#21
Tat er das? Alexia kannte ihren Ruf zugegebenermaßen nicht und beschäftigte sich für gewöhnlich auch nicht damit, was andere Personen über sie dachten oder wie populär sie tatsächlich an der Universität war. Derartige Dinge lenkten nur ab und es gab genügend Forscher, die unter ihrem Ehrgeiz zusammenbrachen - nicht etwa weil sie auf wissenschaftlicher Ebene betrachtet Narren waren, sondern weil sie sich von der Profilierungssucht anstecken ließen, dem irrsinnigen Wunsch, etwas Besonderes sein zu wollen. Die Doktorin arbeitete in dieser Hinsicht ergebnisorientierter und war mehr auf das Ziel ihrer Arbeit fixiert und weniger darauf, welchen Ruhm es ihr einbringen konnte. Die gesellschaftliche Anerkennung hing ohnehin enorm vom Zeitgeist ab und es nützte daher nur wenig Energie in eine Wahnvorstellung zu verschwenden, wenn die Gesellschaft noch nicht bereit war die Nützlichkeit einer solchen Entdeckung zu verstehen. Ein Zustand, der sich sicherlich kritisieren ließ, letztendlich aber nur selten eine merkliche Veränderung herbeiführte. In diesem Falle prallte das Lob des Generals unbeeindruckt von ihr ab. Es schadete sicherlich nicht, wenn er tatsächlich von ihr gehört hatte, änderte aber nichts an den Umständen.
Überhaupt schien Derricote beinahe überaus freundlich, bis hin zu einem Punkt, wo es ihr selbst ein wenig peinlich war. Es war sicherlich keine lobenswerte Leistung sich den Inhalt einer Holonetznachricht zu merken, erst recht würde sie es niemals als "Fachkenntnisse" beschreiben, doch der General tat es und sie ließ ihn. Vielleicht war es nur Teil einer Vorzugsbehandlung des beleibten Offiziers, dass sie sich besser und schneller einleben konnte, anstatt sie mit dem Militärprotokoll zu langweilen und womöglich auch zu überfordern.

Alexia folgte dem Deuten des Generals und setzte sich in Bewegung, überrascht darüber, wie anstrengend es sein konnte langsam zu gehen. Aber es wäre unhöflich und unangebracht gewesen, Derricote darum zu bitten das Schritttempo zu erhören und so, ergab sie sich schlichtweg ihrem Schicksal und lauschte weiter seinen Worten. Mit ungewohnt ernster Miene betrachtete er sie während seiner Ausführungen - er spielte also mit offenen Karten, eine Eigenschaft, die die Doktorin schätzte. Die Holoaufzeichnungen, die sie sich während des Fluges angesehen hatte, rückten wieder in ihr Gedächtnis. Der Mann hatte recht - es war abscheulich aber auch irgendwo faszinierend und interessant und offenbar etwas völlig neues und unbekanntes. "Dessen bin ich mir bewusst.", erwiderte die Wissenschaftlerin ernst, "Captain Allant war so freundlich mir während des Überfluges grob zu zeigen mit was Sie sich befassen - beeindruckend." Und nicht minder abscheulich, jedoch bei weitem nicht genug, um sie abzuschrecken. Alexia war den Ekel gewohnt, vielleicht zierte man sich die ersten Wochen und Monate, doch früher oder später war der Punkt erreicht, an dem Abscheulichkeiten das Bewusstsein nicht länger tangierten und es nur noch um nüchterne Ergebnisse ging. Versuche dienten der kühlen Beobachtung, nicht dazu sich von Gefühlen übermannen zu lassen - weder dem Ergötzen am Abscheu, noch die Furcht davor.

Noch einmal, direkt vor dem Turbolift der in die Tiefen der Biowaffenfabrik führte, wies Derricote sie auf das unvermeidliche hin. Natürlich, das war Teil der Abmachung, der logische Teil, die nachvollziehbare Konsequenz: dieses Projekt unterlag höchster Geheimhaltung und einmal darin verwickelt, war es zu spät umzukehren und es sich anders zu überlegen, es zu überdenken und sich zurück in den tristen Alltag ins Imperiale Zentrum zu begeben. Alexia aber, sah es nicht als Bürde sondern vielmehr Chance, sich wieder uneingeschränkt dem widmen zu können, wofür ihre Leidenschaft brannte. "In Ordnung.", meinte sie mit einem kurzen Nicken und trat voran. "Ich denke übrigens nicht, dass das Brechen mit gängigen Konventionen ein Problem darstellen wird, General.", versuchte die Doktorin den Offizier zu beruhigen, während sie in den Lift trat, "Wenn ich so frei sein darf: ist die Lage im Zentrum desaströs - zumindest was viele Wissenschaften anbelangt. Der Senat kürzt vehement Fördergelder für die medizinische Fakultät und blockiert wichtige Forschungen.", empört sich die Doktorin, wenn auch eher in einem Plauderton, als, dass wirklicher persönlicher Ärger darin lag. "In Anbetracht der Lage mag es logisch erscheinen, dass die Entwicklung neuer Waffenträger favorisiert wird, aber ich frage mich, ist es tatsächlich die konventionelle Feuerkraft ist, an der es uns mangelt? Oder nicht doch eher die unkonventionelle?" Alexia hob eine Braue an und die eisblauen Augen fixierten den General, offensichtlich neugierig darüber, wie Derricote zu dieser Debatte stand. Für sie war die Entwicklung weiterer Kampfstationen, noch größerer Schlachtkreuzer und dergleichen eine sinnlose und übermäßige Verschwendung von Mitteln. Eine Biowaffe war ebenso in der Lage einen Planeten auszulöschen wie der Todesstern und besaß überdies den Vorteil, dass sie weitaus weniger auffällig war und für gewöhnlich weniger offensichtliche Schwachstellen besaß.
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