüre, sah sich noch einmal um, doch auch auf den zweiten Blick war niemand in dem riesigen Raum zu sehen. Sie seufzte ein Mal erleichtert. Das war gut, dadurch konnte sie sich zumindest Zeit lassen. Über die gesamte Länge der Kantine war zur rechten Seite der Türe ein Ausgabetisch für Teller, Speisen und Besteck platziert, links davon diverse graue Tische und Stühle von gleicher Größe und Anordnung. Zur Linken blitzten auch helle Sterne aus dem schwarzen Teppich des Weltraums hervor, der sich hinter den beinahe bis zum Boden reichenden, großflächigen Fenstern erstreckte. Duft geradezu klinischer Sterilität umstrich Sedraels Nase, obwohl sie erwartet hätte, dass der dominierende Geruch hier von den Speisen ausgehen würde. Die Jedi trat an die Ausgabe heran und betrachtete die verschiedenen Teller, die dort platziert wurden und zum Teil mit künstlicher Wärme warm- oder frischgehalten wurden. Erst als Sedrael ein paar Schritte am Tisch entlang gemacht hatte, um die Teller zu inspizieren, bemerkte sie, dass sie doch nicht vollständig allein in dem Raum war, sondern Gesellschaft in Form eines schwarzen, offenbar leicht modifizierten R5-Droiden hatte, der regungslos hinter der Ausgabetisch stand und den sie daher zunächst nicht registriert hatte. Da er stabil auf seinen Beinen stand und seinen eckigen Kopf nicht rotieren ließ, schien er inaktiv zu sein und war vermutlich nur einem einfachen Programm unterworfen, das ihn nur dann aktivieren ließ, wenn es dafür Bedarf gab. So ignorierte die Sephi das auf seine Weise schlafende Geschöpf, obwohl sie sich auf peinliche Art und Weise davon beobachtet fühlte und immer wieder für einen Augenaufschlag überprüfte, ob es sich auch tatsächlich nicht bewegt hatte. Vielleicht machte sie das gerade paranoid genug, um ausnahmsweise wirklich den Anschein einer Agentin zu erwecken. Als sie sich schließlich entschieden hatte, nahm sie eins der kalten, leichteren Gerichte aus der Ablage, bei dem sie wenigstens wusste, worum es sich handelte, und füllte ein Glas füllte mit etwas, das zumindest wie einfaches Sprudelwasser aussah und auch danach roch.

Dann aber fror sie urplötzlich in der Bewegung ein. In ihrem Kopf begann es zu pulsieren, fast wie ein intuitiver Warnruf. Perplex schob sie ihre Pupillen unwillkürlich in Richtung der geöffneten Doppeltüre. Zunächst war noch niemand zu sehen, doch nur ein paar Sekunden darauf ertönte bereits das prägende, monotone Geräusch schwerer Militärstiefel, das immer näher kam.
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#33
Hatte man jemals genug? Hatte man jemals genug gesehen? Vergiftete Gedanken kreisten durch den alten Schädel. Ein wenig Frieden wünschte er sich, einen Moment fernab des Krieges. In der Tat hatte der Alte genug. Genug von sich, genug von Befehlen und auch genug von diesen Gedanken. Sein Weg führte ihn also in die Messe. Einem Ort, wo noch Leben stattfinden konnte, da dort die Grundbedürfnisse nach Gemeinschaft sowie Nahrungsaufnahme gestillt wurden. Dieser Ort war zutiefst durchzogen von Menschlichkeit, trotz seiner sterilen und mechanischen Erscheinung mitsamt seiner Ausgabe und den polierten Tischen. Hier fanden Soldaten zu sich, redeten teilweise offen und knüpften die sozialen Fäden, die jene Kameradschaft verlangte, die nur im Krieg geschmiedet wurde. Auch wenn der Hauch der Verzweifelung blieb, konnte Vaash an diesem Ort für eine winzige Sekunde Abstand gewinnen, indem er sich einen warmen Kaf' holen würde. Er tat es immer, wenn er vor schwierigen Entscheidungen stand. Es war sein Ritual kurz auszubrechen, in diese normale Handlung, welche nahezu alltäglich war.

Versprechen jenes Alltages war genauso falsch, eine Lüge einer vermeindlichen Zukunft, die ihnen allen nicht mehr zustand. Warum auch? Krieg war die Antwort auf ihr Leben, während die Engel ihrer Hoffnung fallen mussten. Keine wirkliche Reue, nur unsägliche Schande, an der Normalität zu scheitern. Die Träume, die ihnen verträumt wurden, waren Lügen, wie jene Normalität, die sich in dampfenden Kaf wiederspiegelte. Man hätte sich anders entscheiden können. Sie konnten sich immer entscheiden aber entschieden sich immer für Loyalität. Loyalität für gegenüber dieser Ewigkeit eines Soldaten. Der Ewigkeit der vermeindlichen Sache. Die Sache des Staates. Gebrochen war die funkelnden Wünsche, welche einst einhergingen mit Eifer und Hingabe. Hingabe war nur noch Selbstzweck, bloße Erfüllung einer mechanischen Seele. Mechanik, welche vorgab, Mensch zu sein. Vesperum war hier in allen Dingen, mit seiner Verderbnis und seiner grausamen Kälte. Was war der Grund? Sein Bild an der Wand funkelte unnatürlich im sterilen Licht. Auch hier blickte sein totes Gesicht herab auf die Diener seiner gierigen Allmacht. Er hatte die Versprechen gebrochen. Er hatte die Lügen geschaffen, welche immer mehr Märchen wurden. Vaash trat Schritt um Schritt ein, donnernd, fest und zielgerichtet. Fast an der einsamen Figur vorbei, welche verloren schien. Ein Bild zeichnete sich, welches nicht passen mochte. Nichts vermochte hier zu passen. Sie hatte Träume, Verständnis und auch eine natürliche Hilflosigkeit gegenüber dieser Maschinenwelt. Auf die eine Art passten die beiden verlorenen Gestalten. Sie an der Theke, in der Alltäglichkeit gefangen, wie Vaash. "Heute sparsame Kost?" Der Admiral trat neben die Sephi, lächelte fürsorglich und nickte ihr zu. "Schichtwechsel. Es ist selten so leer hier," begann der Alte ein Gespräch, um seiner Alltagssimulation, jener Lüge, gerecht zu werden. Es half. Menschen brauchten das. Mehr als Symbole, war ihnen der Alltag wichtig, der sie von ihrer Sterblichkeit und auch Bedeutungslosigkeit im kosmischen Spiel ablenkte. Ablenkung von Erkenntnis war das Grinsen des Bösen. Unwillkürlich warf er einen Blick auf den personkultige Bild von Vesperum, welches mit einem Banner darüber geziert war, welches die Worte in Aurabesh "In ewiger Treue" trug. Kurz grummelte der alte Mann, wie als ob er ungläubig ein Wunder betrachtet hatte. Hier wohl ein Unheiliges. "Sicherheitsbüro?" Vaash wandte blickte von ihrem Tablett herauf in ihr Gesicht. Ein Alien. Ein Alien beim ISB. Interessant. Der Alte war erstaunt, sogar neugierig, was die Bürokraten erneut umtrieb. Diese Umtriebe waren oft seltsam, manchmal sogar unverständlich. Dazu noch eine Frau. Frauen waren nicht immer die besten Soldaten. Gut, das ISB war auch nicht berühmt für ihren Kampfeseifer, eher für ihre Schnüffelei. Mit dieser schönen Nase konnte sie bestimmt gut schnüffeln. Ein Lächeln bei diesem Gedanken. "Tiberius Vaash," stellte er sich vor und griff sich aus einem großen Korb einen schwarzen Becher, um im Anschluss direkt zur Kaf-Kanne zu gehen, welche unweit auf einem kleinen Rollwagen stand, welche aus Metall gefertigt war. Es war wirklich erschreckend leer. Der Raum war sich selbst überdrüssig und wohl auch seiner selbst müde, so still wirkte er. Die Wunden des Krieges waren in Stille ersichtlich, im Fehlen von Leben. Tränen gab es keine, nur Stille und diese zwei Figuren. Wie würde die kleine Sephi reagieren? Auf ihn? Vaash bewegte sich zwei Schritte von ihr, um die Kanne zu erreichen, um sich die schwarze Brühe einzuschenken. Nachdenklich hob er die Kanne, blickte in den Dampf, welcher sich beim Eingießen erhob. Dampf, flüchtig und doch präsent. Der alte Admiral erinnerte sich. An die Wunden, das Feuer, welches einst war und immer noch brannte. Er legte die Lippen aufeinander, ließ die Stille des Raumes wirken, während er sich wieder zur vermeindlichen ISB-Agentin zurückdrehte, nun mit gefüllter Tasse.
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#34
Plötzlich stand jemand in der Tür. Die eine Hand noch in der Luft an einer Schüssel mit blauem Salat starrte sie den geradezu hünenhaften Menschen für einige Sekunden lang an. Offenbar eine wichtigere Person, so zumindest der Eindruck. Auf der Brust des hochgewachsenen Offiziers thronte das größte Rangabzeichen, das sie bislang je gesehen hatte. Diverse der prägnanten Quadrate, die sich seit der Zeit der Republik optisch offenbar nur geringfügig verändert hatten. Es war etwa zwei bis drei Mal so breit wie das Abzeichen anderer Offiziere. Ihr eigenes, was auch immer es sein mochte, denn für sie war das nur eine sinnlose Anordnung farbiger Quadrate, bestand nur aus einer einzelnen Reihe aus je zwei roten und blauen Quadraten und wirkte im Vergleich geradezu armselig. Viel zu spät zwang sie sich dazu, den Blick stur geradeaus zu richten und stellte die Schüssel endlich auf ihrem farblosen Tablett ab. Nun gut. Früher oder später musste es passieren und sie hatte ohnehin nicht damit gerechnet, die Messe für sich alleine zu haben. Nichtsdestotrotz fühlte sie sich nun erstaunlich schlecht vorbereitet, insbesondere da sie sich nun einer Person gegenübersah, die man – nach menschlichen Maßstäben – wohl nur als alten Haudegen bezeichnen konnte. Der Mann trat an ihr vorbei und begann zu plaudern, was sie in Anbetracht der sehr akkuraten und präzisen Menschen, die sie bislang im hiesigen Militär kennengelernt hatte, auch eher überraschte. Vermutlich hatte sie aber hier einfach den – wenn auch naheliegenden – Fehler gemacht, vom Anschein des Einzelfalls auf eine eiserne Regel zu schließen.

Irgendetwas jedoch stimmte an der Person nicht. Zwar hatte auch er das durchaus dominante Auftreten eines typischen Militärs, stapfte lautstark neben sie, bestimmend, selbstbewusst. Einerseits also ganz die Militärdrohne, die sich am besten gar nicht von Droiden unterscheiden sollte. Andererseits aber lächelte er dann, nickte entgegenkommend, schien insgesamt – im Vergleich zu den anderen Soldaten, denen sie bislang begegnet war – relativ freundlich zu sein und dies nicht bloß vorzugeben. Das allein war auf seine Weise bereits merkwürdig genug und dass ihr das Verhalten merkwürdig vorkam, zeigte schon, dass ihr scheinbar normale Interaktion auf diesem Schiff beinahe fremd geworden war, schlicht dadurch, dass sie sich hier wie eine Ausgestoßene fühlte. Allerdings war dieser ungewohnte Umstand auch nicht alles, was an dem Mann merkwürdig schien. Ja, auch er gab irgendetwas vor, etwas anderes nur, etwas, das Sedrael vielleicht nicht eingrenzen konnte, aber das sich dieses Mal zumindest nicht gegen sie als Person richtete. Ihn umgab der merkwürdig nagende Schleier des Zweifels, der sich in der Macht durch sein Innerstes schlang, eine Form der Unzufriedenheit, der Gebrochenheit. Vielleicht versteckte er seine Gefühle aus anderen Gründen als die anderen Soldaten an Bord, nichtsdestotrotz tat er es aber auch. Ebenso schien sein Körper etwas verbergen zu wollen, also handelte es sich hierbei nicht nur um eine Wunde des Geistes, obwohl möglicherweise das eine mit dem anderen zusammenhängen konnte. Die körperliche Wunde war jedoch weitaus einfacher in der Macht zu lesen als die komplexe Psyche eines Menschen, zumindest wenn man, wie Sedrael, gezielt dafür ausgebildet worden war zu erkennen, wenn irgendetwas in einem Körper nicht stimmte und Anomalien vom gesunden Körper vorlagen. Aus frischen Narben des alten Körpers strömte die jüngere Vergangenheit heraus, erzählte die Geschichte der dazugehörigen Person. Eine schwere Verletzung, gar nicht so lange her. Tatsächliche Knochenbrüche an den Beinen. Dieser Körper war noch immer in einer Form des Heilungsprozesses und der Regeneration. Vielleicht nicht sichtbar, aber manche Verletzungen mochten außen vielleicht nicht mehr zu sehen sein, im Inneren jedoch eine Person ihr Leben lang begleiten. Wie ein gebrochener Knochen nach seinem Zusammenwachsen schließlich auf ewig einen sichtbaren Abdruck darauf hinterließ, der sich auch nach dem Tode noch erkennen ließ, so hatte auch eine kürzliche Verletzung diesen Mann auf ihre Art und Weise gezeichnet, vielleicht auch sein Leben lang. Ganz im Gegensatz dazu stand seine überaus freundliche Art und Weise, die jedoch hier eine Form des Überspielens sein mochte, während ihm sein Schatten der Bitterkeit folgte. Denn dieser Mann hier war nicht per se ablehnend ihr gegenüber, nein, eher das Gegenteil. Er bemühte sich immerhin trotz dieser anderweitigen Befindlichkeiten aus anderen Gründen eine gewisse Freundlichkeit zu wahren. Das bedeutete aber, dass selbst solche Leute, die man an anderer Stelle vielleicht als normal oder sogar als sympathisch angesehen hätte, hier dennoch vor diesem System des Hasses und des Abscheus zu Boden waren und es tolerierten. Wenn auch widerwillig. Der jungen Sephi entging es nämlich in ihrer ungebrochenen Aufmerksamkeit, die sie Körper und Geist des Mannes widmete, nicht, wie sich – wenn auch nur für einen kleinen, unauffälligen Moment – das Innere des Offiziers zusammenzog, um Galle in die Macht auszustoßen und ihn in pulsierende Schwaden zu tauchen. Nur kurz, nur diesen einen Moment lang, während er ein fast unhörbares abfälliges Geräusch machte, doch lange genug, um die im Vergleich zu ihrem Geist geradezu träge Materie ihres Körpers darauf reagieren zu lassen. Sedrael blickte binnen des Moments kurz zur Seite, um den Menschen zu betrachten, folgte dann dessen fixiertem Blick auf ein Bild an der Wand. Das Bildnis einer ihr unbekannten Person, gekleidet in eine vergleichsweise bescheidene schwarze Robe, das Gesicht starr und erfolgsverheißend, in die Zukunft gerichtet, fast monarchisch. Ewige Treue. Die Ewigkeit war eine lange Zeit. Wer vermochte es schon sicher beurteilen zu können, sich bis ans Ende aller Zeit an etwas zu binden? Treue bedeutete Loyalität aus Überzeugung, die Überzeugtheit aus Taten oder Werten, die etwas vertrat und endete dort, wenn diese hinterlaufen wurden. Ewige Treue bedeutete dagegen letztlich nur eines – nämlich blinden Gehorsam um jeden Preis. Und den mochte nur einfordern, wer wusste, dass er Treue aus Überzeugung nicht auf Dauer erlangen würde. Vermutlich war es das, was der Offizier erst jetzt erkannt hatte, zu spät vielleicht, so dass es ihn nun reute.

„Guten Tag, Sir“, antwortete Sedrael dem Mann schließlich etwas ungelenkig, was vermutlich merkwürdig anmutete, wenn man bedachte, dass die eigentliche Schiffszeit gerade noch immer in der Nacht war. Allerdings zeigte sie keinerlei der ansonsten vermutlich typischen Symptome, als Mitglied einer herrischen Hierarchie einen hohen Offizier anzutreffen. Weder schien sie zu versteifen noch sich in Gegenwart des Offiziers merklich unwohler zu fühlen, fast so als wäre sie das Dienen in einem hierarchischen System nicht gewohnt – was natürlich auch der Grund dafür war. Es mochte aber sicherlich auch an der Person des Menschen liegen, der schlichtweg keine unangenehme Präsenz in der Macht ausstrahlte, abgesehen von der nagenden Verbitterung, die er aber nach außen hin perfekt verbergen konnte. Sie ließ den prüfenden Blick des alten Menschen über sich ergehen, ohne den ihren jedoch von ihrem Tablett zu nehmen, mehr oder minder reglos. Inzwischen war sie es beinahe gewohnt, auf diesem Schiff wie ein Stück Vieh auf dem Markt betrachtet und nach Wert oder Unwert beurteilt zu werden. Eigenartigerweise jedoch wurde die Macht hier nicht mit einer Welle der Entrüstung oder des Abscheus erfüllt, weder zu Beginn also noch bei seinem genaueren Studium ihrer Person. Sicherheitsbüro? Das mochte Sinn ergeben, wenn sie sich daran erinnerte, dass der junge Offizier, der sie in ihre neue Unterkunft geführt, in Verbindung mit ihr von einem „ISB“ gesprochen hatte. Vermutlich hatte die Uniform also hiermit zu tun, auch wenn sie sich unter dem Begriff Sicherheitsbüro nur abstrakt etwas vorstellen konnte. Die Art und Weise, wie er die Frage stellte, war jedoch interessant. Es klang in gewisser Weise verwundert, irgendetwas an ihr schien also nicht typischerweise zu diesem Büro zu passen. Unwillkürlich fragte sie sich, ob auch genau das wiederum ein bewusster Zug der Inquisitorin gewesen war, ein weiterer ihrer vielen unterschwelligen Tests. Möglich. Da Sedrael aber derzeit noch nicht genügend Informationen besaß, nickte sie auf seine Frage hin zunächst. Es schien zu stimmen, war aber notfalls auch interpretierbar und konnte somit vielerlei bedeuten als eine wörtliche Aussage. Nichtsdestotrotz entschied sie sich dazu, der Sache auf Umwegen auf den Grund gehen zu wollen.
„Das irritiert Sie“, sprach Sedrael mit einem nur diskreten Hauch von Amüsiertheit das aus, was der Mann ihr als Emotion entgegenführte, während sie ihr nahezu farbloses Gesicht für einen kurzen Moment zu ihm herüberdrehte. Natürlich spielte sie damit ein wenig mit der Erwartungshaltung des Mannes, indem sie seine innere Irritation aufnahm, ihn aber andererseits dazu verleitete, eben jene Irritation nun zu erläutern.

Der alte Offizier stellte sich schließlich als Tiberius Vaash vor, wobei sie davon ausging, dass von ihr eigentlich ohnehin erwartet worden wäre, diese wichtige Person von sich aus zu kennen. Auch wenn der recht normale Habitus des Mannes es zweifellos gut kaschierte, hatte Sedrael den Eindruck, dass die Person es dennoch gewohnt war, erkannt zu werden. Sie überlegte kurz, ob und inwieweit es angemessen war, sich vorzustellen, insbesondere unter ihrer vorläufigen Tarnung, entschied sich dann jedoch dafür.
„Maledice“, entgegnete sie die Vorstellung nicht unfreundlich, wobei ihre Gesichtsfarbe einen dezenten Rotschimmer bekam. Es war sehr ungewohnt, diesen Namen wirklich auszusprechen, insbesondere auch im Hinblick auf sein Zustandekommen und weil er schließlich an sich eine völlig andere Person bezeichnete.
„Ich kenne Sie“, sagte sie dann etwas abwesend. Das war vielleicht weniger wahr als es klang, aber auch nicht gelogen. Personen, die in der Macht nicht trainiert waren, waren mit genug Empathie nicht schwer zu verstehen, zumindest in ihren einfachen Grundzügen. Die komplette Persönlichkeit war dagegen den weitaus fähigeren Machtbegabten vorbehalten und so waren dies Gefilde, die die Sephi nie betreten hatte und vielleicht auch nicht betreten wollte. Zu tief ohne Kenntnis einer Person in die private Gedankenwelt einzudringen, schien einfach nicht richtig, so dass Sedrael ihre Limitierung in dieser Form durch mangelnde Ausbildung als geradezu nützlich empfand. Etwas ganz anderes war es jedoch, ein Gefühl für eine Person zu erlangen – und dieses Gefühl verbarg der Mensch neben ihr nicht, konnte es auch gar nicht. Der Mann hatte klare, drängende, inzwischen aber auch unterdrückte Bedürfnisse nach einem Ausweg aus einem selbstverschuldeten Gefängnis, aus dem es jedoch kein Entkommen zu geben schien. Das war eine Situation, die Sedrael in der Tat nur zur Genüge kannte und verstand – weshalb ihre Aussage aus dieser Sicht heraus für sie irgendwie Sinn ergab, auch wenn der Mann sie vermutlich ganz anders verstehen musste. War es so unterschiedlich gewesen in ihren letzten Monaten im Orden der Jedi? Oder später, auf Firrerre? Nein, nur die Situation mochte anders sein, aber die Symptome schienen sich zu ähneln. Eines der drängendsten Bedürfnisse war es ursprünglich, nicht ignoriert, nicht vergessen zu werden und in aller Entbehrung irgendeinen Sinn sehen zu können. Sedrael musterte seinen Körper kurz, insbesondere die Beine, die vor nicht langer Zeit noch in fürchterlichem Zustand gewesen sein mussten. Vermutlich hatte er kaum noch Schmerzen, verspürte aber immer noch ein gelegentliches Ziehen an der Stelle, an der der Knochen gebrochen und nun wieder zusammengewachsen war, wie es bei Frakturen auch nach Jahren noch üblich war.
„Ihre Verletzung scheint gut zu verheilen.“
Sie nickte knapp, erforschte die Bruchstelle interessiert in ihren Gedanken mithilfe der schier unbeschränkten Macht, die ihre schützende Hand über alles zu halten schien. Der Heilungsvorgang musste aus menschlicher Sicht ungewöhnlich schnell gewesen sein, was sich anhand der Art des Zusammenwachsens der Knochen leicht erkennen ließ. Ein natürlicher Nebeneffekt von Bacta, das annähernd so gut war wie die Heilung, die vor vielen Jahren das Medi-Korps im Jedi-Tempel angeboten hatte. Sie unterdrückte ein Seufzen. Viel hatte sie damals gelernt, auch über Biologie und insbesondere Anatomie der häufigsten Spezies der Galaxis, also gerade auch Menschen, die ohnehin die Neigung zu haben schienen, erstaunlich oft in knochenbrecherische Konflikte zu geraten. Jeder Einzelfall war auf seine Art nicht nur aus medizinischer Sicht damals interessant gewesen, es war damals einfach eine sinnvolle Beschäftigung gewesen, die ihr seither fehlte. Sedrael selbst war während ihrer Gedanken gar nicht klar, dass sie sich unbewusst gerade eben sehr laienhaft ausgedrückt hatte, indem sie nicht das für Soldaten geläufige Wort „Verwundung“ benutzte – ein dezenter Lapsus, der allerdings rein objektiv entlarvte, dass sie ihn und seine Geschichte wohl doch nicht so gut kannte, wie sie vielleicht zunächst impliziert hatte, und dass sie womöglich noch weiter weg vom Soldatentum entfernt war als ohnehin der Fall schien.
„Was ist geschehen?“, verdichtete sie diesen Eindruck schließlich weiter, aber sie kam nicht umhin zuzugeben, dass sie die Geschichte dahinter neugierig machte. Körperliche Verletzungen konnten vielleicht für Bitterkeit sorgen, meistens aber waren es eher die Begleitumstände, aufgrund derer man sie sich zugezogen hatte, die die tatsächliche Ursache für diese Gefühle waren - und waren gleichzeitig die schwerwiegendere Diagnose als eine bloße Fraktur. Ob der alte Mann wohl seine Geschichte zumindest in Teilen zu erzählen bereit war, zumal jetzt schon, selbst wenn er gesprächig erschien?
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#35
Schweine. Sie alle waren Schweine. Nicht geschlachtet aber auf dem Weg zu eben jener. Maledice war nicht weniger animalisch, als jene Menschen, die sich für zivilisiert hielten. Der große böse Wolf hatte sie bereits vereinnahmt, als er Vaash seine Gedanken auf Maledice - oder besser Sedreal - richtete. Nein, ein Ausweichen gab es vor jenen Gedanken nicht. Was machte sie hier? Eine ISB-Agentin? Ein Alien? Fragend wurden seine Augen, doch dann wurde es ihm klar, dass es keine wirkliche Rolle mehr spielte. Schweine fraßen und wurden geschlachtet. Auch diese Agentin, und auch ein Flottenadmiral. Sie allen waren krank, pestilierend hauchend. "Es irritiert mich wenig. Diese Galaxis...," begann der Alte eine kurze Ausführung. "Diese Galaxis hat viel Ordnung verloren. Ich frage mich, ob mich überhaupt noch etwas irritieren kann." Ein kurzer Seitenblick zum Bild des galaktischen Herrscher, seines Zeichens Agent des Wahnsinns.

"Sie scheinen mich nicht wirklich zu kennen, oder?"Er revidierte ihre schwache Aussage, da sie ihm nicht stark genug klang. Menschen und auch andere belogen ihn gerne, um dem Alten Respekt zu erweisen. Ein Glück schien sie es nicht wirklich zu tun! Erleichtert viel das große Fragezeichen aus seinen Augen, um am Boden zu zerschellen. Ihm blieb also vorerst die Schmach erspart, sich als Verfechter einer Niederlage zu erklären. Den Makel der Niederlage zog er mit sich, wie sein hinkendes Bein. Vielleicht darin die kranke Schönheit seiner Person. Das Alter, die Narben und das hinkende Bein vereinten sich zu einer Gesamtkomposition dieses Krieges. Die alten Gedanken, die Narben des Krieges und ein hinkendes Staatssystem. Doch man zog die kranken Schweine mit sich, immer weiter in den Schlamm, da sie wertvoll waren. Ihr Wert war ihre schlichte Existenz. Militärdrohnen funktionierten immer. Auch in ihren schmachvollsten Momenten, in ihren dunkelsten Stunden, funktionierten sie, schwitzend, blutend und leidend. Vesperums Werk war nahezu angerichtet. Krieg, umso mehr Krieg, je mehr waren sie gefügig. Waren sie krank, wie er? Waren sie der Gespielin "Dunkelheit" erlegen, wie ihr dunkler Fürst selbst? Finsteren Gedanken, die sie immer wieder anschrien, ob man ihre widerwertige Schönheit wahrnahm. Dieser Krieg war schön - für Vesperum; für niemand mehr sonst, außer zerfressenen Seelen aus dem Gefolge seines Abgrundes, wie Harrsk oder Il-Raz. Gehilfen der Destruktion. Gehilfen der Niedertracht, welche alles verkauften, um ihm, seiner kalten Wärme, nah zu sein. Seine Arme waren weit, umschlossen schützend, während sie alles vergifteten. Tiberius Vaash war eine Hure seiner eigenen Ehre. Einer Ehre, welche längst Geschichte war und diese Geschichte musste erzählt werden, immer wieder, durch seine Handlungen. Immer wieder war er die Person, ohne die dieser Krieg nicht möglich war, ein Wesen, welches der Motor war, in hoffnungslosem Eifer, war da nicht mehr. Wie konnte es sein, dass man sich an ihn wandte, ihn fragte, nach Lösungen, obwohl er nur eine Hure des Staates war. Ohne Rücksicht auf Anstand, ohne Rücksicht auf sich selbst, warf er sich nieder, um ein Krüppel zu sein. Liebte er sich dafür, sich selbst zu hassen? Alles, was er war, war eine Uniform und eine Flotte. Eine Flotte, welches aus tödlichen Maschinen bestand. Nicht mehr. Wie konnte es sein, dass er insgeheim betete, obwohl er nur Soldat sein wollte? Er war die Lüge, die geschaffen war. Die Hure saß bereits im Zentrum des Reiches, die Hure der Finsternis, welche alles vernarbte, um seiner selbst wahnhafte Göttlichkeit zu geben.

"Maledice," grummelte Vaash. Einen Namen, der okkult klang, fremd und unpassend für ein sanft erscheinendes Geschöpf. War sie eine Hure, wie er? Eine Gestalt, gebrochen in Ketten? Nein. Sie war anders, unsicher und auch liebevoll. Es fehlte ihr an kalter Perfektion, an dieser Ausstrahlung, welche nur Agenten des Reiches besaßen. Schimmerte ihr Gesicht rot? Der Alte bemerkte dies deutlich. Etwas sagte ihm, dass hier mehr zu holen war, als platter Smalltalk. Er trank einen Schluck, legte sich den Kaffee vom Bart, welche sich dezent braun gefärbt hatte. "Seltsamer Name," kommentierte Vaash und nickte unmerklich. "So jung und schon beim Sicherheitsbüro?" Eine solche Frage drängte sich auf. Nein, nicht das es unmöglich war aber ... diese Frage war direkt aber höflich genug, um weitere Fragen zu erübrigen. Warum ein Alien? Warum eine Frau? Diese Frage war passend, und sollte seine Neugier befriedigen. Der Alte war kein Mann der mit der Wortdiszplin brach, auch wenn er direkt fragte. Disziplin war ihm wichtig. In Haltung und Sprache. Die Augen des alten Mannes fielen direkt in die Augen der Elfe, welche sichtbar artfremd auf diesem Schiff war. Es war ein Blick eines musterndes Offiziers, welche inspizierte. Sedreal war Vaash ausgeliefert, wie er diesem Krieg ausgeliefert war. Vielleicht hatten sie beiden ihre Ketten gemeinsam. Gleichsam Willfährige fremder Mächte.

Autsch! Sie sprach es an. Seine Wunden. Eriadu. Dieses Wort schoss in den Geist, zirkelte herauf sowie herab. E-R-I-A-D-U. Er zerkaute gedanklich das Wort, um sich selbst zu bremsen. Schmerz breitete sich über seinen Rücken aus, ließ die Hand zittern, in der das Gefäß lag. Feuer, es wurde heiß. Er keuchte, bevor das Behältnis aus seiner Hand fiel, um am Boden zu zerschellen. Splitter und braun-heißen Flüssigkeit verteilten sich vor den Füßen der fremdartigen Frau. Dampf zog vorsichtig auf.

"Es...Es," suchte er nach Worten, während sein Verstand in der Schlacht selbst war. "... Niederlage," folgte dann, während sich seine Augen schlossen. Es war grausam, es war falsch und nun war er hier; die Sünde folgte ihm, erklärte ihm diese Welt. Verwundung - in Seele, als auch Körper. Das Wort betraf alles, wenn auch euphemistisch umschreibend. Soldaten waren verwundet für ihr Leben, so auch Vaash. Nein, jetzt nicht weiter machen.
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#36
Finstere Schwaden begleiteten des Mannes Gedanken. Unter der Oberfläche brodelte das teerartige Moor, ein Schmerz, der Bahnen suchte und Blutkanäle vergiftete. Es war entfernt, weit weg, aber nicht so weit, dass Augen nur Umrisse sehen und Ohren nur leises Pochen vernehmen konnten. Spürbar. Fühlbar. Vor ihnen, zwischen ihnen. Das bittere Labsal der Trauer und der Reue. Verlust. Tod. Nein, Tode. Viele, sehr viele. Und der vergrabene Wille, es vielleicht irgendwie verhindern hätten zu können. Die Macht flüsterte, schmiegte sich an Sedraels Gedanken wie der Wind an das fallende Herbstlaub. Er hatte das Sterben und die hässliche Fratze der Massengräber gesehen. Wie sie. Und diese endlose, quälende Frage nach dem Warum, nach dem Sinn all dieses destruktiven Irrsinns, der über sie hereinbrach und noch immer keine Aussicht auf rasche Besserung versprach. Sedrael fasste mit ihrer Rechten kurz an die linke Brusttasche ihrer weißen Uniformjacke und befühlte den Stein von Firrerre. Sie sollte ihn nicht kennen? Er hatte keine Ahnung. Niemand hier auf diesem Schiff kannte ihn gerade besser als sie. Er wusste es nur nicht. Gedankenversunken starrte sie ihr Tablett vor sich an und ließ seine Worte in der Macht verhallen.

Sie reagierte nicht. Und er schien es zu akzeptieren.

Ihr neuer Deckname wurde als eigentümlich befunden. Vermutlich war er das auch. Und dennoch war er so gut wie jeder andere.
„Nur der Name für eines vieler Gesichter, von denen einige seltsamer sind als andere“, entgegnete sie, während sie ein Mal blinzelte und stur weiter ihr Tablett mit dem Teller und dem Glas betrachtete. Oder war es der Name Tiberius Vaash etwa nicht? Nach menschlichem und generell weit verbreitetem Gebrauch geteilt in einen Vornamen, der einer Person völlig willkürlich bei der Geburt gegeben war, ohne Bezug, ohne Ankerpunkt zu dieser Person, rein unterworfen einem bloßen Geschmack der eigenen Eltern und zumeist schon gewählt, ehe das Kind überhaupt das erste Licht einer Sonne erblickt hatte. Und schließlich in einen Nachnamen, vererbt, nur aus der Geschichte, häufig aus einem reinen Zufall heraus gebildet, für den man aber nie etwas getan hatte, um ihn sich wirklich zu verdienen. Das sollte beschreiben, wer die Person, wer dieses Individuum war? War das nicht eigentlich weitaus seltsamer als ein bloßer Deckname, der – wie in „Maledice“ – zumindest offenkundig als ein solcher zu erkennen war? Und auch „Sedrael“ war nicht viel mehr als das, sinniger, weil passender vielleicht, und dennoch nur ihr Rufname, ganz nach Firrerreo-Tradition, um ihren wahren Namen vor dem Missbrauch anderer zu schützen und die Kontrolle über ihn zu erhalten. Was aus Sicht anderer Kulturen vermutlich wieder seltsam genug war.

Als der Mann das Sicherheitsbüro erwähnte, hoben sich ihre Pupillen von dem Tablett an, nur jedoch in der Höhe, nicht so, dass sie zu ihm herübersah, sondern jetzt die kalte, graue Metallwand anblickte. Wie sollte sie dazu etwas sagen? Sie wusste nicht einmal, was dieses Sicherheitsbüro überhaupt war. Ihr Gesicht schien erneut zu schimmern, als sie sich mehrere Sekunden Zeit mit ihrer Reaktion ließ. Vielleicht war es auch besser so, nichts darüber zu wissen, um auch nicht in Versuchung zu geraten, ein Gespräch darüber anzunehmen und ihre offenkundige Inkompetenz zu zeigen. Sie ließ seine Frage wirken, vielleicht auch, um ihm selbst kurz Gelegenheit zu geben, seine letzten Anmerkungen noch einmal Revue passieren zu lassen.
„Sie sind irritiert“, war dann ihre trockene Antwort. Aber was war das? Ein beinahe kindliches, triumphierendes Schmunzeln in ihrem Gesicht? Er war so bemüht, es nicht… direkt zu zeigen, es abzustreiten – und doch war es so offensichtlich. Er wollte es nicht zugeben, weil es aus seiner Sicht Schwäche war. Doch sie brauchte ihn nicht einmal ansehen. Wie er sie musterte, wie er sie befragte. Seine sanften, angenehmen Wogen der Neugier und der Überraschtheit, die als kleine Wellen an ihrem Bewusstsein angespült wurden. Militärs ersuchten stetige Kontrolle über ihre und Ordnung in ihrer Umgebung. Nur ein kleiner, unerwarteter Stoß konnte diese sorgfältige Ordnung zum Einsturz bringen und die Programmierung der Drohne zu einer Fehlermeldung nötigen, um das wertvollere Individuum wieder zum Vorschein zu bringen.
„Nur keine Mühe“, fuhr sie ohne jeden Vorwurf in der Stimme fort. „Sie sind nicht der Erste, den ich hier zu irritieren scheine.“
Das stimmte, war allerdings offenkundig bislang aus anderen Gründen geschehen als nun bei diesem Menschen hier. Was eigenartig erschien, denn egal, wie und was sie nun war, es schien stets in irgendeiner Form anzuecken. Die Irritation hier war weniger feindselig als die anderer Personen, ja eigentlich gar nicht feindselig. Der Mann schien verwirrt, aber ihre Anwesenheit schien ihn nicht umgehend zu beleidigen wie bei anderen Menschen. Hier handelte es sich lediglich um Unkenntnis, zweifellos entschuldbar, wenn auch durchzogen von der manchen Menschen eigenen Anmaßung, ihre Spezies als Zentrum der Galaxis zu betrachten und zu übersehen, dass andere Spezies… anders funktionierten – länger lebten, kürzer lebten, anders lebten. Als zahlenmäßig dominante Spezies in der Galaxis neigten Menschen schon immer tendenziell dazu, Dinge in ihre eigenen Schemata pressen zu wollen. Wahrscheinlich in den meisten Fällen, wie auch hier, wie sie vermutete, ohne böse Absicht, dennoch offenbarte es eine bestimmte unbewusste Denkweise.
„Alt genug, um Staaten fallen und entstehen gesehen zu haben. So wie Sie.“

Dann aber passierte etwas Eigenartiges. Rätselhafte Schlieren bildeten sich vor Sedraels Augen, als Pein die Macht durchfloss und in ihre Synapsen stach. Eine plötzliche Mahnung zur Vorsicht. Sekundenbruchteile verschwammen in der Ewigkeit der Macht. Die Sephi hatte bislang es vermieden, den Offizier Vaash direkt anzusehen, aber die tumultartigen Schmerzen, die schlagartig aufkamen, ließen sie ihren Kopf seitwärts schwenken, nur einen kleinen Moment, ehe der Becher die Hand des Mannes verließ und in Zeitlupe in Richtung des Bodens sank. Wie in einem Reflex griffen ihre Gedanken nach dem langsam herabstürzenden Objekt, bereit den Sturz so verhindern, wenn auch vielleicht nicht mehr in der Güte wie sie es früher einmal gekonnt hatte. Doch es geschah nichts. Sedrael ließ das Objekt weiter fallen, ohne es in den kontrollierten Sog der Macht zu bringen, bis es klirrend am Boden zerschellte. Vermutlich hätte sie es trotz fehlender Übung noch rechtzeitig gelingen können, aber sie konnte nicht. Durfte nicht. Die Inquisitorin war sehr klar darin gewesen, dass sie versuchen sollte sich anzupassen, nicht in Besonderem hervorzustechen – so das nach ihrer Optik indes überhaupt möglich schien – und ihre Rolle zu spielen. Dass die Frau ihr diese Identität verschafft hatte, konnte nur bedeuten, dass sie nicht zeigen sollte, wer… und vor allem was sie war. Wenig wäre nun auffälliger gewesen als wenn sie das Zerbersten verhindert hätte. Innerlich seufzte sie, während ihre Gedanken durch den Kopf rasten. Noch während die Scherben den Boden berührten, hob sie ihre blauen Augen zu dem hünenhaften Mann neben ihr an, der apathisch ins Nichts starrte. Gläserne Erinnerung blitzte vor ihm auf. Das Bild endlosen Vakuums, brennenden Stahls. Ein Planet, grau, verschmutzt und durchsetzt von finsteren Wolken zu hoher Fabriken. Schreie junger Männer, als Stahlkolosse gleichsam in Scherben zerbarsten und endlose Körper mit sich in den Abgrund des Alls zogen. Ein Bild der Vernichtung und ja, der Niederlage. Und mitten in ihm, eingerahmt vom Blut grau uniformierter Männer stand der alte Mann, hilflos und gebrochen.
„Ruhig“, flüsterte ihre melodische Stimme, während sie sich dem Mann ein wenig näherte, der gerade seine Augen schloss. Als Heilerin hatte sie nie wirkliche Berührungsängste haben können und so kostete es sie auch keine Überwindung, ihre Hände von dem Tablett zu nehmen, um eine davon auszustrecken und etwa zwischen seinen Schulterblättern zu platzieren. Unterschwellige Wärme breitete sich von ihrer Hand über seinen Rücken aus. Ein sanfter Druck nur, der an seinem Rücken genügte, um den Mann ein paar Schritte seitwärts zu führen, an den bestuhlten Tisch in ihrer unmittelbaren Nähe heran. Mit der freien Hand schob sie den nächsten Stuhl ein Stück weit zurück, dann wieder ein leichter Druck, diesmal, um den Offizier zum Setzen zu bewegen. Es war nicht nur eine Erinnerung, es war mehr. Viel mehr. Ein Trauma. Strenge Hierarchien wie ein Militär sorgten sich in der Regel gut um die physische Gesundheit ihrer Diener, eine einfachere, oberflächliche Behandlung offenkundiger Verletzungen im Kriege, die mit den medizinischen Möglichkeiten zumeist leicht zu erkennen und zu behandeln waren – und übersahen dabei, dass andere Verletzungen weitaus langwieriger verheilten und anderer Methoden bedurften. Doch solche Verletzungen wurden häufig verschwiegen, gerade auch vom Patienten selbst. Denn wer am Geist verletzt wurde, galt als schwach. Und Schwäche war nicht akzeptabel, weder für einen selbst noch für den, dem man diente. Eine Frage des Stolzes, der Scham. Doch in solchem Zustand stellten diese Personen eine Gefahr für sich und andere dar, wenn nur eine einzige Frage, ein einziges Wort genügen konnte, sie außer Gefecht zu setzen.
„Nur weil sie nicht sichtbar sind, macht das seelische Wunden nicht weniger real als körperliche“, sagte sie, ehe sie ihre Hand von seinem Rücken nahm, um die paar Schritte zurück zur Ausgabe zu machen und ihr noch unbenutztes Sprudelglas zu greifen. Sie stellte es vor ihm auf dem Tisch ab.
„Doch anders als bei körperlichen Verletzungen wissen viele mit ihnen nicht umzugehen. Schweigen scheint ihnen der Weg zu sein. Aber im Schweigen liegt keine Stärke.“
Ein Appell an seinen Stolz, oder das, was Soldaten üblicherweise dafür hielten. Schweigen konnte jeder. Einen Makel verschweigen war leicht. Tatsächlich erforderte es Stärke, ihn zu akzeptieren und zu ihm zu stehen. Seelische Verletzungen heilten nicht einfach so, sie brannten sich ein, hinterließen Narben, die nie ganz verblassen würden. Doch man konnte lernen, mit ihnen zu leben und sie zu akzeptieren. Wer das nicht konnte, verging irgendwann in ihnen. Häufig genug stand nur der eigene Stolz im Weg.

Sedrael zog sich einen anderen Stuhl heran, drehte diesen ein Mal, so dass die Lehne voraus war und setzte sich ihm gegenüber. Sie lehnte sich vor und legte ihre beiden Arme übereinander auf der Stuhllehne ab.
„Sie müssen sprechen, irgendwann. Sonst wird es Sie verzehren. Vielleicht langsamer, vielleicht schneller.“
Selbst in ihrer kurzen Zeit im Orden zu Beginn der Klonkriege hatte sie solche Erfahrungen machen müssen. Nicht sie selbst, nicht direkt, doch die Reaktionen anderer auf den Krieg waren selbst für Heiler nicht immer leicht ertragen. Zivilisten wie Militärs. Republikaner wie Separatisten. Die meisten lebenden Wesen waren dafür schlichtweg nicht gemacht, selbst wenn es irgendwann zu ihrem Handwerk wurde. Es veränderte sie, prägte sie. Manche verkrafteten es nicht, nie. Wahnsinn. Suizid. Es war frustrierend. Und nun tobte erneut ein Krieg. Selbst wenn viele Jahre vergangen waren, so würde auch dieser hier nur wieder die übelsten Fratzen aller Wesen hervorbringen und stärken.
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#37
Es war schwer. Schwer einfach zu entsagen von jenen Heimsuchungen, und Albträumen. Eriadu war hier, überall, in ihm. Man verließ die Welt nicht mehr, nahm immer ein Stück von ihr mit sich. Tiberius Vaash war immer noch dort. Die Atmung drückte. Der alte Mann suchte die Hand seiner Liebe, die er weit zurückgelassen hatte, wenn auch nur in Gedanken. Wie Blätter eines Herbstbaumes fielen die Wünsche ab, in jedem Atemzug. Still entwich die Hoffnung je Eriadu zu entkommen. "Geschichten enden," entfloch seiner Stimme finster. Knochig war seine Sprache. "... auch für uns?" Diese Frage blieb, wie Eriadu. Der Alte blickte aus traurigen Augen hinaus. Tränen wollten nicht fließen. "Maledice," sagte der Admiral mit festem Blick in ihren Augen. "Wir alle treffen Entscheidungen, die uns entfernen. Entfernen von allem, was uns einst glücklich machte. Warum tun wir dies?" Ein Bild seiner Frau. Ein Bild von Carida. Die Träume wuchsen, sichtbar für die Jedi in der Macht. Doch dann fielen sie wieder ab. "Wir fallen alle," kommentierte der Militär nüchtern, fast trostlos. "Es gibt mitunter keinen Sinn in meinem Leid. Es gibt keinen Sinn in allem. Doch tun wir derartiges." Ein böses, kurz gedrücktes Lachen bildete sich heraus. Vaash war fertig mit der Sache. Fertig mit den Hoffnungen seiner Ehre. Der alte Mann wollte mehr, doch war dort nicht mehr. Die ISB-Agentin wollte es nicht verstehen. War es klug, es einer Agentin zu berichten? Sicherlich nicht. Doch ihm war es egal. Sollte man ihn doch verhaften, hängen und seinen Namen vernichten. Alles vernichten, was von ihm blieb. Endlichkeit war eine Erlösung für diese kriechenden Träume. Krieg war immer mit Preisen verbunden. Es kostete hier zu sein. Es kostete am Leben zu sein. "Vielleicht verletzen wir uns einfach mit jedem Atemzug unserer Existenz." Offen dachte der Alte nach, seinen Blick herab sinkend auf diese Tasse, die zerbrochen war. Zerbrochen, wie seine Ehre. Tiberius Vaash saß. Dieser Stuhl war Halt in einer unruhigen Zeit. Kurze Pause von Standhaftigkeit und Eifer. Ihre Berührung war Nähe gewesen, kurze Wärme, welche einen Hauch Heilung versprach. Ein Versprechen, welches so seltsam fremd war, dass der Alte es nicht glauben konnte. Gab es noch Heilung für diese Galaxis?

Die Augen wagten es nicht, die seltsame Figur von Agentin anzublicken. Der Stolz stand dem Mut im Wege. Dem Mut, Nähe zu suchen. Nähe in einem Imperium, welches trennte. Es trennte zwischen Arm und Reich. Funktion und Nicht-Funktion. Militär und Zivil. Es war so einfach sowie schwer. Sprechen sollte er? Sprechen! Ja, doch konnte er es nicht. Eriadu wog schwer mit seiner Gravitation. Seelische Wunden rissen trübe Schlieren in die Macht. Leid wuchs; zu Gunsten jener dunklen Mächte, welche den schwarzen Thron bestiegen hatten. Der ISB interessierte sich selten für seelisches Befinden, solange der Dienst und die Moral standen. Standhaftigkeit war der Faktor, nicht Seele. Etwas stimmte nicht. Nicht in diesem Moment, sondern an ihr. Der Alte bemerkte ehrliches Interesse an ihm, welches nicht normal war. Nicht normal in diesem Staate. Vaash suchte sich selbst. Er suchte einen Sinn für diese Situation. Wie lange war er fern seiner Heimat? Wie lange fern von einem Gefühl zuhause zu sein? Diese traurige Erkenntnis war die Essenz dieser beiden Fragen. Eriadu war seine neue Heimat. Nicht das reale Eriadu, sondern diese eine Schlacht, welche niemals enden konnte. Die Schreie, der Tod folgten ihm als Militär. "Ihr seid anders," offenbarte der Admiral seine Gedanken. Tiberius war sich klar, dass mit dieser Person vor ihm etwas nicht stimmte. Etwas, was gut war. Etwas was gut war, konnte hier nicht sein. Nicht hier auf diesem Schiff, neben ihm. Der Alte war von einer scheinenden Wärme umwogen, welche er noch nie gekannt hatte. Der Augenblick erhob sich vom Boden, suchte den ihren. Regeln brachen ein, vor sich selbst. Die Uniform trat zurück, hinter eine Hoffnung auf Erlösung. Eine Wahrheit, welche nicht bestimmbar war. "Wissen SIE was Krieg wirklich ist?" Er beugte sich vor, wobei seine Gelenke knackten, mühsam in der Bewegung. Ernst waren seine Augen, wobei zwei Tränen aus ihnen fielen, um am Boden zu zerschellen, wie einst die Veneratio auf Eriadu. Er wusste es. Der Alte wusste es und fürchtete ihn. Der Krieg war Furcht vor einem neuen Tag. Vor einem Ende fern aller Hoffnung. Der Krieg war hier, mit ihm; in dieser Uniform.

Dann sackte er zurück in den Stuhl, ließ die Arme auf die Lehnen fallen. Er hing in diesem Sitzobjekt, wie eine Leiche, von Trauer zerfressen, verlassen von seinem Mut. Müdigkeit ummantelte ihn sanft. Jeder sah es, dass dieser Mann aufgebraucht war. Aufgebraucht von allen Tagen, ausgesaugt von der Verantwortung und leer von Blut. Liebe war ihm fern, doch nicht verloren. Er lebte noch, das Herz schlug gegen den Verfall an, mit aller Kraft eines Kriegers. Die Atmung flachte ab.
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#38
Es schien, als habe Sedrael hier einen emotionalen Menschen vor sich, in dem sich schon seit langer Zeit Gefühle angestaut hatten, die sich ihre Bahn zu brechen versuchten, aber mühsam zurückgehalten wurden, um nicht vollständig die Kontrolle über den eigenen Körper und Geist zu verlieren. Der Mann trauerte, innerlich wie äußerlich, eine zweifelnde, instabile Persönlichkeit, welche zu viel in zu wenig Zeit erlebt hatte. Galgenhumor. Sedrael betrachtete sein falsches Lachen regungslos. Der zynische Humor rang ihren Mundwinkeln nicht einmal ein Zucken ab, es war eine wenig amüsante Äußerung, die seinen viel zu grausamen Zustand nur noch weiter untermauerte, als dass die Sephi es amüsant gefunden hätte. Sie ließ ihn zunächst reden, ausreden. Er tat das, was sie ihm geraten hatte und im Aussprechen erfolgte immer auch eine Analyse der eigenen Situation, die ihm von Wort zu Wort klarer ins Gesicht geschrieben stand. Irgendwann senkte der Mann seinen Blick Richtung Boden und Sedrael ließ die Stille einen Augenblick auf die beiden wirken.
„Es ist nur natürlich, in Leidenszeiten mit seinem Los zu hadern“, begann sie nach einer Weile nachdenklich. „Und es ist immer schwierig, in diesen noch so etwas wie Sinn zu erkennen, ganz gleich, ob wir sie selbst verursachten, sie miterlebten oder nur von ihnen hörten.“
Sie gab damit weit mehr über sich selbst preis, als der alte Mensch vor ihr wohl je ahnen würde. Firrerre hatte sie auch zweifeln lassen, letztlich tat es das immer noch und brannte in ihrem Herzen weiterhin als stechender Schmerz, wenn sie nur daran dachte. Ja, es war schwer. Sehr schwer. Sie konnte sich nicht einmal vorstellen, wie es überhaupt zu ertragen wäre, wenn man nicht wusste, nicht jede Sekunde fühlen und spüren konnte, dass da wirklich noch etwas Größeres in dieser Galaxis war, das alles trug, das alles schuf und alles entfernte, eingedenk des Plans, den niemand kannte oder je kennen würde. Aber die Formung der Galaxis war da, beständig, wenn auch langsam. Es war nicht erklärbar, jedenfalls nicht wirklich. Einem Tauben Musik zu erklären war leichter. Man musste es fühlen, sich hingeben, um es als ebenso real wie alles andere ansehen zu können.
„Und doch. Alles hat einen Sinn. Wir sind nur nicht immer in der Lage, ihn auch direkt oder überhaupt Zeit unseres Lebens zu erkennen. Und selbst wenn wir ihn finden, mag er uns nicht immer zusagen. Leben und Sinn bedeuten nicht automatisch auch Zufriedenheit und Glück.“
War das eine befriedigende Antwort? Natürlich nicht. Und doch war es so. Die Macht war eben, was sie war, und tat, was sie tat. Aus welchen Motivationen heraus auch immer. Niemand würde es je vollständig erfahren können, sondern allenfalls einen kurzen Blick in den Spalt einer geöffneten Türe werfen, um den kleinen Ausschnitt aus dem großen Ganzen betrachten zu können. Für einen Nichtsensitiven mochte das alles schwer begreiflich und allzu phrasenhaft klingen, daher entschied sich Sedrael nach einem Moment, es nicht bei dieser knappen, vielleicht zu knappen Erläuterung ihrer Ansicht zu belassen.
„Jedes Unglück, das uns widerfährt, prägt uns in vielerlei Weise. Bewusst wie unbewusst. Und jede solcher Prägungen veranlasst uns, in der Zukunft in irgendeiner Form anders zu reagieren als zuvor. Schmerz und Leid ist stets ein Katalysator der Veränderung, im Großen und im Kleinen. Irgendwann sind all diese einzelnen Prägungen reif und läuten eine neue Epoche im Geschichtsbuch ein. So zieht das Althergebrachte an uns vorüber, fähig, von uns entweder betrauert oder verachtet zu werden, doch unwiederbringlich vorbei, um Raum für das Neue zu schaffen.“
Schamlos hob sie ihre linke Hand an und klopfte mit ihrer Handfläche einmal tätschelnd gegen eine seiner, die auf dem Tisch platziert lag, um den Blick auf sich zu richten. Nur einen kurzen Moment lang, gerade so, dass sie sich seiner Aufmerksamkeit sicher war.
„Suchen Sie also nicht den Sinn für die Vergangenheit, denn selbst wenn Sie ihn finden, wird er das Geschehene nicht mehr rückgängig machen können. Suchen Sie vielmehr den für die Zukunft, den, der noch zu formen und zu gestalten ist. Und vielleicht finden Sie dann auch wieder das, was Sie verloren glauben.“
Sedrel erhob sich von ihrem Stuhl, legte beide Handflächen einen Moment lang auf der Lehne ab.
Jeder kann so viel mehr sein als er heute vielleicht denkt“, schloss sie schließlich und ließ ihm einen Moment des Nachdenkens. So allgemein ihre Wortwahl als solche war, so implizit war die Interpretation, dass das nicht nur, sondern vor allem auch für die Person Tiberius Vaash galt. Sie, die Zweifelnden, die Verlorenen waren der Schlüssel dazu, dies alles wieder in eine gesunde Balance richten zu können. Der Zweifel musste nur reifen, sich verbreiten, umso klarer wurden allen Gefangenen dieses Systems dessen Dornen, die sich immer tiefer in das eigene Fleisch fraßen und sich blutdürstig an den Wunden labten. Aus Zweifel erwuchs der Widerstand, der die Dornen wenn auch schmerzhaft packte und endlich abstreifte, mit Hilfe anderer sich befreite und die Tortur nach dem Nachlassen der schmerzenden Rettung sodann hinter sich wissen konnte. Erst dann war es endgültig vorüber. Doch Tiberius Vaash und andere klammerten sich noch immer an die Dornen, hofften, dass ihre enger werdende Schlinge mit genug Täuschung endlich nachließ – etwas, das nie geschehen würde, ganz gleich was sie auch taten, um der Dornenranke zu gefallen. Denn sie nährte sich, gleichermaßen an Gegner wie Unterstützer, an Freund wie Feind. Es war ihr einerlei, solange niemand ernsthaft ihren Griff störte.

Mit ein paar Schritten stand Sedrael wieder an der Ausgabe. Der R5-Droide rollte inzwischen hinter einer Öffnung der großen Theke hervor, sah mechanisch aus einem roten Bullauge auf die seltsame Szenerie und kam vor den Scherben der Tasse schließlich ein Mal piepend zum Stillstand. Die verlassene Jedi sah zu dem Geschöpf hinunter, wie dieses seine feinen Utensilien einsetzte, um alle Scherben binnen Sekunden einzusammeln und schließlich mit einem fast lautlosen Vac-Sauger die Kaf-Pfütze entfernte. Das war das, worauf alle hinauslaufen sollten. Drohnen, Roboter. Es war die Vision, die Reah Nigidus ihr vor kurzem gezeigt hatte, die Zukunft, vor der sich die Inquisitorin gefürchtet hatte. Und es war das, was dieses System vorantrieb und manche mitmachten, und erst jetzt realisierten, wie selbstzerstörerisch das alles irgendwann wurde. Es war kein Zustand, der dauerhaft halten konnte, die Gleichförmigkeit war viel zu widernatürlich, zu erzwungen. Der Droide rollte davon, zurück hinter die Theke und schaltete sich wieder ab. Zweck erfüllt.
Ihr seid anders. Anders? Als wer? Jeder andere? Das mochte sicherlich so sein, genauso wie es auf jedes andere Individuum zutraf. Sie empfand das aus ihrer Warte heraus gar nicht als Drohung oder als besondere Wahrnehmung seinerseits. Geschweige denn als etwas Schlimmes. Sie schenkte sich ein neues Wasser ein, nachdem sie vorhin ihr Glas dem alten Menschen überreicht hatte und drehte sich wieder zu ihm um, lehnte sich mit dem Gesäß gegen die freie Theke und schlug die gestiefelten Beine übereinander, so dass ihre rechte Schuhspitze den Boden der Messe berührte.
„Hm… nein“, widersprach sie dann, das Glas in ihrer Linken, während sie für einen kurzen Augenblick freudlos lächelte, und schüttelte leicht den Kopf. „Ich bin nur… ich. Also nur etwas, das jeder auf seine ganz eigene Art ist. Oder zumindest sein sollte.“
Während ihres letzten Satzes schweifte ihr Blick allmählich ab. Diese uniforme Gleichartigkeit, die sie vor allem in den weißgepanzerten Fratzen gespürt hatte, war entsetzlich gewesen. Fast als wären sie nicht Individuen, sondern alle nur Einzelteile eines großen Kollektivs, in dem jedes Teil möglichst identisch zu sein hatte. Unförmige Teile passten nicht hinein, mussten aussortiert werden. Gefühle und Emotionen wurden aus den Körpern gepresst und mit Ordnung und Linie ersetzt.
„Die Hingabe zu größeren Ideen ist wichtig. Doch niemand sollte je vergessen, wer er ist und woher er kommt. Denn nur dann ist der eigene Blick auf den Sinn ungetrübt und nicht voreingenommen durch äußere Einflüsse. Auch wenn der Krieg es uns allen erschwert.“
Der Krieg war immer noch das, was die Ranke am besten ausstoßen ließ. Und das, was die Gefangenen am meisten zeichnete. Natürlich wusste sie, was er bedeutete. Sie hatte die Verwundeten im Tempel mitbehandeln müssen, für solche schweren Fälle, die nur in den besten Medi-Zentren der Galaxis behadelt werden können. Das, und nur das, war es, was Krieg wirklich bedeutete. An Leib und Seele verstümmelte Gestalten, die meist auch nur ein friedliches, unaufgeregtes Leben für sich gewünscht hatten und Zeit ihres Lebens zerschlagen waren. Und dann war da noch… Ihre Gesichtszüge wurden kantiger, als sie ihre freie Hand um ihren Unterkörper schlang und ein Stück weit zu versteifen schien.
„Ich stamme von Firrerre“, beantwortete sie seine Frage schließlich frostig. „Und dennoch bin ich hier, hier mit Ihnen.“
Das fahle, unterkühlte Gesicht der Sephi senkte sich etwas, während der Blick aus den blauen Augen sich wieder auf den Offizier fixierte, der wie ein Häufchen Elend dort auf dem Stuhl saß. Er war Militär, er hantierte mit Tod, erlebte ihn alltäglich. Tod war sein Geschäft. Doch hatte er je seine Heimat verloren, sie im Flammenmeer brennen sehen? Seine Familie verloren? Seinen Mentor? Seinen Orden, erst ideologisch, dann auch rein faktisch? Im Prinzip alle, die er je gekannt und gemocht hatte? Wahrscheinlich nicht. Ihr Blick bohrte sich in den Bereich hinter seine nässelnden Augen.
„Aber wissen Sie es denn auch, Tiberius? Auf die Art, wie ich es weiß?“
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#39
Konnte Finsternis einen Schatten werfen? Jene Frage hatte sich spontan im Geist der Hexe manifestiert, doch blieb fest verschlossen wie eine fremdartige Rätselkartusche. Es ging dabei keinesfalls um ja und nein, schwarz oder weiß, sondern um das was. Was würde dieser Schatten zeigen? Den fürchterlichen Abgrund wohl kaum, der Abgrund war stets präsent, er war die Scheinrealität, das die dunkle Seite in die Galaxis projizierte, eben jene klaffende Wunde, in der sie ihre Knechtschaft gefangen hielt. Reah stellte sich ihren Schatten als rußgeschwärzten Spiegel vor, ein Objekt, mächtig genug die wahre Wirklichkeit zu zeigen, wenn sie es nur erkennen konnte. Doch der angesengte Ruß vermochte sich nicht abwaschen zu lassen und der Versuch in mit einem scharfen Messer zu entfernen, würde das Glas zerkratzen. Ein Dilemma, ein Fluch. Die Dunkelheit verbarg vor ihrem Auge, was um ihr herum geschah, geschehen würde. Ihre Gedanken flossen zurück zum grundsätzlichen Anker der Finsternis, ein Gedanke, der sie schon geraume Zeit bewegte. Die Furcht vor der eigenen Bestie, ließ die lichtscheuen Diener wild um sich schlagen. Unberechenbar und verzweifelt, wurden jene teuren Geschöpfe erschlagen, die sich im Dunkeln nicht identifizieren ließen. "Das ist ein verdammter Fluch.", murmelte die Hexe undeutlich zu sich selbst. Doch jene überschätzten Wesen, die nur zu gern Verwünschungen anderen gegenüber aussprachen, waren nur allzu unbeholfen darin sie selbst zu brechen. Der Makel auf ihrem Arm zeigte dies nur zu deutlich. Stoisch blickte sie das Mal des Vesperum an, das ihn als seine Sith identifizieren sollte. Es beeinträchtigte sie nicht in ihren Aktionen aber... es erinnerte. Jeder Blick auf das scheußliche Zeichen verzehrte ihre Wahrnehmung in eine Richtung, die ihr sagte, dass sie doch nur der klägliche Diener eines höheren Meisters war und ganz wie der Ruß auf dem Spiegel, vermochte es sich nicht abwaschen zu lassen. Sie konnte es zerkratzen, versengen - doch würde jener zusätzliche Makel, jene Verzweiflungstat, sie dann nicht nur noch stärker daran erinnern, wem sie gehören sollte? Niemandem. Ein Gedanke, wie ein fein leuchtender Lichtschwertkristall in den schwarzen Katakomben, etwas Kleines ganz fragiles, nur allzu leicht zu verlieren, das Hoffnung spendete.

Wie lange aber mochte ein solcher Hoffnungsschimmer sie halten? Wie lange mochte es dauern, bis die Hexe ihn in der Hand zerdrückte, bis der Kristall zu Sternenstaub wurde, der ihr durch die Finger rieselte? Die Verlockung des Abgrunds war stets groß, selbst jetzt noch, hier, allein insbesondere. Es war nur allzu leicht sich wieder fallen zu lassen. Grausamkeit war immer leicht. Seinen Instinkten nachzugeben erforderte keine Schwierigkeit, denn Bestien waren sie alle. Viel komplizierter gestaltete es sich, die inneren Dämonen zu kontrollieren, die Macht über das Wesen zu behalten, dass sich gegen den Instinkt behaupten konnte. Willensstärke war der Schlüssel - doch zum welchem Schloss? Machte es einen Unterschied einen philosophischen Standpunkt zu verteidigen, zu umklammern? Oder war es letztendlich einerlei, ob sie sich nicht einfach in eine andere fallen ließ? Die Rechnung war eine sehr einfache: die Hexe würde Überlegung gegen Aktionismus eintauschen, die Feder gegen das Schwert. Eine komplizierte Angelegenheit, von der Reah wusste, dass sie sich nur just in diesem Moment und an diesem Ort stellte, hier, allein in ihrem Quartier. Wäre Sedrael hier, käme es nicht dazu. Doch gleichzeitig wusste sie, dass diese Fragen notwendig waren, selbst wenn Antworten ausblieben, denn es mochte eine Zeit kommen, in der es die Sephi nicht gab und der Schatten allein voraneilen musste. Selbst wenn nicht, so konnte sie doch klar und deutlich die Abhängigkeit, die Klammerung erkennen, die sie diesem Individuum gegenüber aufbrachte - eben jener absolute Eifer, der sie einst an ihre mörderische Tätigkeit band. Ein weiterer Zweifel kam auf. Reah hatte Sedrael gesagt, dass sie ihre Ausbildung offensichtlich nicht beendet hatte, gewissermaßen immer noch eine Novizin war. Was aber, mochte der Umkehrschluss nun über Reah Nigidus aussagen, die offenbar nur noch schwerlich zu selbstständigem Handeln fähig war? Nur ein Meister des Bösen, Darth. Sie spürte wie sich ihre Hände verkrampften, sich Fingernägel in fahles Fleisch gruben, wütend, aber auch traurig über diesen Umstand. War ihr das eigene Leben so wenig wert, so unwichtig geworden, dass sie es seit Jahren nur noch an Personen, an Institutionen band? Ihre Seele in einem Brunnen der Ewigkeit verankerte, fest davon überzeugt, alles zu überdauern, zu überstehen, bis es anders wurde? Sie blinzelte perplex die kalte, nackte Durastahlwand des Schiffes an. Das Gefängnis für die Bestie, ein Käfig für einen Köter, der nach Befehl schnappte, selbst wenn er so tat, als wäre er ungezogen. Reah versuchte ein trockenes Lächeln. Denn was, außer diesem kindlichen Trotz, dieser gespielten Annahme nicht mehr dazu zu gehören, blieb denn noch übrig? Kannte Sedrael die Antwort? Und wenn ja, warum kannte sie, sie selbst nicht?

Der Schatten erhob sich aus seinem Grab und legte sein Elfenbeinantlitz ab. Eine Schwache Erinnerung kam empor, es gab Gesichter, abnderswo gab es sie, vielfältige Fratzen. Nicht im Imperium, nicht da, wo alle nur Maschinen waren, stoisch und berechenbar, effizient aber tot. Scheu schlich das finstere Wesen hinaus zur Luke, die sie wieder in die Eingeweide des Kreuzers führte, dort, wo diese mechanischen Maden herumkrochen, die diesen Koloss zusammenhielten. Vor den Türen war der Druck stets größer, vor dem eigenen Verlies gab es Geräusche, Worte, die eine Bestie gedeihen ließen. Denn die Gesprächsthemen der Besatzung waren klar: Einsätze, Krieg, Mord. Die Galaxis allein, drehte sich um das Blut und wieder nun stellte sich die Frage, wie lange es dauern musste, bis sie in diesem stinkenden Morast versank. Der Schatten beschleunigte seine Schritte und suchte nach der einzigen hellen Präsenz, die diese Dunkelheit zu erleuchten vermochte. Vielleicht die einzige Quelle der Wärme, in diesem kalten, toten Reich. Vielleicht auch das einzige Wesen, das nicht den beißenden Gestank von Stress und Angst ausstieß.
Zu ihrer eigenen Überraschung, befand sich Reah Nigidus in einer Cantina, einem Ort, den sie bisher definitiv noch nicht aufgesucht hatte, einem Ort, wo das gewöhnliche Volk sich versammelte und wie sie eintrat, spürte sie auch, wie eine Furcht vor dieser Fremdartigkeit sie erfasste. Keine Panik, doch aber, ein Gefühl des Unwohlseins, ihr Bewusstsein stellte fest, dass sie eine Komponente in diesem Raum war, die nicht hierhin passen konnte und sollte. Die Hexe vermied es einen weiteren Schritt nach vorn zu tätigen. Ihre Augen musterten die Anwesenden, ihre Agentin, jene hoch geschätzte Sephi, ehe sich die Lider senkten und der Blick in einen ungeschützten Rücken viel. Ein alter, wehrloser Mann. Tiberius Vaash. Keine Gefahr, doch wie er saß, wie er sich präsentierte, war die Rolle eines Opfers. Sie atmete ruhig aus. "Gute Taten sind nicht immer Weise und böse Taten sind nicht immer dumm. Dennoch sollten wir danach streben Gutes zu tun. Ist dem nicht so, Admiral Vaash?" Der kalte Stahl der Stimme, das pure Gift auf der Zunge, zerschnitt die Ruhe des Raumes und wie ein falsch getroffener Ton in einem Musikstück, verbreitete sich Disharmonie, einem durchdringenden Nebel gleich.
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#40
Tiberius Vaash. Nicht nur ein Name, sondern auch eine Legende unter den Dienenden. Nicht unbedingt unter allen Soldaten bekannt aber sehr wohl in den entsprechenden Etagen einer selbsternannten Elite. An jenem Tag, als er Vesperum auf den Thron brachte und auch an jenem Schicksalstag über Eriadu, war der Name Vaash in die imperiale Geschichte eingegangen. Ob er wollte oder nicht, dieser Mann war Geschichte. Jeder Schritt, den er tat, würde später beurteilt oder verurteilt werden. Militärs mit derartigen Abzeichen, die eines Admirals, wurden nicht einfach vergessen. Militärs kannten sich untereinander, wussten um die gemeinsamen Schicksale. Doch dieser Ruhm oder Schande waren hier nicht von Bedeutung. Die Last eines Kriegers war nicht die Entscheidung, sondern mit dieser zu leben. Nicht die Schlacht brach die Seele, sondern das Danach. Nicht der Moment machte das Monster, sondern die Bewertung. Tiberius Vaash bewertete sich selbst gerade. Mit dumpfen Schlägen war es sein Gewissen, welches zuschlug. Immer wieder, heftig. Alles, woran er sich erinnerte, war dieser Wunsch, hinein zu passen, in jene Ehre und das Weltbild eines Soldaten. Doch das Schwarz und Weiß vermochte nicht mehr zu funktionieren. Die Gefahr lag nicht mehr nur hinter einer Grenze, sondern auch in sich selbst. Er war nur ein Mann mit dem Wunsch, für etwas Gerechtes zu kämpfen. Zu kämpfen? Kampf war das einzige, was er beherrschte. Dies konnte er. Nicht immer gut aber auch nicht schlecht. Das wollte er. Doch mit dem Kampf kam die Verantwortung, für diese Taten, für die Gewalt sowie seine Kameraden. Die Gefahr war niemals Freund, sondern immer bedrohlich. Das Problem lag in ihm selbst, in diesem Wunsch, mit Gewalt etwas ändern zu kennen. Doch bestimmte nicht der Mächtige über das Geschick der Galaxis? Über die Bewertung, ob richtig oder falsch? Macht definierte alles. In diesem Gedanken lag Gift. Nämlich jene Erkenntnis, dass der Alte eigentlich machtlos war.

Seine militärische Macht war bedeutungslos, wenn der Feind nicht besiegt wurde. Bedeutungslos, wenn das Reich zerissen war. Bedeutungslos, wenn aus dem Krieg nichts Großes hervortrat. In der Tat war etwas hervorgetreten, eine unheilvolle Macht, aus dem Abgründen der Hölle. Nein, das wollte er nicht. Dieses Monster. Leider kam der Wunsch auf, anders zu sein. Doch man war nie anders. Er blieb immer Tiberius Vaash. Der Kaisermacher. Der Veteran. Der Alte. Der Verlierer. So deutlich war es. Er war verantwortlich für Vesperum. Für diesen Zustand. Hätte er etwas anders machen können? Das Imperium musste gerettet werden. Geeint gestellt werden. Doch diese Bürde hatte er sich angemaßt. Und damit war er selbst das Monster, welches er geboren hatte. Vesperum war nur Symptom seiner Entscheidung. Gedanken, zogen, wie eine traurige Spieluhr hinauf, verschwanden und kamen erneut. Die Bilder, die Schreie und das Gefühl des Unbehagens. Reue - fasste es zusammen. Würde ihn eines Tages, sein Sohn fragen, was er im Krieg getan? Warum er Nachts still weinte? Würde er überhaupt überleben? Fragen blieben. Es gab keine sauberen, trennscharfen Antworten. Krieg war in ihm; mit ihm. Die Fragen brachten das Leid zurück. In diese Sekunde. Er betete; zu keinem Gott, zu keiner Macht. Doch er tat es. "Was habe ich getan?" - fiel fast wortlos dieser Satz aus seinem krauchenden Mundwerk. Die ISB-Agentin, welche sich Maledice nannte, konnte nicht mehr eingeordnet werden. Nicht mehr bestimmt werden. Ihre Sätze waren fremd gerückt. Ausgetauscht mit seinem eigenen Mitgefühl. Mitgefühl für sich, aber nicht nur. Es blieb auch das große Gefühl, des Versagens. Er war der Krieg. Er machte ihn möglich. Er machte ihn einfach. Nicht Vesperum. Nicht das Oberkommando, sondern er selbst waren Eriadu. Er war auch Coruscant. Er war Endor. Er war auch der Tote auf Talasea. Die unsägliche Geschichte konnte nicht mehr enden. Nicht für ihn, aber für Galaxis. Die Kinder nach dem Krieg.

Er musste enden, irgendwie. Irgendwann würde er das auch. Ohne ihn. Wenn man sich selbst überlebte, um zu erkennen, dass der Eid, den man geschworen hatte, die Ideale für die er stand, verloren waren. Verloren in den Gebeinen des blutigen Konfliktes, welche bereits Dekaden hielt. Nichts hatte einen Sinn. Nichts hatte je Sinn gehabt. Man war da. Einfach da. Einem Militär schien jenes Schicksalsgerede wie Hohn. "Nichts hat Sinn. Nichts hat je Sinn gehabt," sprach er schließlich und blickte die elfische Figur verlassen an. "Es mag uns prägen, verändern aber am Ende bleibt nur eines," formulierte er einen zynischen Gedanken, welcher länger in ihm, wie Krebs gewachsen war. "... der Tod." Egal, was er tat, was er hoffte und überlebte, am Ende war nur eines klar, sein Tod. Nicht für das Reich. Nicht für die Politik oder Familie. Am Ende war sie allen vergangen. "Die Zukunft stirbt ebenso. Es zählt nur, wie man uns in Erinnerung hat." Indirekt griff er sogar die Aussagen aus einem vergangenen Gespräch auf. Dem Gespräch mit Vize-Admiral Cassio Acchetia. In der Tat war für einen Militär nur noch sein Andenken wichtig. Der idealisierte falsche Mut. Es gab auch keine Alternative nach dem Bad des Blutes, als diese eine Hoffnung, besser in Erinnerung zu bleiben, als man sich selbst sah. DIe Vergötterung des eigenen Andenkens war nicht untypisch für Soldaten. Mehr blieb auch selten von einem, wenn man erstochen, zerblastert oder verbrannt wurde. Tod war der Gefährte, neben der Hoffnung, jener Männer, welche unter den öligen Bajonetten, den schlammigen Bannern und staubigen Waffen standen. Ihre Worte brachten nur die Pein zurück. Das Gebet eines müden Soldat war die einzige wahre Antwort, die er erbringen konnte: "Möge die Macht uns allen, Gnade zu Teil werden lassen." Gnade. Ein Wort, welches nur Militärs wahrhaft verstanden. Eine Floskel, welche noch in alten Veteranen Bestand hatte. Dieser Satz, welcher nur noch alten Republikanern etwas bedeutete aber nie für sie an Wert verloren hatte. Die Macht war für sie nur Aberglaube aber nicht den Wert der Gnade schmälernd. Vielleicht war doch ein kleiner Funken Glauben in Vaash. Ein wenig alte Zeit, welche mit ihrer Ehre Antlitz seiner Visionen war. Ein Staat der Ehre und Anstandes. Wo der Kampf immer ein guter Kampf war. Einst hatte er sich dem verschrieben, niemals ganz verloren war diese Hoffnung, der sich unterschwellig mit dieser Floskel "um die heilige Macht" verband. Sie nannte ihn Tiberius. Bei seinem Vornamen, unüblich, wie unpassend aber nicht schändlich. Irgendwie konnte und wollte er es nicht ansprechen. Es passte ihm einfach so. Immerhin hatte er sich schwach präsentiert, so dass man nun nicht in eine vermeindliche Stärkeposition zurückfinden musste. Noch nicht zumindest.

Etwas stimmte nicht. Die Ansammlung von Empathie, Nähe und ihrer Erscheinung passte nicht zusammen. Vaash durchblickte etwas, was von ersonnene Unechtheit war. Nicht ganz verstand er, zu groß war die Furcht vor dem Apparat des Sicherheitsbüros. Diesem bösartigen Wesen, welches Moral durch Gewalt erzwang. Abweichung duldete das Reich nicht. Es war mitunter nur eine neue Masche, Offiziere zu prüfen. Doch etwas in dem Alten sagte etwas anderes. Diese Frau vor ihm, war anders. Anders als jene Gestalten, welche sonst auf den Sternenschiffen auftauchten. Als Flottenoffizier hatte er ohnehin ein dediziertes Verhältnis zu solchen Moralwächtern. Moral konnte man nicht erzwingen, sondenr sie entstand aus Überzeugung. Überzeugung hatten sie alle einst. Firerre? Der alte Mann überlegte, kam zur Erkenntnis, dass diese Welt vergangen war und einst an einer elenden Seuche gelitten hatte. Dieses Geschöpf hatte viel verloren und war dennoch überzeugte Agentin eines Apparates, welchen diesen Verlust hervorgebracht hatte? Nicht, dass Vaash jemals Verräter aus Überzeugung war, oder wirklich verraten wollte, doch konnte er sich diesem Gedanken nicht entziehen, dass er vielleicht über einen Verrat nachdenken würde, wenn man dies Carida angetan hätte. Seiner Familie, seiner Heimat. Die ISB-Uniform erschien ihm unpassend an dieser Frau. "Sie scheinen mehr zu wissen, als sie zugeben. Mein Beileid," kombinierte er zwei Antworten in einer. Vielsagend blickte er mit einem traurigen Lächeln zu ihr. Er strahlte großväterliche Fürsorge aus. Nein, unterstellen wollte der alte Militär nicht. Nicht mehr. Dafür erschien diese Alien-Frau ihm zu zerbrechlich, viel zu sanft. Es war ihm wohl auch egal, dass etwas nicht stimmte. Es passte für den Moment. Manchmal musste man nicht mehr wissen, wenn man bereits erahnen konnte, wohin diese Erkenntnisse führen würden. Zu nichts Gutem. "Ideale sind vergänglich. Es zählt nur die Realität," wollte er gerade noch aussprechen; tat es auch als eine dubiose Gestalt in seltsamer Kleidung auftrat. Ihr Auftreten, ihre Erscheinung, alles schrie förmlich dunkler Jedi. Eine Person aus dem finsteren Kreis um diesen grausamen Tyrannen Vesperum. Vaash konnte sie noch nicht sehen, würde aber alsbald einen Blick auf sie werfen müssen. Ihre kalte, stahlhafte Stimme durchschnitt den Raum. Ihre Frage war böse, zynisch und verletzten. Sie traf genau dort, wo Vaash verwundbar war. Sie war der Blasterschuss in seine Brust, welchen er gerade nicht gebrauchte. Er zitterte kurz, kaum merklich, als ihn diese Kälte beschlich. Dieses eine Gefühl, welche er sonst nur in Vesperums Nähe hatte. Diese kriechende Kälte, welche allen dunklen Dienern anhaftete. Nicht, dass der alte Mann dies wissen konnte, doch ihm war klar, dass dieser Frost nur von Machtnutzern ausgehen konnte. Für ihn war dies das Indiz eines dunklen Jedis in der Nähe. So war es auch. So riskierte er fast unschuldig-ängstlich einen Blick zurück. Dort stand sie. Das wahre Monster. Die Hexe. Es musste sie sein. Sie war hier. Reah Nigidus. Noch nie hatte er sie leibhaftig gesehen aber an ihrer Erscheinung gab es keinen Zweifel. Furchtbar! Der alte Mann wollte sich erheben, flüchten von dieser kruden Gestalt, wie einst vor Vesperum. Doch die Kraft war ihm abhanden gekommen. So verharrte er, presste die Lippen im Zuge des kalten, nicht-vorhandenen Windes, zusammen. Stille. Er wandte den Blick zur elfischen Figur zurück. Sie war eindeutig aus besserem Holz geschnitzt als jene dunkle Skulptur hinter ihm.

Vielleicht sogar Stein. Stein war kalt, Holz war warm. Die Nähe zur Agentin war ihm lieber als zur Inquisitorin. Auch wenn er sich täuschen konnte, war ihm die Täuschung lieber. Selbstbetrug war oft die Rettung für eine verlorene Seele. Gutes. Es gab nichts Gutes hier. Nicht mehr. "Wir sollten...," versuchte der Mann zu antworten, welcher mehr Zeit im Krieg verbracht hatte, als gut war. "... das tun, was uns richtig erscheint." Und so erfüllte sich diese eine Prophezeihung, die einst sein gefallener Freund gegeben hatte. Der Eid kostete. Immer. Ihn zu erfüllen, war mit Preisen verbunden, die oft mehr kosteten, als man je zahlen konnte. "Gut und Böse gibt es nicht. Nur Realitäten. Fakten." Der alte Veteran versuchte es sich einfach zu machen. Moral bei Seite zu schieben, für jene Aussage - eine Lüge. Es war nicht vorbei. Dafür war zu gut, zu ehrenhaft. Der Eid war die Kette, die ihn band. Ihn veranlasste dies zu sagen. Es machte es einfacher, viel einfacher, mit diesem Krieg umzugehen. Einsam kochte sein Herz im frostigen Wind dieser Episode. Die dunkle Jedi war genauso bösartig kalt, wie Darth Vesperum. Unangenehm war es ihm und so wollte er bald gehen. Noch einmal flüchten, vor der eigenen Verantwortung. So schändlich es auch war. Man musste überleben. Irgendwie. Auch hier. Mitunter war dies auch die Hölle, die er sich selbst geschaffen hatte. Durch seinen Krieg. Denn er war der Krieg, wie jeder andere Offizier im Reich auch. Mitschuldig, mitkämpfend und verloren in den endlosen Stahlkolossen der Flotte. Dies war sein Überleben, bis zum Tod.
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